Sri Lanka: Vorübergehende Aussetzung im Rechtsstreit mit der Hamilton Reserve Bank 

Avatar-Foto Malina Stutz, erlassjahr.de
10. November 2023

Am 1. November hat das zuständige New Yorker Gericht dem Antrag von Sri Lanka stattgegeben und eine Aussetzung des Gerichtsprozesses bis Ende Februar 2024 angeordnet. Das erleichtert aktuelle Restrukturierungsverhandlungen. Ausreichend Rechtssicherheit für Sri Lanka und andere Schuldnerstaaten wird dadurch jedoch nicht geschaffen. 

Vorgeschichte

Spätestens mit Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 galt Sri Lanka unter Finanzfachleuten als sicherer Kandidat für die nächste Staatspleite. Zu diesem Zeitpunkt begann die Hamilton Reserve Bank, Anleihen von Sri Lanka für einen stark abgewerteten Preis auf den internationalen Kapitalmärkten aufzukaufen. Durch die Verteuerung der Energie- und Lebensmittelpreise infolge des Kriegs in der Ukraine verschärfte sich die finanzielle Situation Sri Lankas weiter. Im April 2022 musste das Land die Rückzahlungen an seine ausländischen Gläubiger einstellen und Schuldenrestrukturierungen einleiten. 

Die Hamilton Reserve Bank legte jedoch vor einem New Yorker Gericht Klage ein und forderte die vollständige und sofortige Rückzahlung aller Zins- und Tilgungszahlungen. An den Verhandlungen zwischen Sri Lanka und seinen Gläubigern wollte sich die Bank von Anfang an nicht beteiligen. Sri Lanka hatte zunächst im November 2022 auf Abweisung der Klage plädiert, da die Hamilton Reserve Bank die Forderungen nicht im eigenen Namen halte. Das Gericht befand jedoch, dass Hamilton klageberechtigt sei, da die Bank eine Klagevollmacht vom eingetragenen Halter der Anleihen erhalten hatte. Bereits in dieser Urteilssprechung wies das Gericht jedoch auf ernsthafte politische Bedenken hin, die sich daraus ergeben, wenn einzelne Gläubiger versuchen, Schuldenrestrukturierungen über den Klageweg zu unterlaufen. 

Frankreich, Großbritannien und die USA mischen sich ein 

Im Juli 2023 beantragte Sri Lanka schließlich die vorübergehende Aussetzung des Prozesses für sechs Monate. Die Bank hingegen beantragte ein Urteil im Schnellverfahren. Im September wandten sich Frankreich und Großbritannien in einer gemeinsamen Stellungnahme an das New Yorker Gericht, die USA legten im Oktober nach. Alle drei Staaten sprachen sich dafür aus, dem Antrag von Sri Lanka auf eine vorübergehende Aussetzung des Prozesses stattzugeben. Sie führten die Sorge an, dass ein Urteil zugunsten Hamiltons den Restrukturierungsprozess ernsthaft gefährden und andere private Gläubiger dazu verleiten könne, ebenfalls den Klageweg zu beschreiten („rush to the courthouse“). In der Stellungnahme der USA heißt es etwa: 

„Die Verweigerung eines Zahlungsaufschubs, gefolgt von einem Urteil gegen Sri Lanka, bevor die Restrukturierungsverhandlungen weiter vorankommen, könnte diese Verhandlungen erschweren und möglicherweise zu deren Scheitern führen. Ein solches Urteil könnte zudem andere private Gläubiger dazu ermutigen, sich wie die Hamilton Bank „vorzudrängeln“ (…). Dies könnte erhebliche Folgen haben, sowohl für die Bemühungen Sri Lankas um wirtschaftliche und humanitäre Verbesserungen in der derzeitigen Wirtschaftskrise als auch ganz allgemein für die Möglichkeit in künftigen Schuldenrestrukturierungen eine breite, einvernehmliche Beteiligung zu erreichen.“

Zudem führen die USA ihr geopolitisches Interesse im indopazifischen Raum an: 

„Die Vereinigten Staaten betrachten Sri Lanka als einen Partner im indopazifischen Raum (…). Der rechtzeitige Abschluss des IWF-Programms wird dazu beitragen, einen starken und dauerhaften wirtschaftlichen Aufschwung zu fördern und dadurch die Stabilität und Sicherheit des Landes zu erhöhen und die Indo-Pazifik-Strategie der US-Regierung voranzutreiben.“

Gericht stimmt Aussetzungsantrag zu 

Am 1. November hat das zuständige New Yorker Gericht dem Antrag von Sri Lanka nun stattgegeben und eine Aussetzung des Gerichtsprozesses bis Ende Februar 2024 angeordnet. Als Begründung führt das New Yorker Gericht folgende fünf Aspekte an: 

  1. Abwägung der Interessen des Klägers: Der Schaden durch eine vorübergehende Aussetzung des Gerichtsprozesses für Hamilton wird vom Gericht als zumutbar gewertet. Erstens handele es sich nicht um eine unbegrenzte Aussetzung, sondern lediglich um eine Aussetzung von 6 Monaten. Zweitens könne Sri Lanka nachträglich verpflichtet werden, Zinsen für den Zeitraum der Zahlungsaussetzung zu zahlen, sofern Hamilton in einem späteren Urteil mit seiner Klage Erfolg habe.
  2. Abwägung der Interessen des Angeklagten: Die zu erwartenden Kosten für Sri Lanka bei einem raschen Rechtsspruch für Hamilton seien hingegen erheblich. Das Gericht erwartet, dass ein Urteil zugunsten von Hamilton die komplexen Verhandlungen und damit die erfolgreiche wirtschaftliche Erholung Sri Lankas entscheidend gefährden würde. Diesbezüglich bezieht sich das Gericht auch auf die Stellungnahmen von Frankreich, Großbritannien und den USA.
  3. Abwägung der Interessen des Gerichts: Grundsätzlich liege es im wirtschaftlichen Interesse des Gerichts, schnell zu einem Urteil zu kommen. Im vorliegenden Fall werde dieses Interesse aber dadurch überschattet, dass das Gericht mit einem „Ansturm auf das Gericht“ rechnen müsse, wenn Hamilton mit seiner Klage erfolgreich sei, bevor die Restrukturierungsverhandlungen abgeschlossen seien.
  4. Abwägung der Interessen anderer Akteure, die mittelbar von dem Prozess betroffen sind: Das Gericht sieht vor allem die Interessen übriger bilateraler öffentlicher und privater Gläubiger beeinträchtigt, da ein frühes Urteil zugunsten Hamiltons den Restrukturierungsprozess entscheidend erschweren könne. 
  5. Abwägung des öffentlichen Interesses: Eine Aussetzung sei auch im öffentlichen Interesse der USA. Auch hier bezieht sich das Gericht in seiner Anordnung auf die eingereichte Interessensbekundung der USA. 

Ende gut, alles gut? 

Zunächst verhindert die Aussetzung des Prozesses, dass ein Urteil zugunsten der Hamilton Reserve Bank die aktuellen Restrukturierungsverhandlungen zusätzlich erschwert. Allerdings macht der Prozess auch deutlich, wie problematisch Klagen für den raschen Abschluss von Schuldenrestrukturierungen und die Wiederherstellung von Schuldentragfähigkeit sind. Sowohl die USA, Frankreich und Großbritannien als auch das New Yorker Gericht haben auf diese Gefahr in ihren Stellungsnahmen und Anordnungen wiederholt hingewiesen. Dass das New Yorker Gericht dem Antrag von Sri Lanka stattgegeben hat, dürfte auch dadurch beeinflusst worden sein, dass sich die drei westlichen Staaten in den Prozess eingemischt haben. Dies ist wiederum nicht zuletzt auf die eigenen (geopolitischen) Interessen dieser Staaten zurückzuführen. Mit Rechtssicherheit hat das wenig zu tun.  

Zudem wird in der aktuellen Anordnung des New Yorker Gerichts explizit die Möglichkeit genannt, dass Hamilton der Klageweg ab März 2024 wieder offenstehe und dann auch die Verzugszinsen für den Zeitraum der Zahlungsaussetzungen mit eingeklagt werden können. Einerseits ist noch nicht klar, ob Sri Lanka die Schuldenrestrukturierungen bis dahin tatsächlich finalisiert haben wird. Andererseits zeigt die Erfahrung aus vergangenen Klageprozessen, dass anhängige Klagen die wirtschaftliche Erholung des Schuldnerstaates auch nach Abschluss einer Vereinbarung mit dem Großteil seiner Gläubiger empfindlich erschweren können. So war es Schuldnerstaaten zum Beispiel in der Vergangenheit häufig nicht möglich, neue Anleihen zu platzieren, solange einzelne Klagen noch anhängig waren (siehe hier ab S. 6). Insgesamt wird deutlich, dass es dringenden Bedarf an Gesetzen gibt, die es privaten Gläubigern unmöglich machen, internationale Restrukturierungen auf dem Rechtsweg zu unterlaufen. Wie solch ein Gesetz beispielsweise in Deutschland aussehen könnte, haben wir hier und hier erklärt. 

Quellen

  • Denise Cote (01.11.2023): „Opinion and Order“, Dokument 77 im Fall 1:22-cv-05199-DLC (Hamilton Reserve Bank Ltd. v. The Democratic Socialist Republic of Sri Lanka).
  • Philippe Guyonnet-Duperat (31.08.2023): „Brief for France and the United Kingdom as members of the Paris Club as Amicus Curiae in support of the Republic of Sri Lanka’s petition for a motion to stay proceedings“, Dokument 69-1 im Fall 1:22-cv-05199-DLC.
  • Damian Williams (02.10.2023): „Statement of Interest of the United States of America“, Dokument 73 im Fall 1:22-cv-05199-DLC.

Alle Gerichtsdokumente sind nach Anmeldung hier einsehbar: https://pacer.uscourts.gov

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