Was sie schon immer über die HIPC-Initiative wissen wollten….. Neuer “Status of Implementation Report” erschienen.

Avatar photo Jürgen Kaiser, erlassjahr.de
2. Oktober 2009

Knapp vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank in der kommenden Woche haben die beiden Institutionen den alljährlichen “Umsetzungsbericht zur HIPC/MDRI-Entschuldungsinitiative” (mehr Infos zur Initiative hier) vorgelegt. Der Bericht ist jedes Jahr die wichtigste Datenquelle, um zu beurteilen, was HIPC “gebracht” hat, und was nicht. Er ist im Internet unter http://siteresources.worldbank.org/INTDEBTDEPT/ProgressReports/22326841/HIPCProgressReport20090915.pdf abrufbar.

Auch bei dieser Veröffentlichung zeigt sich die in der Weltbank vielerorts zu beobachtende Tendenz, dass Informationen, die zu kritischen Diskussionen geführt haben, im folgenden Jahr nicht mehr enthalten sind. Im HIPC-Umsetzungsbericht betrifft das die ausführliche Beurteilung des Risikos neuer Überschuldung. Im letzten Jahr hatten wir selbst und andere Kampagnen die Bank mit ihren eigenen Zahlen unter Druck gesetzt. Inzwischen sind länderbezogene Informationen nur noch unvollständig und im Fließtext versteckt enthalten.

Wichtige Grundinformationen über die Entschuldungsinitiativen enthält der Text gleichwohl:

Die Zahl der HIPCs ist auf 40 geschrumpft, weil Nepal erklärt hat, es wolle definitiv nicht in den Genuss der Initiative kommen. 35 der 40 Länder haben den Decision Point passiert, und davon wiederum 26 auch den Completion Point, d.h. der Schuldenerlass ist abschließend durchgeführt.
Die fünf noch ausstehenden Länder werden im kommenden Jahr allenfalls unter Schwierigkeiten aufgenommen werden können. Die beiden größten Probleme bestehen bei Somalia und Sudan, von denen IWF und IDA zunächst 2,6 Mrd. US-$ bar auf den Tisch haben wollen, bevor sie an eine Regelung des Gesamtschuldenstandes gehen.

Enttäuschend ist weiterhin die Beteiligung der Gläubiger außerhalb des Pariser Clubs: Von diesen Regierungen wurden weiterhin nur 35-40% der zu streichenden Schulden tatsächlich erlassen. Bei den Privaten gab es einen Anstieg (das Papier beziffert nicht genau, wie wie weit), der aber nur auf die Aufnahme der Elfenbeinküste zurückzuführen ist. Das Land hatte sich mit seinen kommerziellen Gläubiger schon 1998 geeinigt, so dass der damalige Erlass nun in die Beteiligungsquote der Privatgläubiger hereingerechnet wird.

Entwarnung geben Bank und Fonds hinsichtlich der anhängigen Klagen gegen HIPCs durch Altgläubiger und Geierfonds. Tatsächlich enthält die Liste im Anhang deutlich weniger Fälle als die des letzten Jahres. Das liegt aber zum einen daran, dass nur ein Teil der befragten HIPC einen entsprechenden Fragebogen der Weltbank überhaupt beantwortet hat. Zum anderen an den Schuldenrückkäufen für Nicaragua und Liberia;  das heißt dort erhielten die privaten Altgläubiger frisches Geld aus Weltbank-Töpfen für ihre alten Papiere – allerdings mit einem hohen Abschlag.

Wie erwähnt, ist die Darstellung der Risiken erneuter Überschuldung in den einzelnen Länder deutlich lückenhafter geworden. Wir erfahren immerhin, dass von den vier Ländern, denen im letztjährigen Bericht ein hohes Risiko erneuter Überschuldung attestiert wurde, nämlich Burkina Faso, Ruanda, Gambia, Sao Tomé & Principe, inzwischen Ruanda auf ein “mäßiges Risiko” herabgestuft wurde. Die Gründe dafür werden nicht näher erläutert, liegen aber, wie man andernorts bei der WB lesen kann, in der Hoffnung, dass die Reformprogramme der Regierung jetzt langsam mal Wirkung zeigen könnten. Dafür sind allerdings zwei neue Länder zur Hochrisiko-Kategorie hinzugekommen, nämlich Haiti und Burundi.

Nützlich scheint die neu eingeführte Kategorie der “verletzlichen Länder” (vulnerable) zu sein. Darin werden solche Länder erfasst, die , ausgehend von ihrem bislang hohen, mäßigen oder niedrigen Risiko erneuter Überschuldung deutliche Verschlechterungen ihrer Indikatoren erkennen und weiterhin erwarten lassen. Als “verletzlich” in diesem Sinne gelten Afghanistan, Äthiopien, Malawi, Mauretanien, Nicaragua, Sierra Leone und Mali.

Interessant für Menschen, die gerne lange Zahlenkolonnen auf sich wirken lassen, sind zudem die Anhänge, insbesondere Tab.2, welche den nach der Entschuldung fälligen Schuldendienst mit den zuvor tatsächlich geleisteten Zahlungen vergleicht. Während in der Mehrheit der Fälle tatsächlich eine spürbare Entlastung festzustellen ist, die sich auch in Armutsbekämpfung umsetzen ließ und lässt, gibt es fünf Länder, die nach der Entschuldung deutlich mehr zahlen als vorher: Benin, Mali, Mauretanien, Sierra Leone und der Senegal. Hier wurden wirklich nur Phantomschulden gestrichen, die ohnehin niemals bedient worden wären.

Jürgen Kaiser, 2.10.09

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