Kirgisistan

Hat Kirgisistan ein Schuldenproblem?

Kirgisistan weist trotz einzelner hoher Indikatoren aktuell keine Überschuldung auf. Die Indikatoren haben sich uneinheitlich und vereinzelt besorgniserregend entwickelt. Das Land ist anfällig für externe Schocks, insbesondere für Störungen bei den Rücküberweisungen kirgisischer Arbeiter*innen aus Russland und anderen Ländern.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)115,840
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)269,8150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)17,015
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)58,350
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)219,5200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)9,064 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)570,0 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Kirgisistan?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Kirgisistans Auslandsschulden entfallen knapp zur Hälfte auf die Schulden privater Unternehmen, Banken und Individuen bei ausländischen Banken. Die andere Hälfte besteht aus Schulden des kirgisischen Staates. Multilaterale Schulden bestehen hauptsächlich in Form von zinsgünstigen Krediten, während die bilateralen Schulden nur zum kleineren Teil als günstige Kredite ins Land gekommen sind. Der größere Teil resultiert aus marktnahen Kreditvergaben aus Handelsgeschäften.

Unter den multilateralen Gläubigern sind die Internationale Entwicklungsorganisation, eine Unterorganisation der Weltbankgruppe, und die Asiatische Entwicklungsbank mit Abstand die wichtigsten. Eine relativ große Zahl von insgesamt zwölf multilateralen Institutionen hält Forderungen an Kirgisistan, darunter auch wenig bekannte wie der Islamische Solidaritätsfonds.

Von 2,4 Milliarden US-Dollar öffentlicher bilateraler Auslandsschulden entfallen rund 1,7 Milliarden US-Dollar auf die chinesische Eximbank. Größere Entwicklungshilfegeber mit entsprechenden Forderungen an Kirgisistan sind Japan, China, die Türkei und Deutschland. Letzteres beansprucht nach Angaben der Weltbank rund 73 Millionen US-Dollar aus der Entwicklungszusammenarbeit und 7 Millionen US-Dollar aus öffentlich verbürgten Handelsgeschäften.

Mehr als 3,8 Milliarden US-Dollar werden von privaten kirgisischen Schuldnern ohne eine öffentliche Garantie privaten ausländischen Banken geschuldet.

Trend

Die Entwicklung der Schuldenindikatoren Kirgisistans ist uneinheitlich. In den Krisenjahren 2020 und 2021 sind die absoluten Schuldenstände tendenziell eher zurückgegangen, allerdings auch die Wirtschaftsleistung, so dass sich ein uneinheitliches Bild im Blick auf die Indikatoren, die sich auf die gesamte Wirtschaftsleistung beziehen (eher hoch) gegenüber denen, die sich auf Exporte und öffentliche Einnahmen beziehen (eher stabil oder leicht fallend).

Bisherige Schuldenerleichterungen für Kirgisistan

Kirgisistan hat 2002 von den im Pariser Club organisierten Gläubigerländern eine Umschuldung zu sogenannten Houston Terms erhalten, welche inzwischen ausgelaufen ist und vollständig beglichen wurde. 2005 erhielt das Land im Gegenzug für seinen Verzicht auf eine Einbeziehung in die Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Staaten (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) eine relativ großzügige Ad-hoc-Regelung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Pariser Club-Mitgliedern: Von den nicht-konzessionären Schulden wurden 50 Prozent gestrichen und der Rest langfristig umgeschuldet. Die Entwicklungshilfeschulden wurden zu den günstigen ursprünglichen Bedingungen langfristig umgeschuldet.

Im September 2021 nahm die Regierung Kirgisistans relativ spät das Angebot der G20 zur Teilnahme an der Moratoriumsinitiative Debt Service Suspension Initiative (DSSI) in Anspruch. Der dadurch gestundete Betrag fiel infolge der späten Inanspruchnahme mit 117 Millionen US-Dollar relativ bescheiden aus.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der Internationale Währungsfonds (IWF) bewertet das Überschuldungsrisiko Kirgisistans Ende November 2022 als „mittel“. Das heißt, dass das Land unter dem vom IWF für wahrscheinlich gehaltenen Basisszenario nicht in Zahlungsschwierigkeiten gerät, unter mindestens einem der routinemäßig durchgerechneten Krisenszenarien aber schon. Schocks könnten aus der hohen Abhängigkeit von den Rücküberweisungen von im Ausland lebenden Kirgis*innen (sie machen 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus) sowie die mögliche Einstellung der Goldproduktion, die für 38 Prozent der Hartwährungseinnahmen sorgt, resultieren. Ein weiteres Schock-Risiko stellen die wirtschaftlichen Folgen der russischen Aggression gegen die Ukraine dar.

Eine zusätzliche Belastung stellt der in den fünf Jahren von 2023 bis 2027 nachzuzahlende Schuldendienst, der im Rahmen der DSSI in der zweiten Jahreshälfte 2021 gestundet wurde, dar. Das sind zusätzlich etwas mehr als 20 Millionen US-Dollar in jedem dieser Jahre.

Politische Empfehlungen

Die Regierung muss für den Fall, dass die privaten Verbindlichkeiten kirgisischer Unternehmen gegenüber ausländischen Gläubigern zu Pleiten dieser Unternehmen führen, eine klare Strategie bezüglich Rettung oder Nicht-Rettung dieser Unternehmen haben. Wenn sie sich wegen der Bedeutung dieser Unternehmen oder wegen eventueller Verflechtungen der Unternehmen mit den politischen Entscheidungsträgern für eine Rettungsoption entscheiden sollte, sind die Spielräume im Staatshaushalt dafür gering.

Die Regierung sollte auf eine Situation vorbereitet sein, in der sie ihre Gläubiger – Chinas Eximbank und die Mitglieder des Pariser Clubs – sowie die Gläubiger der privaten kirgisischen Unternehmen um eine Umschuldung ersuchen muss. Sie sollte deshalb Initiativen in Richtung auf ein umfassendes Entschuldungsverfahren, etwa von Seiten der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), unterstützen.

Stand: Januar 2023

Gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des