Globale Entschuldungsbewegung neu justiert in Bogotá

Avatar-Foto Kristina Rehbein, erlassjahr.de
22. September 2023

Am heutigen Freitag ist ein Strategietreffen der globalen Entschuldungsbewegung in Bogotá, Kolumbien, zu Ende gegangen. Es war das erste globale Präsenztreffen seit 2016 in Nairobi und das erste Treffen überhaupt, welches im Verbund aller kontinentalen Entschuldungsnetzwerke in Asien, Amerika (USA und Lateinamerika/Karibik), Europa und Afrika organisiert wurde. Es war zudem das erste Treffen nach Ausbruch der COVID-Pandemie, die das Schuldenthema hoch auf die politische Agenda katapultiert hatte. Dadurch hatten vor allem im Globalen Süden viele alte und neue Gruppen angefangen, zum Schuldenthema zu arbeiten, u. a. auch aufgrund eines höheren Interesses in der Geberlandschaft, Zivilgesellschaft zum Thema zu finanzieren.

Ca. 70 Teilnehmer*innen aus aller Welt in Bogotá 

Drei Jahre Zoom hatten ihre Spuren hinterlassen, bei einer immer höheren Anzahl an Gruppen und Teilnehmer*innen an Debt Coordination Calls und gleichzeitig einer immer rasanter werdenden Dynamik im Thema durch neue Entschuldungsinitiativen, immer mehr zahlungsunfähigen Staaten, neuen Schuldeninstrumenten, sich vervielfachenden globalen Gipfeln usw. Zeit und Luft für tiefergehende Strategieberatung und die gemeinsame Einordnung der vielen Themen fehlte, das Vertrauen zueinander war nur oberflächlich ausgeprägt, eine gemeinsame Idee dazu, welche Gegenantwort wir etwa zum G20 Common Framework geben wollen, gab es in dieser Zeit nicht.

Das Treffen in Bogotá wurde entsprechend gestaltet: kein Zoom, Teilnehmer*innen-Zahl begrenzt. Maximal 15 Gruppen aus jeder Region im Globalen Süden, aus dem Globalen Norden insgesamt nur 15 Gruppen. Etwa 70 Teilnehmer*innen kamen so zusammen. Ein schwerer Wermutstropfen: Einige afrikanische und südasiatische Partner*innen erhielten leider kein Visum und berichteten von Zuständen, wie man sie auch in deutschen Botschaften in afrikanischen Ländern allzu häufig erlebt.

Erreicht werden sollten Antworten auf die folgenden Fragen:

  • Was sind die wichtigsten Argumente für uns, um Schulden auf die regionale und globale Agenda zu setzen? Welche Schwerpunkte setzen wir in welchen Regionen?
  • Was verstehen wir unter einem Staateninsolvenzverfahren, wie und wo bringen wir dies voran?
  • Was sind die wichtigsten Forderungen außerhalb eines Staateninsolvenzverfahrens und wie bringen wir diese voran?

Viele Themen wurden im Akkord durchgekaut: vom Umgang mit Inlandsschulden über Schuldenumwandlungen als neue silver bullet auf der politischen Agenda, bessere Schuldentragfähigkeitsanalysen, Regulierung von Kreditratingagenturen, Klimaschulden und -investitionen, Umgang mit dem Common Framework und China als Gläubiger bis hin zu nationaler Gesetzgebung in Schuldner- und Gläubigerländern usw. So wie Akteure aus dem Globalen Süden seit einiger Zeit versuchen, politisch und rhetorisch selbstbewusster gegenüber einer westlich dominierten Finanzordnung aufzutreten, so kam in Bogotá in den verschiedensten Beiträgen die Idee eines Schuldnerclubs auf, als Möglichkeit ein Gegengewicht zur Übermacht westlich dominierter Narrative und Verhandlungsmacht zu setzen. Auch im abschließenden Austausch mit der kolumbianischen Regierung, die ihre Agenda im Bereich Schulden und Naturschutz vorstellte, tauchte diese Idee immer wieder auf: Schuldnerländer könnten nur dann Championrollen in der globalen Finanzarchitektur sowie im Umgang mit konkreten Umschuldungen einnehmen, wenn sie dies im Verbund tun, um möglichen „Strafen“ zu entgehen. Allerdings blieb die Frage offen, wie so ein Club bzw. bessere Schuldnerkoordination ganz konkret aussehen sollte.

Netzwerke aus Afrika, Lateinamerika und Asien im Verbund

Auf der Agenda des Plenums stand auch die Frage, wie ein Staateninsolvenzverfahren bei den Vereinten Nationen im Kontext geopolitisch zugespitzter Konflikte vorangetrieben werden könne. Anders als noch vor 10 bis 15 Jahren konnten viele vor allem lokale Gruppen mit der Agenda um ein Staateninsolvenzverfahren in der UN nicht (mehr) viel anfangen. Einigkeit herrschte jedoch, dass es fairere, rechtsstaatliche Regeln beim Umgang mit Schuldenkrisen inkl. einem geringeren Einfluss der Gläubiger geben müsse, sowie mehr Teilhabe der Staaten im Globalen Süden. Ein Staateninsolvenzverfahren wurde damit Teil einer umfangreichen Liste an Forderungen und Strategien, unter denen sich die globale Entschuldungsbewegung mit ihren vielen verschiedenen Initiativen und Kampagnen gemeinsam wieder finden kann. Auch wurde eine politische Deklaration verabschiedet, die diese Forderungen in einen gemeinsamen Rahmen bringt. So geht es gut gerüstet weiter bis zum nächsten Treffen auf globaler Ebene – dann vermutlich 2030.

 

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