13. Juni 2016

Mosambik: Gläubiger erwarten die Staatspleite

Fedor Selivanov / Shutterstock.com

Mosambik droht eine Schuldenkrise. Gründe dafür sind Veruntreuung und Ineffizienz bei der Verwendung der aufgenommenen Kredite. Am 22.-23. Juni organisiert erlassjahr.de zusammen mit der mosambikanischen Erlassjahr-Organisation Grupo da Divida sowie AFRODAD und Brot für die Welt eine Veranstaltung zur drohenden Krise.

Die ehemalige portugiesische Kolonie könnte Schauplatz der ersten spektakulären Staatspleite in einem der bislang 36 unter der „Kölner Schuldeninitiative“ von 1999 entschuldeten Länder werden. Die Ratingagenturen Fitch und Standard & Poor’s haben das Land Ende Mai innerhalb der Ramsch-Kategorie nochmals von CCC auf CC heruntergestuft. Wer aktuell mutig genug ist, auf dem Sekundärmarkt den nervösen Investoren mosambikanische Anleihen abzukaufen, kann damit Gewinne von über 18 Prozent einfahren – sofern die Staatspleite doch abgewendet werden kann.

Unter der so genannten HIPC-Initiative hatte Mosambik 2001 und dann erneut 2005 Schuldenerlasse von zusammen rund 6,3 Milliarden US-Dollar erhalten und seine Auslandsschulden damit weit in den unproblematischen Bereich gedrückt. Unter Investoren galt das rohstoffreiche Land seither als sicherer Tipp, zumal auch die politischen Verhältnisse sich mit dem weitgehenden Abflauen des Bürgerkriegs stabilisiert hatten. Als es in Zeiten der allgemein niedrigen Zinsen nach der globalen Finanzkrise von 2008 immer schwieriger wurde, in den Industrieländern profitable Anlagen zu finden, war Mosambik eines der bevorzugten Ziele von Fonds und Banken, die in Subsahara-Afrika profitabel ihr Geld anlegten. Der Zufluss von Kapital aus den reichen Ländern beschleunigte sich dann noch einmal dramatisch, als vor der Küste Mosambiks im Indischen Ozean die drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt entdeckt wurden.

Ressourcenfluch statt Bonanza

Wie in anderen afrikanischen Ländern scheint gerade diese Erwartung künftigen Reichtums das Land in eine neuerliche Krise zu führen. Bis 2013 waren die Schulden Mosambiks zwar gestiegen, aber vergleichsweise langsam. Und sie waren überwiegend unter den kritischen Schwellenwerten geblieben. Das änderte sich 2014. Große und teilweise fragwürdige Kreditaufnahmen in Brasilien und China im Vorjahr für den Infrastrukturausbau (vor allem für Flughäfen und Werften) sowie die Platzierung von Anleihen halbstaatlicher Firmen wie der Mozambique Asset Management Holding (MAM) beschleunigten den Anstieg der Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleitung.

Im Frühjahr 2016 wurde es dann dramatisch: Die staatliche Thunfischflotte EMATUM musste eine 2013 aufgenommene Anleihe restrukturieren, weil – wie sich herausgestellt hatte – nur ein Teil der aufgenommenen Mittel in die Fischereiflotte geflossen waren. Ein unbekannter Teil war für den Kauf von Schnellbooten für die Kriegsmarine des Landes umgeleitet worden. Nun erwirtschaften Kriegsschiffe im allgemeinen keine Gewinne, aus denen die aufgenommenen Kredite bezahlt werden können. Aber nicht nur die Schnellboote, auch die zivilen Schiffe verrosten derzeit im Hafen von Maputo. EMATUM fängt aktuell nur rund ein Zwanzigstel der durch den Kauf der Schiffe vorgesehenen Menge Thunfisch.

Schlimmer noch als die Ineffizienz bei der Verwendung der Mittel ist indes, dass nicht alle Kreditaufnahmen der letzten Jahre der Öffentlichkeit und vor allem den ausländischen Investoren auch mitgeteilt worden waren. Im April war die eingangs erwähnte Umschuldung der EMATUM-Anleihe von 85 Prozent der Inhaber akzeptiert worden – zwar mit einem etwas mulmigen Gefühl, aber unter für die Anleger attraktiven Bedingungen. Für Mosambik handelte es sich indes nur um eine Verlagerung von (erhöhten) Zahlungsverpflichtungen über das zunächst vorgesehene Rückzahlungsjahr 2023 hinaus. Dann kam allerdings ans Licht, dass die Banken, die die Umschuldung für Mosambik abwickelten – Crédit Suisse und die russische VTB –, selbst bis zu 2 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Krediten an Mosambik vergeben hatten. Weder die der Umschuldung zustimmenden Anleihegläubiger noch der IWF, der auf der Grundlage eines umfassenden Einblicks in die Bücher die Schuldentragfähigkeit seiner (ärmeren) Mitglieder regelmäßig beurteilt, wussten von dieser zusätzlichen Belastung. Rechnet man sie in die öffentliche Auslandsverschuldung Mosambiks ein, liegt der Schuldenstand nicht unter 60 Prozent der Wirtschaftsleitung, sondern bei rund 80 Prozent.

Ende April stellten der IWF und die 14 wichtigsten ausländischen Geber Mosambiks alle Auszahlungen unter den laufenden Programmen, solange bis alle Fakten auf dem Tisch liegen, ein. Der mosambikanische Finanzminister musste sich auf den Canossagang nach Washington machen. Seither herrscht unter allen Beteiligten gespannte Erwartung, wie die seit dem Ende des Bürgerkriegs regierende FRELIMO-Partei einen wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes bzw. eine umfassende Zahlungseinstellung noch abwenden will.

Die Voraussetzungen dafür sind denkbar schlecht: Die Landeswährung hat infolge der Krise gegenüber dem US-Dollar dramatisch abgewertet, die reichen Erdgasvorkommen werden – wie sich herausstellte – frühestens in zehn Jahren ertragreich ausgebeutet werden können, und im Lande steigen die Preise und die soziale Unzufriedenheit bis hin zu vereinzeltem Wiederaufflammen von Kämpfen mit der rechtsgerichtete Rebellenbewegung RENAMO.

Sind Alternativen möglich?

Im Vorfeld des damals erreichten Schuldenerlasses durch die Kölner Schuldeninitiative organisierte sich eine Art mosambikanische Erlassjahr-Kampagne, der Grupo da Divida. Nach der Entschuldung hatte das Netzwerk sich mit weiteren Fragen der wirtschaftlichen Gerechtigkeit beschäftigt, aber die Schulden des Landes nicht aus dem Blick verloren. Anfang des Jahres 2016 beschloss das Sekretariat, die besorgniserregenden Tendenzen bei Mosambiks Schulden erneut zum Thema zu machen. Am 22.-23. Juni organisiert der Grupo mit Unterstützung von Brot für die Welt und Beratung durch das afrikanische Netzwerk AFRODAD sowie erlassjahr.de eine Bestandsaufnahme der aktuellen Krise.

Besonders spannend ist dabei, ob ein Anknüpfen an das in der weltweiten erlassjahr-Bewegung diskutierte Konzept der illegitimen Schulden möglich ist. Mit Sicherheit liegt ein großer Teil der Verantwortung für den Skandal bei dem mosambikanischen Behörden, und im Land wird heftig darüber diskutiert, in welchen tiefen Taschen erhebliche Teile der aufgenommenen Kredit verschwunden sind. Das bedeutet aber nicht, dass die renditegeilen Geldgeber lediglich geprellte Opfer wären. Britische Finanzbehörden ermitteln bereits, welche Mitschuld die britische Credit Suisse-Tochter an der Irreführung der Anleger und der Öffentlichkeit trägt, indem sie die eigenen Forderungen an Mosambik bei der Bewertung der Umschuldung schlicht verschwiegen hat. Könnte etwa eine zivilgesellschaftliche Buchprüfung helfen, Licht in dieses Dunkel zu bringen? Die Generalsekretärin der Grupo Gina dos Reis hat schon im Rahmen unserer Debt20-Kampagne auf die fragwürdigen Praktiken ausländischer Banken und Unternehmen hingewiesen.

Die Hoffnung der mosambikanischen Bewegung ruhen nun auf den zahlreichen innovativen Ansätzen für ein rechtsstaatliches Entschuldungsverfahren, die in den letzten Jahren in internationalen Zusammenhängen wie der UN-Vollversammlung, UNCTAD, im IWF und unter führenden Akademiker/innen diskutiert worden sind. Können dadurch Auswege aus der gegenwärtigen Krise eröffnet werden, die nicht – wie von den Gläubigern gerne praktiziert – den größten Teil der Anpassungslasten auf den Armen des Schuldnerlandes ablädt? Im erlassjahr.de-Blog werden wir vom Seminar und der von den mosambikanischen Kolleg/innen geplanten Mobilisierung für eine faire Entschuldung berichten.