Der IWF: Ein vertrauenswürdiger Berater?

Dass der Internationale Währungsfonds heute anders wahrgenommen wird als noch vor zwanzig Jahren auf dem Höhepunkt der “Schuldenkrise der Dritten Welt”, verdankt sich vor allem einem deutlich erhöhten Maß ans Transparenz. Dafür wiederum spielte auch die Tätigkeit des “Internal Evaluation Office” (IEO), eines kleinen, aber hochqualifizierten Büros von Fachleuten in unmittelbarer Nähe, aber doch großer Unabhängigkeit von der Leitung des IWF, eine große Rolle.

Zur Politik des Fonds in den vergangenen Schuldenkrisen hat das IEO eine Reihe viel beachteter und bemerkenswert kritischer Analysen vorgelegt. Das jüngste Papier befasst sich nun mit der Rolle des Fonds als “Vertrauenwürdiger Berater” seiner Mitglieder. Insgesamt kommt die Befragung vieler Mitglieder darüber, wie sie die Fonds-Mitarbeiter/innen auf ihren zahlreichen Missionen in den Mitgliedsländern wahrnehmen, und ob sie sich gut beraten fühlen, zu einer wohlwollenden Beurteilung. Allerdings hauptsächlich dann, wenn es eher um Routinebesuche und Finetuning von Wirtschaftspolitik geht. Wo es wirklich konfliktiv wird, da erkennt die Untersuchung grundlegende Interessenskonflikte, zwischen einem “Berater”, einem Geldgeber und einer Beurteilungsinstanz, an der weitere Geldgeber sich in ihrem Urteil über ein Land orientieren.

Die Stellungnahme des IWF-Stabes zur IEO-Untersuchung enthält die üblichen Versprechen, künftig noch offenere Ohren für die Anliegen der Mitglieder zu haben. Wie man die grundsätzlichen Interessenskonflikte überwinden will, die in einem viel zu breiten Mandat einer Organisation angelegt sind, die eigentlich “nur” ein Fonds sein soll, verraten sie auch diesmal nicht.

Vom Umgang mit Goldenen Regeln im Schuldenmanagement

Ein in der Öffentlichkeit ebenso wie unter Entschuldungs-Fachleuten verbreiteter Mythos ist, dass man eine vorschnelle und unnötig großzügige Entlastung unbedingt vermeiden muss. In einem bemerkenswerten Aufsatz hat der italienische Ökonom Ugo Panizza mit diesem Mythos aufgeräumt: In der Realität haben nicht vorschnelle und zu großzügige sondern verspätete und unzureichende Schuldenerleichterungen alle Parteien viele Milliarden US-Dollar unnötigerweise gekostet. Und, damit nicht immer wieder die gleichen Fehler in jedem neuen Fall von Staatsüberschuldung wiederholt werden plädiert Panizza für die Schaffung eines geordneten Rechtsrahmens, in dem Entschuldung zeitig und fair gewährt werden kann, wenn immer es nötig ist. Getreu dem Satz von Lee Buchheit: “Wenn Du es nicht vermeiden kannst, dann versuche es auch nicht”.

Panizza lässt sich von noch mehr philosophischen Weisheiten inspirieren, darunter die sechs Leitsätze für erfolgreiches Projektmanagement und die zweite Goldene Regel für interstellares Reisen per Anhalter: “Wisse stets, wo Dein Handtuch ist.” Wer wissen möchte, wie das alles mit staubtrockener Ökonomie und Staatsschulden zusammenhängt, dem sei Panizza’s Aufsatz zur Lektüre empfohlen.

Aus der Geschichte lernen – wie Griechenland und Pakistan Deutschland die Schulden erließen

Die Überschuldung von Staaten, die lange als ein Problem von afrikanischen oder lateinamerikanischen Entwicklungsländern gesehen wurde, ist nun auch vor unserer Haustür angekommen. Der finanzielle Notstand als Folge von Überschuldung bedroht inzwischen sogar die Europäische Währungsunion.

Der politische und soziale Zusammenbruch in den krisengeschüttelten Ländern bedroht deren Sozialgefüge. Deutschland scheint die Krise nichts anhaben zu können, angesichts der starken und florierenden Wirtschaft. Allerdings war dies nicht immer so.

Nicht viele Menschen in unserem Land wissen, dass am Anfang unseres „Wirtschaftswunders“ auch ein großzügiger Schuldenerlass unserer damaligen Gläubiger stand. Im „Londoner Schuldenabkommen“, dessen Unterzeichnung sich am 27. Februar 2013 zum 60. mal jährt, wurden der jungen Bundesrepublik rund die Hälfte der damaligen Vor- und Nachkriegsschulden erlassen. Der Rest wurde so intelligent umgeschuldet, dass unser Land seither kein Schuldenproblem mehr hatte.

Im Geschichtsunterricht hören unsere Kinder im Allgemeinen nichts von dem Abkommen, und auch in den Medien ist selten davon die Rede. Dabei wäre es gut, sich daran zu erinnern, wie damals eine drohende Staatspleite zeitig und schnell durch Verhandlungen gelöst wurde.

Der Unterschied zwischen dem früheren Umgang mit Deutschland und dem aktuellen Umgang mit Griechenland könnte nicht größer sein. Deutschland hatte einen weitreichenden Schuldenerlass bekommen und als Folge wuchs die Wirtschaft schnell und nachhaltig. Griechenland im Gegensatz wird dazu gezwungen sich in eine schmerzhafte und schädliche Rezession zu „sanieren“, die die Grundfesten der Gesellschaft erschüttert. Einer der großzügigen Gläubiger im Jahr 1953 war im übrigen Griechenland – ungeachtet aller Verbrechen, die die deutschen Besatzungstruppen nur wenige Jahre zuvor in Griechenland begangen hatten.

Nur wenige Schuldenlösungen haben den Übergang von einem kritisch verschuldeten Staat zu einer Situation, wo Schulden kein Problem mehr für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung darstellen, so deutlich gemacht, wie die von 1953. Das Abkommen ist noch immer eins der besten Beispiele dafür, wie vernünftig und nachhaltig eine Schuldenlösung aussehen kann – wenn ein politischer Wille da ist.

Das Londoner Schuldenabkommen von 1953 verdient es heute als ein Beispiel und als Anregung für die aktuellen Diskussionen über Schuldenerlasse – sowohl für die Länder des globalen Südens als auch im Kontext der Staateninsolvenzkrise in der Eurozone – wieder betrachtet zu werden. Lasst uns an dieses wichtige Stück lange vergessener Geschichte neu erinnern. Und lasst uns gemeinsam für den fairen, rechtzeitigen und menschenwürdigen Umgang mit überschuldeten Staaten einstehen.

 

Kristina Rehbein und Jürgen Kaiser, erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung e.V. (Deutschland)

Isabel Castro, Iniciativa de Auditoria Cidadã à Divida Pública – IAC (Portugal)

Eric LeCompte, Jubilee USA Network (USA)

Iolanda Fresnillo, Plataforma Auditoria Ciudadana de la Deuda – PACD (Spanien)

Bodo Ellmers, European Network on Debt and Development (Belgien)

Nessa Ní Chasaide, Debt and Development Coalition and Andy Storey, Debt Justice Action’s Anglo: Not Our Debt (Irland)

Nick Dearden, Jubilee Debt Campaign (Vereintes Königreich)

Der dümmste Finanzminister der Welt…

…ist in diesem Monat zweifellos der Zypriote Lassos Shiarly. Von der Nachrichtenagentur MNI wird er am 12. Februar im Zusammenhang mit einer möglichen Umschuldung Zyperns mit den Worten zitiert: “Öffentliche Schulden dürfen nicht gestrichen werden. Staaten müssen einen Weg finden, ihren Verpflichtungen nachzukommen.”

Warum wurde der Minister zu diesem Thema überhaupt interviewt? Ach ja: es bestehen im Ausland erheblich Zweifel an der Zahlungsfähigkeit seiner Regierung.

Warum genau bestehen solche Zweifel? Weil zypriotische Banken in Schwierigkeiten sind und dringend öffentliches Geld brauchen.

Warum sind eigentlich zypriotische Banken ziemlich plötzlich in Schwierigkeiten geraten? Stimmt: Sie hatten sich mit griechischen Staatsanleihen eingedeckt, die nach dem Schuldenschnitt im letzten März nur noch ein Drittel ihres ursprünglichen Wertes aufwiesen.

Warum hatten die griechischen Staatsanleihen plötzlich an Wert verloren? Na, weil der griechische Staat pleite war, und zumindest ein Teil seiner Schulden nicht nur gestrichen werden musste, sondern auch gestrichen wurde.

Könnte das dem Herrn Shiarly bitte mal jemand mitteilen!

Ein gelungener Start ins Jahr – internationales Strategietreffen in Berlin

Am 07.01.2013 startete erlassjahr.de das neue Jahr mit einem diskussionsreichen Tag in Berlin. Es kamen Aktive aus der ganzen Welt zusammen – aus dem erlassjahr.de-Bündnis, aus dem internationalen Netzwerk „Defuse the Debt Crisis“, Rechtsexperten und Beteiligte aus dem öffentlichen Sektor. Das bunte Gemisch diskutierte zu Strategien für einen globalen Reformprozess zu FTAP.

Der Vormittag diente als globales Strategietreffen, welches an das letzte Treffen im Juni 2012 in Johannesburg anschloss. Der Nachmittag wurde als Art informeller „Roundtable“ zum globalen Reformprozess im Hinblick auf den Umgang mit überschuldeten Staaten, mit Beteiligung aus dem Finanzministerium, der deutschen Bundesbank und der Botschaft von El Salvador veranstaltet. Konkret wurde der Tag um die Anwesenheit vom Rechtsexperten Prof. Ross Buckley organisiert, der nicht nur unserer Schwesterkampagne Jubilee Australia gut vertraut ist, sondern auch die australische Regierung im Hinblick auf die G20-Präsidentschaft in 2014 berät.

Für uns bedeutete die Anwesenheit von Ross Buckley daher wertvolle Hinweise für unsere G20-Planungen. Dazu kam, dass das ehemalige Bündnisratsmitglied Peter Lanzet in Moskau am zivilgesellschaftlichen Dialog mit der russischen G20-Präsidentschaft im Dezember teilgenommen hat. Damit erhielten wir wertvolle Einblicke aus erster Hand vom G20-Prozess in Russland.

Das Thema „sovereign debt management“ stößt in der russischen Regierung auf Interesse, bislang allerdings eher in technischer Hinsicht. In Australien wird es vor dem G20-Gipfel einen Regierungswechsel geben – mit Wahrscheinlichkeit hin zu einer konservativeren Regierung – was die Aussichten, das Thema der Notwendigkeit eines Reformprozesses auf die G20-Agenda zu bekommen, verschlechtert. Auch haben die Australier wenig Interesse an der Eurokrise – sie schauen viel eher nach Asien.

Auch konzeptionelle Dinge wurden diskutiert: so z.B., wie in einem umfassenden Verfahren mit dem dem “Preferred Creditor Status” der Internationalen Finanzinstitutionen umzugehen sei. Interessant, dass es diesen Status rechtlich gar nicht gibt. Im Rahmen eines FTAP macht es grundsätzlich mehr Sinn, neue Finanzierungen und eventuell auch neuere Financiers, die helfen, das Schuldnerland in der Krise über Wasser zu halten, mit so einem Status auszustatten, als grundsätzlich bestimmte Gläubiger zu privilegieren.

Durch die doch eher konzeptionelle Diskussion im zweiten Teil der Veranstaltung war es nur am Rande möglich, gemeinsame Strategien zu entwickeln. Vielmehr gab das Treffen jedoch erste Eindrücke für die Planungen vor allem hinsichtlich der Weiterarbeit zu G20.

27. Februar 2013: Noch ein entscheidendes Datum für Staatsschuldenkrisen

In den Kalendern von erlassjahr-Aktivist/innen steht der Tag ohnehin schon rot angestrichen: Am 27. Februar jährt sich zum sechzigsten Mal die Entschuldung Deutschlands im Londoner Schuldenabkommen von 1953.

Ironischerweise wird in New York an diesem Tag auch noch in einem anderen Zusammenhang (aktuelle) Schuldengeschichte geschrieben werden. An diesem Tag wird voraussichtlich das Berufungsgericht darüber entscheiden, ob das Urteil des Richters Thomas Griesa gegen Argentinien vom letzten Oktober Bestand haben wird. Griesa hatte dem südamerikanische Land verboten, reguläre Zahlungen an seine Anleihegläubiger über ihre New Yorker Treuhand-Bank zu leisten, solange es nicht auch die klagenden Geierfonds bediente. Wichtigster Geier ist der Fonds NML Capital, der argentinische Altanleihen, die nicht in den Schuldentausch von 2005/10 eingebracht worden waren, auf dem Sekundärmarkt gekauft und dann auf volle Rückzahlung geklagt hatte.

Im Dezember hatte ein Berufungsgericht dem argentinischen Einspruch stattgegeben, und das Urteil vorläufig ausgesetzt. Am 27.Februar wird nun entschieden werden, ob die Aussetzung das einstmals überschuldete Land dauerhaft schützt – oder ob der Geier NML und seine gefiederten Freunde mehr als eine Milliarde US-Dollar an Zahlungen von Argentinien erzwingen können.

Die Folgen der Entscheidung könnten noch dramatischer als die des Londoner Schuldenabkommens für Deutschland sein: Muss Argentinien nämlich bezahlen, dann ist das nicht nur ein sehr ärgerlicher Verlust für das ehemals überschuldete Land. Es bedeutet auch, dass diejenigen Gläubiger, die dem bankrotten Argentinien beim Schuldentausch  bis zu 70% ihrer Forderungen erlassen haben, nunmehr die Dummen sind. Entsprechend gering würde künftig die Bereitschaft unter Gläubigern und Investoren sein, sich auf zeitige Schulden-Restrukturierungen einzulassen. Und entsprechend nachdrücklich hatten die US-Regierung und die Federal Reserve vor dem New Yorker Gericht zugunsten Argentiniens ausgesagt.

In der Fachpresse ist aufgehängt an dem argentinischen Fall die Forderung nach einem geordneten und rechtsverbindlichen Insolvenzverfahren für Staaten sehr laut geworden. Dieses würde dann tatsächlich den Aasfressern das Handwerk legen.

"Freiheit an der Kette" – Geierfonds versuchen, argentinisches Eigentum zu pfänden. Berufung erfolgreich

Im Oktober wurde im ghanaischen Hafen Tema das argentinische Segelschulschiff “Libertad” auf Antrag des Geierfonds NML Capital, der zum Konzern des US-amerikanischen Spekulanten Paul Singer gehört, von den Behörden festgesetzt. NML hatte auf dem Sekundärmarkt argentinische Staatsanleihen gekauft und sich dann nicht an dem von der argentinischen Regierung durchgesetzten Anleihetausch beteiligt. Mehr als 90% der Inhaber argentinischer Anleihen hatten demgegenüber einen Verlust von fast 70% akzeptiert, da der südamerikanische Staat zu Beginn der letzten Dekade schlicht pleite war.

Gefährlicher als die ärgerliche Aktion gegen die “Libertad” ist aber ein Urteil des Finanzgerichts von Süd-Manhattan, mit dem der Richter Thomas Griesa Argentinien dazu verurteilt hatte, die Holdout-Gläubiger und Geierfonds in mindestens gleichem Umfang (“Pari Passu”) auszuzahlen wie die Inhaber der neuen (reduzierten) Anleihen. Das ist für Argentinien sehr gefährlich, denn die neuen Anleihen will der Staat natürlich bedienen, da die Inhaber dem Land ja entgegengekommen sind. Auch hat die inzwischen wieder stark wachsende Nation natürlich ein Interesse daran, zu annehmbaren Bedingungen an die internationalen Kapitalmärkte zurückkehren zu können. Die Wahl, entweder die Geier auszuzahlen oder eine erneute Staatspleite hinzulegen, ist für die Regierung von Präsidentin Fernandez de Kirchner alles andere als attraktiv.

Am 29.November gab es dann eine – allerdings nur vorläufige – Entwarnung. Das Berufungsgericht hat dem argentinischen Einspruch stattgegeben und den Spruch des Richters Griesa erst mal ausgesetzt, so dass Argentinien die für den 15. Dezember vorgesehene Zahlung an seine legitimen Gläubiger erst mal tätigen kann. Dies geschieht über ein Treuhandkonto in New York, da die neuen Anleihen bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC registriert sind – genau das Konto, auf das NML hatte zugreifen wollen.

Bemerkenswert ist dabei die Interpellation von Inhabern der neuen Forderungen vor dem Berufungsgericht. Die solidarisierten sich natürlich mit ihrem Schuldner Argentinien  und hatten für das Gebahren des Geiers weniger als kein Verständnis.

Eine ausführlichere Darstellung des argentinischen Falls und zum Geschäftsmodell der Geierfonds erscheint in der nächsten Ausgabe des Infobriefs Weltwirtschafts und Entwicklung, und steht jetzt schon im Netz.

Ein Insolvenzverfahren für Länder wie Simbabwe? So sieht's aus!

Der Begriff “ZIMulation” geisterte seit knapp einem Jahr durch die Räume von erlassjahr.de und hat sicher die ein oder andere schlaflose Nacht verursacht. Eine kleine Arbeitsgruppe hat sich letztes Jahr im Oktober aufgemacht der Welt zu zeigen, dass die vorgeschlagenen Alternativen zum existierenden gläubigerdominierten Schuldenmanagement nicht nur abstrakte Buchstaben auf dem Papier sind, sondern dass eine Alternative durchaus auch praktisch plausibel aussehen kann.

„ZIMulation“ steht für Simulation eines Schuldenschiedsverfahrens am aktuell kritischen Länderfall Zimbabwe. Einen „step-by-step-Guide“ gab es ja schon: so hatte Jürgen Kaiser im Rahmen der Studie „Resolving Sovereign Debt Crises“ konkretisiert, wie für Land X die Schritte eines Schuldenschiedsverfahrens aussehen könnten und was Finanzminister X dafür tun muss. Allerdings fehlt auch einem konkreten step-by-step-Guide das Bindemittel zwischen abstrakt und praktisch plausibel – die Geschichte. Die FTAP-AG hat das X in eine Geschichte übersetzt. Warum gerade Simbabwe?

Simbabwe ist seit knapp 12 Jahren insolvent. Im Jahr 2000 stellte das Land die Schuldendienstzahlungen an seine Gläubiger ein. Heute, im Jahr 2012 hat Simbabwe einen Schuldenstand in Höhe von 10,7 Milliarden US Dollar. Mehr als 6 Milliarden US Dollar sind davon schon lange im Rückstand. Der Schuldenstand steigt immer weiter, da auf die bereits bestehenden uneinbringlichen Schulden Zinsen fallen, die dann ebenfalls zu uneinbringlichen Schulden werden.

Simbabwe lebt damit in einer Phantomschuldenwelt, Schulden, die laut dem Ökonomen Kunibert Raffer eigentlich nicht real sind. Doch für den Schuldner haben sie ganz reale Konsequenzen: das Land ist von Neufinanzierungen abgeschnitten, Investitionen bleiben aus und selbst private Unternehmen in Simbabwe erhalten aus dem Ausland kein Geld mehr. Simbabwes Schulden sind Phantomschulden – sie entbehren jeder realen Grundlage tatsächlich je ab bezahlt zu werden, auch wenn Finanzminister Tendai Biti dies ungern zugibt, wenn er die simbabwischen Ressourcen für die Lösung verspricht.

Einzige reale Option scheint der Gang zum Pariser Club oder wahrscheinlicher noch die Aufnahme in die multilaterale HIPC-Initiative. Allerdings ist Simbabwe dafür eigentlich gar nicht zugelassen – zu Zeiten der Länderklassifizierung war Simbabwe nicht arm genug für die Initiative. Heute ist es das Land bestimmt – die Gläubiger erklären sich daher grundsätzlich bereit, Simbabwe rückwirkend zum Jahr 2004 als arm zu klassifizieren, wenn Simbabwe das Global Political Agreement (GPA) erfolgreich umsetzt. Das GPA ist eine Art Koalitionsvertrag der simbabwischen Einheitsregierung. Für den westlichen Gläubiger ist hinsichtlich der erfolgreichen Umsetzung des GPA vor allem die Durchführung demokratischer Wahlen gemeint.

Im Jahr 2013 könnte es also so weit sein: Simbabwe bekommt einen Teil seiner Schulden unter HIPC gestrichen. So einfach ist es nicht: Simbabwe muss vorher seine Zahlungsrückstände an die multilateralen Finanzinstitutionen ab bezahlen, sonst darf das Land nicht rein. Das sind etwas mehr als 1 Milliarde US Dollar; Simbabwe jährliches Budget liegt bei ca. 2,9 Milliarden US Dollar.

Müssen wohl wieder neue Schulden her, um die alten zu bezahlen, denn einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Gutes Geld wird also schlechtem hinterher geworfen; was das für einen bereits bankrotten Staat bedeutet sieht man jüngst in Griechenland. Brauchen tut das Land dringend mehr als 45 Milliarden Milliarden US Dollar auf die nächsten 10 Jahre gesehen, nur um wirtschaftlichen Wiederaufbau zu leisten.

Der HIPC-Prozess dauert allerdings mindestens drei Jahre bevor es zum vollständig vereinbarten Schuldenerlass kommt, so lange müsste Simbabwe dann wohl noch warten. Zudem geht HIPC mit IWF-konformen wirtschaftspolitischen Konditionalitäten einher, was besonders der Zivilgesellschaft in Simbabwe schlaflose Nächte bereitet, denn die ESAP-Zeiten sind nur zu gut in Erinnerung geblieben. Außerdem scheint die Vermischung eines logischerweise langwierigen Reformprozesses mit einem dringend benötigten Schuldenerlass sicher nicht als der ökonomisch sinnvollste Weg für Simbabwe aus der Schuldenkrise.

All dies macht deutlich, warum ein unparteiisches, umfassendes und zeitiges Schiedsverfahren für Simbabwe eine dringend notwendige Alternative zu Pariser Club und Co. ist. Wie ein fairer Interessenausgleich zwischen Simbabwe und seinen Gläubigern nun im Einzelnen aussehen könnte, das versucht die Simulation darzustellen; von der Insolvenzerklärung über finanzielle und politische Unterstützung durch eine „Friends Group“ bis hin zur eigentlichen Arbeit eines eingesetzten Panels. Wie könnte ein Panel überhaupt “ausgewählt” werden? Mit welchen Kosten müssten die Parteien bei so einem Verfahren rechnen und wie könnten diese finanziert werden? Wie kann Simbabwe wirklich alle Gläubiger über die bevorstehende Insolvenz benachrichtigen? Wie kann ein tragfähiges Schuldenniveau festgelegt werden?

Bei der Darstellung der einzelnen Schritte werden – wo angebracht – mögliche Szenarien für Simbabwe dargelegt, so z.B. die Einwerbung SADCs (“Southern African Development Community”) für vor allem politische Unterstützung des Schuldenschiedsprozesses, ob und wie einzelne Kredite Simbabwes als illegitim erklärt werden könnten und wie die zivilgesellschaftliche Beteiligung am Prozess speziell in Simbabwe aussehen könnte. Der Vollständigkeit halber sei dazu gesagt, dass der in der Simulation beschriebene Ablauf bloß ein Vorschlag ist. Ein zukünftiges faires und transparentes Staateninsolvenzverfahren muss natürlich nicht eins zu eins nach dem beschriebenen Schema ablaufen.

Wer also schon immer mal wissen wollte, wie ein internationales Insolvenzverfahren im beinahe kleinstem Detail aussehen könnte, der möge sich das knapp 50-seitige Dokument von unserer Länderinformationsseite hier herunterladen.

Tokio Tagebuch III: Die Bank, der Fonds und wir

Zivilgesellschaft drinnen / © erlassjahr.de

Sonntagmorgen in Tokio: Das “Civil Society Centre” ist abgebaut. Wahrscheinlich sind bergeweise ausgelegte und nie mitgenommene Strategie-Papiere in den Orkus gewandert. Ich glaube, wenn irgendjemand wirklich zufrieden sein kann mit seiner Arbeit bei dieser Jahrestagung, dann sind es die NGO-Liaison-Leute:

Wir, die hier so genannte Zivilgesellschaft, wurden durchweg freundlich und kooperativ von ihnen behandelt. Wir hatten gänzlich kostenlos ziemlich gute Arbeitsmöglichkeiten im Keller des Tokyo International Forums, und konnten uns von daher keineswegs beklagen.

Auch die Delegationen, die Leitung und die Angestellten von Bank und Fonds durften  zufrieden sein: Wir haben sie kaum gestört. Da, wo sie sich trafen, durften wir nicht hin. Gelegentlich wurde mal der eine oder andere von uns in die höheren Etagen raufgeholt, und zu Side Events wie dem unseren kam auch schon mal ein Minister runter in unseren Keller. Nicht ganz ohne Mühe, denn wir hörten hinterher von Delegationen, dass man sich auf die Ortsangabe “Room 251” keinen Reim machen könne. Und tatsächlich entzogen sich die Raum-Angaben im Civil Society Centre gänzlich der normalen Raum-Systematik. Ob deswegen von uns heftig eingeladene Vertreter von verschuldeten Ländern vergeblich auf der Suche nach uns waren, und schließlich doch lieber ein Päuschen in der Sonne einlegten  als uns weiterzusuchen, werden wir nie erfahren.

Nun ja. Wir waren zu Gast, und als Gast soll man nicht meckern.

Ekelig wurde es allerdings meist, wenn von oben der praktische Dialog mit uns gepflegt wurde. So gaben sich Bank-Präsident Jim Young Kim und Fonds-Direktorin Christina Lagarde am Donnerstag für eine gute Stunde die Ehre vor einem mit NRO-Vertretern sehr gut gefüllten Auditorium. Neben ihnen saßen ein NRO-Direktor aus einem asiatischen Land und eine Frau, von der gesagt wurde, sie vertrete ein Netzwerk indischer Slumbewohner. Nach Slum hörte die sich allerdings nicht an, und sie sah auch nicht so aus. Vielmehr bestand ihre Diskurs darin, der Bank zu ihren ambitionierten Ziel der Ausmerzung der Armut zu gratulieren, und sie zu weiteren Anstrengungen aufzufordern.

Der Gedanke, dass die beiden Institutionen eher Teil des Problems als Teil der Lösung sein könnten, scheint sich vor lauter konstruktivem Engagement derjenigen, die vor gefühlten hundert Jahren auch mal gegen die Institutionen auf die Straße gegangen sind, verflüchtigt zu haben. Es gab nicht eine (zugelassene) Intervention, bei welcher NRO-Frage und Bank/Fonds-Antwort nicht im Prinzip in die gleiche Richtung gingen.

Zivilgesellschaft draußen / © erlassjahr.de

Auf die Straße gingen unsere japanischen Kolleg/innen und ein paar von uns dann aber doch. Am Samstag gab es einen sehr hübschen Caserolazo, d.h. eine Kochtopf-Demo mit reichlich Radau aus Protest gegen die Institutionen, denk deren Politik die Töpfe leer bleiben. Klein (von mir handgezählte 243 Teilnehmer/innen), fein und laut.

Tokio Tagebuch II: Am runden Tisch

In dieser Woche findet in Tokio die Jahrestagung von IWF und Weltbank statt, und für erlassjahr.de und unsere Partner im EED bin ich mit einem Roundtable-Gespräch am Donnerstag Nachmittag dabei. 

“Was kommt nach HIPC” – Unser Panel in Tokio / © erlassjahr.de

Die Jahrestagung 2012 bietet das umfangreichste Programm an “Side-Events”, das es bei solchen Anlässen je gegeben hat. Leider übersteigt das Angebot an Informationen häufig die Nachfrage – zumal die Räumlichkeiten des Civil Society Forum im Keller den offiziellen Delegationen nicht gleich geläufig sind.

Wir haben vergleichsweise gut abgeschnitten: Unser Roundtable zur Verfahrensreform war mit fünfzig Zuhörer/innen mit am besten besucht von allen bisherigen Veranstaltungen. Und auch die Angebotsseite konnten sich sehen lassen:Der norwegische Entwicklungs- und der argentinische Finanzminister diskutierten mit Herrn Schuknecht, Abteilungsleiter im deutschen Finanzministerium und unserer Kollegin Yuefen Li von UNCTAD über ein Positionspapier, das wir zusammen mit Partnernetzwerken für die Debatte erarbeitet hatten.

Der norwegische Minister Heiki Holmås begann die Veranstaltung gleich mit der Ankündigung, dass man ein dreijähriges Forschungs- und Politikberatungsprogramm bei UNCTAD zum Thema faire Entschuldungsverfahren und Verantwortliche Kreditvergabe finanzieren werde – was bei Yufen für den Rest der Veranstaltung für reichlich gute Laune sorgte.

In der Sache unterstrichen Holmås und der argentinische Minister Adrian Costatino die Notwendigkeit eines neuen umfassenden und fairen Ansatzes und sagten allen Bemühungen in diese Richtung die Unterstützung ihrer Länder zu.

Herr Schuknecht ging die Sache dialektischer an. Er benannte das grundsätzliche “ja” der Bundesregierung, aber erging sich dann hauptsächlich in den “abers”: Es gebe doch auch allerlei Gutes in den Clubs von Paris und London, Schuldenerlasse seien doch recht teuer, Grenzwerte für Überschuldung seien schwer festlegbar – alles nicht gerade Dinge, die wir nicht etliche Male mit dem BMF schon diskutiert hätten. Was die Bundesregierung denn tut, um mit den “abers” irgendwie umgehen zu können – wenn man denn grundsätzlich zum Koalitionsvertrag, der die Arbeit an einem Staateninsolvenzverfahren vorsieht, stehen möchte, sagte uns Herr Schuknecht leider nicht.

Costatino rollte nochmal die Geschichte Argentiniens nach seiner Staatspleite 2002 auf und beschrieb das fehlende Glied im internationalen Schuldenmanagement mit den Kriterien aus dem NRO-Papier: Ein umfassendes und unparteiisches Verfahren aus der Grundlage einer unparteiischen Beurteilung des Schuldners.

Die Diskussion mit den Zuhörern – darunter auch einige Regierungsvertreter war kurz, aber angeregt. Einige neue Kontakte wurden geknüpft, und wir freuen uns auf die nächste Runde der Debatte – schon morgen früh, wenn die UNO zusammen mit einem kanadischen Think Tank ein ähnliches und ebenfalls hochrangig besetztes Gespräch anbietet.