Venezuela

Hat Venezuela ein Schuldenproblem?

Venezuela ist seit dem September 2017 im teilweisen Zahlungsausfall und hat aktuell ein massives Schuldenproblem. Der Einbruch des Ölpreises hat Venezuelas Hartwährungseinnahmen von 106 Milliarden US-Dollar 2008 auf weniger als 30 Milliarden 2016 fallen lassen.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2016)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)k.A.40
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)385,9150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)59,915
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)31,450
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)183,4200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)113,024 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)17,442 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Venezuela?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Venezuela ist nicht nur einer der dramatischsten, sondern auch einer der kompliziertesten Überschuldungsfälle zurzeit. Neben den eigentlichen Schulden des venezolanischen Staates tragen vor allem die Verbindlichkeiten der staatlichen Ölfirma PDVSA zu der dramatischen Situation bei. PDVSA ist mehr als ein normales öffentliches oder halböffentliches Unternehmen, da es als Monopolist des venezolanischen Ölexports bis zu 95 Prozent der jährlichen Deviseneinnahmen des Landes erzielt. Es ist davon auszugehen, dass die in der obigen Tabelle genannten Zahlen zur Gesamtverschuldung sich im Krisenjahr 2017 nochmals dramatisch erhöht haben. Ende 2017 gehen seriöse Schätzungen von einem Gesamtschuldenstand von rund 150 Milliarden US-Dollar aus.

Der größte Teil der Auslandsverbindlichkeiten besteht in Form von Anleihen des Staates beziehungsweise der PDVSA. Für Ende 2017 werden bereits 23 Milliarden US-Dollar. allein bei China und 18 Milliarden US-Dollar allein bei Russland genannt, überwiegend in Form von Anleihen, in geringerem Maße auch in Form von bilateralen Krediten.

Die Bundesrepublik Deutschland hält keine Forderungen an Venezuela.

Trend

Vom Beginn der Dekade bis etwa 2016 dauerte der Übergang von einem Nettokapitalexporteur zu einem hochverschuldeten Land. 2017 setzte mit den ersten Zahlungseinstellungen gegenüber einzelnen Gläubigern dann eine veritable Schuldenkrise ein.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Venezuela

Venezuela hat 1986, 1988 und 1990 seine damaligen Verbindlichkeiten gegenüber seinen privaten Gläubigern restrukturiert. Im letztgenannten Fall im Rahmen des Brady-Plans. Nur dabei gab es auch eine teilweise Reduzierung des Schuldsumme.

Im September 2017 hat die Regierung Maduro, die bis Mitte 2017 darauf bestanden hatte, ihre ausländischen Gläubiger notfalls auch auf Kosten der einheimischen Bevölkerung pünktlich zu bedienen, erstmals Zahlungen nicht leisten können. Das betraf zunächst nur kleinere Forderungen von Seiten der chilenischen Zentralbank und des ohnehin umstrittenen brasilianischen Bauunternehmens Odebrecht. Zum Jahresende wurde dann auch erstmals eine Couponzahlung der PDVSA nicht geleistet. Seither gilt Venezuela als „im teilweisen Zahlungsausfall“.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Von einer Tragfähigkeit der venezolanischen Schulden kann derzeit nicht mehr gesprochen werden. Mit Schulden von aktuell rund 150 Milliarden US-Dollar und Devisenreserven von unter 10 Milliarden US-Dollar ist Venezuela gezwungen, baldmöglichst seine Auslandsverbindlichkeiten umfassend zu restrukturieren.

Politische Empfehlungen

Russland und China haben Schuldenerleichterungen in Form von Stundungen gegen die weitere Verpfändung von Öllieferungen angeboten. Unter dem Druck der US-Sanktionen, die vor allem den PDVSA-Besitz in den USA (die Tankstellenkette Citgo) im Falle eine Zahlungsausfalls bedrohen, ist die Versuchung groß, sich von China und Russland über Wasser halten zu lassen. Dies geschähe indes auf Kosten der Zukunft des Landes, namentlich seiner künftigen Öleinnahmen.

Venezuela demonstriert sehr drastisch, welche Risiken ein extrem extraktivistisches Wirtschaftsmodell mit sich bringt. Auch wenn die Diversifizierung der Wirtschaft, die unter Präsident Chavez und allen seinen Vorgängern sträflich versäumt wurde, keine kurzfristige Besserung bringen kann, ist sie doch die wahrscheinlich wichtigste Zukunftsaufgabe für Venezuela.

 

Stand: Dezember 2017

 

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