Ein neuer Anlauf für Schiedsverfahren in Afrika

Mitarbeiter von afrikanischen Entschuldungsbewegungen und Kirchen trafen sich am 30. und 31. März mit Parlamentariern und Campaigner/innen aus dem Ausland, um über das Konzept eines Fairen und Transparenten Schiedsverfahren und über seine mögliche Umsetzung in Afrika zu sprechen. Eingeladen hat das Afrikanische Entschuldungs-Netzwerk AFRODAD, mit dem erlassjahr.de seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Zuletzt in Form der “Speakers Tour” mit Vitalice Meja im Sommer 2007.
Im letzten Jahr startete AFRODAD eine kontinentale Kampagne zu FTAP – oder “FTA”, wie AFRODAD ein wenig missverständlich, da leicht mit “Free Trade Agreements” verwechselbar, sagt. Es gibt gute Grundlagendokumente, einhübsches Logo, T-Shirts und Plakate Siehe: http://www.afrodad.org (leider bin ich bei der T-Shirt-Verteilung nicht schnell genug gewesen :-()
Die Kampagne ist von uns und der internationalen Öffentlichkeit bisher nicht allzu intensiv wahrgenommen worden, weil AFRODADs Informationspolitik, vorsichtig ausgedrückt: zurückhaltend war. Das wiederum hing damit zusammen, dass AFRODAD’s Initiative von anderen NROs als nicht radikal genug kritisiert wurde. Auch bei dieser Tagung wurde wieder mit einigen Vertreter/innen von Jubileesouth intensiv darüber debattiert, ob nicht alle Schulden sowieso von vornherein illegitim und überdies längst bezahlt und der Süden schon wegen der jahrhundertelangen Ausbeutung der eigentliche Gläubiger sei. Diese ziemlich sterile Haltung wurde hier von der Mehrheit der Beteiligten zurückgewiesen,und AFRODAD fühlte sich zurecht ermutigt, Debt Arbitration als Alternative für verschuldete afrikanische Länder zu propagieren. Das gilt insbesondere für diejenigen, die jetzt unter dem Einfluss der Finanzkrise die Wahl haben zwischen drastischen Einschnitten bei der Armutsbekämpfung und einem neuen Überschuldungszyklus.

Faires Schiedsverfahren gefordert: Opa Kapajimpanga (AFROODAD), Safia Svarfvar (Schwedische Kirche) und dem UN-Sonderberichterstatter Cephas Lumina
Faires Schiedsverfahren gefordert: Opa Kapajimpanga (AFRODAD), Safia Svarfvar (Schwedische Kirche) und UN-Sonderberichterstatter Cephas Lumina / © erlassjahr.de

Zusammen mit Kollegen der Schwedischen Kirche, die einen wesentlichen Teil zum Budget von AFRODAD beisteuert, JubileeNederland und JubileeScotland haben wir einen Aktionsplan für die nächsten Schritte zum FTAP umrissen: AFRODAD wird dazu gegenüber der Afrikanischen Union und der UN Wirtschaftskommission für Afrika (ECA) FTAP als alternativen Krisenmechanismus ins Gespräch bringen. Beim G8-Köln-Jubuiläum, werden die Afrikanischen Kollegen neben den eingeladenen Finanzministern ein Wort mitreden. Und alles in allem wurde die Rolle des Afrikanischen Netzwerks als globaler Informationsknoten zu FTAP gestärkt.

Wem nützt 'aggressive Schuldenpolitik'?

In Zeiten drohender Zahlungsunfähigkeiten von armen und ärmsten Ländern interessiert sich auch der IWF wieder verstärkt dafür, wie Zahlungseinstellungen aussehen, und wie eine erfolgreiche Umschuldung zu gestalten wäre. Dazu hat der IWF eine Studie bei dem Berliner Volkswirt Christoph Trebesch in Auftrag gegeben. (Trebesch,C.: The Cost of Aggressive Sovereign Debt Policies: How much is the Private Sector Affected? IMF Working Paper 09/29, Feb. 2009).

Die Studie geht dem auch uns in der Vergangenheit von Gläubiger-Vertretern entgegengehaltenen Argument nach, wer sich seinen Gläubigern widersetze, schneide sich ins eigene Fleisch, weil er nie wieder einen Kredit bekäme. Und sie untersucht, inwieweit kooperatives gegenüber aggressivem Verhalten des Schuldners eher zu einer erfolgreichen Restruturierung führt. Die Ergebnisse sind auf der einen Seite banal (Grundsätzlich mögen Gläubiger es lieber, wenn man zahlt so lange man irgend kann), auf der anderen Seite aber hoch interessant. Im Kern sagt die Untersuchung von Zahlungseinstellungen in 13 Ländern zwischen 1980 und 2004:

Keinesfalls schliesst sich jemand, der aggressiv gegenüber den Gläubigern die Zahlungen verweigert, dauerhaft vom Kreditmarkt aus. Vielmehr muss man von einer Quarantäneperiode von bis zu zwei Jahren ausgehen. Danach funktioniert das Gedächtnis der Gläubiger ohnehin nicht mehr, wenn sie irgendwo Geschäfte wittern.

Es stimmt, dass in dieser Zeit der Zugang zu neuen Krediten erschwert ist, aber es ist nicht eindeutig zu beweisen, ob dies in einer unkooperativen Haltung beim Umschulden oder einfach an der Tatsache einer einseitigen Zahlungseinstellung begründet liegt.

Wer auf eine einvernehmlich Lösung mit den Gläubigern hinarbeitet kann überdies davon ausgehen, dass diese zu einer Zunahme des Kreditangebots in den folgenden Jahren führt.

Gerade der letzte Punkt ist ein starkes Argument für die Schaffung eines fairen und transparenten Entschuldungsverfahrens. Schließlich haben nicht nur die Schuldner, sondern auch die alten, aber mehr noch die neuen Gläubiger ein Interesse daran, dass künftig wieder normale Schuldner-Gläubiger-Beziehungen möglich sind.

Wie bei Publikationen aus dem Fonds üblich, werden “Aggressivität” und “unkooperatives Verhalten” ausschließlich auf der Seite des Schuldners vermutet und analysiert. Dass Gläubiger – durch ihr Beharren auf sinnlosen Tragfähigkeits-Berechnungen, hochgradig unfairen und ineffizienten Verhandlungsforen oder schlicht durch die Zurückweisung vernünftiger Angebote der Schuldner eine einvernehmliche Regelung blockieren, ist zwar alltägliche Realität vieler Schuldnerländer; der IWF – selbst wichtiger Gläubiger und zentraler Akteur im internationalen Schuldenmanagement, kann sich das offenbar überhaupt nicht vorstellen.

Stiglitz-Kommission: Rückenwind für FTAP

Bei einer Tagung im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Berlin haben sich heute sowohl Ministerin Wieczorek-Zeul als auch Nobelpreisträger Joseph Stiglitz für die Schaffung eines Internationalen Insolvenzverfahrens ausgesprochen.  Bei der Tagung, die sich mit den Folgen der Finanzkrise auf die Entwicklungsländer befasste, unterstrich die Ministerin den zuletzt in Doha beschlossenen “Debt Workout Mechanisms” als eine von drei Prioritäten im Rahmen der Kommissionsarbeit.

Die Stiglitz-Kommission war im Herbst vom Präsidenten der UNO-Generalversammlung berufen worden. Ihr gehören aktive und ehemalige Politiker sowie führende Akademiker in den Bereichen Finanz- und Entwicklungspolitik an. Sie trifft sich am 10. und 11. 3. in Genf zu ihrem vorletzten Plenum. Mit ihrem endgültigen Bericht an die UNO-Generalversammluing ist im Mai zu rechnen.

Mehr Schuldendienst durch HIPC-Schuldenerlass

In den meisten Ländern führt die Beteiligung an der Multilateralen Entschuldungsinitiative (HIPC/MDRI) dazu, dass der laufende Schuldendienst deutlich abgesenkt wird, und im Idealfall so Mittel zur Armutsbekämpfung frei werden. In Cote d’Ivoire wird nach dem gerade veröffentlichten Vorläufigen HIPC-Dokument das Gegenteil passieren:

Der jährliche Schuldendienst, der 2005 bei 325 Mio US-$ und 2006 nur noch bei 126 Mio US-$ gelegen hatte, steigt 2009 auf 608 Mio. Bis 2017 übersteigt er anschließend die Summe, die ohne HIPC-Schuldenerlass fällig gewesen wäre. Entsprechend steigt auch die Schuldendienstquote in den Vorhersagen mit Schuldenerlass in der Spitze auf über 10%, während sie ohne Erlass im gleichen Zeitraum durchgängig zwischen 5 und 7% gelegen hätte.

Das Geheimnis dieser überaus seltsamen Entschuldungsinitiative liegt in der Bereinigung der z.T. Jahrzehnte alten Zahlungsrückstände des Landes,  v.a. bei den Multilateralen Gläubigern selbst. Um in den Genuss des HIPC-Erlasses zu kommen, müssen die Schuldnerländer zunächst alle Zahlungsrückstände bei Weltbank, IWF und Afrikanischer Entwicklungsbank begleichen. Dazu wiederum müssen sie in der Regel neue Kredite aufnehmen, die dann – weil sie neue, nach dem “Cut-off-date”aufgenommene Schulden sind, vom Erlass ausgenommen sind. In einigen Fällen, wie z.B. Liberia hat das im vergangenen Jahr zu akrobatischen Finanztransaktionen geführt, mit denen neue Kredite gegeben, und dann gleich durch bilaterale Beiträge wieder abgelöst wurden.

Im Falle des vergleichsweise “reichen” Cote d’Ivoire” rechnen IWF & Co ungerührt mit einer Begleichung der Zahlungsrückstände innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums. Erst danach spürt das Land eine faktische Erleichterung auch beim Schuldendienst.

Cote d’Ivoire wäre gut beraten, sich auf diese seltsame Erleichterung gar nicht erst einzulassen, sondern darauf zu bestehen, dass der Schuldendienst durch die Entschuldung nicht steigen darf. Das allerdings würde ein faires Entschuldungsverfahren voraussetzen – und nicht eines, bei dem die “Gutachter” Weltbank und IWF zuallererst ihr eigenes Schäfchen ins Trockene bringen.

Europäischer G20-Gipfel in Berlin: Die armen Länder nicht im Blick

Die stärkere, gar “lückenlose” Beaufsichtigung der Finanzmärkte, welche die europäischen Staats- und Regierungschefs am Wochenende in Berlin beschlossen haben, ist, wenn sie denn erreicht wird, ein gewaltiger Fortschritt, von dem vor Jahresfrist noch niemand zu träumen gewagt hätte. Das gleiche gilt für die Austrocknung der Steueroasen, welche sich die Dame und die Herren auf die Fahne geschrieben haben. Bei beiden Massnahmen ist davon auszugehen, dass die angestrebte Umverteilung von Mitteln aus privaten zurück in die öffentlichen Taschen allen Bürger/innen zugute kommen wird. Allerdings werden die ärmeren Länder nur bedingt und indirekt davon profitieren können – durch möglicherweise steigende Entwicklungshilfe etwa, oder dadurch, dass auch aus Afrika, Lateinamerika und Asien die Steuerflucht für die Reichen schwieriger werden wird, wenn die Regierungen im Norden nicht mehr stillschweigend mitspielen. 

Denjenigen, die infolge der Finanzkrise und zuvor bereits wegen der Preisanstiege bei Nahrungsmitteln und Energie an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten sind, helfen die Massnahmen kurzfristig allerdings wenig. Statt wie bei der Financing for Development Konferenz im Dezember und im erlassjahr-Schuldenreport gefordert, die Möglichkeit für schnelle und faire Schuldenerleichterungen zu schaffen, tauchte die Gruppe der ärmsten Länder nicht einmal auf der Agenda des Berliner Treffens auf. Es scheint, als begriffe am Kabinettstisch allein die Entwicklungsministerin welche Verelendungsprozesse das unregulierte Weltfinanzsystem in entfernteren Teilen der Welt ausgelöst hat. Und ihre Stimme scheint dort zu leise, um konkrete und unmittelbar umsetzbare Reformschritte wie ein Internationales Insolvenzverfahren auf die Agenda der G20 zu setzen.

Ecuador stellt Schuldendienst auf illegitime Schulden ein

Vor Ablauf der Karenzfrist hat die Ecuadorianische Regierung erklärt, die Zinsen auf die “Global 2012” Anleihen nicht zu zahlen. Rund 31 Mio US-$ wären am 15.12. spätestens fällig gewesen.
Die Regierung begründet diesen Schritt mit den von der Auditoría-Kommission festgestellten Unregelmässigkeiten bei der Umwandlung der ursprünglichen Bankenforderungen in Brady-Bonds, und dieser wiederum die aktuellen “Global”-Anleihen. Präsident Rafael Correa kündigte rechtliche Schritte auch gegen die Verantwortlichen für die “betrügerischen” Umschuldungen in Ecuador an.
Gleichzeitig wurde die Forderung von rund 230 Mio US-$ der brasilianischen staatlichen Entwicklungsbank BNDES aus dem Bau des San Francisco Staudamms zurückgewiesen. Damit hat die Ecuadorianische Regierung deutlich gemacht, an welchen Fronten sie auf der Grundlage des Kommissionsberichts die Auseinandersetzung mit den Gläubigern suchen will.
Im Gegensatz zu der brasilianischen Bank und den Inhabern der Global-Bonds will Quito andere Gläubiger schonen und deren von der Kommission ebenfalls in Frage gestellte Forderungen weiter bedienen. Darunter sind diejenigen gegenüber Spanien. Spaniens zweifelhafte Forderungen hatte ich selbst in der CAIC unter die Lupe genommen. Außerdem gehören dazu die Forderungen der Interamerikanischen Entwicklungsbank, bei der die Regierung sich um Unterstützung für die Finanzierung ihrer Sozialprogramme bemüht.
Die im CAIC-Bericht geäußerten Unregelmässigkeiten bei der Umwandlung der Anleihen entsprechen weniger den Kriterien der klassischen “Odious Debts”-Doktrin. Vielmehr handelt es sich verschiedentlich um die Verletzung geltenden Rechts, welches nun – unter dem Druck der Zahlungseinstellung Ecuadors – an den jeweiligen Gerichtsständen New York und London angefochten werden können.
Hintergründe zur Arbeit der Kommission finden sich in meinen “Ecuador-Tagebüchern” vom Februar, Juli und September dieses Jahres.

Schuldenkapitel des Doha-Abschlussdokumentes in der Analyse

Die UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Doha ist vorbei und erlassjahr.de Koordinator Jürgen Kaiser, “unser Mann vor Ort”, gesund und munter aus dem Wüstensand zurück gekehrt. Inzwischen haben wir das Abschlussdokument der Konferenz etwas eingehender untersucht und konzentrieren uns im folgenden auf Kapitel V, welches sich auf “External debt” bezieht. Im Abschlussbericht hat es eine andere Nummerierung als in allen Textentwürfen vor der Konferenz bekommen. Davon sollte man sich hier nicht irritieren lassen. §§ 56-67 sind die Paragrafen, um die es geht.  Was erreicht wurde fügt sich in die generelle Tendenz der Konferenz ein: Kein nennenswerter Fortschritt, aber auch kein Rückschritt, der etwa den Gegnern einer Reform des Schuldenmanagements Munition lieferte. Im Einzelnen:

  • Die exzellente Formulierung “Orderly Debt Work-outs, including mediation and arbitration”, die sich vom ersten Entwurf bis in die letzte Version vor der Doha-Konferenz gehalten hatte, hat es doch nicht bis in die Schlusserklärung geschafft. Sie wurde ersetzt durch: “we will consider ways to explore enhanced approaches of sove-reign debt restructuring mechanisms based on existing framework and principles, with broad creditors’ and debtors’ participation and ensuring comparable burden-sharing among creditors, with an important role for the Bretton Woods institutions.” Daraus können wir ebenso einen Aufruf zur Entwicklung eines FTAP herauslesen, wie die andere Seite die Forderung nach Stärkung des Pariser Clubs und IFIs. Der Begriff “Sovereign Debt Restructuring Mechanism” ist dabei an dieser Stelle beson-ders delikat. So hieß der Vorschlag des IWF für ein Internationales Insolvenzverfah-ren 2001-2003, und es ist nicht klar, ob ein SDRM oder der SDRM gemeint ist. Der IWF hat jedenfalls seinen alten Vorschlag nicht mal erwähnt.
  • §57 enthält den frommen Wunsch, Schuldenerlasse mögen nicht zu Lasten der traditionellen ODA gehen. Die Schummeleien durch die vom Development Assistance Council gedeckten Anrechnungen des Schuldenerlasses auf die Entwicklungshilfe wurden nicht mal diskutiert.
  • Ähnliches gilt für die Hoffnung in §58, es mögen sich bitte alle Gläubiger an dem unter HIPC vereinbarten multilateralen Erlass beteiligen. Keine Diskussion über irgendwelche Sanktionen gegen die, die es nicht tun.
  • §60 erkennt erfreulich offen an, dass die bestehenden Mechanismen von den Gläubigern dominiert werden (“creditor-driven”). Auf dem Hintergrund dieser Einsicht wirkt die anschließende Feststellung dass durch internationale Entschuldungsverfahren, Gleichbehandlung unter Gläubigern und Schuldnern und Rechtssicherheit erreicht werden sollen, nicht ganz so belanglos.
  • §61 spricht von Lösungen, die transparent und für alle akzeptabel sein sollen. Diese Mechanismen sollen von Prinzipien getragen werden, die uns bei der Bewältigung zahlreicher Schuldenprobleme gute Dienste geleistet haben. Dazu gehört auch die Notwendigkeit, dass Entschuldung als gemeinsame Verantwortung von Schuldnern und Gläubigern – öffentlichen wie privaten – verstanden wird. Klingt super, aber ob die Prinzipien sich auf rechtsstaatliche Grundsätze beziehen, wie wir sie fordern, oder vielleicht doch gemeint ist, dass die Multliateralen Finanzinstitutionen alles in der Hand haben, bleibt offen.
  • §63 verlangt, dass im Schuldenmanagement die Entwicklungsprioritäten des Schuldenlandes Berücksichtigung finden müssen – explizit auch die Erreichung der MDGs. Dazu würden die von uns betriebenen unabhängigen Tragfähigkeitsanalysen gut passen. Keinesfalls geht man aber so weit, konkrete Defizite in den existierenden Regelwerken zu benennen. So wird (§64) ausdrücklich positiv auf das Debt Sustainability Framework der Weltbank Bezug genommen. Alle Geber sollen es bei ihren Kreditvergabe-Entscheidungen berücksichtigen. Es wird weder die Tatsache, dass das Debt Sustainability Framework (DSF) ein sehr unausgewogenen Instrument ist, dass zwar die Schuldner nicht aber die Gläubiger unter Druck setzt, berücksichtigt; noch, dass das DSF dann, wenn eine Überschuldungskrise erst mal ausgebrochen ist, zu absolut nichts mehr nütze ist.
  • Schließlich befasst sich der §65 erfreulich ausführlich mit der Gefahr neuer Instabilitäten, z.B. durch externe Schocks. Er spricht  – kleines Detail – auch von den Schuldentragfähigkeits-Regeln, und nicht nur vom DSF der Weltbank.

Doha-Tagebuch 2.12.08: Weisser Rauch im Wüstenwind

Bereits am Morgen machte die gute Nachricht die Runde, dass die Konferenz sich auf einen Text verständigt hatte. Wie schon in den letzten Tagen absehbar, ist der nicht wirklich so schlecht, wie zwischenzeitlich befürchtet, aber auch nicht so gut, dass wir uns künftig auf “Doha” beziehen werden.
Aufregender waren da schon die letzten Runden von Flughafen-Klatsch vor der Abreise. Der Emir wolle unbedingt, dass die für “vor G20 in London” geplante nächste Konferenz wiederum in Quatar stattfinde. Ich bin mir nicht so sicher,ob ich die Idee toll finde, habe aber vorsichtshalber darauf verzichtet,meine letzten Riales noch im Duty Free umzusetzen.
Die auf eine philippinische Kollegin zurückgehende Meldung wurde auch gleich durch einen Bericht aus dem letzten Abendessen mit HWZ dementiert. Zwar habe der Emir sich schon vor längerer Zeit mal so geäußert. Da kostete das Öl aber noch mehr als 100 $, und die Taschen des Monarchen waren tief. So einfach liegen die Dinge jetzt nicht mehr.
Zum Abschluss ein Satz aus dem letzten EURODAD-Briefing, den ich mal so unkommentiert weitergebe, da ich selbst nicht, wie andere NRO-Kolleg/innen in die offiziellen Verhandlungen reinschleichen konnte: “A whole story could be written about the session yesterday evening, which went on until 10pm with Bert Koenders, Heidemarie and Trevor Manuel fighting the US: heroic.”

Doha-Tagebuch 1.12.08: Runder Tisch nicht rund

Zu einem Zeitpunkt, da die Abschlusserklärung auf die Zielgerade einbog, bot die Konferenz nochmals die Gelegenheit, grundsätzliche Fragen zum Schuldenthema zu erörtern. Dies geschah in Form eines “Roundtables”, wie er auch zu den vier anderen Themenbereichen des Doha-Prozesses stattfand.
Nachmittags um 3 in einem riesigen Auditorium vom Format der UNO-Generalversammlung. Kein runder Tisch weit und breit, sondern ein länglicher, an dem auf dem Podium der IWF, die Weltbank, der Pariser Club, zwei Regierungsvertreter/innen, Nancy Birdsall von einem Obama-nahen Think Tank in Washington und die ehemalige irische Staatspräsidentin Mary Robinson Platz nahmen.
Von den drei vorgesehenen Stunden vergingen eineinhalb mit den Statements der Herrschaften auf dem Podium. Manche, wie Mary Robinsons und die des Club-Präsidenten recht interessant. Bank und Fonds waren kaum zu ertragen. Nachdem auf diese Weise zwei Halbzeiten gespielt waren, kam auch das Auditorium zu Wort. Als Civil Society hatten wir verabredet, wer von uns in welcher Reihenfolge das Wort ergreifen sollte: Zunächste Vitalis Meja von AFRODAD, dann Lidy Nacpil von der Freedom from Debt Coalition auf den Philippinen und ich als Letzter. Das hatte den interessanten Nebeneffekt, dass ich in dieser “Diskussions”-Runde sozusagen das letzte Wort hatte, was Carlos Braga von der Weltbank nicht wenig auf die Palme brachte.
Highlights waren die Statements der norwegischen Regierung, die u.a. noch einmal die Forderung nach der Berücksichtigung der Illegitimität von Schulden wiederholte, und des ehemaligen UNO-Mitarbeiters Barry Herman, der auf ein Ticket des Privatsektors gekommen war, und einige sehr erlassjahr-nahe Forderungen erhob, die die meisten aus dem Mundes der Business Community nicht wirklich erwartet hätten.
Seine Schlüsselfrage war: Wer wird wie an neuen Entschuldungsverfahren arbeiten, die angesichts der neuen Überschuldungsgefahren bei mehr als der Hälfte der entlasteten HIPCs einfach unbestreitbar sind?
Ergebnis: Es ist uns gelungen, den von Bank und Fonds intendierten Eindruck “Die Lage ist ernst, aber wird aus Washington schon verlässlich gemanagt werden zu zerstreuen. Das “Washington” praktisch keinen Plan hat, was eigentlich nach HIPC kommen soll, dass der Pariser Club seine Arme in alle Richtungen ausstreckt, und alle, alle einlädt, beim ihm mitzuspielen, wurde für alle sichtbar. In einigen Kulissengesprächen konnten Kunibert Raffer und einige der NRO-Kolleg/innen besser als seit langem deutlich machen, dass FTAP eigentlich der innovativste Gedanke in der allgemein herrschenden Verunsicherung ist.

Deutschland und Pakistan vereinbaren Debt2Health

Am Rande der Doha-Konferenz haben Pakistan und Deutschland ein neues Abkommen zur Umwandlung von Schulden in Gesundheitsausgaben unterzeichnet (Debt2Health). Das Abkommen sieht vor, dass Pakistan 40 Millionen Euro seiner Auslandsschulden von Deutschland erlassen bekommt, und dafür selbst 20 Millionen Euro zusätzlich für Gesundheitsprogramme ausgibt, die durch den Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria unterstützt werden.

Das Abkommen wurde von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Hina Rabbani Khar, Staatssekretärin für Finanzen und wirtschaftliche Angelegenheiten in Pakistan, und Dr. Michel Kazatchkine, Exekutivdirektor des Globalen Fonds, unterschrieben.

Pakistan ist das zweite Land, das von “Debt2Health” profitiert. Im September 2007 hat Deutschland Indonesien 50 Millionen Euro erlassen und Indonesien investiert die Hälfte dessen in Programme, die vom Globalen Fonds unterstützt werden.

erlassjahr.de unterstützt die genannten Schuldenumwandlungen und fordert eine Ausweitung auf weitere Länder.