Nach der Sevilla-Reise fiel es uns – Malina und Eva – schwer, die zahlreichen Erlebnisse und Begegnungen zusammenzufassen – zu viel haben wir gelernt und mitgenommen. Wen die ausführliche Berichterstattung interessiert, kann sie hier in unserem Podcast anhören. Außerdem erscheint demnächst hier eine detaillierte inhaltliche Kommentierung der für das Schuldenthema relevanten Absätze im Compromiso de Sevilla.
FfD4 – das war die vierte Entwicklungsfinanzierungskonferenz der UN und ist die Abkürzung für „Financing for Development“.
Das Abschlussdokument – fertig vor dem eigentlichen Start
Üblicherweise werden bei solchen UN-Prozessen weite Teile des Abschlussdokuments im Vorfeld festgelegt – strittige, letzte Punkte jedoch erst auf der Konferenz selbst von den Mitgliedstaaten verhandelt. Wie man es etwa von den Klimakonferenzen kennt, ziehen sich die Verhandlungen vor Ort dann oft bis tief in die Nacht. Nicht so bei FfD4: Bereits im Vorfeld der Konferenz nahmen die übrigen 192 UN-Staaten (die USA hatte den Verhandlungsprozess frühzeitig verlassen) das Abschlussdokument einstimmig an. Die Verhandlungen hatten sich bereits im Vorhinein als sehr schwierig erwiesen, und es bestand das Risiko, dass man sich gar nicht auf ein Abschlussdokument einigen könnte.
… und auf Druck der Globalen Nord-Staaten stark verwässert!
Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Staaten des Globalen Nordens, darunter auch die EU-Staaten, die Verhandlungen zur Schuldenthematik blockierten. Sie setzen schließlich durch, dass zentrale Vereinbarungen im Schuldenabschnitt deutlich verwässert wurden. Dabei hatten insbesondere die kleinen Inselstaaten, die Gruppe der sogenannten Least Developed Countries und auch die Gruppe der afrikanischen Staaten gefordert, die dringend nötige Reform der internationalen Schuldenarchitektur in einen wirklich inklusiven, multilateralen Prozess unter gleichwertiger Beteiligung aller Mitgliedsstaaten zu verhandeln – mit dem Ziel völkerrechtlich bindende Regelungen festzulegen. Inklusivität und rechtliche Bindung sind auch die wichtigsten Aspekte einer UN-Schuldenrahmenkonvention, wie sie erlassjahr.de mit vielen weiteren unterstützenden Organisationen im Rahmen der Kampagne: Erlassjahr 2025 – Turn Debt into Hope fordern. Doch die Staaten des Globalen Nordens stellten sich diesen Forderungen entgegen: Über Schulden wollen sie weiterhin ausschließlich in exklusiven Clubs und Institutionen verhandeln – etwa den G7, G20 oder dem Pariser Club, bei denen der Großteil der Länder des Globalen Südens gar nicht vertreten ist, oder im Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, wo sie nur über äußerst geringe Stimmrechte verfügen.
Die Konferenz – mit spannenden Side-Events
Für uns gab es trotz dieser politischen Enttäuschung genug Gründe, um nach Sevilla zu fahren. Eines unserer Ziele war es, öffentliche Aufmerksamkeit sowohl auf die Blockadehaltung der Staaten des Globalen Nordens zu lenken, als auch auf die transformativen Forderungen, die Länder des Globalen Südens in die Verhandlungen eingebracht hatten. Denn wenn man ehrlich ist, hatten im Vorfeld ja nur Wenige die Verhandlungen verfolgt.
Gemeinsam mit Venro, Eurodad und vielen weiteren Partnerorganisationen organisierten wir zu diesem Zweck ein Side-Event mit dem Titel: „Inklusiver Multilateralismus und internationale Schuldenarchitektur“. Neben Malina nahmen auch Hod Anyigba (Chefökonom beim Internationalen Gewerkschaftsbund in Afrika), Jayati Ghosh (Professorin an der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi), Robert Plachta (Referatsleiter im Bundesfinanzministerium), und Penelope Hawkins (leitende Referentin für Schulden bei UNCTAD) an dem Panel teil und diskutierten kontrovers über Machtfragen bei der Reform der internationalen Schuldenarchitektur. Der Raum war bis zum letzten Platz gefüllt, das Publikum beteiligte sich aktiv und belohnte uns mit viel positivem Feedback – wir waren zufrieden.
In einem weiteren Side-Event zum Thema „Schulden und Klima“ berichtete Andrew Fanning (Gastwissenschaftler an der University of Leeds) über seine Forschung, laut der sich die Klimaschulden des Globalen Norden gegenüber dem Globalen Süden auf 170 Billionen US-Dollar belaufen.
… und Protesten, Bannern und Abanicos
Doch nicht nur durch Paneldiskussionen versuchten wir Aufmerksamkeit für die progressiven Lösungsvorschläge bei FfD4 zu erzeugen. Am Wochenende vor der Konferenz demonstrierten wir in den Straßen von Sevilla – mit dabei unser selbstgemaltes Transparent mit der Aufschrift: „70.000 People in Gemany demand: Cancel the Debt“. Denn just an dem Wochenende knackten wir diese Marke mit der Petition der Kampagne Erlassjahr 2025 – Turn Debt into Hope. Eine Zahl, die sich sehen lassen kann! Ein weiterer Hingucker auf der Demonstration waren die Abanicos (zu deutsch: Fächer) mit Sprüchen wie „Debt kills Development“ und „Turn Debt into Hope“.
Ein Mitbringsel, was auch auf der FfD4 Konferenz für wohlverdiente Abkühlung sorgte – doch nicht mit der Security! Der UN waren sämtliche politische Botschaften auf T-Shirts, Taschen, Flaschen oder eben Fächern ein Dorn im Auge und damit ausdrücklich verboten. Wir nutzten die Fächer trotzdem bis sie von der Security beschlagnahmt wurden. Noch problematischer als das Verbot der harmlosen Fächer war aus unserer Sicht jedoch, dass die zivilgesellschaftliche Beteiligung bei der Konferenz weitgehend an den Rand gedrängt wurde. So beschränkte sich die Redezeit bei vielen offiziellen Veranstaltungen für zivilgesellschaftliche Akteure auf wenige Minuten – während Vertreter*innen profitorientierter Unternehmen viel Raum einnahmen.
Der CSO Mechanism for FfD, ein internationaler Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen, bei dem auch erlassjahr.de Mitglied ist, interpretierte diese Tendenz als Marginalisierung der Zivilgesellschaft. Um sich Gehör zu verschaffen, meldete der Zusammenschluss eine Demonstration an, die am letzten Tag der Konferenz bewilligt wurde. Was vorher streng verboten war, schillerte nun in aller Öffentlichkeit: Banner, Schilder und Fächer mit Sprüchen wie „Pay Up! Cancel the Debt!“ oder „Make Polluters pay!“. Dazu riefen wir Parolen, wie etwa: „What do we want? Debt Cancellation! When do we want it? Now!“ Auch hier setzten wir natürlich unser Banner ein, das die 70 Tausend Unterschriften aus Deutschland sichtbar machte. Für die Mehrheit der Konferenzteilnehmer*innen kam dieses Ereignis prompt und unerwartet. Es dauerte nicht lange und die Versammlung war von einer zweiten Versammlung bestehend aus (Hobby-)Fotograf*innen umzingelt. Für uns war es die erste Demonstration, auf der wir einen Anzug trugen.
Fazit
Für uns bot die Konferenz eine einmalige Chance für Vernetzung und Austausch mit zivilgesellschaftlichen Partner*innen auf der ganzen Welt. Gerade Gespräche mit Kolleg*innen aus dem Globalen Süden erwiesen sich als wertvoll, um nicht nur unseren gemeinsamen Kampf für Schuldengerechtigkeit zu stärken, sondern auch unseren eigenen Horizont zu erweitern – der im normalen Büroalltag etwa im Fall von Eva sonst hauptsächlich zwischen Köln und Düsseldorf pendelt. Wir liefen von Konferenzraum zu Konferenzraum, unterhielten uns zwischendurch mit Partner*innen, schnitten Videos für Social Media oder blickten amüsiert auf das „Cancel Global South Debt“-Banner, das Debt for Climate vom Konferenzzentrum aus gut sichtbar platzierte. Eins wurde uns in Gesprächen immer wieder bewusst: es ist wichtig, dass wir uns und unsere Arbeit reflektieren und aktiv den Austausch mit Partner*innen weltweit führen.
Auch wenn das Abschlussdokument politisch weit hinter dem Notwendigen zurückbleibt, bestärkt uns diese weltweite Vernetzung darin, den Einsatz für globale Schuldengerechtigkeit entschlossen weiterzuführen. Sevilla darf nicht als Endpunkt betrachtet werden: Trotz erheblicher Abschwächungen enthält das Abschlussdokument noch immer die Zusage, einen zwischenstaatlichen Prozess unter dem Dach der Vereinten Nationen zu Reform der internationalen Schuldenarchitektur zu initiieren. Wir werden unsere gestärkten internationalen Netzwerke nutzen, um dafür zu kämpfen, dass sich Deutschland in einem solchen Prozess künftig kollegial und konstruktiv verhält – und nicht länger legitime Forderungen des Globalen Südens blockiert. Dazu möchten wir auch hierzulande unsere Zusammenarbeit weiter ausbauen und stärken.
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