Pariser Club: 17.6.2011

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Wie alt ist der Pariser Club eigentlich? Soll man ihm gratulieren? Kommt man eher mit einem mit Ketten dekorierten Geburtstagskuchen gut an oder mit einem Kampagnenstatement, den man überreichen will? Die Vertreter/innen der Kampagne “Entschärft die Schuldenkrise”, die auch von erlassjahr.de getragen wird, kennen die Antworten – denn wir waren am Freitag in Paris und haben die Herrschaften vom Pariser Club an die vergangenen 55 Jahre schlechten Schuldenmanagement erinnert. In das französische Finanzministerium, wo der Club hinter geschlossenen Türen tagt, wurden wir zwar nicht reingelassen, umso bunter und lauter war aber die Aktion vor den Toren des Clubs am Boulevard Bercy. Fotoreport mit Kommentaren findet man in unserem Facebook – Album.

Pariser Club wird 55: Ein Grund zum Feiern?

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6.7.2011, Berlin – Pariser Platz:  Zwischen dem Brandenburger Tor und der französischen Botschaft liegt eine überdimensionale rote Kette, das Symbol der ungerechten globalen Schuldenpolitik. Dahinter stehen erlassjahr.de – Unterstützer/innen mit Bannern und einem gepfändeten Eiffelturm. Unser Kampagnenmotto „Entschärft die Schuldenkrise!“ ziert heute so einige Fotos von neugierigen Touristen und Besuchern, die sich das Zentrum von Berlin anschauen.

Ein Geburtstag, der nicht glücklich macht

Der Anlass unserer Aktion ist symbolisch: Nächste Woche wird der Pariser Club 55 Jahre alt. Das Jubiläum des informellen Forums der Gläubigerregierungen, das seit 1956 über Schuldenumwandlungen und eventuelle Schuldenerlasse für hochverschuldete Länder entscheidet, ist jedoch kein Grund zum Feiern für uns: Der Pariser Club verkörpert genau die Art von Schuldenmanagement, die die internationale Entschuldungsbewegung kritisiert. So werden die Verhandlungen ausschließlich von Gläubigern geführt und auch entschieden. Alles findet hinter verschlossenen Türen statt, der Club muss seine Entscheidungen durch keine unabhängige Institution prüfen lassen. Es gibt kein einheitliches Prozedere bei den Verhandlungen, keine Regeln, die den Schuldner schützen oder ihm zumindest irgendwelche Rechte im Verfahren garantieren. Der Schuldnerstaat darf  zwar vorsprechen, entscheiden tun jedoch nur die Gläubiger. Der Schuldner kann sich die Urteile des Clubs, der zugleich Richter und Partei im eigenen Prozess ist, einfach nur anhören.

Und die Alternative?

Es geht auch anders, sagen wir: Ein faires und unabhängiges Verfahren soll bei Staatspleiten einen Neuanfang ermöglichen – und dabei die Grundrechte des Schuldnerstaates schützen. Das Konzept eines Fairen und Transparenten Schiedsverfahrens (FTAP) ist seit Jahren die Kernforderung von erlassjahr.de und vielen weiteren Entschuldungsorganisationen aus aller Welt. Im Jahr 2010 wenden wir uns gemeinsam unter dem Motto „Entschärft die Schuldenkrise“ an die Vertreter der G20, der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt. Frankreich hat in diesem Jahr den Vorsitz der G20 inne – auch deswegen schreiben im Rahmen der Kampagne die Mitträger und Unterstützer von erlassjahr.de den französischen Vertretern, dass bei Staatspleiten faire Regeln notwendig sind. Die Gläubiger müssen einsehen, dass es Risiken und Verluste auf dem internationalen Kreditmarkt gibt, und die Bevölkerung der Schuldnerländer darf nicht für eine Krise verantwortlich gemacht werden, die sie nicht verursacht hat.

Der französische Botschafter weiß bescheid

Das alles haben wir nach der Kundgebung auch mit dem ersten Sekretär der politischen Abteilung in der französischen Botschaft, Herrn Jay Dharmadikari, besprochen. Die dortige Poststelle kriegt schon seit März unsere Aktionspost, nun kamen die vielen beim Kirchentag unterschriebenen Karten bei zusammen mit dem schönen Modell eines gepfändeten Eiffelturms als Geschenk dazu. Nach einem Austausch über die Positionen und Forderungen der Kampagne wurden wir über den G20-Prozess in Frankreich informiert und uns wurde die Offenheit der französischen Regierung gegenüber den Anliegen der Zivilgesellschaft zugesichert. Sogar kritische Äußerungen zum Pariser Club waren dabei, was wir natürlich sehr begrüßt haben.

Was tun?

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Aber Diplomatie hat ihre Regeln,  und ein Botschaftsgespräch ist und bleibt ein Gespräch. Weiter Aktionen werden folgen – und auch Sie sind gefragt: Gerne liefern wir Ihnen unser Kampagnenmaterial mit Musterbriefen, Aktionskarten und weiteren Ideen, wie man die Kampagne „Entschärft die Schuldenkrise“ unterstützen kann. Machen Sie mit!

Fragen und Antworten für die Medien

Zum Abschluss des Aktionstages hat erlassjahr.de mit der Kindernothilfe, unserem besonders engagierten Mitträger, zu einem Mediengespräch eingeladen. Dabei wurde in lockerer Atmosphäre im Schatten des Brandenburger Tors nochmals die Kampagne vorgestellt, die aktuelle politische Lage diskutiert und auf die Fragen der Journalisten eingegangen. Unser Dank geht an die Kindernothilfe für die Unterstützung beim Aktionstag! Nächste Woche trifft erlassjahr.de seine internationalen Kollegen in Paris: Eine „Gratulation“ an den Pariser Club findet am 17.6. direkt vor Ort statt.

Schöne Bilder vom Aktionstag in Berlin gibt es in unserem Facebook-Album.

Ausgestrahlt? Deutschland und seine AKW-Exportbürgschaften

Bekannterweise sind Versicherungskonzerne besonders zögerlich, wenn es um die Versicherung von Atomkraftwerken geht. Denn im Katastrophenfall sind die messbaren Schäden bereits so hoch, das kein Profit anstrebendes Unternehmen die Haftung übernehmen will. Die weitreichenden, kaum quantifizierbaren negativen Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und ganze Wirtschaftsregionen will der AKW-Betreiber oder die Versicherung genauso wenig verantworten. Erstmals hofft man, mit Statistiken gewappnet, dass ein GAU nie passiert – doch wenn es soweit ist, übernimmt dann der Staat die Verantwortung.

Wenn es um die Versicherung von Geschäften geht – sogar von Geschäften mit Atomkraftwerken – sind die Versicherer jedoch viel besser gelaunt. Weil Schwellenländer bei Großinvestitionen nicht immer den Zahlungskalender einhalten können, ließ sich Areva NP, die Nuklear-Tochter von Siemens AG, ihre Finanzierung des Weiterbaus von dem brasilianischen Atomkraftwerk Angra 3 von Deutschland garantieren. Die Hermes-Bürgschaft würde beim Zahlungsausfall einspringen und dem privaten Investor seinen Profit sichern.

Die deutsche Politik hat in dem Geschäft mit Exportkrediten in den letzten zwei Jahren den pro-nuklearen Kurs eingeschlagen. Zwischen 2001 und 2010 war die staatliche Exportförderung für Atomtechnologie verboten. Die schwarz-gelbe Bundesregierung schaffte dieses Ausschlusskriterium gleich am Anfang ihrer Amtszeit ab, um die Bürgschaft für Angra 3 zu ermöglichen. Der seit langen Jahren im Bau befindlicher Reaktorblock des brasilianischen Atomkraftwerks in Angra dos Reis liegt direkt an der Atlantikküste zwischen Rio und Sao Paulo, in einem erdrutsch- und erdbebengefährdeten Gebiet. Am Zwillingsreaktor Angra 2 wurde 25 Jahre lang gebaut, die technischen Parameter der Reaktoren entsprechen nicht den aktuellen europäischen Sicherheitsauflagen, und Fragen der  Müllentsorgung oder Katastrophenplanung sind gar nicht gelöst. Kein Grund zur Sorge, dachte die Bundesregierung vor einem Jahr und gewährte eine grundsätzliche Bürgschaft von 1,3 Milliarden Euro. erlassjahr.de protestierte zusammen mit den Organisationen Urgewald und Oikocredit Förderkreis Bayern, und Siemens wurde 2010 mit dem Wanderpreis „Hai des Jahres“ ausgezeichnet. Den Bericht zu unserer Hai-Aktion in München kann man hier nachlesen.

Wie der Spiegel berichtet, überlegt die Bundesregierung nach der Katastrophe in Fukushima doch noch einmal, ob die bereits beschlossenen Garantien für Angra 3 wirklich Sinn machen. Wirtschaftsminister Brüderle hat eine erneute Überprüfung des weiteren Vorgehens angekündigt. Wir bei erlassjahr.de sind auf die Ergebnisse gespannt: Werden die Garantien tatsächlich zurückgenommen? Damit in der Zukunft keine Atom-Bürgschaften mehr vergeben werden, unterstützen wir die Aktion „Atomtod exportiert man nicht“ von Campact und Urgewald. Machen Sie mit – unterschreiben Sie hier!

Mitträgerversammlung 2010: Entschärft die Schuldenkrise!

Für manche beginnt mit Anfang November fast schon der Winterschlaf. Nicht für erlassjahr.de und seine Mitträger, die sich vom 5.-6.11.2010 in Dietershausen bei Fulda versammelt haben, um sowohl auf das vergangene Jahr zurückzublicken, als auch um die Aktionen im Jahr 2011 zu planen. Denn unser Thema ist gerade jetzt brandaktuell – diese Chance wollen wir nutzen! Staatsschulden sind durch die Finanzkrise weltweit in den Fokus der Politiker, wie auch der Zivilgesellschaft gerückt. Seit Frühjahr 2010 setzt sich auch die deutsche Bundesregierung für ein internationales Insolvenzverfahren ein. Um dieses global zu gestalten, wird erlassjahr.de mit seiner neuen Kampagne an die G20 appellieren. Das Forum der größten Wirtschaftsmächte und aufsteigenden Schwellenländer versteht sich als Vertreter von 2/3 der Weltbevölkerung und repräsentiert etwa 85% der globalen Wirtschaftsleistung. Deswegen haben wir ein Modell von gemeinsamen Briefen und Aktionsschritten von erlassjahr.de – Mitträgern und ihren Partnerorganisationen entworfen, über das bei der MTV lebhaft diskutiert wurde. In diesen Tagen geht das Aktionsmaterial in Produktion – die Kampagne kann starten! Doch nicht nur in Deutschland macht man sich für 2011 fit: Unsere Partneraktionen sind Teil der internationalen Kampagne “Defuse the Debt Crisis – Entschärft die Schuldenkrise”. Darin haben sich Entschuldungsnetzwerke aus vielen Ländern zusammengeschlossen, um im Jahr 2011 mit einer einheitlichen Forderung an die G20 zu treten: Die Welt braucht ein faires Insolvenzverfahren für Staaten – setzt es auf die Agenda des Gipfeltreffens im November 2011 in Frankreich! Da unser Nachbarland nach Südkorea den Vorsitz bei den G20 übernimmt und als Gastgeber nach Paris & co einlädt, wollen besonders die europäischen Entschuldungsbewegungen (Jubilee Debt Campaign UK, Jubilee Netherlands, SLUG aus Norwegen, Aktion Finanzplatz Schweiz und natürlich erlassjahr.de) Druck auf den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und die G20-Finanzminister ausüben.

Über die Mobilisierung und die Bedeutung der G20 sprach auch unser Spezialgast, die Entschuldungsexpertin Oygunn Brynildsen vom europäischen Dachverband EURODAD. Jürgen Kaiser, der politische Koordinator von erlassjahr.de, berichtete über die politischen Entwicklungen rund ums FTAP und brachte die neuesten Informationen aus den Berliner Ministerien mit. Kristina Rehbein, Praktikantin im erlassjahr.de – Büro, begeisterte die Versammlung mit der Interpretation der komplexen Verschuldungsdaten, die sie aus den Berichten des IWF recherchiert. Leider sind die Indikatoren überhaupt nicht zufriedenstellend – die Tendenz hat sich bei vielen Ländern im Zuge der internationalen Finanzkrise verschlechtert. Jana Zwernemann, Campaignerin von erlassjahr.de, präsentierte einen Foto-Rückblick auf das Jahr 2010 und stellte die anlaufende Kampagne vor. Am zweiten Tag der Mitträgerversammlung beschäftigten sich die TeilnehmerInnen in vier thematischen Arbeitsgruppen mit konkreten Schwerpunkten. Welche Themen stehen auf der erlassjahr.de – Agenda 2011? Welche Schritte erwarten uns im internationalen Campaigning? Wo liegen die Schwerpunkte bei den Medien und in der Materialproduktion? Und wie schaffen wir es, unsere Mitträger besser einzubinden und neue zu finden? Darüber hinaus präsentierte Michael Borger von der Ev. Jugend Pfalz das neue, interaktive Stationsspiel “Schuldenlabyrinth 21“. Auch die aktuelle Posterausstellung “Wege aus der Schuldenfalle” wurde den Mitträgern vorgestellt.

Am Samstag ging die Mitträgerversammlung dann in die Bündnisratsklausur über. Der neugewählte Bündnisrat wählte wiederum den Lenkungskreis – dieser wird auch im Jahr 2011 unverändert bleiben. Was hat sich im Bündnisrat geändert? Sr. Ursula Maria von Tils (Herz-Jesu-Missionsschwestern, Hiltrup) konnte in diesem Jahr nicht mehr kandidieren, neu dabei ist Katja Hofmeister (Micha-Initiative). Herzlichen Dank an Ursula-Maria für ihre kraftvolle Untertützung und ein “herzlich willkommen” für Katja – wir wünschen viel Erfolg bei der Bündnisarbeit!

Mit frischen Ideen und einer gut gefüllten To-Do-Liste ging es dann am Sonntag nach Hause – die große G20-Kampagne “Entschärft die Schuldenkrise” kann beginnen! Wir freuen uns auf Ihre Unterstützung!

Hier geht es zur großen Foto-Gallerie von der MTV 2010

Brief an slowakische Ministerpräsidentin Radicova

Erlassjahr.de hat der slowakischen Ministerpräsidentin Iveta Radicova anlässlich ihres Deutschland-Besuchs einen offenen Brief geschrieben. Slowakei hat als einziges Euro-Land ihre Beteiligung an den Hilfskrediten für Griechenland abgesagt.  Allerdings hat sich Radicova auch für ein Staateninsolvenzverfahren ausgesprochen. In dem Brief begrüßt erlassjahr.de die positive Haltung zum deutschen Vorschlag für ein Internationales Insolvenzverfahren und weist auf die Argumente für die schnelle Einführung einer Insolvenzordnung für Staaten hin.

Brief an slowakische Ministerpräsidentin Radicova (deutsch)

List premierke Radicovej (slovensky)

Experten-Talk als Video: Sollten Staaten pleite gehen können?

Die Diskussion “Nach dem Griechenland-Schock: Sollten Staaten pleite gehen können?” im Frankfurter Haus am Dom (22.6.2010) wurde gefilmt und  in zwei 10-minütige Clips geschnitten:

 http://www.youtube.com/watch?v=Kf6QnRoKycc&feature=channel 

Mit: Dr. Dagmar Linder (Deutsche Bank), Prof. Marcel Tyrell (Zeppelin University Friedrichshafen), Paul Garaycochea (BMZ, Jürgen Kaiser (erlassajhr.de)

Rettung mit Bedingung: Slowakei unterstützt deutsche Pläne für ein internationales Insolvenzverfahren

Zuerst war es ein heißes Wahlkampfthema, dann eine strategische Entscheidung: Über die  Beteiligung der Slowakei am europäischen Rettungspaket für das bankrotte Griechenland wurde gerade vor den Parlamentswahlen vom 12. Juni sehr emotional diskutiert. Dabei kamen so manche interessante Aspekte ans Licht: Dass die Slowakei selber Kredite aufnehmen müsste, um den Griechen was zu leihen. Dass solche “Rettungsaktionen” eigentlich laut den geltenden Verträgen gar nicht stattfinden sollten. Aber auch, dass ein kleines Land gar nicht so viel Entscheidungssouverenität hat in der EU, und dass Solidarität in der EU doch wichtiger ist als ein paar Wählerstimmen. Denn wie die neue Regierung mit Besorgnis meldet, könnte der Haushaltsdefizit der Slowakei bald den griechischen Zahlen ähnlich sein – derzeit wird in Bratislava an einem neuen Sparplan gearbeitet. Also wurde nach wochenlangem Überlegen entschieden, sich an den Garantien in Höhe von 4,37 Mrd. € im Rahmen des “Rettungspakets” zu beteiligen, nicht aber an direkten Soforthilfen in Höhe von 880 Mio. €. Die Beteiligung soll vier Bedingungen haben:  Die EU soll den Stabilitätspakt stärken, ein geordnetes Insolvenzverfahren für bankrotte Staaten einführen, das betroffene Land soll alle anderen Optionen geprüft haben und die finanziellen Mittel sollen entsprechend den IWF-Regeln verwendet bzw. zurückgezahlt werden.

Auf der Seite des slowakischen Regierungsamtes heißt es: “Die Premierministerin Iveta Radicová begrüßt die medialisierte Initiative der deutschen Bundesregierung für ein geordnetes Insolvenzverfahren für untragbar verschuldete Länder.” Und außerdem: “Für die Premierministerin Radicová ist es inakzeptabel, dass die Folgen des verantwortungslosen Handelns nicht von den Banken, sondern in vollem Maße von den Bürgern der Mitgliedsstaaten getragen werden, die über den Rettungsmechanismus nicht entschieden haben und für die Krisensituation nicht verantwortlich sind. (…) Die Regierung hat grundsätzliche Einwände gegen die Art, wie die Europäische Währungsunion mit der Schuldenkrise einiger ihrer Mitgliedsstaaten umgeht. Deswegen wird sie auf einer Einigung bestehen, die gewährleisten soll, dass sich das Risiko einer Wiederholung derartiger Situationen minimalisiert.” 

Über die Bedingung Nr.2 ist erlassjahr.de besonders erfreut – wir setzen uns gerade jetzt dafür ein, dass die Idee eines Internationalen Insolvenzverfahrens noch mehr Unterstützung auf internationaler Ebene findet!

Neue Zahlen zu den Schulden der ärmeren Länder bei Deutschland

Mehr als zwei Jahre lang hat das Bundesfinanzministerium darauf verzichtet, die Forderungen der Bundesrepublik an die Entwicklungs- und Schwellenländer zu aktualiserten. Wer wissen wollte, wie viel Geld Deutschland noch von ärmeren Ländern zu bekommen hatte, musste sich mit Informationen zum Stichtag 31.12.2007 zufrieden geben. Dank einer Kleinen Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion sah sich der BMF nun genötigt, die Zahlen zum 31.12.2009 zu aktualisieren. Das BMF kündigt die Veröffentlichung der Zahlen auf seiner Website  “voraussichtlich im Sommer” an.  Offenbar ist es in der Berliner Wilhelmstrasse aber noch nicht sommerlich genug. Bei uns in Düsseldorf ist es hingegen so heiß, dass wir die Zahlen schon mal zum Download anbieten.

Insgesamt sind die Schulden von Entwicklungs- und Schwellenländern bei der Bundesregierung um 2,1 Mrd. € auf 21,58 Mrd. zurückgegangen. Davon entfallen 14,6 Mrd. € auf Schulden aus der Entwicklungszusammenarbeit und knapp 7 Mrd. € auf vom Staat entschädigte Schulden bei deutschen Exporteuren (“Handelsforderungen”). In den meisten Fällen liegt der Rückgang daran, dass die verschuldeten Länder regulär gezahlt haben. Dazu kommen die Effekte der nach und nach umgesetzten HIPC-Entschuldungsinitiative. Spürbar gestiegene Schulden hat Argentinien (durch Verzugszinsen auf die seit 2001 nicht mehr bedienten Handelsschulden von 1,8 Mrd.). Ähnlich liegt der Fall bei Myanmar und Simbabwe. Neue Kredite im Rahmen der Entwicklungshilfe bekamen Vietnam, Pakistan und Südafrika.

Rettungspaket ohne rettende Wirkung

Das milliardenschwere Rettungspaket für Griechenland zögert die Staatspleite nur hinaus und macht sie teurer. Das Risiko einer ungeordneten Insolvenz bleibt damit auch erhalten – zum Nachteil der Gläubiger. “Unter dem Strich ist eine geordnete Umschuldung der griechischen Staatsschulden für Schuldner wie Gläubiger machbar und erstrebenswert. Sie ist unvermeidbar, will Europa eine Ausweitung der Krise vermeiden”, schreibt Nouriel Roubini, Professor an der Stern School of Business der Universität von New York, in der heutigen Ausgabe der Financial Times Deutschland. Den Artikel “Lasst Griechenland einfach pleite gehen” können Sie hier lesen.

3 von 4 Experten sagen: Lasst auch Staaten pleite gehen

Zu der Podiumsdiskussion im Frankfurter Haus am Dom am 22.6. 2010 waren vier erfahrene Schulden-Experten geladen und der Moderator Robert von Heusinger (Frankfurter Rundschau) taufte sie umgehend nach ihren Professionen. So diskutierten Der Entschulder, Der Entwicklungspolitiker, Die Gläubigerin und Der Kapitalismusforscher zwei Stunden lang über die Frage, ob auch Staaten pleite gehen können und sollen. Die Antwort lautete in drei von vier Fällen “Ja”. Das einzige Nein kam von der Gläubigerin, Frau Dr. Dagmar Linder von der Deutschen Bank. Professor Marcel Tyrell von der Zeppelin University Friedrichshafen wie auch Paul Garaycochea vom BMZ und Jürgen Kaiser von erlassjahr.de fanden die Option eines geregelten Insolvenzverfahrens sinnvoller als eine ewige Abfolge von Schuldenumwandlungen, wie sie bisher bei Entwicklungsländern angewandt wurden und aktuell unter breit gespannten Rettungsschirmen sogar in Europa teuer verwirklicht werden. Die TeilnehmerInnen erschienen zahlreich, trotz Sonnenschein und WM-Stimmung, und stellte viele Fragen. Unser Dank für die gelungene Veranstaltung geht an die Akademie Rabanus Maurus und an das Haus am Dom in Frankfurt am Main.

Die Frage lautet: Sollten Staaten pleite gehen können? / © erlassjahr.de
Der Entschulder, der Entwicklungspolitiker, die Gläubigerin und der Kapitalismusforscher (von links nach rechts). In der Mitte wird moderiert. / © erlassjahr.de
Etwa siebzig interessierte Zuhörer waren im Publikum. / © erlassjahr.de
Robert von Heusinger (Frankfurer Rundschau), Dagmar Linder (Deutsche Bank), Marcel Tyrell (Zeppelin University Friedrichshafen). / © erlassjahr.de
Der Entschulder im Focus. / © erlassjahr.de