Doha-Tagebuch 1.12.: Heiße Phase

Es wird heißer in Doha. Das erstaunlich milde Klima bei unserer Ankunft weicht deutlich mehr Sonnenschein, und nachdem ich die Klima-Anlage in meinem Hotelzimmer während der letzten Tage meist ausgemacht hatte (der Room-Service stellte sie beim nächsten Besuch sofort wieder auf Schockfrosten), lasse ich das Ding nun wenigstens auf der kleinsten Stufe laufen.
Auch im Sheraton Kongresszentrum steigt die Temperatur. Der neue Textentwurf hatte zunächst tatsächlich wie ein erfolgreicher Handstreich ausgesehen, mit dem sich zumindest die Konferenz – wenn schon nicht die Welt – retten liess.
Beim zweiten Hinsehen war die Zustimmung der Hauptblockierer mit Sternen und Streifen dann doch nicht so umfassend. Es wurde in fast allen Kapiteln doch noch Veränderungsbedarf angemeldet. Worauf hin auch die G77 verschiedene Fässer wieder aufmachten. Die EU gilt inzwischen als die konstruktivste und kompromissfähigste Stimme im Konzert.
Das Schuldenkapitel ist mittlerweile so stromlinienförmig, dass es schwer ist, bestimmte Dinge richtig schlecht zu finden. Auf welche Weise die Entschuldung wenigstens gedanklich, wenn schon nicht praktisch, durch die Erklärung vorangebracht wird, könnte ich allerdings auch nicht sagen: Der verwegene Versuch der Norweger, einen Bezug auf Illegitime Schulden im Text unterzubringen – für den Minister Solheim beim gestrigen Side-Event der Weltbank noch mal tapfer gestritten hat – ist vom Tisch. Und der “orderly debt workout, including mediation and arbitration” heißt (Stand Montag Morgen) wieder “sovereign debt restructuring mechanism”. Ein spannender Punkt ist der §2, der ursprünglich den Monterrey Consensus in seiner Gesamtheit bestätigte (dort war “oderly debt workout” schon mal gefordert worden). Auch das ist jetzt aber nicht mehr unumstritten.
Unsere Kollegen aus den verschiedenen NRO-Delegationen mühen sich, ihren jeweiligen Regierungsdelegationen noch Formulierungshilfen an den verschiedenen Stellen unterzujubeln. Heute Nachmittag findet der Roundtable zu Verschuldung statt. Als einer von 7 NRO-Vertretern und insgesamt 45 “Experten” kann ich versuchen, mich mit den anderen 44 um ein Minütchen Redezeit in der insgesamt 45 Minuten langen Diskussion zu balgen und zu sagen, was die NG0s in diesem Thema hilfreich fänden.

Doha-Tagebuch 30.11.08: Nie mehr Schuldenkriiiise, nie mehr, nie mehr…!

Sonntag war Arbeitstag bei der Financing for Development-Konferenz in Doha. Vor unserem eigenen Side-Event zu innovativen Entschuldungsverfahren war ich an gleicher Stelle Panelist beim Schulden-Forum der Weltbank. An einem etwas abgelegenen Ort im Sheraton-Restaurant “Waterhole” mit Blick auf das Meer auf der einen und dem Guinness-Zapfhahn auf der anderen Seite, sollte eine Bilanz der HIPC-Initiative gezogen werden. Nach dem staubtrockenen Vortrag einer IWF-Mitarbeiterin sollten der erfrischend lockere holländische Entwicklungsminister Bert Koenders und ich das Gehörte kommentieren.
Koenders zog, wie sich das für jemand gehört, der einerseits mit Sitz und Stimme im Governeursrat der Weltbank hockt, auf der anderen Seite seinen Sinn für die Realitäten nicht verloren hat, eine durchwachsene Bilanz. Meine Aufgabe als einziger frecher NRO’ler im ganzen Programm war natürlich der heftige Kontrapunkt, der für die Herren und Damen aus Washington bei solchen Gelegenheiten inzwischen dazu gehört.
Ich habe mich auf den letzten HIPC-Implementation-Bericht bezogen, und sie gefragt, was eigentlich mit den Ländern passieren soll, denen Bank und Fonds selbst ein hohes Risiko neuer Überschuldung bescheinigen. Immerhin 13 von 23 entschuldeten HIPCs bewegen sich nach den Berechnungen der Institutionen (unsere Liste ist noch etwas länger) von vor der Finanzkrise in diesem Bereich.
Eine Antwort darauf bekamen wir nicht. Alle anderen Redner/innen beschäftigten sich mit der Frage, wie mit Hilfe des Debt Sustainabality Framework die Kreditaufnahme besser reguliert werden und den vielerorts ziemlich schwachen Buchhaltungen technisch unter die Arme gegriffen werden kann.
Selbst im Vier-Augen-Gespräch konnte ein höherrangiger Mitarbeiter des IWF sich zu keiner Andeutung durchringen, welchen Plan B man denn wenigstens in der Tasche habe, falls Länder von ihrem souveränen Recht auf Kreditaufnahme wiederum exzessiv Gebrauch machten (was einige spektakuläre Fälle wie die DR Kongo mit China als Kreditgeber bereits tun).
Nein, nein, eine neue Krise werde es bestimmt nicht geben. Und von daher logischerweise auch keinen Grund, sich Gedanken darüber zu machen, was nach HIPC kommt. Auch ein Hinweis auf die lange Überschuldungsgeschichte vieler Länder, die durch wiederholte Umschuldungen gegangen sind half nicht. Das Ende der Geschichte wurde für erreicht erklärt. Punkt. Am Anfang war ich mir sicher, der Mann will mich verarschen. Nachher nicht mehr.
Mit ziemlich begrenzter Beteiligung ging danach unser eigenes Side-Event zu FTAP über die Bühne. Wegen der sich ständig verändernden Agenda des offiziellen Verhandlungsprozesses waren uns sämtliche eingeladenen Minister/innen abhanden gekommen. Inhaltlich wurde es trotzdem eine recht anregende Veranstaltung.

Doha Tagebuch 29.11.08: Neuer Text

In aller Herrgottsfrüh lud die Rote Heidi zum NRO-Briefing und fast alle kamen. Der gestern angekündigte neue Textentwurf kam ebenfalls. Aber es war keine neue Erklärung in ganz anderem Format, wie gestern abend noch vermutet, sondern das alte Format, in dem einfach keine fettgedruckten (= umstrittenen) Stellen mehr waren, sondern alles im Nomaltext; in der Erwartung, dass dieses gemeinsame Produkt von Facilitatorn und Präsident der Generalversammlung am Stück zustimmungspflichtig sei.
Im Schuldenthema ist der neue Text eine Mischung aus der sehr brauchbaren vorletzten und der unterirdischen letzten Fassung. Statt “Orderly Debt Workout” heisst es jetzt “Sovereign Debt Restructuring Mechanism” – ein Begriff, der uns nicht ganz zufällig ziemlich bekannt vorkommt (SDRM war der Vorschlag des IWF für ein Internationales Insolvenzverfahren rund um die Monterrrey Konferenz). Von “Mediation and Arbitration” als eine Konkretisierung dessen, was denn nun neu und anders werden solle, ist indes keine Rede mehr.
Es wird berichtet, dass die vorliegende Fassung für die USA zustimmungsfähig sei. Das würde bedeuten, dass in unserem Thema zumindest eine in Washington normalerweise nicht goutierte Feststellungen Eingang in das Abschlussdokument finden würden: Die existierenden Verfahren werden von den Gläubigern gesteuert (§42). Ansonsten findest sich allerlei Mainstream im Dokument, den wir auch richtig finden, der aber noch nicht Praxis im internationalen Schuldenmanagement ist:
– Alle Gläubiger müssen in Entschuldungsverfahren einbezogen werden;
– Schuldentragfähigkeit muss alle Arten von externen Schocks berücksichtigen;
– Die aktuelle Krise erfordert mutiges und rasches Handeln.
Alles in allem: Wenn der Entwurf heute und in der kommenden Nacht so beschlossen wird, werden alle, uns eingeschlossen, nicht ganz so unglücklich ein, wie sie es zwischenzeitlich waren. Von einem Aufbruch zu entschlossenen Veränderungen in unserem oder einem anderen Themenfeld kann aber so was von keine Rede sein….!
Ich merke, wie man auch als radikale NRO-Stimme hier Teil der Show wird, und anfängt sich eben über solche Dinge wie die Anerkennung von Tatbeständen zu freuen, die eigentlich für niemanden ein Geheimnis sind. Was wir oder gar die Opfer von Überschuldung damit gewonnen haben? Nächste Frage!
Am schönsten brachte das heute ein Merril Lynch Investmentbanker, mit dem wir im Zusammenhang mit Debt2Health zu tun haben, auf den Punkt. Als Privatsektor-Mensch ist die Konferenz für ihn so etwas wie ein erstmaliges Eintauchen in die Welt der internationalen Organisationen und Regierungen. Ob eigentlich irgendjemand hier morgen etwas machen würde, was er ohne die Konferenz nicht gemacht hätte, fragte er mich. Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung.
Aber starke Zweifel.

Doha-Tagebuch 28.11.08: Sektempfang

Die französische Präsidentschaft hatte europäische NROs heute in die mondäne französische Botschaft eingeladen. Mit dem hier ansonsten nicht so leicht erhältlichen französischen Rotwein tröstet sich die Szene über den bejammernswerten Zustand des Abschlussdokuments hinweg.
Der Präsident der Generalversammlung, der nicaraguanische UNO-Botschafter Miguel d’Escoto träufelte bei einer Pressekonferenz mit einem besonders radikalen Diskurs Balsam auf geschundene NRO-Seelen. Aber sein Einfluss auf die Abschlusserklärung ist ungefähr so groß wie der seines Landes auf Entscheidungen im IWF.
Während d’Escoto sprach sass ich in einem Briefing des Global Fund für Nichtregierungsorganisationen über Debt2Health. Dazu hatte sich überraschenderweise auch der australische Entwicklungsminister Bob McMullen eingefunden. Das Gespräch mit einem Minister, der tatsächlich zum Zuhören gekommen war, war bis jetzt ein echtes Highlight meines Aufenthalts hier. Australlien ist ein Kandidat für einen nächsten Debt2 Health Deal mit Indonesien.
Nachtrag: Kurz vor Mitternacht macht die Nachricht die Runde, dass d’Escoto ein komplett neues Outcome Document auf den Tisch legen will und einen Tag lang versuchen, dafür ausreichende Unterstützung zu gewinnen. Das wäre dann vermutlich so etwas wie ein allgemein gehaltenes “Chairman’s Summary”, welches allenfalls zur Gesichtswahrung bei einem eigentlichen Scheitern der Konferenz dienen wird. Von HWZ erfahren wir morgen früh hoffentlich mehr.

Doha Tagebuch 27.11.: Familientreffen

Heute ist der zweite und letzte Tag des Civil Society Forums in Doha. Die Stimmung ist nicht besonders angesichts des wirklich schwachen Entwurfs für die Abschlusserklärung. Nicht nur im Schuldenthema – auch Kollegen, die zu anderen Themen arbeiten, fühlen sich nicht gerade am Vorabend besserer Zeiten infolge der Konferenz.
Trotzdem bietet die Konferenz das, was eine Stärke der weltweiten Entschuldungsbewegung ist: Möglichkeiten zum Austausch mit Kolleg/innen aus allen Teilen der Welt, um gemeinsame Initiativen abzusprechen oder vergangene Kämpfe noch mal zu Revue passieren zu lassen. In unserem Fall z.B. mit den Kolleginnen aus Ecuador und Bolivien, mit Don von INFID aus Indonesien, wo wir über die nächsten Schritte im Fall der illegitimen Kriegsschiffexporte dringend reden müssen. Oder mit Tomas aus Prag, von dem ich tatsächlich glaube, dass ich ihn in Monterrey zuletzt getroffen habe. Das ist nützlich, sehr schön, und manchmal gar ein bisschen kuschelig, wie eine weit verzeigte Großfamilie.
In diesem Moment wird das Civil Society Statement verabschiedet. Peter Lanzet und Eva Hanfstängl diskutieren pflichtschuldigst mit. Ich bin nicht übermäßig optimistisch, dass Vieles davon Eingang in die verbleibenden offiziellen Beratungen finden wird. Diese sind allerdings noch nicht beendet. Die Regierungsdelegationen haben keine fertige Erklärung im Gepäck. Doha Flurfunk berichtet sogar von der realistischen Chance, dass es zu einer überhaupt keiner Abschlusserklärung kommen wird.
Das wiederum liegt nicht nur daran, dass die tapferen G77 sich von den reichen Ländern nicht über den Tisch ziehen lassen wollen. Insider des Verhandlungsprozesses zeichneten auch ein sehr ernüchterndes Bild der bisherigen Verhandlungsführung der Entwicklungsländer. Anders als vor Monterrey 2002, wo die Entwicklungsländer der G77 sehr gut organisiert und kompetent auftraten, und somit einen vergleichsweise brauchbaren Text durchsetzten, ist deren Verhandlungsführung nun viel schwächer, und ist auch das Interesse an einem positiven Abschluss nicht immer gegeben. Vielmehr gibt es in den G77 auch Staaten, die sich von einem Platzen des Prozesses einen Effekt wie bei der Torpedierung der Welthandelsrunde versprechen. Und sich von daher als andere als konstruktiv einbringen.
Von Heidi Wieczorek-Zeul gibt es eine Einladung zum NRO-Treffen am Samstag in aller Herrgottsfrühe in ihrem Hotel. Ihr eilt der Ruf voraus, eine der wenigen zu sein, die tatsächlich noch hart für ein positives Schlussdokument arbeitet.Deswegen werden wir die Gelegenheit zum Gespräch mit ihr natürlich wahrnehmen, und versuchen, auch den §46 noch mal aufzumachen. Wunder gibt es immer wieder.
Kamele habe ich in dieser von gesichtslosen Betonbauten und Schnellstraßen geprägten Stadt übrigens noch keine gesehen. Dafür gab es eine nette Entdeckung als ich gestern abend versehentlich im ersten Stock statt im Erdgeschoss aus dem Lift stieg: Über den Flur hörte ich einen beträchtlichen Lärm, und als ich dem an einem dezent platzierten Wächter vorbei folgte, stand ich plötzlich in einem veritablen englischen Pub, mit Champions League auf großen Bildschirmen, jeder Menge Qualm und unzähligen Männern im weißen Burnus mit Pint-Gläsern voller Heineken, Stella Artois und Fosters in der Hand. Manche schon recht gut bedient, wie z.B. Ibrahim aus der Armee, der mit etwas glasigen Augen versuchte, mir an der Theke Arabisch beizubringen. Immerhin sitzt man hier nicht bei Tee und Keksen am Abend…
Und schließlich will ich noch erwähnen, dass es beim Schreiben gerade an meine Tür klopfte. Draußen stand ein Mann mit Schäferhund und fragte, ob der Hund sich bei mir mal umsehen dürfte. Mumbay ist einigen wohl in die Knochen gefahren.

Doha-Tagebuch 26.11.: Angenehme Reise und eine böse Überraschung

Knapp sechs Stunden Flugzeit ist Doha am Persischen Golf von Frankfurt entfernt. Quatar Airways ist eine von den aufstrebenden Fluglinien in der Region, die modernste Jets und guten Service sogar in der Holzklasse bieten. Und besonders voll war der Flug – UNO-Konferenz hin oder her – auch nicht.
Komplizierter war es da schon, eine angemessene Bleibe zu finden. erlassjahr kann an der Konferenz nur dank seines Consulting-Vertrags mit dem Global Fund teilnehmen. Der wiederum musste, wie alle, Hotelbetten zentral über das Außenministerium buchen, was dazu führte, dass ich diese Zeilen aus einem Fünf-Sterne-Hotel mit allem Schickimicki schreiben kann. Aber bleiben darf ich hier nur bis übermorgen. Falls dann keine neuen Einträge im Blog mehr erfolgen, bin ich an den Strand umgezogen, weil hier offenbar alles ausgebucht ist…
Im Flugzeug hatte mir Jens Martens vom Global Policy Forum die letzte Version der Abschlusserklärung vom 23.11. gezeigt, und die sah der letzten, die es im Netz gegeben hatte, noch sehr ähnlich. Hier bekam ich nun die Fassung von gestern. Und die zeichnet sich durch einen grotesk veränderten §46 aus. Da, wo zuletzt noch “Oderley Debt Workouts, including arbitration und mediation” standen, heißt es jetzt “we will consider to explore enhanced forms of sovereign debt restructuring mechanisms based on existing framework and principles, including the Paris Club (…) with an inportant/central role for the Bretton Woods Institutions.” Im Klartext: Diejenigen Institutionen, die im Auftrag der Gläubiger 23 Jahre gebraucht haben, um für einen kleine Zahl von Ländern lediglich eine vorläufige Lösung des Schuldenproblems auf die Beine zu stellen, sollen auch künftig die zentralen Akteure sein. Von fairen, umfassenden und transparenten Alternativen ist nicht mehr die Rede. Wer – z.B. von den 13 HIPC-Ländern, denen die Weltbank selbst ein hohes oder mittleres Risiko neuer Überschuldung attestiert – künftig in Zahlungsschwierigkeiten gerät, kann sich auf die nächste Runde der quälenden Verfahren unter der “central role” von Weltbank und Währungsfonds einstellen.
Ein solches Ergebnis wäre ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem “Monterrey Consensus”. Ob Ministerin Wieczorek-Zeul, die noch vor einer Woche(siehe Blogeintrag) angekündigt hatte, alles dafür zu tun, dass die Forderung nach einem “Orderley debt Workout” sich auch in der Abschlusserklärung wieder findet, in dem Moment der Verhandlungen gerade draußen war?

Ecuador: Auditoria-Bericht vorgestellt

Quito, 20. November 2008. Nach mehr als einem Jahr Arbeit, an der auch erlassjahr.de beteiligt war, wurde in der ecuadorianischen Hauptstadt der Abschlussbericht der Kommission zur Umfassenden Überprüfung der Auslandsverschuldung (CAIC) von Präsident Correa der Öffentlichkeit vorgestellt. Gaby Weber war dabei.

© Jubileo Red Guayaquil

Die langerwartete Präsentation des Berichts der CAIC (im spanischen Original hier zum Download) unter Anwesenheit des Präsidenten Rafael Correa, Vizepräsidenten Lenin Moreno und mehreren Ministern wie Ricardo Patiño natürlich, der gleichzeitig formeller Präsident der CAIC war, fand nun endlich am 20.11.2008 statt.
Fast alle CAIC Mitglieder waren anwesend nebst Beverly Keene usw. Schätzungsweise 500 Personen versammelten sich in dem Auditorium und in der Eingangshalle von CIESPAL, um nun endlich zu wissen was in dem Bericht steht, nachdem seit Tagen die ecuadorianische Presse vom Thema Schulden, der Zahlungsverweigerung bei den Staatsanleihen und dem steigenden Risikoindex des Landes berichtet hatte.

Nach der Nationalhymne konnte es also los gehen.
Nach einleitenden Worten von Franklin Canelos, Vizepräsident der CAIC, zu der Entstehungsgeschichte und Aufgaben der CAIC, präsentierte Carinna Saenz am Beispiel der kommerziellen Schulden, insbesondere den Brady Bonds, dass diese Kredite nicht der Finanzierung wichtiger Massnahmen im Land dienten, sondern der Bereicherung der Banken und Banker im In- und Ausland.

Alejandro Olmos verstand es natürlich wieder das Publikum zu begeistern und ging als erstes mal auf die ecuatorianischen Medien los (zu Recht), die hauptsächlich über die schlimmen Konsequenzen einer Nichtrückzahlung und Risikotendenzen berichteten. Ausserdem sei die CAIC von der Regierung eingesetzt, so dass man auch nur regierungskonforme Ergebnisse erwarten könnte. Auch heute veröeffentlichte „El Comercio“ einen Artikel mit dem Titel: „Schulden: ein Bericht, um nicht zu zahlen“ (Deuda: un informe para no pagar) und gleich darunter „Risikoindex des Landes steht bei 4250 Punkten“(RiesgoPaís se ubica en los 4 250 puntos)
Damit, so Olmos, würde ein ganzes Land, und natürlich die Kommission; diskreditiert.
Mit didaktischem Geschick stellte er die Schuldenstruktur in Ecuador und die juristischen Implikationen bis hin zu Rechtsbrüchen – gespickt mit mehreren Skandalen und einer Liste von Anklagepunkten- eindrücklich vor.
So langsam kam das Publikum in Fahrt, rief „justica“ und wünschte die Verbrecher ins Gefängnis. Als Olmos dann noch erwähnte, dass die CAIC es zum ersten Mal geschafft hatte, die meisten Archive überhaupt zu öffnen, gab es standing ovation.
Er vergass natürlich nicht, den Präsidenten für die Einsetzung der Kommission zu danken.

Der Präsident kam dann auch nach ein paar dünnen Phrasen von Ricardo Patiño zu Wort.
Mit einem kurzen Abriss der Schuldengeschichte Ecuadors, einem herzlichen Dank und Lob an alle anwesenden und nicht anwesenden CAIC- Mitglieder und der Ankündigung juristischer Schritte gegen die Verantwortlichen, schloss er sich dem no pago de la deuda ilgítima an.

Langerwartete strategische Aussagen, wie nun eigentlich die weitere Vorgehensweise und zukünftiges Schuldenmanagement aussehen soll, waren allerdings immer noch nicht zu hören.
Man will allerdings das internationale Schiedsverfahren (TIADS) bei der UN vorantreiben, in Paris liegen erste Initiativen gegen die brasilianische Bank BANADES vor und im Land muss der -ebenfalls im Saal anwesende- Staatsanwalt nun seine Arbeit tun.
Jedenfalls haben wir jetzt einen gut gemachten Bericht und kennen die Namen der Hauptverantwortlichen – alles Weitere bleibt abzuwarten.

G20-Finanzgipfel: wer will was?

Im Vorfeld des G20-Finanzgipfels am 15.11. in Washington haben bereits zahlreiche Vorbereitungstreffen stattgefunden, bei denen die jeweiligen Institutionen sowie die Staats- und Regierungschefs ihre Positionen deutlich gemacht haben. Ein kurzer Überblick:

Am 8. und 9. November trafen sich die Finanzminister der G20-Staaten in Sao Paulo (Brasilien) zu einem Vorbereitungstreffen, auf dem sie ein 5-Seitiges Communiqué verabschiedet haben. Darin bekennen sich die G20-Staaten dazu „alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um nicht-inflationären Wachstum in stabiler und nachhaltiger Form entsprechend den jeweiligen Notwendigkeiten und vorhandenen Instrumentarien in den Mitgliedsstaaten, unter Einbeziehung der Geld- und Finanzpolitik, zu fördern“.

Am 6. und 7. November trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel, um ihre inhaltlichen Forderungen an den Gipfel auszuarbeiten. Daraus sind einzelne Punkte für die Agenda entstanden, die wie folgt zusammengefasst werden können:

  1. Strengere Regulierung von Banken und Kapitalmärkten einschließlich Rating-Agenturen und Geierfonds sind gefordert.
  2. Internationale Finanzgeschäfte müssen transparenter sein und staatlich kontrolliert werden.
  3. Vergütungssystem im Bankwesen, die dazu ermutigen extreme Risiken einzugehen, müssen geändert werden.
  4. Unabhängige Kontrollinstanzen solltne eingerichtet werden um international agierende Marktteilnehmer und deren Kontrolle durch die nationalen Regierungen zu überwachen.
  5. Der IWF sollte mehr Befugnis haben um ein Frühwarnsystem zu etablieren.
  6. Ein neues Finanzsystem soll das Dollar-basierte alte System erseten.
  7. Eine strengere Überwachung der Finanzmärkte soll innerhalb von 100 Tagen auf den Weg gebracht werden.
  8. Spezifische Entscheidungen sollen auf dem Treffen am 15.11. getroffen werden.
  9. Ein zweites Treffen sollte in 100 Tagen stattfinden.
  10. Die EU fordert zudem die besondere Beachtung langfristiger wirtschaftlicher Anliegen wie z.B. die Bekämpfung von Hunger, der Beendigung weltweiter Armut und eine Verlangsamung des Klimawandels.

Die Beschlüsse der EU können hier nachgelesen werden.

Die Position des Internationalen Währungsfonds hat dessen Direktor, Dominique Strauss-Kahn, in einem offenen Brief an die G20 dargelegt. Er kann hier hier abgerufen werden. Die Weltbank hat hingegen ein Hintergrundpapier zum Gipfel aufgelegt, welches als Entscheidungsgrundlage genutzt werden soll. Es hebt insbesondere auch auf die Gefahren für die Entwcklungsländer durch die Finanzkrise ab. Es kann hier nachgelesen werden.

Am 30. Oktober traf sich in New York erstmals die UN Taskforce zur globalen Finanzkrise. Unter der Leitung von Nobelpreisträger Joseph Stieglitz wurden die Herausforderungen an die globale Finanzarchitektur unter dem Eindruck der derzeitigen Finanzkrise diskutiert. Die kompletten Abschriften alle Beiträge sind hier erhältlich.

EU zur Reform des Schuldenmanagements in Doha: Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass!

Am Montag und Dienstag (10./11.11.) haben die Außenminister und einige Regierungschefs im “External Relations Council” der EU die Haltung der Gemeinschaft zum Doha-Prozess formuliert.
Im Schuldenkapitel (pt.42 der Erklärung des Rates) “unterstützt” – so die gute Nachricht – die EU “Diskussionen über erweiterte Umschuldungs-Verfahren.”. Das klingt nicht wie eine Streichung des für ein Internationales Insolvenzverfahren entscheidenden §46 der Abschlusserklärung. Bereits das “Non-Paper” der EU-Kommission hatte sich in diesem Sinne positioniert. Und entsprechend unklar war, warum die Franzosen als Sprecher der EU bei der ersten Abstimmung des Doha-Textes in New York zusammen mit Amerikanern und Japanern für eine Streichung des §46 plädiert hatten.
Die EU wäre aber nicht die EU, wenn sie sich beim diesem hoffnungsvollen Reform-Anlauf nicht sofort selbst wieder ein Bein stellen würde: Die “erweiterten Verfahren” sollen nämlich eine “zentrale Rolle für die Bretton Woods Institutionen” (also Weltbank und IWF) vorsehen. Und sie sollen “auf existierenden Rahmen wie dem Pariser Club” aufbauen. Will sagen: Genau die alten Verfahren, die bislang eine umfassende Schuldenregelung durch ihre Rollen als exklusiver Club (in Paris) und Monopolisten bei der Bewertung von verschuldeten Ländern (Weltbank und IWF) verhindert haben, sollen auch in einem neuen Rahmenwerk eine zentrale Rolle spielen. Im Vergleich dazu klingt sogar das Doha-Statement des Pariser Clubs selbst weltoffen und reformorientiert.
Wie man aufbauend auf einem exklusiven Zirkel von reichen Gläubigern “breite Beteiligung von Schuldnern und Gläubigern sowie eine angemessene Lastenverteilung unter allen Gläubigern” in den angestrebten neuen Verfahren sichern will, ist ein großes europäisches Geheimnis.

Präsident Obama: Veränderungen auch für die Ärmsten?

Die USA haben einen neuen Präsidenten: der demokratische Kandidat Barack Obama hat die Wahl gewonnen und wird im Januar 2009 als 44. Präsident vereidigt. In den USA hat er mit seinem Versprechen von Change, also Wechsel, viele Stimmen gewonnen. Doch was bedeutet seine Präsidentschaft für die zukünftige Positionierung gegenüber den Ärmsten in der Welt. Besteht auch für sie Hoffnung auf einen Wandel? In seinem Strategiepapier zur „Förderung der globalen Entwicklung und der Demokratie“ hat Obama u.a. angekündigt die US-Entwicklungshilfezahlungen zu verdoppeln. Ob seinen Worten nun auch Taten folgen, muß beobachtet werden. Dies gilt auch in Hinblick auf seine Versprechen zum Thema Illegitime Schulden, welche erlassjahr.de im Fachinfo Nr. 18 analysiert hat. Keine Rolle wird Obama beim Weltfinanzgipfel der G20 am 15. November in Washington spielen. Bei den Beratungen über die Zukunft der weltweiten Finansysteme und wie die derzeitige Finanzkrise bewältigt werden kann, werden die USA noch vom bisherigen Präsidenten Bush vertreten.