Merkel: "Was in Griechenland passiert ist, wird nicht noch einmal geschehen."

In der FTD vom 6.12. wird die Bundeskanzlerin unmittelbar nach dem Eurogipfel mit diesen Worten zitiert. Was hat sie damit gemeint?

Meint sie, dass es zu überhaupt keiner Krise diese Art jemals mehr kommen wird? Das wäre  ganz im Sinne des “Dieses Mal ist alles anders” – Syndroms, an dem die Regierungschefin ebenso leidet, wie die meisten ihrer Kollegen. Beharrlich haben sie zusammen so getan, als sei die Krise nur ein bedauerlicher Ausrutscher, den man nun mit viel frischem Geld in den Griff bekommen könnte, und keinesfalls ein systemisches Problem, dass sich alle paar Jahre u.a. in Staatsschuldenkrisen irgendwo auf dem Globus niederschlägt.

Das hat sie in diesem Fall aber nicht gemeint.

Der Zusammenhang ihrer Aussage – so gibt die FTD es wider – ist vielmehr die Diskussion um ein geordnetes Insolvenzverfahren, welches als Konzept mit den Beschlüssen des EU-Gipfels von Anfang Dezember nun vom Tisch sei. “Merkel zog damit die Konsequenzen aus den negativen Marktreaktionen auf die Privatsektorbeteiligung in Griechenland,” schreibt das Blatt. Im Klartext: Koalitionsvertrag hin oder her – wir als Bundesregierung werden nicht nur niemals die privaten Investoren für ihre Fehlentscheidungen zur Kasse bitten. Wir werden künftig nicht einmal mehr drüber reden.

Viel schöner kann man einen Freibrief zum Risikoinvestment nicht mehr ausstellen.

Theoretisch hätte die Kanzlerin aus der Krise und ihrem eigenen verfehlten Krisenmanagement tatsächlich eine Menge lernen können: Dass man über Privatsektorbeteiligung nicht reden, sondern sie schnell und radikal genug durchführen muss, wie es Lee Buchheit jüngst ausdrückte, ein New Yorker Anwalt, der an praktisch allen Schwellenländer-Umschuldungen der letzten 15 Jahre entscheidend beteiligt war.

Hätten Deutschland und die anderen Europäer nicht den Banken einen Blankoscheck ausgestellt, sondern z.B. den Griechen für die Zeit unmittelbar nach einem umfassenden Schuldenschnitt – vorausgesetzt dieser ist ordentlich ausgehandelt und von ausreichenden Reformen im Innern begleitet – hätte aus das den europäischen Steuerzahler auch einiges Geld gekostet; aber mit Sicherheit weniger als der Blankoscheck für die “systemrelevanten” Großbanken. Und die europäischen Steuerzahler hätten sich nicht in deren Geiselhaft wieder gefunden.

Dass sich an der von den Europäischen Regierungen mühsam vereinbarten Privatsektorbeteiligung in Griechenland (zunächst 21%, dann 50% Schuldenschnitt), niemand mehr beteiligen will, wie Reuters heute meldet, ist die Quittung, die Frau Merkel von den Investoren nun zu recht bekommt.

Auch Weidmann schließt Insolvenz Griechenlands nicht aus

Wenn zwei dasselbe sagen, ist es noch lange nicht dasselbe. Selbst, wenn der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesbank-Präsident durchaus auf Augenhöhe agieren. Jens Weidmann, jüngst von der Kanzlerin vom persönlichen Wirtschaftsberater zum Chef der Frankfurter Währungshüter befördert, sagte bei der Anhörung im Haushaltsausschuss am Montag das Gleiche wie Philipp Rösler in seinem umstrittenen “Welt”-Beitrag: Eine Insolvenz Griechenlands darf als Option nicht ausgeschlossen werden. Und sie sollte geordnet sein. Das berichtet die Financial Times Deutschland aus dem Ausschuss. Das gesamte Statement steht auf der Seite der Bundesbank.

Lautstarke Empörung aus den Fraktionen, dem Kanzleramt oder den Medien war darauf nicht zu vernehmen. Vielleicht weil Weidmann, anders als der tollpatschige Rösler, die Möglichkeit einer Staateninsolvenz nicht mit der vollkommen sinnlosen Idee eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion verbunden hatte. Ökonomische Fakten und deren Konsequenzen  – hier die Zahlungsunfähigkiet und die vernünftige Option einer geordneten Insolvenz – sind das eine. Billiger Populismus das andere.

Die EU soll endlich zum Zahnarzt gehen!

Diese fiese Situation hat jeder schon mal erlebt: Der Backenzahn tut weh, am Anfang nicht so schlimm, aber dann immer übler. Man weiss, man sollte eigentlich zum Zahnarzt, aber dann denkt man an den sirrenden Bohrer und die große Zange, und es fällt einem zum Glück ein, dass man heute nachmittag sowie so noch ganz dringend… und hat der heute nicht sowieso geschlossen…? Und dann beisst man lieber auf irgendwelche Kräuter, oder futtert packungsweise Aspirin, und wenn das nicht mehr wirkt, und man nicht schlafen kann, erinnert man sich an die Rum-Buddel im Küchenschrank. Mit unschönen Folgen zumeist.
Eigentlich weiss man genau, wie blöd das ist, aber man klammert sich daran, dass ja ein Wunder passieren und man morgen früh frisch und schmerzfrei erwachen könnte. Am Ende schleppt man sich dann doch hin, und zu Bohre rund großer Zange handelt man sich noch harsche Worte vom Doc ein, der vor einer Woche vielleicht noch was hätte retten können.
So ist es im Moment auch mit der Euro-Krise: Mit dem Anstieg der Refinanzierungskosten Italiens ist klar geworden, dass die Schmerzmittel namens “Rettungspakete” die Eurozone künftig nicht mehr vor einem Schuldenschnitt mitsamt Beteiligung der Gläubiger bewahren werden. Und jeder Tag, den die Finanzminister in der Hoffnung auf Ölfunde in der Ägäis oder ein wundersames Sinken der griechischen Zinsen zuwarten, macht die letztlich unvermeidbare Operation teurer und schmerzhafter. Abgesehen von der EZB gibt es fast niemanden mehr, der ernsthaft behauptet, es ginge ohne Operation(en) ab.
Für die betroffenen Bürger in den europäischen “Peripheriestaaten”, und für alle, die seit April 2010 eine geordnete Insolvenz verlangen, ist es fast schon nicht mehr auszuhalten!

Rettung mit Bedingung: Slowakei unterstützt deutsche Pläne für ein internationales Insolvenzverfahren

Zuerst war es ein heißes Wahlkampfthema, dann eine strategische Entscheidung: Über die  Beteiligung der Slowakei am europäischen Rettungspaket für das bankrotte Griechenland wurde gerade vor den Parlamentswahlen vom 12. Juni sehr emotional diskutiert. Dabei kamen so manche interessante Aspekte ans Licht: Dass die Slowakei selber Kredite aufnehmen müsste, um den Griechen was zu leihen. Dass solche “Rettungsaktionen” eigentlich laut den geltenden Verträgen gar nicht stattfinden sollten. Aber auch, dass ein kleines Land gar nicht so viel Entscheidungssouverenität hat in der EU, und dass Solidarität in der EU doch wichtiger ist als ein paar Wählerstimmen. Denn wie die neue Regierung mit Besorgnis meldet, könnte der Haushaltsdefizit der Slowakei bald den griechischen Zahlen ähnlich sein – derzeit wird in Bratislava an einem neuen Sparplan gearbeitet. Also wurde nach wochenlangem Überlegen entschieden, sich an den Garantien in Höhe von 4,37 Mrd. € im Rahmen des “Rettungspakets” zu beteiligen, nicht aber an direkten Soforthilfen in Höhe von 880 Mio. €. Die Beteiligung soll vier Bedingungen haben:  Die EU soll den Stabilitätspakt stärken, ein geordnetes Insolvenzverfahren für bankrotte Staaten einführen, das betroffene Land soll alle anderen Optionen geprüft haben und die finanziellen Mittel sollen entsprechend den IWF-Regeln verwendet bzw. zurückgezahlt werden.

Auf der Seite des slowakischen Regierungsamtes heißt es: “Die Premierministerin Iveta Radicová begrüßt die medialisierte Initiative der deutschen Bundesregierung für ein geordnetes Insolvenzverfahren für untragbar verschuldete Länder.” Und außerdem: “Für die Premierministerin Radicová ist es inakzeptabel, dass die Folgen des verantwortungslosen Handelns nicht von den Banken, sondern in vollem Maße von den Bürgern der Mitgliedsstaaten getragen werden, die über den Rettungsmechanismus nicht entschieden haben und für die Krisensituation nicht verantwortlich sind. (…) Die Regierung hat grundsätzliche Einwände gegen die Art, wie die Europäische Währungsunion mit der Schuldenkrise einiger ihrer Mitgliedsstaaten umgeht. Deswegen wird sie auf einer Einigung bestehen, die gewährleisten soll, dass sich das Risiko einer Wiederholung derartiger Situationen minimalisiert.” 

Über die Bedingung Nr.2 ist erlassjahr.de besonders erfreut – wir setzen uns gerade jetzt dafür ein, dass die Idee eines Internationalen Insolvenzverfahrens noch mehr Unterstützung auf internationaler Ebene findet!

3 von 4 Experten sagen: Lasst auch Staaten pleite gehen

Zu der Podiumsdiskussion im Frankfurter Haus am Dom am 22.6. 2010 waren vier erfahrene Schulden-Experten geladen und der Moderator Robert von Heusinger (Frankfurter Rundschau) taufte sie umgehend nach ihren Professionen. So diskutierten Der Entschulder, Der Entwicklungspolitiker, Die Gläubigerin und Der Kapitalismusforscher zwei Stunden lang über die Frage, ob auch Staaten pleite gehen können und sollen. Die Antwort lautete in drei von vier Fällen “Ja”. Das einzige Nein kam von der Gläubigerin, Frau Dr. Dagmar Linder von der Deutschen Bank. Professor Marcel Tyrell von der Zeppelin University Friedrichshafen wie auch Paul Garaycochea vom BMZ und Jürgen Kaiser von erlassjahr.de fanden die Option eines geregelten Insolvenzverfahrens sinnvoller als eine ewige Abfolge von Schuldenumwandlungen, wie sie bisher bei Entwicklungsländern angewandt wurden und aktuell unter breit gespannten Rettungsschirmen sogar in Europa teuer verwirklicht werden. Die TeilnehmerInnen erschienen zahlreich, trotz Sonnenschein und WM-Stimmung, und stellte viele Fragen. Unser Dank für die gelungene Veranstaltung geht an die Akademie Rabanus Maurus und an das Haus am Dom in Frankfurt am Main.

Die Frage lautet: Sollten Staaten pleite gehen können? / © erlassjahr.de
Der Entschulder, der Entwicklungspolitiker, die Gläubigerin und der Kapitalismusforscher (von links nach rechts). In der Mitte wird moderiert. / © erlassjahr.de
Etwa siebzig interessierte Zuhörer waren im Publikum. / © erlassjahr.de
Robert von Heusinger (Frankfurer Rundschau), Dagmar Linder (Deutsche Bank), Marcel Tyrell (Zeppelin University Friedrichshafen). / © erlassjahr.de
Der Entschulder im Focus. / © erlassjahr.de

Angela Merkel: Die Banken werden nicht ungeschoren davon kommen

In der Sendung “Farbe bekennen” sprach sich Angela Merkel am 3.5.2010 für die Einführung eines Insolvenzverfahrens für bankrotte Staaten aus. Endlich, denkt erlassjahr.de, denn wir fordern schon seit den neunziger Jahren die Schaffung einer geregelten internationalen Insolvenzordnung. Die Erfahrungen des “verlorenen Jahrzehnts” haben bei den überschuldeten Entwicklungsländern gezeigt, dass eine nie endende Refinanzierung von Staatsschulden die Krise nur verlängert und teurer macht. Darunter leidet immer die Bevölkerung: Entweder der Steuerzahler im Norden, oder die ärmsten Schichten im Süden, die mit den Folgen der Überschuldung leben müssen. Soll man die unbezahlbaren Schulden also streichen? Ja, und zwar in einem fairen Verfahren, dass klare Regeln hat – und schon längst gebraucht wird.

Das Interview mit der Bundeskanzlerin ist online auf der ARD-Seite zu finden. In der siebten Minute (7’30) kann man die Äußerungen zum internationalen Insolvenzverfahren nachhören. Und übrigens: Nutzen Sie auch die Kommentarfunktion und äußern Sie Ihre Meinung zum Thema!

Insolvenzverschleppung in Griechenland?

Am Wochenende haben sich die Europäische Union und der IWF für die einfachste und vielleicht teuerste der drei zuletzt diskutierten Optionen für Griechenland entschieden: Insgesamt 135 Mrd. € sollen den Griechen an neuen Krediten in den nächsten drei Jahren zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung wird den deutschen Anteil von 8,4 Mrd. € für das erste Jahr in dieser Woche ziemlich rabiat durch Bundestag und Bundesrat boxen, damit endlich so etwas wie Ruhe einkehrt.
Die Option Nr.3 – Ausschluss der Griechen aus der Eurozone – war nie wirklich eine. Option Nr. 2 – eine geregelte Insolvenz mit Kapitalschnitt und einer Umschuldung der griechischen Verbindlichkeiten – ist damit zunächst ebenfalls ad acta gelegt, ob wohl sich in Deutschland maßgeblich Politiker, darunter der Finanz- und der Wirtschaftsminister sowie der Bundespräsident dafür ausgesprochen hatten.
Die Rechnung von EU und IWF kann aufgehen – wenn die Griechen es schaffen, ihr drastisches Sparprogramm umzusetzen und die Weltwirtschaft sich wie erhofft erholt. Wenn diese Voraussetzungen so nicht eintreten, kann es deutlich teurer werden. Das ist eine bittere Lektion aus der Schuldenkrise der ärmsten Länder in den 80er und 90er Jahren: Jahrelang hatte man seinerzeit mit frischem Geld aus multilateralen Quellen den Schuldendienst an die Banken und Regierungen des Nordens künstlich aufrecht erhalten – bis die Schulden bei IWF und Co. selbst zum größten Problem geworden waren, und eine aufwändige Initiative zum Erlass dieser Schulden geschaffen werden musste. Unterm Strich war das für die Steuerzahler im Norden, die letztlich für die unvermeidlichen Forderungsverzichte bezahlen mussten, teurer als ein frühzeitiger Schnitt gewesen wäre. Es bedeutete für die betroffenen Länder wegen des andauernden Lavierens am Rande des Staatsbankrotts ein “verlorenes Jahrzehnt” ohne nennenswerte Entwicklungsfortschritte.
In Griechenland ist die Notwendigkeit der Anpassung von öffentlichen Leistungen, Löhnen und (oft übersehen) Kapitaleinkünften an die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft des Staates unbestreitbar. Dass die Anpassungskosten nun ganz und gar dort abgeladen werden, und diejenigen, die die stets hochverzinsten griechischen Papiere gerne gekauft haben, nun mit öffentlichen Geldern ihre Forderungen garantiert bekommen, ist nicht nur sozial unausgewogen. Es macht den später vielleicht unvermeidbaren Schnitt auch deutlich teurer.

18.031 unterschriebene Wimpel für ein internationales Insolvenzverfahren

© erlassjahr.de

Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, nahm heute über 18.000 Unterschriften für ein internationales Insolvenzverfahren entgegen. Die Kampagne 2009 von erlassjahr.de wird somit symbolisch abgeschlossen. Ein Rückblick auf das Jahr 2009 – und was es gebracht hat.

© Informationsstelle Peru

3,6 Kilometer. So lang würde die Wimpelkette sein, wenn man alle unterschriebenen Wimpel aneinander binden würde. Ein großer Erfolg und ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Umsetzung eines internationalen Insolvenzverfahrens, meint erlassjahr.de und bedankt sich bei allen, die mitgemacht haben.  Auf der Straße, beim Infostand, in der Gemeinde oder im Eine-Welt-Laden – im letzten Jahr konnte man den regenbogenfarbenen Wimpeln oft begegnen. Jede Unterschrift bestätigt: Die gravierenden Schuldenprobleme der Entwicklungsländer sind ein wichtiges Thema  in der entwicklungspolitischen Debatte und ein Grund, sich aktiv zu engagieren – für ein faires und transparentes Verfahren!

© erlassjahr.de

Bis zum Bundestagswahltermin im letzten Herbst konnten über 17.000 Unterschriften präsentiert werden. Genau 18.031 sind es bis zum Abschluss der Kampagne geworden. Mit Erfolg: Die Forderung nach einem internationalen Insolvenzverfahren ist im Koalitionsvertrag verankert und genießt die Unterstützung der Regierung. Jetzt ist die Politik dran – erlassjahr.de ist auf die nächsten Schritte zur Umsetzung des Verfahrens gespannt. Was können wir erwarten? Die Kompetenzen zur Umsetzung eines interantionalen Insolvenzverfahrens teilt sich das BMZ mit dem Finanzministerium. Die ersten Signale sind positiv, es bleibt aber abzuwarten, wie die interantionale Staatengemeinschaft – vor allem die mächtigen Gläubigerregierungen – reagieren werden. Deutsche Regierungsvertreter äußern sich zuversichtlich.

erlassjahr.de sagt: DANKE an alle, die die Kampagne unterstützt haben!

Europäischer Währungsfonds? Die Staatspleite auch als solche behandeln

Ein wenig verdeckt von der Frage, wer denn um alles in der Welt noch einen Währungsfonds – diesmal neben dem “Internationalen”  in Washington den “Europäischen” – bezahlen soll, ist durch die Debatte um den EWF auch die nach einer Staateninsolvenz erfreulich dynamisch geworden. In allen Vorschlägen, von dem Papier des Think Tanks CEPS im Februar bis zum jüngsten Vorstoß des Bundesfinanzministers Schäuble wurde stets die Option einer geordneten Staateninsolvenz neben der einer europäischen Refinanzierung von Pleitestaaten und der eines Austritts aus der Währungsunion mitgedacht.
Diese Option ist der interessanteste Teil der ganzen Debatte.
Sicher wird es den Anleihegläubigern in vielen Fällen gelingen, auch künftig europäische Steuerzahler direkt oder indirekt in Haftung zu nehmen, und Rettungs- und Garantiepakete zu erzwingen. Aber durch die Option einer geordneten Insolvenz würde das Risiko einer Staatspleite endlich dort abgeladen, wo es hingehört: nämlich bei denjenigen, die 6,5% Verzinsung in Griechenland für ein interessantes Angebot halten, und um solcher Rendite willen ein Risiko eingehen.
Denn was würde passieren, wenn ein insolventer Staat tatsächlich Insolvenz anmelden könnte: Es würde – etwa nach dem Vorschlag eines Fairen und Transparenten Schiedsverfahrens von erlassjahr.de – von einer neutralen Instanz darüber befunden, welche Zahlungen ein insolventer Staat tatsächlich zu leisten imstande ist. Und alles was darüber hinaus an Forderungen besteht, würde pro rata gestrichen, genau wie es bei einer Unternehmensinsolvenz jeden Tag passiert. Die USA haben mit einem entsprechenden Insolvenzverfahren für überschuldete Gebietskörperschaften (dem Kapitel 9) auch im Bereich der öffentlichen Schuldner sehr gute Erfahrungen gemacht. Das Kapitel 9 dient dazu, eine Insolvenz abzuwickeln, ohne in die verfassungsmäßigen Rechte einer demokratisch gewählten Verwaltung einzugreifen. Eine Balance, die auch im Rahmen europäischer Staatsinsolvenzen erst noch gefunden werden muss – wie die wilde Debatte über die (un)zureichenden Sparanstrengungen der Griechen deutlich zeigt.
Es wäre nämlich reichlich blauäugig anzunehmen, dass wir es allein mit einem griechischen Problem zu tun haben. Geht man von der kritischen Verschuldungsgrenze des Maastricht-Vertrags von 60% des BIP aus, dann liegen weltweit 23 Länder allein mit ihren Auslandsschulden z.T. deutlich darüber, davon 8 in Europa. Und jede Datenaktualisierung hat in den letzten zwei Jahren die Zahl der Pleitekandidaten erhöht.

Stiglitz-Kommission: Rückenwind für FTAP

Bei einer Tagung im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Berlin haben sich heute sowohl Ministerin Wieczorek-Zeul als auch Nobelpreisträger Joseph Stiglitz für die Schaffung eines Internationalen Insolvenzverfahrens ausgesprochen.  Bei der Tagung, die sich mit den Folgen der Finanzkrise auf die Entwicklungsländer befasste, unterstrich die Ministerin den zuletzt in Doha beschlossenen “Debt Workout Mechanisms” als eine von drei Prioritäten im Rahmen der Kommissionsarbeit.

Die Stiglitz-Kommission war im Herbst vom Präsidenten der UNO-Generalversammlung berufen worden. Ihr gehören aktive und ehemalige Politiker sowie führende Akademiker in den Bereichen Finanz- und Entwicklungspolitik an. Sie trifft sich am 10. und 11. 3. in Genf zu ihrem vorletzten Plenum. Mit ihrem endgültigen Bericht an die UNO-Generalversammluing ist im Mai zu rechnen.