Haiti-Update III: Der IWF rudert zurück: Schuldenerlass nicht auf der Tagesordnung. DSK aus dem Netz entfernt

Wer den Ankündigungen des Direktors Strauss-Kahn geglaubt hatte, der IWF werde seine eigenen Kredite in Schenkungen umwandeln und auf eine vollständige Streichung aller Schulden Haitis hinarbeiten, und es würden nun Taten folgen, sieht sich getäuscht. Ein Schuldenerlass steht nicht einmal auf der Tagesordnung der heutigen IWF-Vorstandssitzung.
Damit erweisen sich die wohlfeilen Ankündigungen des Direktors als heiße Luft. Statt Haiti einen schuldenfreien Neuanfang zu ermöglichen, setzen die Gläubiger Zahlungen aus, die sie aus dem bettelarmen und zerstörten Land in den nächsten fünf Jahren ohnehin nicht bekommen hätten. Und sie hoffen, dass Haiti danach seine Schulden, einschließlich der jetzt gewährten Nothilfekredite wieder bedienen wird.
In den letzten Tagen hatte sich dieses Rückzugsmanöver bereits angekündigt: So verschwand z.B. der Film mit der Ankündigung einer umfassenden Entschuldung durch Strauss-Kahn mysteriös von der IWF-Website. Unter http://www.imf.org/external/mmedia/view.asp?eventID=1711 landet man auf einer leeren Seite. Auch auf der CNN-Website oder bei einschlägigen Film-Portalen konnte ich den Clip nicht mehr finden. Wenn ihn jemand aufgenommen hat, wäre ich für einen Link dankbar.
Inzwischen haben mehr als 80 Kirchen, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in den USA Finanzminister Geithner aufgerufen, mit dem Gewicht der USA in den Multilateralen Institutionen eine Streichung der Schulden Haitis durchzusetzen (Link zum Aufruf hier).
Heute abend oder spätestens morgen früh wissen wir zumindest über die Entscheidungen des IWF mehr.

Illegitime Schulden in der Mache: Schwarz-Gelb gewährt Hermesbürgschaft für das AKW Angra-3 in Brasilien

Laut FAZ hat die Bundesregierung eine Hermesbürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden Euro für das brasilianische Atomkraftwerk Angra 3 gewährt. Der Interministerielle Ausschuss aus BMWi, BMF, BMZ und AA habe der Bürgschaft bereits zugestimmt, nun müsse nur noch der Haushaltsausschuss unterrichtet werden.
Zur Unterstützung des Aufschwungs setzt die Bundesregierung auf Exportförderung um jeden Preis: in diesem Fall um den der Abschaffung der seit 2001 geltenden Ausschluss von Hermes-Bürgschaften für Atomtechnologie.
Die Geschichte der Reaktoren Angra-1 und Angra-2 zeigt, die Unverantwortlichkeit von Atomexporten nach Brasilien: In beiden Fällen sind die Baukosten weit über die ursprünglich veranschlagten Summen hinausgegangen. Mit einem weiteren unkalkulierbaren Reaktorbau sichert sich Siemens einen Teil der Devisenreserven, die Brasilien in den letzten Jahren anhäufen konnte. Die Rechnung bezahlt wieder einmal die arme Mehrheit der Brasilianer, denen soziale Investitionen, nicht zuletzt im Bereich erneuerbarer Energien, durch die deutsche Dinosourier-Technologie vorenthalten werden.
Brasilien hat bis heute das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, welches unangemeldete Besuche von IAEA-Inspektoren erlaubt, nicht unterzeichnet, so dass eine (weitere) Gefahr der Proliferation besteht.
Urgewald bittet um Unterstützung für ihre Initiative im Bundestag durch Gespräche mit den Abgeordneten der Regierungsparteien. Vor zwei Jahren hatten viele Gespräche von erlassjahr-Mitträgern das Thema Illegitime Schulden bereits einmal auf die Tagesordnung des Bundestages gebracht. Alle Infos zur Kampagne

Den Tod erfolgreich exportiert

Im August 2009 erschien in einer abgelegenen Schriftenreihe der Weltbank eine ziemlich technische Untersuchung von Jed Friedman und Norbert Schady, in der die beiden Autoren auf der Grundlage von historischen Erfahrungen vorhersagten, wie viele Kinder allein in Folge der Weltfinanzkrise zusätzlich sterben werden: 30.000 bis 50.000 Menschen unter fünf Jahren allein in Sub-Sahara-Afrika hätten vermeidbare Krankheiten und Mangelernährung überlebt, wenn nicht die von den USA ausgehende Weltfinanzkrise ihre Lebensumstände noch weiter verschlechtert hätte (weiter zur Studie).
Die Studie erregte erstaunlich wenig Aufsehen in der Fachwelt. Wie alle solchen “Was-wäre-wenn”-Szenarien lässt sich über genaue Ergebnisse streiten; daher auch das vergleichsweise unpräzise Ergebnis. Dass die Studie im Ansatz wissenschaftlich sauber argumentiert, wurde nirgendwo bestritten. Es ist davon auszugehen, dass der von ihr prognostizierte stille Tod sich in diesem Moment so abspielt wie vorhergesagt, Die meisten Eltern werden zwar wissen, dass der Tod ihres Kindes damit zusammenhängt, dass der örtliche Gesundheitsposten plötzlich keine Medikamente mehr hatte. Dass aber dies mit den Staatsfinanzen, diese mit den zusammengebrochenen Rohstoffpreisen, diese mit der globalen Nachfrage nach den exportierten Produkten, und diese wiederum mit dem Abschwung in den USA und Europa zu tun haben, werden die meisten in ihrem Leben nicht erfahren.
Es ist aber so, und die Weltbank kann einem den Zusammenhang vorrechnen. Wenn sie will.
Es gab eine Zeit, da sprangen Wall-Street-Banker, wenn sie sich verzockt hatten, aus den Fenstern ihrer Wolkenkratzer. Das ist, wie wir im Sommer 2008 sehen (bzw. eben nicht sehen konnten) seit der Weltwirschaftskrise 1929 aus der Mode gekommen.
Warum sollen sie auch springen? Den Tod haben sie elegant exportiert.

Kein Insolvenzverfahren für Dubai – sondern….

In dem Emirat am Persischen Golf könnte tatsächlich gelingen, was anderen Ländern mit hoher Auslandsverschuldung seiner privaten Unternehmen schwerer fallen dürfte: Der Staat lehnt es ab, für die 60 Mrd. US-$ Auslandsschulden des ohnehin leicht größenwahnsinnigen Unternehmens “Dubai World” gerade zu stehen. Das kann er machen, ohne dass in dem ansonsten schwerreichen Ölstaat mit gravierenden sozialen Folgen gerechnet werden muss. Selbst ein sofortiger und endgültiger Baustopp für das Palmeninsel-Projekt würde in erster Linie ausländische Arbeiter betreffen, die das Emirat ohne viel Federlesens in ihre Heimatländer zurück verfrachten würde.
Deswegen ist Dubai nicht der nächste Kandidat für das von erlassjahr.de geforderte Staateninsolvenzverfahren.
Eine vergleichbare Konstellation kann in anderen Ländern aber zu durchaus anderen politischen Konsequenzen führen. So bestehen zum Beispiel auch die gut 100 Mrd. US-$ Auslandsschulden der Ukraine zu mehr als 80% aus Verbindlichkeiten privater Unternehmen, für die der Ukrainische Staat formal keinerlei Verpflichtungen eingegangen ist. Prominent dabei: der Gasversorger Naftogaz und die Ukrainische Eisenbahn. Droht einem von beiden tatsächlich die Pleite, ist die Lage für die Regierung in Kiew aber eine andere als die der von Dubai, die auch ohne Palmeninsel-Projekt gut zurecht kommt. Eher würde man sich – im Interesse von Arbeitsplätzen, funktionierender Infrastruktur und warmen Wohnungen im bevorstehenden Winter – so in die Pflicht nehmen lassen, wie die Bundesregierung für die Hypo Real Estate, Quelle und Opel. Mit dem Unterschied, dass der Ukrainische Staat sich nicht so günstig die entsprechenden Mittel auf dem Kapitalmarkt besorgen kann wie die Berliner Regierung.
Am Ende müsste dort durch neue öffentliche Schulden und Einschnitte der ohnehin eher bescheidenen öffentlichen Leistungen die Zeche bezahlt werden. Da wäre ein schnelles und umfassendes Staaten-Insolvenzverfahren allemal die bessere Lösung.

Neue Themen – alte Kulissen

Als ehemaliger UNO-Bediensteter fühlte ich mich in Genf gleich ein paar Jahre jünger: Von der neuen Besucherkontrolle abgesehen, sieht das UNO-Gelände über dem Genfer See noch ziemlich genau so aus, wie ich es vor vier Jahren letztmals verlassen habe: Der riesige Völkerbundspalast wie von Mussolini persönlich hingeklotzt, die UN-typischen riesigen Sitzungssäle. die die G-194 nun mal braucht, mit den Ohrhörern für die sechs Weltsprachen; und auch die Scharen von beschlipsten Graumännern in den ewig gleichen Anzügen sehen noch genau so aus wie damals (so sah ich in diesen Tagen übrigens auch aus – als letzte Bastion der inneren Rebellion sind NRO’ler noch immer daran zu erkennen, dass sie keinen Schlips umhaben).

UNCTAD beginnt in diesen Tagen mit einem Konsultationsprozess zum Thema “Illegitime Schulden und Verantwortliche Kreditvergabe”, erlassjahr.de ist eigeladen worden, daran mitzuwirken. Eine kleine Arbeitsgruppe traf sich am Rande der großen Schuldenmanagement-Konferenz und versuchte, ein Arbeitsprogramm für den vorgesehenen dreijährigen Prozess zu entwickeln. Dazu gab es einen ersten Text von zwei hochrangigen Juristen – Mitu Gulati und Lee Buchheit – und viele noch ziemlich unstrukturierte Überlegungen zur Bearbeitung des Themas. Zusammen mit NRO-Kolleg/innen aus Brasilien, den Philippinen, Norwegen und den USA, sowie dem ebenfalls mitarbeitenden Lutherischen Weltbund brachten wir unsere ziemlich dezidierten Vorstellungen von einer sinnvollen Agenda in die noch eher gemächlich mahlenden Mühlen der UNO ein. Nun wird es weitere Papiere geben, Internet-gestützte Diskussionen und irgendwann auch mal ein nächstes Treffen.
Und wenn es gelingt, tatsächlich weitere Regierungen in das Boot einer Reformdiskussion zum internationalen Schuldenmanagement zu holen, werden wir sagen können: “Wir sind dabei gewesen.”

Eine neue Schuldenkrise? Die Weltbank sagt ganz klar jein

Voll war es nicht gerade bei dem Side-Event, das die FES und EURODAD zum Thema Neue Schuldenkrise und Reform des Schuldemanagements organisierten: ungefähr 25 Zuhörer/innen waren dabei, die meisten entweder aus dem Lager der Internationalen Finanzinstitutionen, oder NGO-Mitarbeiter/innen. Unsere Hoffnung, hier in Istanbul mit Süd-Regierungen ins Gespräch zu kommen, hat sich auch heute nicht erfüllt. Erstaunlich interessant waren dagegen die Signale, die von Weltbank und Währungsfods kamen. Damit ist weniger die flammende Dankesadresse für all unser NGO-Engagement für Entschuldung seit 1999 gemeint, mit der ein IWF’ler die Debatte eröffnete. Der entpuppte sich alsbald als Public-Relations-Mann, und von denen kennen wir solche herzerwärmenden Sprüche sehr gut. Eher war es die ausdrückliche Einladung, mit der Bank über die Reform der globalen Entschuldungsverfahren bei der nächsten Fachtagung im März weiter zu diskutieren. Und ihre Anerkenntnis, dass ihre Position “nie wieder Schuldenkrise” (siehe Blog von vorgestern) so vielleicht doch nicht ganz haltbar ist.
Wir wären nicht gut beraten, hinter jeglicher Offenheit der IFIs nicht zuallererst ihr institutionelles Eigeninteresse zu erkennen. Aber gerade das zwingt sie dazu, sich über den Umgang mit der nächsten Schuldenkrise langsam ein paar Gedanken zu machen.
So weit – nicht mehr und nicht weniger – sind wir in diesen Tagen hier gekommen.
Als alles vorbei war, und die Konferenz sich langsam schon in die diversen kalten Buffets verflüchtigte, erreichte auch uns, d.h. Hubert Schillinger von der Ebert-Stiftung, und mich eine Einladung zur nächtlichen Bootspartie auf dem Bosporus. Eingeladen hatte das Bank Information Center aus Washington, eine halboffizielle NRO, die uns auch bei den Tagungen in D.C. häufig zur Seite gestanden hat.
Es ging den Bosporus hinauf, unter den beiden interkontinentalen Brücken hindurch und mit Blick auf die nächtliche Stadt. Als Zugaben gab es Bauchtanz, Raki, und nette Gespräche zum Beispiel mit dem neuen Exekutivdirektor der USA in der Weltbank, den Obama gerade ernannt hat (muss noch vom Kongress bestätigt werden), und der aussieht und redet, wie Barack’s kleiner Bruder.
Ärgerlicherweise hatte ich die Kamera nicht dabei. Shit happens.

Istanbul-Tagebuch 5.10: Tu felix Austria….

Am Tag zwischen den beiden Auftritten zum Thema neue Schuldenkrise, gab es heute nur ein einziges offizielles Treffen. Unsere österreichische Kollegin Karin Küblböck hatte ein Treffen mit dem Gouverneur der Österreichischen Zentralbank organisiert, der gleichzeitig für deren Ländergruppe der Exukutivdirektor ist. Österreich teilt den Exekutivdirektor im Fonds mit neun weiteren Ländern, u.a. Belgien und der Türkei. Deswegen waren auch Pol Vonderoort aus Brüsse und die neue EURODAD-Direktorin Nuria Molina mit von der Partie.
Sehr erfreulich war aus unserer Sicht, dass der Gouverneur und der ebenfalls anwesende stellvertretende ED unserer Logik eines orderly debt workout als Antwort auf die Finanzkrise durchaus folgen konnten. Die positive Haltung des österreichischen Finanzministeriums gegenüber FTAP, die vor kurzem ein beharrlicher Briefeschreiber aus unserem Netzwerk dingfest machen konnte, ist keine Eintagsfliege. Beim DeBriefing mit den Kolleg/innen wurde klar, wie wichtig es ist, dass wir für alle Regierungen, die ein FTAP zumindest wohlwollend diskutieren wolle, baldmöglichst einen Raum schaffen, in dem sie ihr Wohlwollen in praktische Politik umsetzen können, zum Beispiel bei der Formulierung gemeinsamer europäischer Positionen vor dem nächsten G20-Gipfel und der Frühjahrstagung 2010. Außer unseren alpinen Nachbarn betrifft das im Moment vor allem die Norweger, die Niederländer und die Deutschen. Viel Arbeit für unsere gerade frisch wieder gegründete FTAP-AG.
Am Abend traf sich dann die Schuldenszene im “Marbel Hotel” – ist nicht ganz so piekedel wie es sich anhört – um nächste Schritte gegenüber den Regierungen zu beraten. Eine ziemlich bunte Runde mit Vertreter/innen aus Norwegen, Belgien, Deutschland, Großbritannien, den USA, Argentinien, Uruguay und Kenia, sowie des Europäischen Netzwerks EURODAD diskutierte über Chancen für ein geordnetes Insolvenzverfahren und andere Kampagnenansätze. Im Sinne unseres Gesprächs mit den Österreichern wurde deutlich, dass wir an der kritischen Masse von Regierungen für eine substanzielle Reform des Schuldenmanagements gemeinsam arbeiten müssen. Andernfalls werden die ständig vorangehenden Norweger irgendwann ziemlich in der Luft hängen.

Nie mehr Schuldenkrise, nie mehr, nie mehr…..

In der Höhle: Koordinator erklärt die Welt
In der Höhle: Koordinator erklärt die Welt / © erlassjahr.de

So hätten sie es auch singen können (jeder, der ab und zu ein Fußballstadion besucht, weiß, welche Melodie zu der Zeile gehört…): sowohl die Weltbanker, mit denen ich heute zu tun hatte, als auch die beiden HIPC-Finanzminister – aus Niger und Kamerun – die am Vormittag das Pressebriefing für die HIPC-Finanzminister bestritten. Die Überschuldungskrise der neunziger Jahre war so traumatisch, so die afrikanischen Stimmen, wir werden diesen Weg nie wieder einschlagen. Und die Weltbanker, auf deren Panel ich zusammen mit einem französischen Professor und einem Vertreter der Afrikanischen Entwicklungsbank saß, widersprachen nicht, als ich sie fragte, ob ihrer Ansicht nach die Geschichte von Staatsbankrotten, die mal im alten Ägypten begonnen hat, nun an ihr glorreiches Ende gekommen sei, weil man in Washington endlich ausgerechnet habe, wie viel Kredite ein Land maximal aufnehmen solle.

Interessant war indes ihr Hinweis, dass man zusammen mit den beiden Kollegen auf dem Panel und weiteren internationalen Finanzinstitutionen eine größere Tagung in Tunis plane, bei der man über das Schuldenmanagement der Zukunft reden wolle. Zwei Papiere zum Thema “Internationales Insolvenzverfahren” sollen dazu, erstellt werden, eines möglicherweise von einem uns nahestehenden Juristen. Das kann ziemlich spannend werden, wenn die Herren ein Problem diskutieren, das es ihrer Meinung nach gar nicht mehr geben wird.

Außerhalb der Höhle: Soundstarkes Gotteshaus von der Hotelterrasse aus gesehen
Außerhalb der Höhle: Soundstarkes Gotteshaus von der Hotelterrasse aus gesehen / © erlassjahr.de

Es war ein Höhlentag heute, bei dem ich, außer zum Frühstück mit den Kollegen der Ebert-Stiftung auf der wunderbaren Dachterrasse mit Blick auf’s Meer keine Sonne gesehen habe. Dafür gab es interessante Kontakte mit ebenfalls durch das Konferenzzentrum geisternden NRO-Kolleg/innen aus den USA, von der “Free Dharfur-Campaign und aus Österreich. Morgen habe ich ein Gespräch mit dem Österreichischen Exekutivdirektor im IWF und dem Chef der Zentralbank. Mal sehen, ob sie sich für so etwas genuin Österreichisches wie den Raffer-Vorschlag eines Internationalen Insolvenzverfahrens begeistern können.

Jetzt ist acht Uhr vorbei. Vor meinem Fenster lassen gleich zwei Muezzine die Welt wissen, dass es Zeit um Gebet ist. Ich werde wahrscheinlich an einer der beiden Moscheen vorbei spazieren, und mir ziemlich unislamisch ein EFES genehmigen.

Istanbul-Tagebuch Samstag 3.10.: Willkommen im Orient

Die Sonne, ist, wie es sich gehört, im Bosporus versunken. Vor meinem Hotelfenster schmettert eine Dame von der Dachterrasse eine Musik, wie man sie auch in Kreuzberg nicht orientalischer zu hören bekommt. Ich bin gut gelandet.
Anders als das Konferenzzentrum, in dem Weltbank und IWF tagen, liegt mein, von der FES gebuchtes, Hotel mitten in der Altstadt, fussläufig von Haghia Sofia und Blauer Moschee. Heute Mittag habe ich die Gotteshäuser schon umrundet, aber nur auf der Suche nach einem Geldautomaten und einem Taxi zum Kongresszentrum. Die Taxifahrt bot dann etwas mehr Orient als mir lieb war. Der Taxista hatte offenbar eine Möglichkeit gefunden, seinen Taxameter zu manipulieren – vermutlich, indem er es irgendwie mit dem Gespedal verbunden hat. Jedenfalls zahlte ich, knapp dem Verkehrstod von der Schippe gesprungen. ein Vielfaches dessen, was mir der Kollege auf der Rückfahrt abgeknöpft hat.
Am Kongresszentrum teilte mir dann der Polizist an der Einfahrt mit, ich müsse meine VIP-Karte der Konferenz vorzeigen, wenn ich rein wolle. Mein Hinweis, der Ausweis läge drinnen und wartete darauf, von mir am Empfang abgeholt zu werden, konnte seine Haltung nicht erschüttern. Vor allem, weil er mich nur begrenzt verstand. Englischsprechende Polizisten hat man in der Türkei offenbar nicht – oder zumindest nicht für diese Konferenz. Ein Versuch an einem weiteren Eingang erbrachte dasselbe Ergebnis. Auf einen dritten bin ich dann mit entschlossenem Schritt zumarschiert und hatte das Glück, dass gerade der Gepäck-Scanner kaputt war, so dass der zuständige Zerberus vollständig damit ausgelastet war, meinen Rucksack von Hand zu durchsuchen, und keine dummen Fragen nach irgendwelchen Zugangsberechtigungen stellte. Drin war ich.
Im Konferenzzentrum sieht es aus, wie in allen Konferenzzentren dieser Erde. Ich habe im NRO-Bereich erfreut eine paar internationale Kolleg/innen getroffen, dem IWF bei einer Veranstaltung für die NROs gelauscht, und mich hinterher mit Hugh Bredenkamp aus dem Policy Department des Fonds über die Folgen der Finanzkrise für die ärmsten Länder unterhalten. In seinem Beitrag hatte er erklärt, es gebe zwei Typen von Niedrigeinkommensländern mit kritischer Verschuldung. Den einen könne mit HIPC geholfen werden, weil sie de Completion Point noch vor sich hätten. Die, die durch das Verfahren schon durch seien, brauchten halt jede Menge zinsgünstigen Geldes. Das müsse man eben heranschaffen. Nein, eine Schuldenkrise werde es nicht wieder geben. Jedenfalls werde man hart dafür arbeiten, dass es dazu komme.
Keinesfalls werde der IWF noch mal seinen SDRM-Vorschlag auspacken. Man habe 2003 gemerkt, dass die Welt ihn nicht wolle. Sicher, sei die Lage heute anders, aber bislang habe sich noch keine Regierung in dieser Richtung geäußert. Und wenn ich an der Stelle was bewegen wolle, müsste ich halt mit den Regierungen reden.
So schlau waren wir eigentlich schon vorher. Morgen nachmittag habe ich 7-10 Minuten auf einem Weltbank-Panel, um einer hoffentlich nennenswerten Öffentlichkeit als letzter von vier Panelisten genau diese Sicht der NROs zu vermitteln. Mal sehen, ob ich sie in Verlegenheit bringen kann….

Was sie schon immer über die HIPC-Initiative wissen wollten….. Neuer “Status of Implementation Report” erschienen.

Knapp vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank in der kommenden Woche haben die beiden Institutionen den alljährlichen “Umsetzungsbericht zur HIPC/MDRI-Entschuldungsinitiative” (mehr Infos zur Initiative hier) vorgelegt. Der Bericht ist jedes Jahr die wichtigste Datenquelle, um zu beurteilen, was HIPC “gebracht” hat, und was nicht. Er ist im Internet unter http://siteresources.worldbank.org/INTDEBTDEPT/ProgressReports/22326841/HIPCProgressReport20090915.pdf abrufbar.

Auch bei dieser Veröffentlichung zeigt sich die in der Weltbank vielerorts zu beobachtende Tendenz, dass Informationen, die zu kritischen Diskussionen geführt haben, im folgenden Jahr nicht mehr enthalten sind. Im HIPC-Umsetzungsbericht betrifft das die ausführliche Beurteilung des Risikos neuer Überschuldung. Im letzten Jahr hatten wir selbst und andere Kampagnen die Bank mit ihren eigenen Zahlen unter Druck gesetzt. Inzwischen sind länderbezogene Informationen nur noch unvollständig und im Fließtext versteckt enthalten.

Wichtige Grundinformationen über die Entschuldungsinitiativen enthält der Text gleichwohl:
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