erlassjahr.de Forderungen an den Weltfinanzgipfel

Am Samstag starrt die Welt gebannt auf Washington. Im National Building Museum werden dann die Vertreter von gerade einmal 20 Ländern über eine globale Finanzarchitektur beraten. Sie allein wollen entscheiden welcher Weg aus der Finanzkrise der beste ist. Man könnte die Zahl 20 bereits als eine Art Gnadenakt verstehen – schliesslich entscheiden sonst meist die G8 im noch kleineren Kreis über die wirtschaftspolitischen Geschicke auf unserem Planeten. Diesmal haben sie 11 weitere Länder eingeladen, vornehmlich solche, die zu den so genannten Schwellenländern zu rechnen sind. Schließlich haben diese, so die G8, am meisten von der Globalisierung profitiert. Nun ist es also Zeit zurückzuzahlen. Die Schwellenländer dürfen nicht einfach nur noch profitieren, nein, sie sollen jetzt auch mithelfen die Finanzkrise zu bewältigen. Auf gut Deutsch: sie sollen gefälligst auch zahlen. Auch sie sollen für die Krise aufkommen, die sie selbst übrigens gar nicht verursacht haben.
erlassjahr.de fordert vor dem Hintergrund der globalen Bedeutung der Finanzkrise auch eine globale Antwort auf selbige. Die Diskussion sollte deshalb nicht in kleinem Rahmen in Washington stattfinden, sondern vielmehr unter dem Dach der UNO, der immerhin 192 Staaten angehören. Es mutet schon fast ironisch an, daß in gerade mal zwei Wochen die UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Doha stattfindet, wo über die weitere Finanzierung und Entwicklung von Entwicklungs- und Schwellenländern diskutiert werden wird. Doch dort, wo es um das Wohl des Großteils der Weltbevölkerung gehen wird, werden die Staats- und Regierungschefs vornehmlich nur ihre Fachminister schicken. Nur dort, wo es um das sogenannte ‘große Geld’ geht, kommen sie selbst.
Dabei hätten sie in Doha die einmalige Chance langfristig die Weichen für von Krisen gebeutelte Staaten zu stellen. Das Wort vom Staatsbankrott, das vormals hauptsächlich Entwicklungsländern bekannt war, ist nun auch im Sprachgebrauch der Industrienationen angekommen. Der drohende Bankrott von Ländern wie Island oder Ungarn sollte Warnsignal genug sein, daß solchen Problemen nicht immer mehr nur im Verfahren der Feuerwehr zu begegnen ist. Wenn es brennt, wird gelöscht – doch dann ist eben schon zu spät. Stattdessen sollte liebe in die Brandvorsorge investiert werden. erlassjahr.de fordert daher ein Internationales Insolvenzverfahren für überschuldete Staaten. Dieses soll immer dann zum Einsatz kommen, wenn sich ein Land an der Grenze zur Zahlungsunfähigkeit befindet. Dann sollen sich Schuldner und Gläubiger gemeinsam an einen Tisch setzen und ein Schiedsgericht soll darüber entscheiden welche Forderungen sofort bedient werden müssen und welche nicht. Das Wichtigste ist dabei die Grundversorgung der Bevölkerung durch den Staat sicherzustellen. Wie so ein Verfahren genau ablaufen kann, haben wir hier zusammengestellt.
Vielleicht wird dieses Thema ja auch in Washington diskutiert. Höchste Zeit dafür ist es.

Alle weiteren Informationen rund um den G20-Finanzgipfel finden Sie auf unserer Sonderseite.

G20-Finanzgipfel: wer will was?

Im Vorfeld des G20-Finanzgipfels am 15.11. in Washington haben bereits zahlreiche Vorbereitungstreffen stattgefunden, bei denen die jeweiligen Institutionen sowie die Staats- und Regierungschefs ihre Positionen deutlich gemacht haben. Ein kurzer Überblick:

Am 8. und 9. November trafen sich die Finanzminister der G20-Staaten in Sao Paulo (Brasilien) zu einem Vorbereitungstreffen, auf dem sie ein 5-Seitiges Communiqué verabschiedet haben. Darin bekennen sich die G20-Staaten dazu „alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um nicht-inflationären Wachstum in stabiler und nachhaltiger Form entsprechend den jeweiligen Notwendigkeiten und vorhandenen Instrumentarien in den Mitgliedsstaaten, unter Einbeziehung der Geld- und Finanzpolitik, zu fördern“.

Am 6. und 7. November trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel, um ihre inhaltlichen Forderungen an den Gipfel auszuarbeiten. Daraus sind einzelne Punkte für die Agenda entstanden, die wie folgt zusammengefasst werden können:

  1. Strengere Regulierung von Banken und Kapitalmärkten einschließlich Rating-Agenturen und Geierfonds sind gefordert.
  2. Internationale Finanzgeschäfte müssen transparenter sein und staatlich kontrolliert werden.
  3. Vergütungssystem im Bankwesen, die dazu ermutigen extreme Risiken einzugehen, müssen geändert werden.
  4. Unabhängige Kontrollinstanzen solltne eingerichtet werden um international agierende Marktteilnehmer und deren Kontrolle durch die nationalen Regierungen zu überwachen.
  5. Der IWF sollte mehr Befugnis haben um ein Frühwarnsystem zu etablieren.
  6. Ein neues Finanzsystem soll das Dollar-basierte alte System erseten.
  7. Eine strengere Überwachung der Finanzmärkte soll innerhalb von 100 Tagen auf den Weg gebracht werden.
  8. Spezifische Entscheidungen sollen auf dem Treffen am 15.11. getroffen werden.
  9. Ein zweites Treffen sollte in 100 Tagen stattfinden.
  10. Die EU fordert zudem die besondere Beachtung langfristiger wirtschaftlicher Anliegen wie z.B. die Bekämpfung von Hunger, der Beendigung weltweiter Armut und eine Verlangsamung des Klimawandels.

Die Beschlüsse der EU können hier nachgelesen werden.

Die Position des Internationalen Währungsfonds hat dessen Direktor, Dominique Strauss-Kahn, in einem offenen Brief an die G20 dargelegt. Er kann hier hier abgerufen werden. Die Weltbank hat hingegen ein Hintergrundpapier zum Gipfel aufgelegt, welches als Entscheidungsgrundlage genutzt werden soll. Es hebt insbesondere auch auf die Gefahren für die Entwcklungsländer durch die Finanzkrise ab. Es kann hier nachgelesen werden.

Am 30. Oktober traf sich in New York erstmals die UN Taskforce zur globalen Finanzkrise. Unter der Leitung von Nobelpreisträger Joseph Stieglitz wurden die Herausforderungen an die globale Finanzarchitektur unter dem Eindruck der derzeitigen Finanzkrise diskutiert. Die kompletten Abschriften alle Beiträge sind hier erhältlich.

erlassjahr.de bei der UN Generalversammlung zum Thema

Die offizielle Debatte in der UN Generalversammlung am 10.-11. März zum Kapitel “Auslandsverschuldung” des Monterrey Consensus, begann mit einer Podiumsdiskussion mit dem Generalsekretär des Pariser Club, dem Chef der Policy-Abteilung des IWF, Vertretern der Japanischen Entwicklungsbank und der UN Wirtschaftkommission Afrikas sowie Prof. Deepak Nayyar aus Indien.

Die EU vertrat in ihrem Statement die Ansicht, daß mehr Anstrenungen zur verantwortlichen Kreditvergabe nötig seien, insbesondere die Einbeziehung der Nicht-Paris Club Gläubiger. Wie die USA und der IWF forderte auch die EU erfreulicherweise ein entschiedeneres Vorgehen gegen die sogenanten Geierfonds.

Die G77 (Entwicklungsländer) und China treten für die Entwicklung von klaren Prinzipien  für Managenment und Lösung von Finanzkrisen ein, die für eine faire Lastenverteilung zwischen Schuldnerländern und Gläubigern sowie  Investoren sorgen sollen. Sie beriefen sich auf den Beschluß des UN Gipfels von 2005 und mahnten die Einrichtung eines umfassenden Schuldenverfahrens an, das auch die Schulden der Länder mittleren Einkommens mit einbeziehen soll. Freiwillige Code of Conducts hätten sich als nicht ausreichend erwiesen. Die “debts sustainability frameworks” des IWF und der Weltbank sollten auf ihre Wirksamkeit vor allem bei  aussenwirtschaftlichen Shocks überprüft werden, aber auch im Hinblick auf die Erreichung der Millenniumsziele. Die Rio-Gruppe lateinamerikanischer Staaten jedoch äusserten sich zurückhaltender und forderten lediglich ein transparentes Verfahren zur Risiko-Analyse (2001 hatten sie den IWF Vorschlag eines Schuldenverfahrens abgelehnt).

In der anschliessenden Diskussion, konnte auch erlassjahr.de ein Statement zu FTAP abgeben (siehe UN Webpage unter http://www.un.org/esa/ffd/doha/chapter5/index.htm). 200 Kopien des EJ Statements sind von den Delegierten abgegriffen worden. Ein Zusammenschluß mittelamerikanischer Staaten (Caricom) zitierte in den anschliessenden Diskussionen aus dem EJ Statement und trat für die Einrichtung eines Schiedsgerichtsverfahrens ein. Auch Norwegen und der V atikan forderten ein umfassendes und faires Entschuldungsverfahren. Mehrere Länder begrüßten Schuldenumwandlungen, so genannte “Swaps”.