Eine Brücke zurück – wie die “Bridge to Climate Action” Gläubigerinteressen stützt

Seit mehr als drei Jahren gibt es das G20 Common Framework, um Umschuldungen in kritisch verschuldeten Ländern zu organisieren. Verhandlungen sind langwierig, die Koordination der verschiedenen Gläubiger ist schwierig, für Schuldnerländer ist das Rahmenwerk bisher nicht besonders attraktiv. Entsprechend machen verschiedene Akteure immer wieder Vorschläge, wie der Ablauf von Umschuldungsverhandlungen verbessert werden kann (siehe auch erlassjahr.de hier). Nun reiht sich ein weiterer Vorschlag ein, der die Verbindung zwischen der Lösung der Schulden- und Klimafinanzierungskrise zieht. In der Studie „A bridge to climate action – A tripartite deal for times of illiquidity“ wird die Gefahr einer „stillen Entwicklungskrise“ betont, ausgelöst durch einen untragbaren Schuldendienst bei gleichzeitig fehlendem Zugang zu Finanzierungen, so dass Regierungen Kürzungen bei Sozialausgaben und Zukunftsinvestitionen vornehmen müssen. Dieser willkommen alarmistische Ton schlägt sich jedoch nicht nieder im dann vorgestellten Vorschlag, wie damit umzugehen sei. Der Vorschlag nährt vielmehr den seit einiger Zeit vorherrschenden Diskurs, dass Schritte zu ambitionierten Schuldenerlassen (noch) nicht nötig seien (siehe unter anderem hier).

Aus Sicht der Autoren der Studie seien die meisten Länder bloß illiquide und nicht insolvent, bräuchten also bloß Überbrückungshilfe, um wachstumsfördernde Investitionen vornehmen und aus ihren Schulden herauswachsen zu können. Sie nehmen dabei vor allem Länder in den Blick, die zwischen 2024 und 2026 hohe Schuldendienstzahlungen leisten müssen.

Der Vorschlag

Für diese Länder wird folgendes vorgesehen:

  • Multilaterale Entwicklungsbanken und der Internationale Währungsfonds vergeben umfassende Neukredite an die beteiligten Schuldnerstaaten. Diese Finanzmittel sollen an Strukturauflagen gebunden werden, die anders als sonst in Rettungsprogrammen des IWF nicht auf die Stabilisierung der Zahlungsbilanz ausgerichtet sein sollten, sondern auf nachhaltiges grünes Wachstum. Dafür sollen begünstigte Länder „nationale Anpassungs- und Erholungspläne“ unter Beteiligung von Zivilgesellschaft erarbeiten.
  • Schuldnerstaaten verpflichten sich über einen fünfjährigen Programmzeitraum, die Strukturauflagen umzusetzen, damit eingesetzte Mittel auch tatsächlich zu produktivem Wachstum führen.
  • Um zu vermeiden, dass die Gelder von IWF und co. lediglich den Schuldendienst an andere Gläubiger aufrechterhalten, sollen anfallende Tilgungszahlungen für die Dauer von 5 Jahren umgeschuldet werden. Zinszahlungen sollen zumindest teilweise geleistet werden. In einem ersten Entwurf war noch geplant, dass ausstehende Schulden zu einer Zinsrate umgeschuldet werden sollen, die nicht höher als die realistische Wachstumsrate der Länder ist. Im Vorschlag mit Stand Februar 2024 ist letzteres verwässert worden.

In einem früheren Entwurf des Vorschlags war noch geplant, dass am Ende des Verfahrens eine endgültige Überprüfung vorgenommen werden soll, ob die Verschuldungssituation tatsächlich tragbar ist. Wäre dem nicht so, dann hätten die Schulden auf ein nachhaltiges Niveau reduziert werden sollen. Dieser Schritt ist in der aktuellsten Version nicht mehr enthalten.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Die Gewährung von Zahlungsverlängerungen, wie es der Vorschlag aussieht, ist das Einzige, auf das sich Gläubiger aktuell in den laufenden Post-Covid-Umschuldungen innerhalb und außerhalb des G20 Common Frameworks bereits einigermaßen einlassen. Allerdings tun sie dies nicht in einer koordinierten und raschen Weise, so dass Schuldnerländer langwierigen Verhandlungen mit ungewissem Ausgang ausgesetzt sind. Hier versucht der Vorschlag anzusetzen und die Gewährung von Zahlungsverlängerungen für die betroffenen Ländern planbarer und schneller über die Bühne zu bekommen, da diese mehr oder weniger automatisch Teil des Programms wären. Wie genau jedoch sichergestellt werden kann, dass sich wirklich alle Gläubiger an der Aussetzung der Tilgungszahlungen beteiligen, wird nicht ausreichend klar. Die Autoren verweisen auf die negative Erfahrung mit der G20 Debt Service Suspension Initiative, der DSSI, bei der sich damals trotz Bitten der öffentlichen Gläubiger private Gläubiger mit fast keinem einzigen Schuldendollar beteiligt haben – sehr zum Leidwesen Chinas. Auch heute bleibt das Problem bestehen: Äthiopien erhielt etwa ein Schuldenmoratorium von seinen öffentlichen Gläubigern, seine Anleihehalter weigerten sich jedoch, ein Moratorium zuzugestehen. Eine zufriedenstellende Antwort darauf, wie in Zukunft die Beteiligung aller Gläubiger, inklusive privater Gläubiger, an einer 5-jährigen Zahlungsaussetzung durchgesetzt werden soll, gibt der Vorschlag nicht.

Wenn Schuldnerländer im G20 Common Framework umschulden, sind Zahlungsverlängerungen das einzige, worauf sich die öffentlichen Gläubiger bislang einigen (und über ihre Gleichbehandlungsklausel auch von anderen Gläubigern verlangen). Das, was im G20 Common Framework aktuell nicht funktioniert – wo also dringender Reformbedarf besteht – ist, Gläubiger zu umfassenden Schuldenstreichungen in den betroffenen Ländern zu bewegen. Hier leistet der Vorschlag keinen Beitrag dazu, wie im Kontext widerstreitender Gläubigerinteressen weitreichendere Schuldenrestrukturierungen durchgesetzt werden können, die über eine kurzfristige Zahlungsverlängerung hinausgehen.

Der Vorschlag sieht hauptsächlich vor, die Beteiligungsbereitschaft aller Gläubiger durch die Aussicht auf Wachstum und damit Rendite in den Schuldnerländern zu erhöhen. Zudem gehen die Autoren davon aus, dass die politische Unterstützung aller Schlüsselakteure (vom Schuldnerland bis hin zu allen relevanten internationalen Finanzinstitutionen und öffentlichen Gläubigern) die nötige Strahlkraft habe, um Beteiligung sicherzustellen. Exakt diese Annahme hatten auch die Architekten des G20 Common Framework im Jahr 2020: Sie gingen davon aus, dass die (umfangreiche) Einbindung des Privatsektors in Umschuldungen im Common Framework viel überzeugender eingefordert werden könnte, wenn alle (wesentlichen) öffentlichen Gläubiger/Akteure politisch hinter dem G20 Common Framework stehen. Die ersten Common Framework-Fälle zeigen, dass diese Annahme naiv war, auch wenn in Sambia der öffentliche Sektor tatsächlich eine Rolle dabei gespielt hat, dass private Gläubiger mehr Erlass zugestehen müssen, als sie zuerst bereit waren zu geben. Die Erfahrung zeigt, dass alleinig die reale Gefahr des Forderungsverlustes der zentrale Anreiz für unkooperative Gläubiger ist, sich (ausreichend) zu beteiligen. Ob ohne jegliche Sanktionsmechanismen eine wirklich vollumfängliche Umschuldung durchgesetzt werden kann, ist fraglich.

Gefahr, dass fehlende Handlungsbereitschaft der Gläubiger weiter gefestigt wird

Nun ist dies nur ein Vorschlag unter vielen. Doch anders als andere Vorschläge trifft dieser auf viel politisches Interesse. Dies liegt auch daran, dass der Vorschlag im Wesentlichen eine Bejahung des Status Quo ist. Er gibt Gläubigern die Möglichkeit, das Muster der Ablehnung von Schuldenstreichungen noch einmal akademisch zu legitimieren und stärker zu standardisieren. Es gibt ihnen die Möglichkeit, zu behaupten, dass sie die Lösung der Schuldenkrise angehen, obwohl sie sie in der Realität nur hinauszögern. Der Vorschlag gibt auch Schuldnerregierungen die Möglichkeit, einfach noch ein paar Jahre lang weiter so zu tun, als gäbe es keine Krise und den Moment der Wahrheit entsprechend hinauszuzögern oder ihren Nachfolgern zu überlassen, während sie in der Zwischenzeit noch mehr Kredite aufnehmen.

Schon immer sind Schuldenrestrukturierungen davon geprägt, dass Gläubiger lieber erstmal darauf hoffen, dass sich Wachstumschancen ergeben, die geringere Zugeständnisse nötig machen würden. Entsprechend war die Antwort auf Schuldenprobleme, ob in den 1990er Jahren oder in der Griechenlandkrise, immer erstmal die Ausweitung zum Beispiel multilateraler Kreditvergabe und Sparmaßnahmen bei gleichzeitig nur sehr zaghaften Umschuldungen. Damit wurden die ursprünglichen Kreditgeber ausgezahlt, während die Schuldenkrise aufrechterhalten wurde. Vergangene Phasen von Überschuldung haben auch gezeigt, dass zaghafte Umschuldungen in dem Bestreben, den Gläubigern so wenig wie möglich weh zu tun, am Ende zu höheren Kosten für alle Beteiligten geführt haben. Empirisch gesehen: Wenn man schon Schulden reduzieren muss, dann muss man es richtig machen. Anstatt den Status Quo und damit die fehlende Akzeptanz umfassender Schuldenstreichungen hinzunehmen, braucht es größere Anstrengungen, um das G20 Common Framework effektiver zu machen. Der Bridge-Vorschlag verringert leider den politischen Druck dafür.

Ukraine: Optionen für das Ende des Schuldenmoratoriums 2024

Im November 2023 hat die ukrainische Regierung ihren Haushalt für 2024 beschlossen. Ca. 40 Milliarden US-Dollar an externer Unterstützung werden benötigt, um Staatsfunktionen am Laufen zu halten. Die Finanzierung könnte auch durch die Wiederaufnahme des Schuldendienstes an private Vorkriegsanleger erschwert werden.

Wenn das Schuldenmoratorium 2024 endet

Kurz nach dem Angriff Russlands im Februar 2022 hatten neben öffentlichen bilateralen Gläubigern auch Halter von sogenannten Eurobonds in einem Gesamtvolumen von 20 Milliarden US-Dollar der Ukraine ein Schuldenmoratorium gewährt. Durch dieses Moratorium konnte die Ukraine für zwei Jahre seine Zahlungen an die Anleger aussetzen. Das Moratorium läuft im September 2024 aus. Damit stehen allein 2024 Schuldendienstzahlungen in Höhe von mindestens 4 Milliarden US-Dollar an; zwischen 2024 und 2027 werden knapp 15 Milliarden US-Dollar fällig. Anders als die öffentlichen bilateralen Gläubiger, die das erste Moratorium noch deutlich vor Ablauf bis 2027 verlängerten, blieben die privaten Anleger vorerst bei dem 2024-Datum. Laut Medienberichten will die ukrainische Regierung Anfang 2024 einen ersten Vorschlag für den weiteren Umgang mit den Vorkriegsanleihen vorlegen. Sie muss dies im Kontext eines laufenden IWF-Programms tun, welches sowohl an die Umschuldung mit Anlegern 2024 sowie an eine Umschuldung mit öffentlichen bilateralen Gläubigern spätestens bis 2027 gebunden ist. Öffentliche bilaterale Gläubiger wiederum erwarten, dass die Ukraine sicherstellt, dass der Privatsektor vergleichbare Zugeständnisse zu ihren eigenen (noch nicht verhandelten) Erleichterungen bereitstellt.

Erste Medienberichte zeigen, dass die Ukraine mit dem Gedanken spielt, schnellstmöglich an die internationalen Kapitalmärkte zurückzukehren, um frisches Geld zu mobilisieren. Sie tut dies auch vor dem Hintergrund möglicher politischer Veränderungen bei wichtigen Partnerländern und eines schwieriger werdenden Umfelds für finanzielle Unterstützung. In Gesprächen ukrainischer Zivilgesellschaft und ukrainischem Privatsektor zeigte sich zudem die Einstellung, dass man mit seinen Anlegern pfleglich umgehen müsse, sie nicht „zu unfreundlich“ behandeln dürfe, damit sie der Ukraine nicht den Rücken kehrten. Mit „unfreundlich“ ist gemeint, ihnen zuzumuten, Schuldenerleichterungen zu gewähren. Richtig ist, dass, angesichts marktbasierter Verfahren für Umschuldungen und damit auch fehlenden rechtlichen Schutzes für den Schuldner rasche Einigungen mit Privatgläubigern häufig dann zustande kommen, wenn die ausgehandelten Schuldenerleichterungen gering ausfallen. Je höher der notwendige Schuldenerlass bzw. je ambitionierter die Umschuldung, desto länger dauert die Aushandlung und desto höher das Risiko für Holdouts.Um die Angelegenheit also rasch über die Bühne zu bringen und in der Annahme, dem zukünftigen Marktzugang einen Schritt näher zu kommen, kann es sein, dass die Umschuldung 2024 entsprechend investorenfreundlich ausfällt.

Mangelnde Anreize für Zustimmung zu Umschuldung

Die Legacy Bondholders (also der Halter der Vorkriegsanleihen) haben erstmal Interesse daran, frühestmöglich im Krieg eine Einigung zu erzielen, bei der sie so viel wie möglich zurückerhalten. Das liegt auch daran, dass der Anteil von Forderungen, der aus einer zukünftigen Restrukturierung ausgenommen werden würde, immer höher wird. Darunter sind vor allem multilaterale Forderungen sowohl vor dem Krieg als auch aus Unterstützungsleistungen während des Krieges, die bei Schuldenrestrukturierungen grundsätzlich immer ausgenommen werden, sowie finanzielle Unterstützung von bilateralen Gebern während des Krieges . Halter von Vorkriegsanleihen müssen vor diesem Hintergrund damit rechnen, dass ihre Forderungen bevorzugt in eine Umschuldung einbezogen werden.

Die noch anhaltende Unterstützung von bilateraler und multilateraler Seite verbessert zudem die Rückzahlungsfähigkeit der Ukraine – auch wenn die Unterstützung eindeutig für Verteidigungs- und Wiederaufbauzwecke und nicht für die Rückzahlung von Altschulden bestimmt (und notwendig) ist. Auch wenn öffentliche bilaterale Gläubiger und der IWF kein Interesse daran haben, dass ihre Unterstützung an die Ukraine in den Schuldendienst an die Legacy Bondholders fließt, so werden sie die Ukraine auch nicht fallen lassen. Weder ist davon auszugehen, dass der IWF sein Finanzierungsprogramm aufkündigt, noch dass die G7-Staaten ihre Unterstützung auf der Basis eines nicht ausreichenden Einbezugs der Legacy Bondholders in eine Umschuldung aufkündigen. Damit haben Anleihehalter kaum einen Anreiz gibt, einer ambitionierten Restrukturierung zuzustimmen. Das zeigt sich auch daran, dass aufgrund des stetigen Zustroms von Hilfsgeldern, die die Devisenreserven der Ukraine aufstocken, die Anleihekurse seit Juni 2023 um mehr als 50 Prozent gestiegen sind, womit die ukrainischen Anleihen zu den besten Wertentwicklungen auf den globalen Märkten für festverzinsliche Wertpapiere gehören.

Selbst wenn die Legacy Bondholders theoretisch zu höheren Zugeständnissen bereit wären, fehlt Klarheit darüber, wie die Umschuldung aussehen müsste, um den Vorgaben der öffentlichen Gläubiger in Bezug auf die Comparability of Treatment zu entsprechen. Normalerweise gibt es zuerst eine Vereinbarung mit dem Pariser Club (im Fall der Ukraine mit der Group of Creditors of Ukraine), auf dessen Basis der Schuldner vergleichbare Zugeständnisse mit dem Privatsektor aushandeln muss. Im Fall der Ukraine ist es aber umgekehrt: Während die Aussetzung des Schuldendienstes an die Anleihehalter 2024 ausläuft, wird es eine Umschuldung mit der Group of Creditors erst gegen Ende des IWF-Programms, also einige Jahre später geben. Wenn nicht klar ist, wieviel andere Gläubiger bereit sind zuzugestehen, gibt es keinen Grund, selbst bereits umfassend in „Vorleistung“ zu treten. Hinzu kommt, dass in den Jahren zwischen 2024 und 2027 inmitten einer Kriegssituation viel passieren kann, was kaum in eine verlässliche Schuldentragfähigkeitsanalyse einrechenbar ist. Das reicht von der Frage, ob externe Unterstützungen – wie vom IWF in seinen Vorhersagen eingerechnet – überhaupt in ausreichendem Maße zustande kommen, bis hin zum kaum vorhersehbaren weiteren Kriegsverlauf. Damit kann es sein, dass für die Umschuldung der öffentlichen Gläubiger ganz andere Parameter gelten (müssen). Anleger haben vor allem Sorge, dass sie ein positiveres Szenario verpassen könnten, von dem die öffentlichen Gläubiger dann profitieren würden, sie aber höhere Verluste hinnehmen müssten. Schon in anderen Schuldnerländern, die sich nicht in einer Kriegssituation befinden, hatten Veränderungen im makroökonomischen Umfeld im Verlauf einer Umschuldung zu Verzögerungen und Gläubigerblockaden geführt.

Wie haltbar ist die Annahme des raschen Marktzugangs?

Sehr wahrscheinlich ist es nicht, dass der besonders vorsichtige Umgang mit den Anlegern und die Präsentation als verlässlicher, marktfreundlicher Schuldner den Marktzugang für die Ukraine noch während des Krieges wiederherstellen wird. Bereits vor dem Angriffskrieg hatten private Gläubiger begonnen, ihr Engagement in der Ukraine zurückzufahren. Auch müsste die Ukraine heute rund 15 Prozent auf neu ausgegebene Anleihen bezahlen. Schon andere Krisenländer haben zudem lernen müssen, dass Versprechen von Kapitalmarktgebern, dass, wenn Länder in der Krise sich nur wohlverhalten und ihnen, den Kapitalgebern, nicht zu viel zumuten würden, sie entsprechend mit Unterstützung rechnen könnten, nicht haltbar sind: So wurde dem hoch verschuldeten Griechenland 2011 auf Basis der sogenannten Vienna Initiative versprochen, dass deutsche Banken ihr Griechenland-Engagement nicht zurückfahren würden – unmittelbar danach wurde ihr Exposure auf rund die Hälfte reduziert. Staaten im Globalen Süden wurden davon abgehalten, ihre privaten Gläubiger in das Schuldenmoratorium DSSI der G20 einzubeziehen, um ihren wohlverdienten Marktzugang nicht zu verlieren – den sie nicht nur längst verloren hatten, sondern der in der Folge (wohlgemerkt aufgrund ihrer Schuldensituation, nicht aufgrund fehlenden Wohlverhaltens) auch nicht wieder kam.

Nun kann es bei dem besonders freundlichen Umgang mit Investoren 2024 auch darum gehen, mit einem Vertrauensvorschuss sicherzustellen, dass die Ukraine nach Kriegsende mit der Wiederherstellung eines günstigen Marktzugangs rechnen kann. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass es potentielle Anleger nach dem Krieg nur wenig interessiert, ob Legacy Bondholders besonders mit Samthandschuhen angefasst wurden. Sondern dass für den Marktzugang a) ausreichend Renditechancen durch den Aufschwung im Rahmen des Wiederaufbaus ausschlaggebend sein werden, sowie dass b) die neuen Anleger nicht mit den Altgläubigern um knappe Devisen konkurrieren müssen, also damit rechnen müssen, dass der Wert ihrer Investition durch einen hohen Altschuldendienst geschmälert wird.

Was bedeutet dies für eine Umschuldungsstrategie?

Die Ukraine könnte auf eine Verlängerung des Schuldenmoratoriums der privaten Gläubiger bis 2027 und auf Verhandlungen mit beiden Gläubigergruppen zum gleichen Zeitpunkt drängen, auch um die Comparability of Treatment sicherzustellen. Allerdings zeigen Anleihehalter schon jetzt wenig Bereitschaft, in der Kriegssituation einer Umschuldung zuzustimmen, ohne öffentliche Garantien auf die umgeschuldeten Forderungen etwa von Seiten der G7-Partner zugesichert zu bekommen. Die ukrainische Regierung könnte stattdessen folgende strategische Optionen auf den Tisch legen:

  1. die Altschulden so weit in die Zukunft strecken, dass sie mit potenziellen neuen (Anleihe-)Gläubigern in der Nachkriegszeit nicht um den Schuldendienst konkurrieren können und somit den erhofften Marktzugang nach Kriegsende erleichtern,
  2. Angesichts der hohen Unsicherheiten, die mit der Kriegssituation einhergehen, ein Schuldenmoratorium auf sämtliche Forderungen bis zum Ende des Krieges und dann Umschuldung nach dem Krieg in einem umfassenden Verfahren.

Insbesondere b) wird auch von einigen Anlegern selbst ins Gespräch gebracht, um mit der besonderen Kriegssituation umzugehen (siehe hier).

Ukrainische Privatsektorexpert*innen befürchten jedoch, dass bei einer Verlängerung des Moratoriums die betroffenen Anleger ihre Forderungen an Geierfonds verkaufen könnten, die dann ggf. den Klageweg bestreiten. Es solle also besser direkt (und vorsichtig) umgeschuldet werden. Verklagt werden kann die Ukraine auch bei einer möglichen Umschuldung 2024, bei der einzelne Anleger – je nachdem wie ambitioniert die Umschuldung ist – sich nicht beteiligen wollen. In beiden Fällen könnten die USA und Großbritannien gesetzlich tätig werden, um die Ukraine und gutwillige Gläubiger vor Klagen von Geierfonds oder unkooperativen Gläubigern zu schützen.

Anleihehalter sollten ihr Risiko selbst tragen müssen

Während einige gutwillige Anleger weitreichende Vorschläge für den Umgang mit den Legacy Bonds vorlegen, sind andere Argumente weniger unterstützenswert. So gibt es etwa die Idee, dass die Mobilisierung eingefrorenen russischen Vermögens mit in die Schuldentragfähigkeitsanalyse einbezogen werden müsse, da dies die zukünftigen Finanzierungsaussichten der Ukraine verbessern (und die Verluste der Gläubiger verringern) würde. Das Argument wird auf der Basis hervorgebracht, dass der arme westliche Rentner, der in gutem Glauben in der Ukraine seine Rente angelegt hat, nicht für russische Verbrechen zur Kasse gebeten werden dürfe. Wenngleich die Möglichkeiten der G7-Staaten zur Mobilisierung russischer Oligarchengelder für die Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine tatsächlich Teil einer wichtigen Debatte sind, muss diese von der Umschuldung der Vorkriegsschulden jedoch zwingend getrennt werden. Bei den Legacy Bonds handelt es sich um hochverzinsliche Anleihen. Ihre Halter haben sich bewusst für eine spekulative Anlage entschieden, deren Kupon für dieses Risiko entschädigt. Eine Umschuldung würde bedeuten, dieses Risiko nun auch – zurecht – tragen zu müssen. Nicht wegen der durch Russland angerichteten Zerstörungen müssen Legacy Bondholder umschulden, sondern aufgrund der finanziellen und makroökonomischen Lage des Landes, die durch den Krieg verursacht wurde.

Und abgesehen davon, dass aktuell nicht sicher gesagt werden kann, wieviel an eingefrorenem Vermögen überhaupt mobilisiert werden kann – und damit die Aufnahme in eine Schuldentragfähigkeitsanalyse genauso spekulativ wäre wie bei anderen Faktoren – sollten die Mittel für den Wiederaufbau des Landes genutzt werden, nicht für die Entschädigung von Vorkriegsforderungen. Sind die Anleger mit ihrem Argument erfolgreich, sind es vielmehr die ukrainischen Bürger*innen, die dafür zahlen müssen, dass Entschuldungsverfahren im Falle untragbarer Schuldensituationen das Recht des Stärkeren stärken.

Zum Fortschrittsbericht des G20/IWF Global Sovereign Debt Roundtable

Seit einem Dreivierteljahr gibt es den sogenannten Global Sovereign Debt Roundtable (GSDR), dessen Vorsitz IWF, Weltbank und G20 halten. Mitglieder sind Gläubigerländer und ihre -institutionen, einige wenige Schuldnerländer sowie Privatsektorvertreter*innen. Geschaffen wurde der Roundtable von IWF und Co. insbesondere deshalb, weil es innerhalb der G20, auch aufgrund geopolitischer Spannungen um die russische Invasion in die Ukraine, kaum noch Fortschritte in der Verbesserung des G20 Common Framework gab. 2022 wurden geopolitische Spannungen zwischen China und dem Westen auch stellvertretend über das Schuldenthema ausgetragen. Aufgrund dieser Spannungen, gleichzeitig aber zunehmender Dringlichkeit in der rascheren Lösung von Schuldenkrisen, sollte das Format des GSDR insbesondere für China einen als neutraler verstandenen Raum bieten, um dringliche Fragen in laufenden oder kommenden Umschuldungen zu klären. Viel Transparenz für die Öffentlichkeit gab es bislang zum Prozess nicht, obwohl der IWF regelmäßig mit zivilgesellschaftlichen Organisationen den Austausch suchte, über den Prozess (dosiert) informierte und bei einem Workshop ausgewählte zivilgesellschaftliche Organisationen auch teilnehmen durften. Zu Beginn des Prozesses forderten zivilgesellschaftliche Organisationen daher mehr Transparenz und u. a. auch die Veröffentlichung eines Berichts mit den Ergebnissen des Prozesses.

Fortschritte und Stillstände

Zur IWF- und Weltbanktagung im Oktober hat der IWF nun genau das getan und einen Fortschrittsbericht veröffentlicht. Dort werden Fortschritte in einzelnen Länderfällen sowie Themen, zu denen der GSDR diskutiert hat, vorgestellt. Auch zukünftige Themen werden genannt.

Folgende zentrale “Fortschritte” (oder Stillstände) wurden im Bericht aufgezeigt:

Der Einsatz von sogenannten State Contingent Debt Instruments (SCDI) würde als Möglichkeit in Umschuldungen, die mit besonders hoher Unsicherheit behaftet sind, dazu beitragen, „Schuldner-Gläubiger-Differenzen“ rascher beizulegen, “sollten aber nicht zur Norm werden”.

SCDI sind Schuldtitel, die die Schuldendienstzahlungen eines Staates an seine Zahlungsfähigkeit knüpfen. Wenn also beispielsweise ein wirtschaftlicher Abschwung eintritt, wäre die Idee, dass die Schuldendienstbelastung auch entsprechend sinkt, um zu verhindern, dass das Land in eine Schuldenkrise gerät. Umgekehrt könnte das Land wieder mehr zahlen, wenn seine wirtschaftliche Lage sich verbessert. So zumindest der ursprüngliche Gedanke hinter diesen Instrumenten.

Was wir jedoch in den aktuellen Länderfällen beobachten, ist nur ein Teil davon, bzw. das Gegenteil vom ursprünglichen Gedanken: Wir sehen nämlich, dass Schuldnerländer ihren Gläubigern ein saftiges Schmankerl anbieten müssen, damit sie diese überhaupt dazu bekommen, einer Schuldenrestrukturierung zuzustimmen. Und dieses Schmankerl besteht für die Gläubiger darin, von einem zukünftigen Aufschwung zu profitieren und dadurch (noch) weniger Erlass geben zu müssen. Was mit dem Land während eines Abschwungs passiert, spielt keine Rolle – Abwärtsrisiken werden also nicht abgesichert. In Surinam haben sich private Gläubiger etwa durch die Umschuldung Zugang zu Öleinnahmen gesichert, obwohl sie ihre ehemalige Kreditvergabe auf Annahmen ohne Öleinnahmen getätigt hatten. Der IWF schreibt daher, diese Instrumente sollten nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen. Bislang werden sie jedoch eher zur Norm, kamen sie doch in jedem einzelnen Fall zum Einsatz, um insbesondere private Gläubiger von einem eh schon geringen Erlass zu überzeugen.

Was der IWF zudem genau mit “besonders hoher Unsicherheit” meint, ist unklar – in die Zukunft sehen kann niemand, egal ob das Land Sambia oder Ukraine heißt. Unsicher bleiben die zukünftigen Zahlungsaussichten also immer. Also gibt es auch immer wieder einen Anreiz, dieses Instrument einzufordern.

Was der IWF gedenkt zu tun, damit solche Instrumente zum einen im Sinne des Erfinders, zum anderen wirklich nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden, wird nicht deutlich.

Es sollte genau abgewogen werden, ob eine Umschuldung von Inlandsforderungen zur notwendigen Bedingung gemacht wird.

Begrüßenswert ist, dass zur genauen Abwägung der gesellschaftlichen, politischen und finanziellen Folgen einer Inlandsumschuldung aufgerufen wird. Hier hatte sich der IWF u. a. in Sri Lanka die Finger verbrannt, wo vor allem auf Druck privater Gläubiger eine Inlandsumschuldung nachträglich im IWF-Programm zur Bedingung gemacht wurde, die vor allem die Ersparnisse der Arbeiter*innen hart trifft.

Was allerdings nicht angesprochen wird, aber ein zentrales Problem darstellt: In Mitteleinkommensländern wie Sri Lanka oder Surinam wendet der IWF – anders als für Niedrigeinkommensländer – ein Modell der Schuldentragfähigkeitsanalyse an, welches Auslands- und Inlandsschulden nicht getrennt voneinander betrachtet. Die Parameter, die der IWF zugrunde legt, beziehen sich allein auf die öffentliche Verschuldung und damit die Auslands- und Inlandsverschuldung der öffentlichen Hand. Sollte ein Land vor allem ein Auslandsschuldenproblem haben, wird dies durch die Parameter des IWF nicht genügend abgebildet. Vielmehr schafft der IWF durch das Zugrundelegen allein der öffentlichen Verschuldung einen Anreiz, Inlandsschulden einzubeziehen, auch wenn es eigentlich gar nicht nötig wäre. Dass das Analysewerk des IWF damit ungeeignet ist, die Wiederherstellung von Schuldentragfähigkeit in Ländern mit (meist niedrigem) mittlerem Einkommen, die ein Auslandsschuldenproblem haben, anzuleiten, wird zwar in Expert*innenkreisen diskutiert. Doch die Erfahrung in Sri Lanka hat der IWF noch nicht zum Anlass genommen, einen Vorstoß für eine Reform vorzulegen.

Vergleichbare Zugeständnisse zwischen öffentlichen und privaten Gläubigern sicherstellen

Das wichtigste – und kontroverseste – Thema des letzten Jahres war die Frage, wie eigentlich ein vergleichbarer Beitrag zur Umschuldung der verschiedenen Gläubiger aussehen und vor allem sichergestellt werden kann. Viel ging es um die Frage, wie die Vergleichbarkeit von Zugeständnissen konkret berechnet werden könnte (lange Zeit vor allem für die Bundesregierung die einzig nötige Diskussion). Doch erfrischend ist auch der explizite Bezug dazu, dass öffentliche Gläubiger auf verschiedenen Wegen versucht haben, gleichwertige Beteiligung von (privaten) Gläubigern zu erzwingen. Darunter fällt etwa die Aufforderung, gegenüber privaten Gläubigern im Verzug zu bleiben, bis eine Vereinbarung gefunden wurde, die die Anforderung an ein vergleichbares Zugeständnis erfüllt. Auch wenn das ein richtiger Schritt hin zur Anerkennung der Notwendigkeit von „Zwangsmitteln“ im Falle fehlender Kooperation ist, so bleiben öffentliche Gläubiger weiterhin die Antwort, wie sie weitere Anreize schaffen wollen, um den vergleichbaren Einbezug zu ermöglichen und nicht allein auf das Schuldnerland abzuwälzen, schuldig. Leider wird im Bericht auch nicht transparent gemacht, ob es zu der Notwendigkeit der Erzwingung von Gläubigerbeteiligung Uneinigkeit gab und wer genau diesen Ansatz proaktiver verfolgt. Noch im Februar hatte die Bundesregierung als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken gesagt, sie sehe keinerlei Handlungsnotwendigkeit. Der Abschnitt endet allerdings mit der Aussage, dass „öffentliche bilaterale Gläubiger die Absicht zu haben [scheinen], den oben dargestellten Ansatz in künftigen Fällen beizubehalten.“

Wie geht es weiter?

Zukünftige Themen sollen sich um weitere technische Fragen – etwa den Einbezug von Verbindlichkeiten von Staatsunternehmen oder den Umgang mit Ratingagenturen – drehen, aber auch darum, wie besonders klimaverwundbare kritisch verschuldete Länder unterstützt werden können. Letzteres ist ein mehr oder weniger alter Hut – so gab es schon 2015 konkrete Vorschläge aus der Karibik zu dieser Frage. Interessant wird bei dieser Frage werden, ob die Vulnerable20, eine Gruppe von mehr als 60 klimaverwundbaren Staaten im Globalen Süden, sich durchsetzen und als koordinierte Gruppe Positionen in den GSDR einbringen „dürfen“.  

Globale Entschuldungsbewegung neu justiert in Bogotá

Am heutigen Freitag ist ein Strategietreffen der globalen Entschuldungsbewegung in Bogotá, Kolumbien, zu Ende gegangen. Es war das erste globale Präsenztreffen seit 2016 in Nairobi und das erste Treffen überhaupt, welches im Verbund aller kontinentalen Entschuldungsnetzwerke in Asien, Amerika (USA und Lateinamerika/Karibik), Europa und Afrika organisiert wurde. Es war zudem das erste Treffen nach Ausbruch der COVID-Pandemie, die das Schuldenthema hoch auf die politische Agenda katapultiert hatte. Dadurch hatten vor allem im Globalen Süden viele alte und neue Gruppen angefangen, zum Schuldenthema zu arbeiten, u. a. auch aufgrund eines höheren Interesses in der Geberlandschaft, Zivilgesellschaft zum Thema zu finanzieren.

Ca. 70 Teilnehmer*innen aus aller Welt in Bogotá 

Drei Jahre Zoom hatten ihre Spuren hinterlassen, bei einer immer höheren Anzahl an Gruppen und Teilnehmer*innen an Debt Coordination Calls und gleichzeitig einer immer rasanter werdenden Dynamik im Thema durch neue Entschuldungsinitiativen, immer mehr zahlungsunfähigen Staaten, neuen Schuldeninstrumenten, sich vervielfachenden globalen Gipfeln usw. Zeit und Luft für tiefergehende Strategieberatung und die gemeinsame Einordnung der vielen Themen fehlte, das Vertrauen zueinander war nur oberflächlich ausgeprägt, eine gemeinsame Idee dazu, welche Gegenantwort wir etwa zum G20 Common Framework geben wollen, gab es in dieser Zeit nicht.

Das Treffen in Bogotá wurde entsprechend gestaltet: kein Zoom, Teilnehmer*innen-Zahl begrenzt. Maximal 15 Gruppen aus jeder Region im Globalen Süden, aus dem Globalen Norden insgesamt nur 15 Gruppen. Etwa 70 Teilnehmer*innen kamen so zusammen. Ein schwerer Wermutstropfen: Einige afrikanische und südasiatische Partner*innen erhielten leider kein Visum und berichteten von Zuständen, wie man sie auch in deutschen Botschaften in afrikanischen Ländern allzu häufig erlebt.

Erreicht werden sollten Antworten auf die folgenden Fragen:

  • Was sind die wichtigsten Argumente für uns, um Schulden auf die regionale und globale Agenda zu setzen? Welche Schwerpunkte setzen wir in welchen Regionen?
  • Was verstehen wir unter einem Staateninsolvenzverfahren, wie und wo bringen wir dies voran?
  • Was sind die wichtigsten Forderungen außerhalb eines Staateninsolvenzverfahrens und wie bringen wir diese voran?

Viele Themen wurden im Akkord durchgekaut: vom Umgang mit Inlandsschulden über Schuldenumwandlungen als neue silver bullet auf der politischen Agenda, bessere Schuldentragfähigkeitsanalysen, Regulierung von Kreditratingagenturen, Klimaschulden und -investitionen, Umgang mit dem Common Framework und China als Gläubiger bis hin zu nationaler Gesetzgebung in Schuldner- und Gläubigerländern usw. So wie Akteure aus dem Globalen Süden seit einiger Zeit versuchen, politisch und rhetorisch selbstbewusster gegenüber einer westlich dominierten Finanzordnung aufzutreten, so kam in Bogotá in den verschiedensten Beiträgen die Idee eines Schuldnerclubs auf, als Möglichkeit ein Gegengewicht zur Übermacht westlich dominierter Narrative und Verhandlungsmacht zu setzen. Auch im abschließenden Austausch mit der kolumbianischen Regierung, die ihre Agenda im Bereich Schulden und Naturschutz vorstellte, tauchte diese Idee immer wieder auf: Schuldnerländer könnten nur dann Championrollen in der globalen Finanzarchitektur sowie im Umgang mit konkreten Umschuldungen einnehmen, wenn sie dies im Verbund tun, um möglichen “Strafen” zu entgehen. Allerdings blieb die Frage offen, wie so ein Club bzw. bessere Schuldnerkoordination ganz konkret aussehen sollte.

Netzwerke aus Afrika, Lateinamerika und Asien im Verbund

Auf der Agenda des Plenums stand auch die Frage, wie ein Staateninsolvenzverfahren bei den Vereinten Nationen im Kontext geopolitisch zugespitzter Konflikte vorangetrieben werden könne. Anders als noch vor 10 bis 15 Jahren konnten viele vor allem lokale Gruppen mit der Agenda um ein Staateninsolvenzverfahren in der UN nicht (mehr) viel anfangen. Einigkeit herrschte jedoch, dass es fairere, rechtsstaatliche Regeln beim Umgang mit Schuldenkrisen inkl. einem geringeren Einfluss der Gläubiger geben müsse, sowie mehr Teilhabe der Staaten im Globalen Süden. Ein Staateninsolvenzverfahren wurde damit Teil einer umfangreichen Liste an Forderungen und Strategien, unter denen sich die globale Entschuldungsbewegung mit ihren vielen verschiedenen Initiativen und Kampagnen gemeinsam wieder finden kann. Auch wurde eine politische Deklaration verabschiedet, die diese Forderungen in einen gemeinsamen Rahmen bringt. So geht es gut gerüstet weiter bis zum nächsten Treffen auf globaler Ebene – dann vermutlich 2030.

 

Kleine Klage mit großer Wirkung? Der Fall Hamilton vs. Sri Lanka

Sri Lanka stellte im April 2022 nach jahrelangem Durchwurschteln unter dem Druck der Folgen von Pandemie und der russischen Invasion die Schuldendienstzahlungen an seine ausländischen Gläubiger ein. Schon im März begannen Massenproteste angesichts der grassierenden Wirtschaftskrise und Inflation. Seither hat die Krise u. a. zur Flucht und zum Rücktritt des von großen Teilen der Bevölkerung verachteten Präsidenten Gotabaya Rajapaksa geführt. 

Es war eine Pleite mit Ansage, denn schon seit 2021 spekulierten Investoren, wie lange Sri Lanka angesichts stetig sinkender Devisenreserven und hoher Schuldendienstbelastung den Default noch vermeiden kann. Entsprechend begannen sich Gläubiger auch schon frühzeitig auf mögliche Umschuldungsverhandlungen vorzubereiten. So schloss sich kürzlich bereits ein Gläubigerkommittee aus ca. 30 privaten Gläubigern, die Anteile an Anleihen aus allen bestehenden Serien halten, zusammen. Bekannt ist jedoch nicht, wieviel Prozent der Gesamtforderungen aus dieser Gruppe von diesem Verbund gehalten werden. 

Klar ist, dass nicht alle Gläubiger mögliche Umschuldungen akzeptieren wollen. Am 21. Juni erhob die Hamilton Reserve Bank Ltd. mit Sitz in St. Kitts und Nevis Klage vor dem Bundesbezirksgericht im südlichen Bezirk von New York auf vorzeitige Zahlung seiner Ansprüche. Klagegegenstand sind Tilgungs- und Zinszahlungen von rund 258 Millionen US-Dollar.

Die Klage ist insofern ungewöhnlich, als dass sich Sri Lanka zu dem Zeitpunkt noch nicht in Umschuldungsverhandlungen befand. Außerdem war die Anleihe, auf die sich die Klage bezieht, zum Zeitpunkt der Klage noch gar nicht fällig. Die Klage wurde zum einen mit der Ankündigung der Zahlungseinstellung im April durch die sri-lankische Regierung, zum anderen mit dem Verzug auf Zinszahlungen bei anderen Anleiheserien begründet. Daneben wirft der Kläger Sri Lanka die Verletzung der sogenannten pari passu-Klausel (also der gleichrangigen Behandlung von Gläubigern) vor – auch wenn diese gegenüber Hamilton noch gar nicht verletzt wurde. Begründet wird die Anschuldigung mit der Ankündigung der sri-lankischen Regierung, die im Inland gehaltenen Sri Lanka Development Bonds von dem Zahlungsstillstand und zukünftigen Schuldenumstrukturierungen auszuschließen. Am kommenden Freitag, dem 26. August, ist eine erste gerichtliche Sitzung zu der Klage anberaumt. 

Ob die Klage tatsächlich Erfolg hat ist unklar. Beobachter*innen sind skeptisch. Insgesamt handelt es sich zudem nur um einen Bruchteil der Gesamtverschuldung des Landes, die in den kommenden Umschuldungsverhandlungen zur Debatte steht. Sollte die Klage am kommenden Freitag erfolgreich angenommen werden, wird der Fall jedoch trotzdem größere Bedeutung bekommen. 

Sri Lanka mag zwar seine Zahlungen bereits eingestellt haben. Viele andere Länder kurz vor der Staatspleite zögern den unvermeidlichen Schritt einer Umschuldung jedoch weiter hinaus, indem sie durch mühsam zusammengekratzte Neufinanzierungen oder durch die Kürzung bei anderen Ausgaben den Schuldendienst weiter aufrechterhalten. Die Angst vor rechtlichen Risiken, die durch einen Erfolg der Klage gegen Sri Lanka weiter geschürt würde, könnte Regierungen kritisch verschuldete Länder weiter davon abhalten, den unvermeidbaren Schritt einer Zahlungseinstellung zu gehen. Insbesondere auch deshalb, weil, wie empirische Untersuchungen zeigen, Rechtsstreitigkeiten um Forderungen den Zugang zum Kapitalmarkt beeinträchtigen können. Angesichts angespannter Haushalte ist das etwas, was Regierungen (auch wenn sie den Zugang zum Kapitalmarkt zu erschwinglichen Bedingungen eh schon verloren haben) unter allen Umständen zu vermeiden versuchen. Denn anders als für Unternehmen und Privatpersonen gibt es für Staaten keinen Vollstreckungsschutz im Falle einer Insolvenz. 

Zudem erhöht ein rechtliches Vorgehen die Verhandlungsposition von Gläubigern gegenüber anderen Gläubigern: So hat beispielsweise Venezuela aus Angst vor rechtlichen Schritten die Forderungen seiner Anleihegläubiger stets pünktlich und vollständig bedient, obwohl das Land andere Gläubiger – wie Russland und China – nicht weiter bediente und obwohl die finanziellen Mittel für den Import von Basisgütern fehlten. 

Da Sri Lanka seine Zahlungen bereits eingestellt hat, könnte der Klageprozess vor allem die kommenden Umschuldungsverhandlungen empfindlich stören. So könnten auch andere Anleihehalter ermutigt werden, den Klageweg zu beschreiten. Oder es könnte, sollte Sri Lanka sich mit Hamilton einigen bzw. Hamilton ausbezahlen, zu einer Ungleichbehandlung gutwilliger Gläubiger führen, deren Bereitschaft zu konstruktiven Umschuldungsverhandlungen dadurch geschwächt würde. 

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Unterstützung für die Ukraine: Welche Rolle spielen Schuldenerlasse?

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sind genau fünf Wochen vergangen. Ein Kriegsende ist noch nicht absehbar. Die internationale Gemeinschaft mobilisiert im Eilverfahren Milliardensummen, um der Ukraine in ihrer Gegenwehr finanziell unter die Arme zu greifen. Der ukrainische Staat steht gleichzeitig mit mehr als 56 Milliarden US-Dollar bei ausländischen Gläubigern in der Kreide. 25 Milliarden US-Dollar bestehen gegenüber internationalen Anleihegläubigern, danach folgen der IWF mit mehr als 13 Milliarden US-Dollar und die Weltbank mit 6 Milliarden US-Dollar. Einzelne Petitionen rufen nun fast reflexartig zu einem sofortigen Schuldenerlass für die Ukraine auf. Doch die ukrainische Regierung lehnt Schuldenrestrukturierungen bislang ab und beteuert die pünktliche Bedienung seiner Schuldendienstverpflichtungen. Sind Schuldenerlasse zum jetzigen Zeitpunkt hilfreich oder schädlich?

Kriegsanleihen statt Schuldenerlasse?

Die Ablehnung der ukrainischen Regierung resultiert zunächst aus der pragmatischen Notwendigkeit, Mittel für die Militärkasse mobilisieren zu wollen. Das versucht die Ukraine auch mit der Platzierung von Kriegsanleihen, die sich mit dem Image eines guten und pünktlich zahlenden Schuldners, der das Recht seines Gläubigers auf Rückzahlung trotz Kriegssituation schützt, besser verkaufen lassen.

Eine Zahlungseinstellung bedeutet im Normalfall einen mehr oder weniger kurzfristigen Ausschluss von internationalen Kapitalmärkten, dessen Zugang durch eine ausreichend umfassende Regelung, die die Schuldentragfähigkeit eines Landes glaubhaft wieder herstellt, konsequenterweise wiedererlangt werden kann. Sollte die Ukraine in der aktuellen Lage Aussicht darauf haben, durch ihre Kriegsanleihen rasch deutlich mehr Mittel mobilisieren zu können als gleichzeitig an Schuldendienst zu leisten ist, stünde das Ersuchen von Schuldenerleichterungen der Erreichung unmittelbarer besserer finanzieller Handlungsfähigkeit im Wege. Doch faktisch ist das Land derzeit bereits vom internationalen Kapitalmarkt ausgeschlossen, Anleihen am internationalen Finanzmarkt kann das Land nicht platzieren. Bislang hat die Ukraine im März Schätzungen zufolge umgerechnet 500 Millionen US-Dollar auf lokalen Märkten durch seine Kriegsanleihen mobilisiert, Interesse von internationalen Investoren gibt es kaum. Gleichzeitig muss das Land 2022 allein an private ausländische Gläubiger mehr als 3,5 Milliarden US-Dollar zurückzahlen.

Internationale Solidarität in Form von Neukrediten

Anders als private Investoren stellten vor allem multilaterale Finanzinstitutionen unbürokratisch und rasch finanzielle Hilfen bereit – der Internationale Währungsfonds (IWF) überwies am 9. März etwa 1,4 Milliarden US-Dollar an Kiew, die Weltbank schnürte rasch ein Paket über 723 Millionen US-Dollar mit der Ankündigung, mindestens 3 Milliarden US-Dollar in den nächsten Monaten an Unterstützung leisten zu wollen, die European Investment Bank (EIB) widmete 668 Millionen US-Dollar für die sofortige Nothilfe um. Doch diese Mittel kommen hauptsächlich in Form von Krediten – nur ein sehr geringer Teil der Weltbankmittel besteht in Form von Zuschüssen. Während die Ukraine von Weltbank und EIB netto mehr Mittel erhält als es an diese 2022 zurückzahlen muss, sieht es beim IWF anders aus – mehr als 2,3 Milliarden US-Dollar werden 2022 fällig.

Die Ukraine muss bis 2023 auch mehr als 400 Millionen US-Dollar an sogenannten „Surcharges“ an den IWF zahlen, Strafzinsen, die der IWF erhebt, wenn Länder, die in besonderen Notlagen sind, stärker als gedacht auf IWF-Kredite zurückgreifen müssen.

Eine Praxis, die von Zivilgesellschaft und anderen Entwicklungsexpert*innen kritisiert wird und deren Abschaffung auch unter IWF-Mitgliedern Sympathisanten findet, bislang jedoch u. a. von der Bundesbank, die den deutschen IWF-Exekutivdirektor stellt, verhindert wurde.

Insgesamt muss die Ukraine im Jahr 2022 mehr als 7 Milliarden US-Dollar an Schuldendienstzahlungen an seine ausländischen Gläubiger leisten.

Sofortige Schuldenerlasse als Gebot der Solidarität?

Angesichts der existenzbedrohenden Lage, in der sich die Ukraine befindet, ist der Ruf nach sofortigen Schuldenstreichungen, begründet mit einer moralischen Verpflichtung, nachvollziehbar. Ein Schuldenerlass im Sinne von konkreten Schuldenstreichungen in einer noch andauernden Kriegssituation, in der ein Regimewechsel nicht ausgeschlossen werden kann, bedeutet jedoch möglicherweise einer russischen Marionettenregierung einen komfortablen Neustart zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass die aktuelle Unterstützung, die in Form von Krediten gewährt wird, nicht Teil eines solchen Schuldenerlasses wäre. Es ist jedoch fraglich, inwieweit ein traumatisiertes und zerstörtes Land mit einer aus dem Krieg bestehenden Schuldenlast den Wiederaufbau leisten soll. Ist das moralische und politische Kapital für Schuldenerleichterungen bereits zu Beginn des Krieges verbraucht, wird es unweit schwerer, nach Ende des Krieges erneut Schuldenstreichungen für die Ukraine einzufordern – die ja schließlich so großzügig und solidarisch von ihren Kreditgebern unterstützt wurde. Sinnvoller ist es, dass sich die internationale Gemeinschaft, allen voran der IWF und die G7-Staaten, politisch auf folgenden Ablauf einigen:

  1. Sofortige Durchsetzung eines umfassenden Schuldenmoratoriums für die Ukraine, solange der Krieg andauert.

Während Milliardenhilfen mobilisiert werden, wurde der Ukraine von ihren öffentlichen Gläubigern bislang keine Aussetzung des anfallenden Schuldendienstes in Aussicht gestellt. Dabei könnte ein solches Moratorium sicherstellen, dass keine dringend benötigten Gelder das Land verlassen und die im Haushalt für den Schuldendienst budgetierten Mittel unmittelbar für Ausgaben in der Ukraine selbst verwendet werden können. Durch ein solches Moratorium würde die Gültigkeit der Forderungen erst einmal nicht angetastet. Schon lange fordern zivilgesellschaftliche Organisationen die Schaffung eines automatischen Mechanismus für ein Schuldenmoratorium nach einem katastrophalen externen Schock, was sowohl militärische Aggressionen wie auch Klimakatastrophen einschließen kann. Mit einem politisch vereinbarten, automatisch eintretenden Moratorium würde man das Stigma aus der Gleichung streichen, welches mit Zahlungseinstellungen behaftet ist und welches Schuldnerländer wie sonst nichts fürchten, weshalb sie ihren Schuldendienst unter Inkaufnahme hoher wirtschaftlicher Kosten und gesellschaftlicher Polarisierung lieber weiter bedienen.

Medienberichten zufolge ermutigten Investoren die ukrainische Regierung, die Zahlungen auf fällige Zinszahlungen einfach einzustellen, der Markt würde es den Ukrainern schon verzeihen. Wenn die Ukraine unilateral die Entscheidung trifft, Schuldendienstzahlungen einzustellen, muss sie letztlich jedoch auch damit rechnen, dass ihre Gläubiger ihr dafür saftige Strafzinsen berechnen. Angesichts der nur geringen neuen Mittel, die die Ukraine durch ihr Auftreten als „guter Schuldner“ bereits mobilisieren konnte, könnte die unilaterale Zahlungseinstellung für die Ukraine trotzdem noch die beste Wahl unter schlechten Alternativen sein. Besser wäre es jedoch, wenn die relevanten Gläubiger der Ukraine ein solches Moratorium offiziell anbieten würden.

Als öffentlicher Gläubiger der Ukraine und durch die diesjährige deutsche G7-Präsidentschaft könnte die Bundesregierung einen wichtigen Anstoß zu einem solchen Schritt geben. Abgesehen davon, dass die G7-Staaten ihre eigenen öffentlichen Schuldendienstforderungen aussetzen sollten, wäre dabei zweierlei zentral: Erstens sollten die G7-Staaten auch die privaten Gläubiger verbindlich dazu verpflichten, der Ukraine ein entsprechendes Moratorium zu gewähren. Unmittelbar könnte die Uneintreibbarkeit privater Forderungen zum Beispiel durch exekutive Dekrete an den wichtigen Finanzplätzen New York und London durchgesetzt werden, wie sie etwa US-Präsident George W. Bush in Bezug auf den Irak 2004 erlassen hatte. Zweitens sollten sich die G7-Staaten als wichtigste Anteilseigner von IWF und Weltbank dafür einsetzen, dass auch diese multilateralen Gläubiger in dieser besonderen Situation von ihrer üblichen Haltung eines vorrangig zu bedienenden Gläubigers abweichen und sich ebenfalls an einem Moratorium beteiligen.

  1. Nach Kriegsende Schuldenkonferenz zur umfassenden Regelung der Altschuldenlast

Nach Kriegsende ist angesichts der umfassenden Zerstörung kein Szenario denkbar, in dem die Ukraine sich in einer wirtschaftlich und fiskalisch tragbaren Situation befinden wird. Dann ist der Moment, in dem das Land eine umfassende Regelung der Auslandsschulden, die substantielle Schuldenerlasse beinhalten muss, benötigt. Neben umfassender Wiederaufbauhilfe, wie sie die Europäische Union schon jetzt mit der Idee eines Ukraine Solidarity Trust Funds diskutiert, muss es eine Schuldenkonferenz geben, die alle Gläubiger und alle Forderungen einschließt und die darauf abzielt, eine Lösung zu finden, die die Schuldentragfähigkeit unter Berücksichtigung der nötigen Investitionen für den Wiederaufbau einschließt.

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IWF: Common Framework der G20 bisher ungenügend

Am 2. Dezember veröffentlichte der IWF einen Blogbeitrag, in dem er bemerkenswert deutlich darlegt, wie wenig geeignet das Common Framework der G20 für die Lösung der aktuellen Schuldenkrise ist. Tatsächlich warnt der IWF vor einem regelrechten Kollaps von vielen einkommensschwachen Ländern, die nach Ende des G20-Schuldenmoratoriums DSSI ihre Schuldendienstzahlungen wieder aufnehmen müssen. Eindringlich fordert er die G20 auf, das Rahmenwerk rasch auszubessern und argumentiert damit gegen den auch von der Bundesregierung vertretenen G20-Diskurs, Geduld zu haben und dem Rahmenwerk die Zeit zu geben, die es eben brauche.

Der IWF gibt konkrete Empfehlungen, wie das Rahmenwerk auszubessern wäre:

  • Es brauche ein umfassendes Schuldenmoratorium für die Dauer der Common-Framework-Verhandlungen, um den Schuldner während der Verhandlungen zu entlasten und einen Anreiz für eine rasche Umschuldung zu bieten.

Dies ist ausdrücklich zu begrüßen und auch ein zentraler Bestandteil von Vorschlägen für ein Staateninsolvenzverfahren. Allerdings reicht es nicht aus, wenn der Schuldner nur bei den G20-Staaten seinen Schuldendienst während der Verhandlungen aussetzen kann. Damit der Verzicht der G20 nicht dazu führt, dass Nicht-G20-Gläubiger umso sicherer ihren Schuldendienst erhalten – und dadurch überhaupt keinen Anreiz haben, sich an Umschuldungen zu beteiligen – müssen Schuldnerländer auch ihren Schuldendienst bei privaten und multilateralen Gläubigern einstellen können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Doch während der knapp zweijährigen Laufzeit der DSSI hat die G20 es nicht geschafft, private und multilaterale Gläubiger in das Schuldenmoratorium einzubeziehen. Wie dies nun im Rahmen des Common Framework gelingen soll, dazu schweigt der IWF.

  • Es müsse mehr Klarheit darüber geschaffen werden, wie im Common Framework Gleichbehandlung effektiv erzwungen wird, inklusive, falls nötig, durch die Umsetzung von Möglichkeiten des IWF in seiner Kreditvergabepolitik bei Zahlungseinstellungen.

Zuallererst ist dies das erste öffentliche Eingeständnis, dass die G20-Staaten (unterstützt vom IWF) sich und dem Schuldnerland mit der sogenannten „Gleichbehandlungsklausel“ etwas vorgemacht haben. Die G20 argumentierte bei Schaffung des Common Framework im November 2020, dass bei richtigen Umschuldungsverhandlungen der Privatsektor durch die Vorgabe der Gleichbehandlung garantiert einbezogen werden kann. Wie erwartet, gestaltete es sich für Schuldner jedoch schwierig, ohne eine Rechtsgrundlage oder sonstige Hilfsmittel ihre privaten Gläubiger davon zu überzeugen, zu den G20 gleichwertige Schuldenerleichterungen hinzunehmen. Zum ersten Mal wird nun von einer Institution, die das Common Framework umsetzt, öffentlich eingestanden, dass man Gleichbehandlung gegebenenfalls erzwingen muss – vor wenigen Monaten noch undenkbar.

Mit der etwas technischen und gleichzeitig vagen Formulierung zur “Kreditvergabepolitik bei Zahlungseinstellungen” (“IMF arrears policies”) deutet der IWF auf eine aus erlassjahr.de-Sicht zentrale Handlungsmöglichkeit sowohl der G20 als auch des IWF hin, um Gleichbehandlung nötigenfalls zu erzwingen. Nämlich dass ein Schuldnerland, sollten sich private oder bilaterale Gläubiger verweigern, seine Zahlungen an diese einstellen kann. Im Rahmen seiner sogenannten Lending into Arrears Policy kann der IWF Kredite auch dann zur Verfügung zu stellen, wenn sich das Schuldnerland im Zahlungsverzug gegenüber privaten oder öffentlichen Gläubigern befindet – und somit das Schuldnerland in seiner Konfrontation von blockierenden Gläubigern unterstützen. Gleiches gilt für die G20-Staaten: Sie könnten das Land politisch und finanziell bei der Zahlungseinstellung unterstützen und ihren eigenen Schuldenerlass gewähren, solange das Land im Zahlungsverzug gegenüber den blockierenden Gläubigern bleibt. So kann auch ein Anreiz geschaffen werden, dass restrukturierungsunwillige Gläubiger an den Tisch kommen. Darüber hinaus können G20-Staaten – vor allem die G7-Jurisdiktionen – auf nationaler Ebene gesetzliche Regeln schaffen, die das Schuldnerland bei Klagen seiner Gläubiger schützen.

Doch so klar und deutlich, wie die Möglichkeiten konkret für Schuldner und G20 aussehen, um Gleichbehandlung zu erzwingen und vor allem entsprechend auch Klarheit für Nicht-G20-Gläubier zu schaffen, wird der IWF leider nicht.

  • Zu guter Letzt sollte das Common Framework auf andere hoch verschuldete Länder ausgeweitet werden. Zeitige und geordnete Umschuldungen seien gleichermaßen im Interesse von Schuldner und Gläubiger.

Auch wenn sich die Bundesregierung zu Beginn der DSSI noch für die Ausweitung der Initiative(n) auf alle hoch verschuldeten Länder ausgesprochen hat, wurde nach dem ersten verlorenen Kampf innerhalb der G20 rasch resigniert und die globale Schuldenkrise – und ihre Lösung – auf ein Problem der einkommensschwächsten Länder reduziert. Auch durch den IWF. Dass auch Mitteleinkommensländer rasche und umfassende Schuldenerleichterungen benötigen werden, ist ein richtiges und wichtiges Eingeständnis, das allerdings zwei Jahre zu spät kommt.

Bemerkenswert ist auch, wie offen der IWF das Dilemma beschreibt, vor dem kritisch verschuldete Länder stehen, nämlich entweder zentrale öffentliche Ausgaben zu kürzen oder ihre Schuldendienstzahlungen einzustellen. Auch wenn bitter aufstößt, dass der IWF in seinen individuellen Länderprogrammen Schuldnerländern standardmäßig weiterhin empfiehlt, öffentliche Kürzungen im eigenen Land vorzunehmen und Rückzahlungsverbindlichkeiten pünktlich nachzukommen, um die Gunst privater Gläubiger nicht zu verlieren, anstatt offensiver Umschuldungen zu empfehlen.

Unklar bleibt, ob IWF und G20 den Stier endlich bei den Hörnern packen. Schon zuvor gab sich die IWF-Spitze regelmäßig krisenbewusst, doch Reformen blieben aus. Wie der IWF selbst sagt: Es ist keine Zeit mehr zu verlieren.

Was wäre gewesen, wenn? Ein Blick auf das Jubiläum der historischen UN-Resolution für ein Staateninsolvenzverfahren

Die Entschuldungsbewegung hat schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Vor genau 7 Jahren, am 9. September 2014, gab es ein Allzeithoch, als die Entwicklungsländergruppe der Vereinten Nationen, die „G77 und China“, unter dem Eindruck einer kollektiven Bedrohung durch ihre Verschuldung und klagewütige Gläubiger eine Resolution in die Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Schaffung eines globalen Staateninsolvenzverfahrens einbrachte. Die Resolution wurde damals mit 124:11 Stimmen bei 41 Enthaltungen angenommen. Damit sollte bis September 2015 ein rechtlich verbindlicher Rahmen für eine geordnete Staateninsolvenz geschaffen werden. Doch es kam anders: Länder des Globalen Nordens, darunter auch Deutschland, weigerten sich, an dem Diskussionsprozess der folgenden 12 Monate überhaupt teilzunehmen. Rasch bröckelte dann auch das Durchhaltevermögen der G77. Am Ende wurden lediglich Prinzipien für geordnete Umschuldungen verabschiedet, die seither weitestgehend in der Schublade verschwunden sind.

Ähnlich dem Schicksal des Sovereign Debt Restructuring Mechanism des Internationalen Währungsfonds (IWF) von Anfang der 2000er Jahre waren geordnete Entschuldungsverfahren erstmal wieder kein Thema mehr. Dann aber kam die Bedrohung durch die beispiellosen wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona-Pandemie. Der politische Druck, diese zentrale Lücke in der globalen Finanzarchitektur zu schließen, kam plötzlich mit Wucht zurück. Die Schaffung der DSSI und des Umschuldungsrahmenwerks Common Framework der G20, sind beides Zeugnis und Anerkennung der Gläubiger zugleich, dass die Finanzarchitektur nicht ausreichend für die nächste große Krise gerüstet war. Beide Initiativen sind Versuche, diese Lücke zu schließen. Sie kommen jedoch bei weitem nicht an die Idee eines fairen, umfassenden Staateninsolvenzverfahrens heran und bleiben damit Provisorien mit erheblichen Mängeln.

Bei der IWF-Frühjahrstagung im April 2021 drückte IWF-Chefin Kristalina Georgieva ihr Bedauern darüber aus, dass angesichts der globalen Krise umfassendere Reformen nicht „in einfacheren Zeiten“ durchgesetzt worden waren. Was wäre wohl gewesen, wenn die reicheren Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft vor 7 Jahren die G77 ernster genommen hätten? Wenn innerhalb der vorgesehenen 12 Monate ein durch UN-Beschluss legitimiertes umfassendes Staateninsolvenzverfahren geschaffen worden wäre? Welche Perspektiven hätten die mehr als zwei Dutzend Länder, die bereits im Zahlungsausfall sind oder an seinem Rande entlangtaumeln, heute haben können? Spielen wir das doch einmal durch:

  • Die neu geschaffenen Regeln und Verfahren hätten frühzeitig und außerhalb einer globalen Krise, wie wir sie derzeit erleben, getestet und weiterentwickelt werden können. Bis heute gibt es nicht eine einzige abgeschlossene Umschuldung unter dem Common Framework. Die G20 rechtfertigen ihre Schockstarre damit, dass sich das Rahmenwerk erst beweisen müsse – wofür es Zeit brauche. Zeit, die inmitten einer Krise allerdings nicht verfügbar ist. Hätte man unter einem geordneten Verfahren schon damals das kleine hochverschuldete Barbados oder den nicht ganz so kleinen Libanon entschuldet, hätte man bei Beginn der Pandemie 2020 schon gewusst, was geht und was noch verbessert werden muss.
  • Der in der aktuellen Krise wohl wichtigste Effekt: Zahlungseinstellungen und der frühzeitige Beginn von Umschuldungsverhandlungen wären nicht mit einem Stigma behaftet, welches Länder aktuell dazu veranlasst, das Unvermeidliche auf Kosten der wirtschaftlichen und sozialen Erholung hinauszuzögern. Nicht mehr die kurzfristigen Einnahmeerwartungen einzelner, insbesondere privater Gläubiger hätten Vorrang, sondern die langfristige Erholung des Schuldners zum Wohle aller. Dem vor allem von Privatgläubigern gepflegten und vom IWF in seinen Kreditprogrammen unterstützten Argument, dass es der einzig nachhaltige Weg sei, wenn der Schuldner nur immer weiterzahle, wäre entsprechend der Boden entzogen worden.
  • UN-Regeln gelten für alle Staaten gleichermaßen. Deswegen wäre der Zugang zu geordneten Verhandlungen nach Entlastungsbedarf, und nicht nach dem unsinnigen Kriterium des Pro-Kopf-Einkommens geregelt gewesen. Damit wäre die absurde Situation vermieden worden, dass die G20 heute Ländern Entschuldung anbieten, die sie gar nicht brauchen, während „zu reiche“ hochverschuldete Länder von allen Schuldenerleichterungen ausgeschlossen sind – obwohl die Krise sie genauso hart oder noch härter trifft.
  • IWF, Weltbank und Co. wäre die gefährliche Situation erspart geblieben, dass ihre Finanzierungen den laufenden Schuldendienst an private Gläubiger sicherstellen, dadurch aber ihr eigenes Portfolio immer riskanter wird – genau wie seinerzeit vor dem Einsetzen der HIPC-Initiative.

Nun ist die Geschichte der Entschuldung davon geprägt, dass weder in „einfacheren Zeiten“ noch inmitten von Krisenzeiten Reformen durchgebracht werden. Denn in einfacheren Zeiten tun politische Entscheidungsträger*innen gerne so, als seien Krisen ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Die dann trotzdem ganz sicher eintretenden Krisen treffen die Gläubigergemeinschaft dann völlig unvorbereitet, sodass hektischer Aktionismus dominiert, und nicht die nüchterne Rückbesinnung auf Konzepte, die schon seit Jahrzehnten immer von neuem diskutiert werden. Diese Gefahr der Verdrängung besteht auch heute wieder: Angesichts der mittels Moratorium und massenhaft zusätzlicher Liquidität erreichten trügerischen Entschärfung der erwarteten Staatspleitenwelle besteht inmitten der größten Krise des Jahrhunderts die Gefahr, dass politische Entscheidungsträger*innen die Schuldenkrise wieder zu schnell ad acta legen – und wir wieder mal die Chance auf echte Reformen, die sich aus ihr hätten ergeben können, vergeuden.

HIPC-Entschuldung: Von Birmingham nach Khartoum

2019 wurde eines der brutalsten diktatorischen Regime durch einen gewaltfreien zivilen Widerstand von Millionen junger Menschen gestürzt. Nach 30 Jahren brutaler Führung musste der Kriegsverbrecher Omar al-Bashir im Sudan abdanken. Fast genauso lang ist das ostafrikanische Land schon für die 1996 geschaffene multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder, die HIPC-Initiative, qualifiziert. 37 Länder haben die Initiative bislang durchlaufen, für die meisten HIPC-Länder ist die Initiative schon seit langer Zeit Geschichte. Einige wenige aussichtslose Pariastaaten verblieben auf der HIPC-Liste. Doch nach dem Umsturz 2019 ging plötzlich alles ganz schnell: Streichung von der Terrorliste der USA, Begleichen der hohen Zahlungsrückstände bei IWF und Co. und am 29. Juni Eintreten in die HIPC-Initiative als der größte Entschuldungsfall der Initiative. Der hohe Schuldenberg, das meiste davon seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr bedient, ist eines der größten Hindernisse auf dem Weg der Erholung.

Beteiligungsmöglichkeiten für Zivilgesellschaft

In einigen vergangenen HIPC-Fällen spielte die zivilgesellschaftliche Beteiligung am Prozess eine große Rolle. Das Sudan-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung hat daher am gestrigen und heutigen Tag sudanesische Zivilgesellschaft – unter strengen Corona-Regeln – zu einer Konferenz in Khartoum geladen, um über den HIPC-Prozess und Beteiligungsmöglichkeiten für Zivilgesellschaft zu informieren. Für erlassjahr.de war es das erste Mal seit Beginn der Pandemie, in ein Flugzeug zu steigen und Vorort-Gespräche zu führen.

Gestern wurden die mehr als 50 Teilnehmer*innen u. a. aus Gewerkschaft, Jugendorganisationen, Frauengruppen und ziviler Regierung zuerst im Detail über den Ablauf des HIPC-Prozesses und die Schuldensituation des Sudan informiert. Die Teilnehmer*innen ließen sich nicht von „HIPC thresholds“, dem „Common Reduction Factor“ oder „Cologne Terms“ entmutigen. Auch nicht der Übersetzer, der jegliche Beiträge konsekutiv ins Arabische übersetzen musste, schweißgebadet waren wir beide trotzdem. Nach den technischen Details des Prozesses erinnerte ein Teilnehmer an die Menschenkette in Birmingham 1998, die Vorläuferproteste zum Kölner Gipfel 1999, an denen er teilgenommen hatte. An die globale Solidarität, an das, was möglich ist, wenn Menschen mit einem gemeinsamen Ziel zusammen kommen. Dass es nicht nur die Politiker*innen in Wahshington sind, die entscheiden. Mehr als 20 Jahre später wirkt der Geist der weltweiten Jubilee-Bewegung auch nun in Khartoum.

Die Chance ergreifen

Erfahrungen aus Bolivien, einem der größten zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozesse in der HIPC-Initiative überhaupt, wurden in einem aufwändig produzierten Video eingespielt. Adriano Nuvunga aus der ehemaligen HIPC-Erfolgsgeschickte Mosambik predigte unentwegt „don’t wait to be invited, seize the moment“. „Seize the moment“ bleibt als Motto für den heutigen zweiten Tag, an dem auch IWF und sudanesisches Finanzministerium teilnehmen.

G20-Finanzminister in Venedig: Auf zur nächsten Pandemie

Heute fand der Gipfel der G20-Finanzminister*innen unter der Präsidentschaft Italiens in Venedig statt. Eine Woche zuvor hatte die IWF-Chefin Kristalina Georgieva die geringen Fortschritte bei den bisherigen G20 Schuldenerlassmaßnahmen beklagt, der deutsche Entwicklungsminister Müller beim Gipfel der G20 Außen- und Entwicklungsminister*innen die Notwendigkeit von Schuldenerlassen betont. In der heutigen Pressekonferenz zum Finanzministergipfel hält der italienische Gastgeber entgegen, dass – jetzt, da die DSSI nun langsam zum Ende komme – das Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI der G20 erfreulicherweise wie geplant in Gang komme und die G20 somit umfassende Unterstützung für „gefährdete Länder“ böten.

Entsprechend widmet die G20 den Fortschritten in den bestehenden Common Framework-Fällen einen langen Abschnitt im Communiqué. Zuvor hieß es, wenn sich das Common Framework nur in den ersten Fällen beweisen könne, dann würde man auch Fortschritte etwa bei der Ausweitung in der Ländergruppe erzielen können. Mehr als ein Deckmantel für das Fehlen substantieller Fortschritte sind die Ausführungen im Communiqué jedoch nicht: Tatsächlich hat sich im Vergleich zu den anderen beiden Finanzministertreffen im Februar und April praktisch nichts getan. Kein einziges zusätzliches Land hat seitdem eine Umschuldung beantragt, kein einziges der bislang involvierten Länder (Tschad, Äthiopien, Sambia) hat eine Umschuldung abgeschlossen. Gleichzeitig werden die Stimmen immer lauter, Ländern nach ihrer „Gefährdung“ Zugang zu Unterstützung zu gewähren – weiterhin gibt es auch hier keinen Fortschritt bei der G20. Sri Lanka, das sich nicht für DSSI und Common Framework qualifiziert, könnte schon Ende des Monats das Scheitern des „umfassenden Unterstützungsrahmens für gefährdete Länder“ aufzeigen.

Fast ein halbes Jahr nach Beantragung einer Umschuldung tut sich zwar endlich ein bisschen was in Äthiopien und dem Tschad. Doch der Tschad wird für die so dringend benötigten Erfolge im Hinblick auf die Einbeziehung privater Forderungen zur Zerreißprobe. Eigentlich wettete die G20 darauf, dass der Tschad aufgrund der vergleichsweise geringen Komplexität im Gläubigerprofil ein vielversprechender Testfall für die erfolgreiche Umsetzung des Common Framework sein würde. Doch der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore, der wichtigste Privatgläubiger des Tschad, hatte seine Forderungen erst vor wenigen Jahren umgeschuldet – und scheint aktuell nicht bereit, dem Wunsch der G20 nach Gleichbehandlung zu folgen. Natürlich wünschen sich die Finanzminister*innen im Communiqué erneut, dass die Privaten auch mitmachen sollen. Das haben sie auch schon beim letzten, vorletzten, vorvorletzten und vorvorvorletzten Mal getan. Eine entschlossene und deutliche Ansage an nicht kooperationsbereite Gläubiger, selbst alles rechtlich und politisch Mögliche zu tun, um Schuldnerländer bei der Konfrontation mit diesen zu unterstützen gibt es jedoch nicht – wie beim letzten, vorletzten, vorvorletzten und vorvorvorletzten Mal.

Am Freitag bereits tagte das G20 High Level Independent Panel on Financing the Global Commons for Pandemic Preparedness and Response. Das Gremium, besetzt mit politischen und wissenschaftlichen Größen, wurde im Januar eingerichtet, um schon einmal die Antwort auf die nächste Pandemie vorzubereiten. Angesichts der fehlenden Handlungsfähigkeit der G20 schlugen die Expert*innen den G20-Finanzminister*innen vor, dass sie bei der nächsten Pandemie vielleicht lieber den IWF darum bitten, geordnete Entschuldungsverfahren zu schaffen. Ein Mechanismus könne laut des Papiers sicher schon in den nächsten 12 Monaten entwickelt werden. Der im Papier vorgestellte Vorschlag eines umfassenden und geordneten „debt service relief framework“ fließt ein in die Empfehlungen für ein Sondertreffen der G20-Finanz- und Gesundheitsminister*innen Ende Oktober. Dieses soll vor dem Gipfel der G20-Staats- und Regierungschef*innen stattfinden und konkrete Vorschläge für einen neuen “Global Deal” im Pandemiezeitalter beraten und verabschieden. Ein echter Fortschritt wäre es, die aktuellen Diskussionen um einen Gefährdungsindex aufzugreifen und einen Mechanismus zu schaffen, der im Falle von Krisen ein automatisches Schuldendienstmoratorium, gefolgt von Umschuldungen vorsieht, deren Zugang nach Gefährdungskriterien und nicht mehr nach dem völlig unsinnigen Einkommenskriterium geregelt werden würde. Dafür können die Gesundheits- und Finanzminister*innen im Oktober die Weichen stellen – allerdings besser nicht erst für die nächste Pandemie.

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