Wer zahlt für die Fehler des IWF? – Anmerkungen zum Evaluierungsbericht des jüngsten IWF-Programms mit Argentinien

Am 22.12. veröffentlichte der Internationale Währungsfonds (IWF) den Auswertungsbericht zu seinem 2018 bewilligten und 2019 abgebrochenen Programm mit Argentinien. Der Bericht spricht viele wichtige Schwächen des gescheiterten Programms an, umschifft aber alle Fragen nach Konsequenzen im Blick auf die Strukturen des Fonds selbst. Die dem Bericht beigefügte Stellungnahme der argentinischen Regierung spricht diesbezüglich einige Punkte an.

Das Programm von 2018

Im Juni 2018 einigte sich die damalige argentinische Regierung unter Präsident Macri mit dem IWF auf ein Stand-By-Abkommen, welches nach seiner Ausweitung im Oktober desselben Jahres das größte Kreditprogramm in der IWF-Geschichte wurde: 41 Milliarden Sonderziehungsrechte (SZR), das entspricht 57 Milliarden US-Dollar, sollte es umfassen. Das entspricht 1277 Prozent der argentinischen Quote im IWF. Normalerweise liegt die maximale Kreditaufnahme für ein Land bei 185 Prozent. Schon im August 2019 wurden die Programmvorgaben nicht mehr eingehalten, nachdem nur vier von vorgesehenen zwölf Überprüfungen des Programms stattgefunden hatten. Allesamt kamen sie zu einem positiven Fazit – bis zum Abbruch des Programms. Die 2019 gewählte neue peronistische Regierung unter Präsident Fernández kündigte das Abkommen im Juli 2020, nachdem von der Gesamtsumme 32 Milliarden SZR (45 Mrd. Mrd. US-Dollar) ausgezahlt waren und heute den größten Einzelposten unter den Gesamtschulden Argentiniens ausmachen.

Unmittelbar vor Weihnachten 2021 veröffentlichte der IWF seinen Auswertungsbericht, in dem die Schwächen des Programms und die Gründe für sein Scheitern aus der Sicht des IWF dargelegt werden. Zusammen mit dem IWF-Bericht (im Folgen als Seitenzahlen S oder Abschnitte pt zitiert) wurde auch eine Stellungnahme der aktuellen argentinischen Regierung (Seitenangaben im Anhang IV als GoA) veröffentlicht. Die beiden Dokumente – das des IWF fokussiert eher auf die technischen, das argentinische eher auf die politischen Schwächen des Programms – stimmen in vielem überein, weisen aber auch Unterschiede auf. Spannend sind die möglichen und notwendigen Konsequenzen, die sich ergeben müssten, im Hinblick auf (a) die Gestaltung künftiger Programme des IWF und (b) den Umgang mit den aus dem gescheiterten Programm resultierenden Schulden Argentiniens beim IWF.

Warum ist das Programm nicht erfolgreich gewesen?

Zentral war, dass beide Seiten davon ausgingen, Argentinien habe 2018 kein Solvenz-, sondern lediglich ein Liquiditätsproblem. Entsprechend waren die Mittel des IWF ursprünglich nur als „Notfallreserven“ (precautionary) gedacht, auf die die Regierung bei normalem Programmverlauf gar nicht zugreifen müsse. Sie sollten lediglich externen Investoren signalisieren, dass Argentinien auf jeden Fall zahlungsfähig bleiben würde (S. 17). Der Notfall trat indes sehr schnell ein, da die Hartwährungsreserven in Abwesenheit von Kapitalverkehrsbeschränkungen vor allem die Flucht aus der unter Inflationsdruck stehenden nationalen Währung Peso finanzierten, ohne in der erhofften Weise Kapitalzuflüsse aus dem Ausland anziehen zu können. So wurde der Charakter des Programms in fully disbursing verändert (S. 47).

Fehler des IWF

Aus IWF-Sicht (S. 15) ist der Fonds angesichts der schwierigen Geschichte zwischen der Institution und Argentinien zu zurückhaltend mit der Formulierung von Konditionen gewesen. Man hat aus Rücksicht auf den von Präsident Macri im Vorfeld der Wahlen von 2019 als gering erachteten parlamentarischen Spielraum und auf sein Interesse an der Wiederwahl zu viele eigentlich notwendige (Austeritäts-)Maßnahmen nicht in das Programm integriert. Die Hoffnung dabei war, dass nach einem Wahlsieg Macris diese beiden Einschränkungen wegfallen und die notwendigen Maßnahmen ab 2020 ergriffen werden könnten.

Zwar wurden im Programm selbst und in den vier Überprüfungen bestehende Risiken deutlich benannt. Es gab aber trotzdem keine Planungen für den Fall, dass Argentiniens Performance sich nachhaltig verschlechtern sollte. Vielmehr wurde auf eine fast gespenstische Art angenommen, dass die jeweils identifizierten Risiken schon nicht eintreten würden.

Der IWF räumt ein, dass er, als die Nichterreichung von Zielen immer sichtbarer wurde, entweder das Programmvolumen hätte ausweiten oder sein weiteres Engagement an eine Umschuldung hätte binden müssen. Zu keiner Zeit war das Programm trotz seiner enormen Größe so umfangreich, dass Argentinien nicht zusätzlich auf die Mittel vom Kapitalmarkt angewiesen war. Die Evaluierung behauptet, dass ein solches Insistieren „dem Programm den Stecker gezogen hätte“ (S. 19) – ohne zu begründen, warum eine Umschuldung von Verbindlichkeiten gegenüber weiteren Gläubigern das Programm gestoppt hätte. Stattdessen blieb der Erfolg des Programms davon abhängig, dass es Kapitalzuflüsse und entsprechende Wachstumsfortschritte auslösen würde (S. 32). Diese traten nicht ein.

Neben den falschen Erwartungen an die positiven Folgen des Programms räumt der IWF auch ein (S. 25), dass seine Informationen über Höhe und Fälligkeiten der argentinischen Verbindlichkeiten nicht vollständig waren, mithin zu optimistisch eingeschätzt wurden.

Der kategorische Ausschluss von Umschuldungen welcher Art auch immer (Reprofiling oder Restructuring unter Einschluss echter Erlasse, wie sie 2020 von der Regierung Fernández umgesetzt wurde), führte dazu, dass immer absurdere Ziele im Blick auf die fiskalische Konsolidierung gesetzt werden mussten – bis hin zu einem Gesamtvolumen von 13,1 Prozent für die angestrebte Schuldenquote von 53 Prozent bzw. 26,1 Prozent für die ursprüngliche Schuldenquote von 40 Prozent des BIP. Solche Konsolidierungen wurden nie erreicht (S. 35). Die aufrecht erhaltene Hoffnung auf ihre Erreichung führte allerdings zu der Einschätzung, dass eine Umschuldung unnötig sein würde, so dass Argentinien erneut die Erfahrung machte, dass die notwendige Umschuldung aufgeschoben und dadurch für alle Beteiligten teurer und schmerzhafter wurde, als wenn sie zeitig in Angriff genommen worden wäre (S. 35); ein Problem, auf das auch früher (2014 und 2020) vom IWF hingewiesen worden war (pt. 66).

Der IWF war nicht auf eine Situation vorbereitet, in der weitere offizielle Kreditgeber nicht mitziehen würden. Multilaterale und bilaterale Financiers blieben unter dem Programm zurückhaltend, sodass nur er selbst und im Inland durch die Regierung getätigte Kreditaufnahme als Finanzquellen zur Verfügung standen. Eigentlich ist der Zugang zu weiteren Finanzquellen eine von vier Bedingungen unter den Kriterien für Kreditzugang jenseits der normalen Quoten (Exceptional Access Criteria  – EAC-2) des IWF (S. 51). Unter der beständigen Drohung, dass das gesamte Programm nicht wie vorgesehen ablaufen könnte, interpretierte der IWF seine eigenen Regeln indes großzügiger als angemessen war.

Das Programm wurde auch nicht gestoppt, als der IWF die vor Wahlen üblichen Zusicherungen aller aussichtsreichen Kandidaten, das Programm fortführen zu wollen, nicht erhielt. Vielmehr kündigte der spätere Wahlsieger Alberto Fernández bereits vor der Wahl an, einzelne Aspekte neu verhandeln zu wollen. Trotzdem wurde das Programm fortgeführt (S. 58).

Im Einzelnen hat der IWF weitere Risiken erkannt, aber ignoriert:

  • Drei von vier EACs wurden nur als erfüllt betrachtet, weil der Stab Bewertungsspielräume ausnützte (Judgement), nachdem die Zugangskriterien selbst nicht erfüllt waren.
  • Das Office of Risk Management des IWF, welches in Exceptional Access Fällen eigentlich zwingend konsultiert werden muss, wurde in den Überprüfungsprozess überhaupt nicht einbezogen.
  • Die Diagnose einer Liquiditätskrise mag anfangs richtig gewesen sein, wurde im Laufe des Programms aber immer weniger haltbar (pt. 59). Das Internal Evaluation Office (IEO) des IWF hatte schon bezüglich der 2000er Krise diese Fehldiagnose moniert; trotzdem wurde der Fehler 2018 wiederholt (fn 55).
  • Überhaupt nicht berücksichtigt wurde, dass die schiere Größe des Programms einen solchen Berg neuer Schulden mit Senioritätsstatus schuf, dass private Geldgeber zwangsläufig fürchten mussten, im Krisenfall nicht mehr bedient zu werden; das Programm torpedierte die erhofften privaten Kapitalzuflüsse mithin selbst (S. 53).

Welche Fehler wurden von Seiten der Macri-Regierung gemacht?

Über die oben genannten Punkte, die weitgehend durch das Zusammenwirkung der damaligen Regierung mit dem IWF zustande kamen, sind zwei wichtige Fehler eindeutig der argentinischen Seite zuzuschreiben:

Der Macri-Regierung war es wichtig, unpopuläre und vor allem mit der peronistischen Vorgängerregierung von Cristina Fernández de Kirchner in Verbindung gebrachte Maßnahmen wie Kapitalverkehrskontrollen und eine Umschuldung auszuschließen. Obwohl es schon damals im Fonds Stimmen gab, die beides für notwendig und sinnvoll hielten.

Das Fehlen eines Plan B ist vor allem der Weigerung der Macri-Regierung geschuldet, ein mögliches Scheitern des Programms auch nur öffentlich zu diskutieren (S. 18)

Worüber spricht der Bericht nicht?

Die ausführliche Stellungnahme der argentinischen Regierung zu der Auswertung spricht über die bereits sehr starke Kritik am Programm im IWF-Dokument hinaus einige Punkte an, die mit (a) der politischen Konstellation während der Bewilligung des Programms und (b) mit strukturellen Schwächen in den Entscheidungsstrukturen des IWF zu tun haben. Die Regierung Fernández mahnt (GoA pt. 10) Reformen in den Strukturen des Fonds in solchen Punkten zurecht an.

Die oben gelisteten Fehleinschätzungen des selbstverständlich nicht betriebsblinden IWF-Stabes konnten nur deshalb getroffen werden, weil die Vorgabe des Programms darin bestand, die der Trump-Administration nahestehende Regierung Macri um jeden Preis im Amt zu halten. So wurden bestehende Zahlungsverpflichtungen übersehen, unrealistische Wachstumsaussichten akzeptiert und bereits früher vom IEO und anderen monierte Fehler wiederholt.

Soll der vorliegende Bericht nicht in gleicher Weise bedauernd in der Auswertung künftiger fehlgeschlagener Programme zitiert werden, sind die von der argentinischen Regierung geforderten Reformen unerlässlich:

  • Die Programmentscheidungen müssen entpolitisiert werden. Dass die Europäer mit ihrem Stimmanteil von mehr als 30 Prozent im Falle Griechenlands 2010/12 die Beteiligung des IWF durch eine Änderung der Kreditvergaberichtlinien durchsetzten, welche danach gleich wieder unauffällig einkassiert wurde, ist ebenso skandalös wie die hier zutage getretene Instrumentalisierung einer multilateralen Finanzinstitution für die geopolitischen und ideologischen Interessen des Sperrminoritätsinhabers USA.
  • Eine Schlüsselrolle muss dabei die künftige Zusammensetzung und Entscheidungsmacht des Vorstandes (Board) des IWF spielen. Der argentinische Exekutivdirektor (der nicht nur Argentinien, sondern mehrere lateinamerikanische Länder vertritt) hat in dem Prozess seine Haltung deutlich gemacht. Dass und mit welchen Begründungen sein Vorgänger absurde Entscheidungen, die auf Betreiben der USA oder Europas zustande kamen, durchgewinkt hat, wird im vorliegenden Bericht nicht diskutiert. Genau das wäre angesichts der klaren technischen Analyse des IWF-Stabes nun dringend geboten.

Nachbemerkung: Wer jetzt seine Hausaufgaben macht – und wer nicht

Am 11. Februar 2021 beschloss das argentinische Parlament das „Schuldentragfähigkeitsgesetz“ (Ley de Fortalecimiento de la Deuda Pública), welches Kreditaufnahmen durch die Regierung künftig an parlamentarische Zustimmung im Einzelfall bindet. Es ist für eine Regierung sehr ungewöhnlich, dass sie sich selbst bislang nicht bestehende Fesseln in Sachen Kreditaufnahme anlegt. Es signalisiert insofern einen Bruch mit der weit verbreiteten Kultur der politisch motivierten Hinterzimmerdeals zwischen einer Regierung und Institutionen wie dem IWF, der chinesischen Regierung oder auch privaten Kreditgebern, indem es einen breiteren gesellschaftlichen Konsens zur Voraussetzung einer weiter gehenden Verschuldung des Staates macht.

Während die argentinische Regierung in dieser Weise versucht, nach der schmerzhaften und skandalträchtigen Verschuldungsgeschichte des Landes ihre Hausaufgaben zu machen, ist Gleiches auf Seiten des IWF trotz des vernichtenden Urteils über das eigene Programm noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Selbst das dringend notwendige Zeichen, die eigenen Forderungen aus dem gescheiterten Programm wie von Finanzminister Guzmán gefordert, umzustrukturieren, trifft abgesehen von persönlichen Sympathiebekundungen der IWF-Direktorin bislang auf überhaupt noch keine positive Resonanz aus Washington. Dabei wäre, die Kreditnehmer nicht länger für die selbst erkannten haarsträubenden Fehler der Institution bezahlen zu lassen, ein wichtiger erster Schritt in Richtung auf einen verantwortungsbewussteren Internationalen Währungsfonds.

Weitere Informationen:

IWF: Common Framework der G20 bisher ungenügend

Am 2. Dezember veröffentlichte der IWF einen Blogbeitrag, in dem er bemerkenswert deutlich darlegt, wie wenig geeignet das Common Framework der G20 für die Lösung der aktuellen Schuldenkrise ist. Tatsächlich warnt der IWF vor einem regelrechten Kollaps von vielen einkommensschwachen Ländern, die nach Ende des G20-Schuldenmoratoriums DSSI ihre Schuldendienstzahlungen wieder aufnehmen müssen. Eindringlich fordert er die G20 auf, das Rahmenwerk rasch auszubessern und argumentiert damit gegen den auch von der Bundesregierung vertretenen G20-Diskurs, Geduld zu haben und dem Rahmenwerk die Zeit zu geben, die es eben brauche.

Der IWF gibt konkrete Empfehlungen, wie das Rahmenwerk auszubessern wäre:

  • Es brauche ein umfassendes Schuldenmoratorium für die Dauer der Common-Framework-Verhandlungen, um den Schuldner während der Verhandlungen zu entlasten und einen Anreiz für eine rasche Umschuldung zu bieten.

Dies ist ausdrücklich zu begrüßen und auch ein zentraler Bestandteil von Vorschlägen für ein Staateninsolvenzverfahren. Allerdings reicht es nicht aus, wenn der Schuldner nur bei den G20-Staaten seinen Schuldendienst während der Verhandlungen aussetzen kann. Damit der Verzicht der G20 nicht dazu führt, dass Nicht-G20-Gläubiger umso sicherer ihren Schuldendienst erhalten – und dadurch überhaupt keinen Anreiz haben, sich an Umschuldungen zu beteiligen – müssen Schuldnerländer auch ihren Schuldendienst bei privaten und multilateralen Gläubigern einstellen können, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Doch während der knapp zweijährigen Laufzeit der DSSI hat die G20 es nicht geschafft, private und multilaterale Gläubiger in das Schuldenmoratorium einzubeziehen. Wie dies nun im Rahmen des Common Framework gelingen soll, dazu schweigt der IWF.

  • Es müsse mehr Klarheit darüber geschaffen werden, wie im Common Framework Gleichbehandlung effektiv erzwungen wird, inklusive, falls nötig, durch die Umsetzung von Möglichkeiten des IWF in seiner Kreditvergabepolitik bei Zahlungseinstellungen.

Zuallererst ist dies das erste öffentliche Eingeständnis, dass die G20-Staaten (unterstützt vom IWF) sich und dem Schuldnerland mit der sogenannten „Gleichbehandlungsklausel“ etwas vorgemacht haben. Die G20 argumentierte bei Schaffung des Common Framework im November 2020, dass bei richtigen Umschuldungsverhandlungen der Privatsektor durch die Vorgabe der Gleichbehandlung garantiert einbezogen werden kann. Wie erwartet, gestaltete es sich für Schuldner jedoch schwierig, ohne eine Rechtsgrundlage oder sonstige Hilfsmittel ihre privaten Gläubiger davon zu überzeugen, zu den G20 gleichwertige Schuldenerleichterungen hinzunehmen. Zum ersten Mal wird nun von einer Institution, die das Common Framework umsetzt, öffentlich eingestanden, dass man Gleichbehandlung gegebenenfalls erzwingen muss – vor wenigen Monaten noch undenkbar.

Mit der etwas technischen und gleichzeitig vagen Formulierung zur “Kreditvergabepolitik bei Zahlungseinstellungen” (“IMF arrears policies”) deutet der IWF auf eine aus erlassjahr.de-Sicht zentrale Handlungsmöglichkeit sowohl der G20 als auch des IWF hin, um Gleichbehandlung nötigenfalls zu erzwingen. Nämlich dass ein Schuldnerland, sollten sich private oder bilaterale Gläubiger verweigern, seine Zahlungen an diese einstellen kann. Im Rahmen seiner sogenannten Lending into Arrears Policy kann der IWF Kredite auch dann zur Verfügung zu stellen, wenn sich das Schuldnerland im Zahlungsverzug gegenüber privaten oder öffentlichen Gläubigern befindet – und somit das Schuldnerland in seiner Konfrontation von blockierenden Gläubigern unterstützen. Gleiches gilt für die G20-Staaten: Sie könnten das Land politisch und finanziell bei der Zahlungseinstellung unterstützen und ihren eigenen Schuldenerlass gewähren, solange das Land im Zahlungsverzug gegenüber den blockierenden Gläubigern bleibt. So kann auch ein Anreiz geschaffen werden, dass restrukturierungsunwillige Gläubiger an den Tisch kommen. Darüber hinaus können G20-Staaten – vor allem die G7-Jurisdiktionen – auf nationaler Ebene gesetzliche Regeln schaffen, die das Schuldnerland bei Klagen seiner Gläubiger schützen.

Doch so klar und deutlich, wie die Möglichkeiten konkret für Schuldner und G20 aussehen, um Gleichbehandlung zu erzwingen und vor allem entsprechend auch Klarheit für Nicht-G20-Gläubier zu schaffen, wird der IWF leider nicht.

  • Zu guter Letzt sollte das Common Framework auf andere hoch verschuldete Länder ausgeweitet werden. Zeitige und geordnete Umschuldungen seien gleichermaßen im Interesse von Schuldner und Gläubiger.

Auch wenn sich die Bundesregierung zu Beginn der DSSI noch für die Ausweitung der Initiative(n) auf alle hoch verschuldeten Länder ausgesprochen hat, wurde nach dem ersten verlorenen Kampf innerhalb der G20 rasch resigniert und die globale Schuldenkrise – und ihre Lösung – auf ein Problem der einkommensschwächsten Länder reduziert. Auch durch den IWF. Dass auch Mitteleinkommensländer rasche und umfassende Schuldenerleichterungen benötigen werden, ist ein richtiges und wichtiges Eingeständnis, das allerdings zwei Jahre zu spät kommt.

Bemerkenswert ist auch, wie offen der IWF das Dilemma beschreibt, vor dem kritisch verschuldete Länder stehen, nämlich entweder zentrale öffentliche Ausgaben zu kürzen oder ihre Schuldendienstzahlungen einzustellen. Auch wenn bitter aufstößt, dass der IWF in seinen individuellen Länderprogrammen Schuldnerländern standardmäßig weiterhin empfiehlt, öffentliche Kürzungen im eigenen Land vorzunehmen und Rückzahlungsverbindlichkeiten pünktlich nachzukommen, um die Gunst privater Gläubiger nicht zu verlieren, anstatt offensiver Umschuldungen zu empfehlen.

Unklar bleibt, ob IWF und G20 den Stier endlich bei den Hörnern packen. Schon zuvor gab sich die IWF-Spitze regelmäßig krisenbewusst, doch Reformen blieben aus. Wie der IWF selbst sagt: Es ist keine Zeit mehr zu verlieren.

G20-Finanzministertreffen: Im Westen nichts Neues

Gestern trafen sich in Washington am Rande der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank die Finanzminister*innen und Notenbankgouverneur*innen der G20-Staaten. Wer im Vorfeld Hoffnung gehabt hatte, dass dort neue, konkrete Schritte zur Lösung der akuten Schuldenkrise vereinbart worden wären, wurde jedoch enttäuscht. Das Abschlussdokument enthält lediglich nichtssagende Plattitüden: Private Gläubiger wurden einmal mehr aufgefordert, sich konstruktiv – und selbstverständlich auf freiwilliger Basis – an Umschuldungsverhandlungen zu beteiligen. Kein Wort davon, dass sie sich seit eineinhalb Jahren nonchalant über jegliche derartige Aufforderung hinwegsetzen.

Des weiteren loben sich die G20-Staaten für die Umschuldungsfortschritte, die sie im Rahmen des von ihnen geschaffenen „Common Frameworks“ erzielt hätten. Von welchen Fortschritten die Rede ist, erschließt sich jedoch zumindest Außenstehenden nicht: Als die G20-Staaten im November 2020 mit dem sogenannten „Common Framework“ einen neuen Verhandlungsraum für Umschuldungen schufen, wurde unter anderem argumentiert, dass Schuldnerländer in diesem Rahmen mit zeitnahen Erleichterungen rechnen könnten. Doch das ist auch ein Jahr später nicht der Fall. Nur drei Länder (Tschad, Äthiopien und Sambia) haben bislang überhaupt Umschuldungen im Rahmen des Common Framework beantragt. Angesichts der hohen Anzahl kritisch verschuldeter Staaten ist diese Zahl allein schon ein Armutszeugnis, das zeigt, wie wenig sich Schuldnerländer von den Verhandlungen in diesem Setting erhoffen. Auch die G20-Staaten mussten das zuletzt zugeben und wiederholten unentwegt, dass die ersten Fälle doch bitte beispielhaft verlaufen müssten, um weitere Staaten zu einem Antrag zu ermutigen. Doch bisher wurden in allen drei Fällen keine Forderungen verbindlich umgeschuldet, geschweige denn gestrichen. Dies liegt nicht zuletzt an der unkooperativen Haltung der privaten Gläubiger.

Doch anstatt die Privaten endlich verbindlich in die Pflicht zu nehmen und damit auch das Common Framework zu pushen, verschließen die Finanzminister*innen und Notenbankgouverneur*innen nun lieber die Augen vor der offensichtlichen Krise und kehren zurück zu einer Rhetorik von 2019 – alles halb so wild. Wenn es doch nur so wäre. Mehr gibt es zu diesem ernüchternden Verhandlungsergebnis aus Washington nicht zu sagen.

Was wäre gewesen, wenn? Ein Blick auf das Jubiläum der historischen UN-Resolution für ein Staateninsolvenzverfahren

Die Entschuldungsbewegung hat schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Vor genau 7 Jahren, am 9. September 2014, gab es ein Allzeithoch, als die Entwicklungsländergruppe der Vereinten Nationen, die „G77 und China“, unter dem Eindruck einer kollektiven Bedrohung durch ihre Verschuldung und klagewütige Gläubiger eine Resolution in die Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Schaffung eines globalen Staateninsolvenzverfahrens einbrachte. Die Resolution wurde damals mit 124:11 Stimmen bei 41 Enthaltungen angenommen. Damit sollte bis September 2015 ein rechtlich verbindlicher Rahmen für eine geordnete Staateninsolvenz geschaffen werden. Doch es kam anders: Länder des Globalen Nordens, darunter auch Deutschland, weigerten sich, an dem Diskussionsprozess der folgenden 12 Monate überhaupt teilzunehmen. Rasch bröckelte dann auch das Durchhaltevermögen der G77. Am Ende wurden lediglich Prinzipien für geordnete Umschuldungen verabschiedet, die seither weitestgehend in der Schublade verschwunden sind.

Ähnlich dem Schicksal des Sovereign Debt Restructuring Mechanism des Internationalen Währungsfonds (IWF) von Anfang der 2000er Jahre waren geordnete Entschuldungsverfahren erstmal wieder kein Thema mehr. Dann aber kam die Bedrohung durch die beispiellosen wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona-Pandemie. Der politische Druck, diese zentrale Lücke in der globalen Finanzarchitektur zu schließen, kam plötzlich mit Wucht zurück. Die Schaffung der DSSI und des Umschuldungsrahmenwerks Common Framework der G20, sind beides Zeugnis und Anerkennung der Gläubiger zugleich, dass die Finanzarchitektur nicht ausreichend für die nächste große Krise gerüstet war. Beide Initiativen sind Versuche, diese Lücke zu schließen. Sie kommen jedoch bei weitem nicht an die Idee eines fairen, umfassenden Staateninsolvenzverfahrens heran und bleiben damit Provisorien mit erheblichen Mängeln.

Bei der IWF-Frühjahrstagung im April 2021 drückte IWF-Chefin Kristalina Georgieva ihr Bedauern darüber aus, dass angesichts der globalen Krise umfassendere Reformen nicht „in einfacheren Zeiten“ durchgesetzt worden waren. Was wäre wohl gewesen, wenn die reicheren Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft vor 7 Jahren die G77 ernster genommen hätten? Wenn innerhalb der vorgesehenen 12 Monate ein durch UN-Beschluss legitimiertes umfassendes Staateninsolvenzverfahren geschaffen worden wäre? Welche Perspektiven hätten die mehr als zwei Dutzend Länder, die bereits im Zahlungsausfall sind oder an seinem Rande entlangtaumeln, heute haben können? Spielen wir das doch einmal durch:

  • Die neu geschaffenen Regeln und Verfahren hätten frühzeitig und außerhalb einer globalen Krise, wie wir sie derzeit erleben, getestet und weiterentwickelt werden können. Bis heute gibt es nicht eine einzige abgeschlossene Umschuldung unter dem Common Framework. Die G20 rechtfertigen ihre Schockstarre damit, dass sich das Rahmenwerk erst beweisen müsse – wofür es Zeit brauche. Zeit, die inmitten einer Krise allerdings nicht verfügbar ist. Hätte man unter einem geordneten Verfahren schon damals das kleine hochverschuldete Barbados oder den nicht ganz so kleinen Libanon entschuldet, hätte man bei Beginn der Pandemie 2020 schon gewusst, was geht und was noch verbessert werden muss.
  • Der in der aktuellen Krise wohl wichtigste Effekt: Zahlungseinstellungen und der frühzeitige Beginn von Umschuldungsverhandlungen wären nicht mit einem Stigma behaftet, welches Länder aktuell dazu veranlasst, das Unvermeidliche auf Kosten der wirtschaftlichen und sozialen Erholung hinauszuzögern. Nicht mehr die kurzfristigen Einnahmeerwartungen einzelner, insbesondere privater Gläubiger hätten Vorrang, sondern die langfristige Erholung des Schuldners zum Wohle aller. Dem vor allem von Privatgläubigern gepflegten und vom IWF in seinen Kreditprogrammen unterstützten Argument, dass es der einzig nachhaltige Weg sei, wenn der Schuldner nur immer weiterzahle, wäre entsprechend der Boden entzogen worden.
  • UN-Regeln gelten für alle Staaten gleichermaßen. Deswegen wäre der Zugang zu geordneten Verhandlungen nach Entlastungsbedarf, und nicht nach dem unsinnigen Kriterium des Pro-Kopf-Einkommens geregelt gewesen. Damit wäre die absurde Situation vermieden worden, dass die G20 heute Ländern Entschuldung anbieten, die sie gar nicht brauchen, während „zu reiche“ hochverschuldete Länder von allen Schuldenerleichterungen ausgeschlossen sind – obwohl die Krise sie genauso hart oder noch härter trifft.
  • IWF, Weltbank und Co. wäre die gefährliche Situation erspart geblieben, dass ihre Finanzierungen den laufenden Schuldendienst an private Gläubiger sicherstellen, dadurch aber ihr eigenes Portfolio immer riskanter wird – genau wie seinerzeit vor dem Einsetzen der HIPC-Initiative.

Nun ist die Geschichte der Entschuldung davon geprägt, dass weder in „einfacheren Zeiten“ noch inmitten von Krisenzeiten Reformen durchgebracht werden. Denn in einfacheren Zeiten tun politische Entscheidungsträger*innen gerne so, als seien Krisen ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Die dann trotzdem ganz sicher eintretenden Krisen treffen die Gläubigergemeinschaft dann völlig unvorbereitet, sodass hektischer Aktionismus dominiert, und nicht die nüchterne Rückbesinnung auf Konzepte, die schon seit Jahrzehnten immer von neuem diskutiert werden. Diese Gefahr der Verdrängung besteht auch heute wieder: Angesichts der mittels Moratorium und massenhaft zusätzlicher Liquidität erreichten trügerischen Entschärfung der erwarteten Staatspleitenwelle besteht inmitten der größten Krise des Jahrhunderts die Gefahr, dass politische Entscheidungsträger*innen die Schuldenkrise wieder zu schnell ad acta legen – und wir wieder mal die Chance auf echte Reformen, die sich aus ihr hätten ergeben können, vergeuden.

Aalener Impressionen: Entschuldungsbewegung vor Ort im Dialog mit der Politik

Anlässlich der Debt20-Kampagne 2017 haben wir im ostwürttembergischen Aalen das lokale Aktionsbündnis „Entwicklung braucht Entschuldung Aalen“ gegründet, dem der DGB, die Katholische und Evangelische Erwachsenenbildung, der hiesige Weltladen, NaturFreunde, Attac, Amnesty International und Act for Transformation angehören. Wir veranstalteten damals viele Begegnungen mit Sprecher*innen aus dem Globalen Süden (Honduras, Mocambik, Senegal), bei denen es um die Schuldenkrisen und ihre Auswirkungen auf den Globalen Süden ging.

2018/19 beteiligten wir uns an dem EU-Projekt „Citizens for Financial Justice“, in dessen Rahmen wir Speaker*innen aus der Karibik, aus Ghana und Pakistan einluden. Weitere Highlights waren die Berliner Compagnie („Der Bettler auf goldenem Thron“, ein Theaterstück über Bolivien) und ein Auftritt der Grupo Sal mit dem ehemaligen Energieminister Alberto Acosta aus Ecuador.

Die Arbeit im Aalener Bündnis hat sich über die Jahre als sehr angenehm und fruchtbar erwiesen. Wir profitieren auch davon, dass jede Organisation ihre jeweiligen Schwerpunkte einbringt und wir so eine breite Themenvielfalt über die gemeinsame Klammer „Verschuldung“ hinaus abdecken können: Umwelt, internationale Steuergerechtigkeit, Klima, Menschenrechte, Landraub etc.

Deshalb war es keine Frage, dass wir uns auch an der erlassjahr.de-Kampagne zur Bundestagswahl 2021 beteiligen und vor Ort in Aalen den Dialog mit der Politik suchen würden! Vorbereitet wurden die Gespräche mit einer Online-Informationsveranstaltung mit Malina Stutz, Politische Referentin von erlassjahr.de. Dort ging es um den Zusammenhang von Klimakrise, Corona–Pandemie und Schuldenkrise. Dann vereinbarten wir Gespräche mit den hiesigen Bundestagskandidat*innen zum Thema Schuldenkrisen und zu unserer Forderung nach einem internationalen transparenten Staateninsolvenzverfahren, angesiedelt bei den Vereinten Nationen.

Unsere Gesprächspartner*innen waren:

  • Tim Steckbauer, Die Linke
  • Roderich Kiesewetter, CDU
  • Margit Stumpp, Bündnis 90 / Die Grünen
  • Leni Breymaier, SPD

Lediglich der FDP–Kandidat hielt es nicht für nötig, auf unsere mehrfachen Kontaktversuche auch nur zu antworten.

Zu Beginn der Gespräche stellten wir eine kurze Präsentation zum Zusammenhang von Klimakrise, Corona–Pandemie und Schuldenkrisen vor. Darin thematisierten wir u.a. die Schuldenerleichterungsmaßnahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Gruppe der 20 (G20) wie Schuldenmoratorium DSSI und Common Framework und formulierten unsere Kritik daran. Das anschließende Gespräch drehte sich um die Frage nach der Einschätzung der Abgeordneten zu einem möglichen “verlorenen Entwicklungsjahrzehnt” und dem Verfehlen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Wir wollten wissen, wie sie zu einem internationalen, transparenten Staateninsolvenzverfahren, zur Schuldenumwandlung und den Einflussmöglichkeiten der Bundesrepublik stehen. Dabei konnten wir erfreut feststellen, dass all unsere Gesprächspartner*innen – auch der CDU-Abgeordnete – der Idee eines Staateninsolvenzverfahren gegenüber aufgeschlossen sind.

Eine weitere Frage war, wie man aus der Blase herauskommen kann, um mehr Menschen für dieses manchmal trockene, aber doch zentrale entwicklungspolitische Thema Schuldenkrise zu interessieren. Ob es z.B. möglich wäre, auch innerhalb der Parteien bzw. Jugendorganisationen gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren. Auch hier zeigten sich ausnahmslos alle Gesprächspartner aufgeschlossen und wir freuen uns nun auf mehrere parteiinterne Informationsveranstaltungen mit einer Referentin von erlassjahr.de.

Die Gespräche machten großen Spaß und verliefen sehr interessant. Ich denke, wir haben auch eine gute Basis für weitere Kontakte geschaffen.

Herma Geiß ist bei attac Aalen aktiv und Mitglied im Bündnisrat von erlassjahr.de.

Foto: Screenshot des Instagram-Accounts von Tim Steckbauer, Kandidat der Partei DIE LINKE in Aalen-Ellwangen, nach dem Gespräch mit dem lokalen Aktionsbündnis mit einem Exemplar des Schuldenreports 2021.

Mitmachmöglichkeiten und Hintergrundinformationen:

HIPC-Entschuldung: Von Birmingham nach Khartoum

2019 wurde eines der brutalsten diktatorischen Regime durch einen gewaltfreien zivilen Widerstand von Millionen junger Menschen gestürzt. Nach 30 Jahren brutaler Führung musste der Kriegsverbrecher Omar al-Bashir im Sudan abdanken. Fast genauso lang ist das ostafrikanische Land schon für die 1996 geschaffene multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder, die HIPC-Initiative, qualifiziert. 37 Länder haben die Initiative bislang durchlaufen, für die meisten HIPC-Länder ist die Initiative schon seit langer Zeit Geschichte. Einige wenige aussichtslose Pariastaaten verblieben auf der HIPC-Liste. Doch nach dem Umsturz 2019 ging plötzlich alles ganz schnell: Streichung von der Terrorliste der USA, Begleichen der hohen Zahlungsrückstände bei IWF und Co. und am 29. Juni Eintreten in die HIPC-Initiative als der größte Entschuldungsfall der Initiative. Der hohe Schuldenberg, das meiste davon seit Mitte der 1980er Jahre nicht mehr bedient, ist eines der größten Hindernisse auf dem Weg der Erholung.

Beteiligungsmöglichkeiten für Zivilgesellschaft

In einigen vergangenen HIPC-Fällen spielte die zivilgesellschaftliche Beteiligung am Prozess eine große Rolle. Das Sudan-Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung hat daher am gestrigen und heutigen Tag sudanesische Zivilgesellschaft – unter strengen Corona-Regeln – zu einer Konferenz in Khartoum geladen, um über den HIPC-Prozess und Beteiligungsmöglichkeiten für Zivilgesellschaft zu informieren. Für erlassjahr.de war es das erste Mal seit Beginn der Pandemie, in ein Flugzeug zu steigen und Vorort-Gespräche zu führen.

Gestern wurden die mehr als 50 Teilnehmer*innen u. a. aus Gewerkschaft, Jugendorganisationen, Frauengruppen und ziviler Regierung zuerst im Detail über den Ablauf des HIPC-Prozesses und die Schuldensituation des Sudan informiert. Die Teilnehmer*innen ließen sich nicht von „HIPC thresholds“, dem „Common Reduction Factor“ oder „Cologne Terms“ entmutigen. Auch nicht der Übersetzer, der jegliche Beiträge konsekutiv ins Arabische übersetzen musste, schweißgebadet waren wir beide trotzdem. Nach den technischen Details des Prozesses erinnerte ein Teilnehmer an die Menschenkette in Birmingham 1998, die Vorläuferproteste zum Kölner Gipfel 1999, an denen er teilgenommen hatte. An die globale Solidarität, an das, was möglich ist, wenn Menschen mit einem gemeinsamen Ziel zusammen kommen. Dass es nicht nur die Politiker*innen in Wahshington sind, die entscheiden. Mehr als 20 Jahre später wirkt der Geist der weltweiten Jubilee-Bewegung auch nun in Khartoum.

Die Chance ergreifen

Erfahrungen aus Bolivien, einem der größten zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozesse in der HIPC-Initiative überhaupt, wurden in einem aufwändig produzierten Video eingespielt. Adriano Nuvunga aus der ehemaligen HIPC-Erfolgsgeschickte Mosambik predigte unentwegt „don’t wait to be invited, seize the moment“. „Seize the moment“ bleibt als Motto für den heutigen zweiten Tag, an dem auch IWF und sudanesisches Finanzministerium teilnehmen.

G20-Finanzminister in Venedig: Auf zur nächsten Pandemie

Heute fand der Gipfel der G20-Finanzminister*innen unter der Präsidentschaft Italiens in Venedig statt. Eine Woche zuvor hatte die IWF-Chefin Kristalina Georgieva die geringen Fortschritte bei den bisherigen G20 Schuldenerlassmaßnahmen beklagt, der deutsche Entwicklungsminister Müller beim Gipfel der G20 Außen- und Entwicklungsminister*innen die Notwendigkeit von Schuldenerlassen betont. In der heutigen Pressekonferenz zum Finanzministergipfel hält der italienische Gastgeber entgegen, dass – jetzt, da die DSSI nun langsam zum Ende komme – das Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI der G20 erfreulicherweise wie geplant in Gang komme und die G20 somit umfassende Unterstützung für „gefährdete Länder“ böten.

Entsprechend widmet die G20 den Fortschritten in den bestehenden Common Framework-Fällen einen langen Abschnitt im Communiqué. Zuvor hieß es, wenn sich das Common Framework nur in den ersten Fällen beweisen könne, dann würde man auch Fortschritte etwa bei der Ausweitung in der Ländergruppe erzielen können. Mehr als ein Deckmantel für das Fehlen substantieller Fortschritte sind die Ausführungen im Communiqué jedoch nicht: Tatsächlich hat sich im Vergleich zu den anderen beiden Finanzministertreffen im Februar und April praktisch nichts getan. Kein einziges zusätzliches Land hat seitdem eine Umschuldung beantragt, kein einziges der bislang involvierten Länder (Tschad, Äthiopien, Sambia) hat eine Umschuldung abgeschlossen. Gleichzeitig werden die Stimmen immer lauter, Ländern nach ihrer „Gefährdung“ Zugang zu Unterstützung zu gewähren – weiterhin gibt es auch hier keinen Fortschritt bei der G20. Sri Lanka, das sich nicht für DSSI und Common Framework qualifiziert, könnte schon Ende des Monats das Scheitern des „umfassenden Unterstützungsrahmens für gefährdete Länder“ aufzeigen.

Fast ein halbes Jahr nach Beantragung einer Umschuldung tut sich zwar endlich ein bisschen was in Äthiopien und dem Tschad. Doch der Tschad wird für die so dringend benötigten Erfolge im Hinblick auf die Einbeziehung privater Forderungen zur Zerreißprobe. Eigentlich wettete die G20 darauf, dass der Tschad aufgrund der vergleichsweise geringen Komplexität im Gläubigerprofil ein vielversprechender Testfall für die erfolgreiche Umsetzung des Common Framework sein würde. Doch der Schweizer Rohstoffkonzern Glencore, der wichtigste Privatgläubiger des Tschad, hatte seine Forderungen erst vor wenigen Jahren umgeschuldet – und scheint aktuell nicht bereit, dem Wunsch der G20 nach Gleichbehandlung zu folgen. Natürlich wünschen sich die Finanzminister*innen im Communiqué erneut, dass die Privaten auch mitmachen sollen. Das haben sie auch schon beim letzten, vorletzten, vorvorletzten und vorvorvorletzten Mal getan. Eine entschlossene und deutliche Ansage an nicht kooperationsbereite Gläubiger, selbst alles rechtlich und politisch Mögliche zu tun, um Schuldnerländer bei der Konfrontation mit diesen zu unterstützen gibt es jedoch nicht – wie beim letzten, vorletzten, vorvorletzten und vorvorvorletzten Mal.

Am Freitag bereits tagte das G20 High Level Independent Panel on Financing the Global Commons for Pandemic Preparedness and Response. Das Gremium, besetzt mit politischen und wissenschaftlichen Größen, wurde im Januar eingerichtet, um schon einmal die Antwort auf die nächste Pandemie vorzubereiten. Angesichts der fehlenden Handlungsfähigkeit der G20 schlugen die Expert*innen den G20-Finanzminister*innen vor, dass sie bei der nächsten Pandemie vielleicht lieber den IWF darum bitten, geordnete Entschuldungsverfahren zu schaffen. Ein Mechanismus könne laut des Papiers sicher schon in den nächsten 12 Monaten entwickelt werden. Der im Papier vorgestellte Vorschlag eines umfassenden und geordneten „debt service relief framework“ fließt ein in die Empfehlungen für ein Sondertreffen der G20-Finanz- und Gesundheitsminister*innen Ende Oktober. Dieses soll vor dem Gipfel der G20-Staats- und Regierungschef*innen stattfinden und konkrete Vorschläge für einen neuen “Global Deal” im Pandemiezeitalter beraten und verabschieden. Ein echter Fortschritt wäre es, die aktuellen Diskussionen um einen Gefährdungsindex aufzugreifen und einen Mechanismus zu schaffen, der im Falle von Krisen ein automatisches Schuldendienstmoratorium, gefolgt von Umschuldungen vorsieht, deren Zugang nach Gefährdungskriterien und nicht mehr nach dem völlig unsinnigen Einkommenskriterium geregelt werden würde. Dafür können die Gesundheits- und Finanzminister*innen im Oktober die Weichen stellen – allerdings besser nicht erst für die nächste Pandemie.

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Bundestagswahl 2021: Die Position der CDU/CSU zum Staateninsolvenzverfahren

Am 21. Juni haben nun auch die Unionsparteien ihr gemeinsames Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. In Bezug auf Schuldenerlasse und die Schaffung eines internationalen Staateninsolvenzverfahrens war die Positionierung von Fraktion und Partei in den letzten Monaten mindestens widersprüchlich. Beim entwicklungspolitischen Kongress der CDU/CSU-Fraktion am 19. Mai 2021 stimmte der entwicklungspolitische Sprecher der Fraktion, Volkmar Klein, der Notwendigkeit der Schaffung eines internationalen Staateninsolvenzverfahrens zu, verstand aber offenbar – anders als erlassjahr.de – das Common Framework der G20-Staaten als quasi solch eine Institution. In Reaktion auf einen Antrag der Grünen vom 03.07.2020 bekräftigte die Fraktion, dass man sich der Idee eines internationalen Insolvenzverfahrens für Staaten nicht grundsätzlich verschließe, lehnte es dann jedoch mit nicht ganz nachvollziehbaren Gründen ab, sich für die Schaffung eines solchen Verfahrens einzusetzen (siehe unten). Beim vergangenen Treffen der Außen- und Entwicklungsminister*innen der G20-Staaten am 29.06.2021 sprach sich auch der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) für die Notwendigkeit echter Schuldenerlasse aus, von einem Staateninsolvenzverfahren war jedoch keine Rede. Wie plant die Union nun im Wahlkampf und in möglicher Regierungsverantwortung mit dem Thema umzugehen?

Das Wahlprogramm: Ein Insolvenzrecht auf EU-Ebene

Im Wahlprogramm halten CDU und CSU im Rahmen der EU ein geordnetes Verfahren „bis hin zu einem Insolvenzverfahren“ für Staaten, die von einer Wirtschafts- und/oder Finanzkrise betroffen sind, für notwendig. Da sich erlassjahr.de seit langen für ein faires und transparentes Staateninsolvenzverfahren auf internationaler Ebene einsetzt, könnte diese Absichtserklärung der Unionsparteien zunächst als ein erster zu begrüßender Schritt erscheinen. Jedoch bleibt im Wahlprogramm von CDU/CSU offen, wie sie sich ein solches Verfahren vorstellen und welche Ziele damit konkret verfolgt werden sollen. Grüne, SPD, LINKE und FDP sind in ihren Wahlprogrammen da durchaus konkreter geworden.

Übergeordnet heißt es, dass Europa auf Wirtschafts- oder Finanzkrisen besser vorbereitet sein müsse, um diese schneller und besser zu überwinden. Der Analyse, dass die aktuelle internationale – und europäische – Finanzarchitektur im Umgang mit überschuldeten Staaten ineffizient ist, kann aus Sicht von erlassjahr.de durchaus zugestimmt werden. Mit einem fairen und transparenten internationalen Staateninsolvenzverfahren strebt erlassjahr.de jedoch nicht nur danach, ein effizienteres System, sondern insbesondere auch ein faireres System zu etablieren, in dem die Anpassungskosten zwischen Schuldner und Gläubigern angemessen aufgeteilt werden. Nach der Analyse von erlassjahr.de – und auch des Internationalen Währungsfonds – müssten Schuldenerlasse in einem solchen System eine deutlich prominentere Rolle spielen, als dies aktuell der Fall ist: sowohl um Finanzkrisen schneller und effizienter zu überwinden, als auch damit die Kosten nicht einseitig von der Bevölkerung des Schuldnerlandes getragen werden. Dazu findet sich im Wahlprogramm von CDU/CSU jedoch kein Wort.

Wenig Ambitionen in der Entwicklungszusammenarbeit

Im Wahlprogramm der Unionsparteien heißt es, dass die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 Leitbild der Parteien seien. Was dann kommt, ist jedoch mehr als schwach. Jegliche Anerkennung, dass die Verwirklichung dieser Ziele bis 2030 – gerade auch aufgrund der wirtschaftlichen und fiskalischen Auswirkungen der Pandemie – aktuell höchst unwahrscheinlich erscheinen, fehlt. Ebenso eine Problemanalyse, warum dies der Fall ist. Wenn das Problem nicht erkannt wird, ist es nicht verwunderlich, dass man im Wahlprogramm der Unionsparteien auch vergeblich nach vielversprechenden Lösungsansätzen sucht.

Die Union formuliert es als Erfolg, dass im Jahr 2020 das Ziel erreicht wurde, 0,7% des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Dabei wurde das 0,7% Ziel bereits 1970 verabschiedet – als Mindestanstrengung, die bereits 1975 erreicht werden sollte. Die Differenz zwischen den tatsächlich von Deutschland bereitgestellten Geldern seit 1970 im Vergleich zu den Verpflichtungen aus der UN-Resolution entspricht fast 500 Milliarden US-Dollar. Dass Deutschland das 0,7%-Ziel gut fünfzig Jahre später zum zweiten Mal erfüllt, liegt außerdem insbesondere daran, dass das Bruttoinlandsprodukt 2020 stark eingebrochen ist – relativ gesehen steigen dann geplante Ausgaben natürlich an. Zudem erreicht Deutschland das Ziel auch 2020 – wie bereits 2016 – nur dann, wenn Ausgaben für Geflüchtete in Deutschland mitangerechnet werden. Immerhin möchte die Union, dass „auch“ zukünftig das 0,7%-Ziel erreicht wird.

Darüber hinaus setzen CDU/CSU vor allem auf die Rolle privater Investitionen und Kreditvergaben. Unter welchem Vorzeichen die Entwicklungspolitik der CDU/CSU steht, wird auch daran deutlich, dass diese stärker an die Interessen der deutschen Wirtschaft angelehnt und mit der strategischen Außenwirtschaftsförderung verknüpft werden soll.

Die Reformnotwendigkeit der internationalen Finanzarchitektur wird nicht anerkannt

Auch gibt es kein klares Bekenntnis zu Reformen der internationalen Finanzarchitektur. Doch für selbstbestimmte Entwicklungsmöglichkeiten von Ländern des Globalen Südens wären auch ambitioniertere Ziele der finanziellen Unterstützung als sie die Unionsparteien formulieren nicht ausreichend. Entscheidend sind vielmehr faire internationale Spielregeln, das heißt insbesondere faire Handels- und Finanzmarktregelungen. Sowohl im Handels- als auch im Finanzbereich zeigt sich die Union diesbezüglich jedoch wenig einsichtig. So findet auch die Forderung von erlassjahr.de nach einem fairen und transparenten Staateninsolvenzverfahren auf internationaler Ebene kein Widerhall im Wahlprogramm der Unionsparteien – anders als bei Grünen, SPD und Linken. Auch die Reform internationaler Finanzinstitutionen – wie beispielsweise des IWF – im Sinne einer gleichberechtigteren Repräsentation von Ländern des Globalen Südens wird von den Schwesterparteien nicht anerkannt.

Faule Ausreden

In einem Antrag forderte die Bundestagsfraktion der Grünen die Regierung im Juli 2020 dazu auf, sich für ein Staateninsolvenzverfahren auf internationaler Ebene einzusetzen. Der Antrag wurde unter anderen mit den Stimmen der Unionsfraktion abgelehnt, führte jedoch zu einer Plenardiskussion, bei der die Fraktionen Stellung beziehen mussten. CDU und CSU lehnten den Antrag mit drei wenig überzeugenden Argumenten ab:

  • Erstens bemühten sie das Narrativ, dass Schuldenerlasse die Refinanzierungsmöglichkeiten der Schuldnerländer erschwerten und daher letztlich auch nicht im Interesse des Schuldners selbst wären. So gern und so oft dieses Argument auch bemüht wird, widerspricht ihm die empirische Evidenz weitestgehend. Wenn sich Regierungen jedoch tatsächlich in einer derartigen Zwickmühle befinden würden, wie es die Unionsparteien formulieren, müssten CDU und CSU sich eigentlich selbstkritisch fragen, ob das von ihnen forcierte Entwicklungsmodell freier Kapitalmärkte wirklich im Interesse der Ärmsten ist: Wenn Regierungen kritisch verschuldeter Länder vor der Wahl stünden (Konjunktiv!), entweder den Schuldendienst trotz inakzeptabel hoher Kosten für die Bevölkerung aufrechtzuerhalten oder durch die Bemühung um Restrukturierungen einen Kapitalausschluss und damit eine ebenso schlimme wirtschaftliche Krise zu initiieren, spräche das für mehr einhegende Regelungen der Finanzmärkte – nicht für weniger.
  • Zweitens verwies die Unionsfraktion auf die Rolle Chinas als mittlerweile wichtigsten bilateralen Kreditgeber und unkooperativen Gläubiger, der weitere proaktive Schritte des Westens hin zu einem regelbasierten Entschuldungsverfahren unmöglich mache. Wenngleich die Kreditvergabe Chinas tatsächlich in vielerlei Hinsicht problematisch ist, erscheint der Verweis der CDU hier primär als Ausflucht. So trägt China in der DSSI, dem Schuldenmoratorium der G20 Staaten, doch immerhin mit über 60 Prozent den Löwenanteil der Kosten, während westliche Staaten sich nicht dazu durchringen konnten, ihre privaten Kreditgeber verbindlich in die Initiative miteinzubeziehen. Und 2014 setzte sich China in einem gemeinsamen Antrag der sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer im Rahmen der UNO dafür ein, ein rechtsstaatliches Entschuldungsverfahren auf internationaler Ebene zu etablieren – ein Antrag, der damals unter anderem von der deutschen CDU-geleiteten Regierung abgelehnt wurde.
  • Drittens stellt die CDU/CSU-Fraktion die geforderten Reformen der Grünen als bloßes „Herumkurieren an Symptomen“ dar. Die eigentlichen Probleme seien hingegen in den wirtschaftlichen und politischen Strukturen der Schuldnerländer selbst zu finden. Schuldenkrisen sind jedoch längst nicht immer auf die unverantwortliche Kreditaufnahme oder Mittelverwendung in den Schuldnerländern zurückzuführen. Auch nicht vorhersehbare und beeinflussbare Ereignisse wie die durch die Corona-Pandemie ausgelöste weltweite Wirtschaftskrise können dazu führen, dass Schulden plötzlich zum Problem werden. Dann braucht es faire und effiziente Auswege für überschuldete Staaten. Und wenn Kredite unverantwortlich aufgenommen und verwendet werden, gibt es immer auch den Gegenpart: denjenigen, der den unverantwortlichen Kredit vergeben hat. Im Rahmen eines fairen und transparenten internationalen Staateninsolvenzverfahrens würden beide Parteien angemessen an den Anpassungskosten beteiligt werden, sodass sowohl die Aufnahme als auch die Vergabe unverantwortlicher Kreditgeschäfte weniger attraktiv werden würde So könnten Schuldenkrisen bereits im Vorhinein vermieden werden.

Ausblick

Es bleibt zu hoffen, dass die Union im Falle einer Regierungsbeteiligung sich darauf besinnt, dass sie sich der Idee eines Staateninsolvenzverfahrens auf internationaler Ebene ja „grundsätzlich nicht verschließe“. Schließlich hatte sie bereits 2009 im Koalitionsvertrag mit der FDP vereinbart, sich für die Implementierung einer internationalen Insolvenzordnung einzusetzen. Aus Sicht von erlassjahr.de wäre es wünschenswert, wenn die Union dann mindestens einen Koalitionspartner an ihrer Seite hätte, der nicht ebenso schamlos danach strebt, die Entwicklungszusammenarbeit nationalen wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen und für den insbesondere die faire Verteilung der Anpassungskosten zwischen Schuldner und Gläubigern handlungsleitend ist. Ansonsten kann die Union auch Opposition recht gut – auch wenn man das nach 16 Jahren Merkel fast vergessen haben könnte. Im Jahr 2000 hatte die Unionsfraktion noch im Rahmen einer Kleinen Anfrage die damalige rot-grüne Regierung darauf hingewiesen, dass die einmaligen Erleichterungen im Rahmen der HIPC-Entschuldungsinitiative nicht ausreichen würden und „es sich bei dem Internationalen Insolvenzrecht um ein wesentliches Element der (…) globalen Strukturpolitik handelt“.

Die Formulierung im Wortlaut:

„Für den Umgang mit Staaten, die von einer Wirtschafts- und/oder Finanzkrise betroffen sind, benötigen wir geordnete Verfahren bis hin zu einem Insolvenzverfahren für Staaten.“

Auszug aus dem Wahlprogramm von CDU/CSU zur Bundestagswahl 2021, im Kapitel 2 „Neue Weltpolitikfähigkeit – mit Leidenschaft für ein starkes Europa“ unter dem Abschnitt „Wettbewerbsfähiges und stabiles Europa“ unter der Überschrift „Stabilitätskriterien für die Wirtschafts- und Währungsunion durchsetzen“.

 

Weitere Infos und Parteipositionen:

Bundestagswahl 2021: Die Position der LINKEN zum Staateninsolvenzverfahren

Auf dem Parteitag am 20.06.2021 hat die LINKE ihr Wahlprogramm verbindlich verabschiedet. Die vielfältigen Herausforderungen, vor denen Länder des Globalen Südens stehen und die die Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 gefährden, werden darin ausdrücklich anerkannt und umfangreich thematisiert. Die LINKE legt den Fokus dabei auf die Verantwortung der Länder des Globalen Nordens, die mit ihrer Politik die Probleme noch verschärften, statt eine konstruktive Rolle zu spielen. So macht die LINKE Ungerechtigkeiten in heutigen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen sowie Machtasymmetrien in globalen Governance-Institutionen explizit zum Thema und fordert diesbezüglich konkrete Reformen. Dazu gehört auch, dass die LINKE für die Schaffung eines internationalen Staateninsolvenzverfahrens eintritt.

Staateninsolvenzverfahren im Wahlprogramm

  • Die LINKE fordert einen Schuldenschnitt und nachhaltige Entschuldungsinitiativen für alle Länder des Globalen Südens, deren Schuldenlast nicht tragfähig ist. Die veränderte Formulierung gegenüber dem Programmentwurf, in dem es hieß, dass die ärmsten Länder entschuldet werden müssen, ist aus Sicht von erlassjahr.de zu begrüßen. Denn Schuldenkrisen sind kein Phänomen, welches nur die ärmsten Staaten trifft, und viel zu häufig war und ist die internationale Praxis davon gekennzeichnet, dass Erlasse von willkürlichen Grenzwerten des Bruttoinlandsproduktes abhängig gemacht werden. Für die Gläubiger bedeutet das billig zu habende Wohltätigkeits-Demonstration, die an den eigentlichen Bedarfen häufig vorbeigeht.
  • Zudem fordert die LINKE, dass private Gläubiger sich an Entschuldungsinitiativen verbindlich beteiligen müssen. Auch dies ist eine Forderung, die erlassjahr.de unterstützt.
  • Letztlich wird ausdrücklich die Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens gefordert.

Internationale Zusammenarbeit stärken und demokratisieren

Die Formulierungen bezüglich der Schaffung eines internationalen Staateninsolvenzverfahrens sind im Wahlprogramm der LINKEN knapper gehalten als etwa im Programm der Grünen. Dem Wahlprogramm alleine ist zum Beispiel nicht zu entnehmen, im Rahmen welcher Institutionen sich die Partei die Etablierung eines solchen Verfahrens vorstellt. Aus Stellungnahmen der Fraktion im Laufe des letzten Jahres geht dies jedoch deutlicher hervor. Im Herbst 2020 hat die Fraktion der Linken als einzige den Antrag der Grünen mit dem Titel „Schuldenerlass statt Schuldenfalle – Überschuldungskrisen im Globalen Süden mit einem Staateninsolvenzverfahren begegnen“ mitunterstützt. Im beratenden Ausschuss für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit formulierte die Fraktion der LINKEN ausdrücklich, dass sie die G7 und G20 nicht für die geeigneten Gremien halte, um ein solches Verfahren zu vereinbaren, und forderte dessen Etablierung durch eine unabhängige und international legitimierte Instanz auf der Ebene der Vereinten Nationen. Dies ist aus Sicht von erlassjahr.de unbedingt zu begrüßen, da für nachhaltige Lösungen die gleichberechtigte Teilhabe an Entscheidungsprozessen von Ländern des Globalen Südens zentral ist.

Die allgemeine Stärkung, finanzielle Aufstockung und Demokratisierung der UN-Institutionen ist auch ein zentraler Punkt im Wahlprogramm der LINKEN. So fordert die Partei unter anderem, dass die Generalversammlung, in der alle Länder eine gleichberechtigte Stimme haben, gegenüber dem höchst undemokratisch besetzten Sicherheitsrat gestärkt werden sollte.

Mehr Verantwortung übernehmen

Nicht nur in Bezug auf den Umgang mit überschuldeten Staaten, sondern auch in weiteren Politikfeldern tritt die Linke dafür ein, dass Länder des Globalen Nordens sich ihrer historischen Verantwortung stellen müssen. So problematisiert sie, dass bisher insbesondere Menschen in Ländern des Globalen Südens unter den Folgen des Klimawandels litten, während der Globale Norden als Hauptverursacher angesehen werden müsse. Auch die unbefriedigende Bereitschaft der Länder des Globalen Nordens, die eigene koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten und für deren Folgen Verantwortung zu übernehmen, wird von der LINKEN problematisiert. Die Partei tritt daher dafür ein, auf UN-Ebene einen Kompensationsfonds für die Folgen von Klimawandel und Kolonialismus einzurichten, der von den Industriestaaten finanziert werden sollte.

Wenngleich bezüglich der konkreten Umsetzung solcher Kompensationsmaßnahmen sicherlich einige Fragen offen bleiben, finden sich im Wahlprogramm der LINKEN durchaus konkrete und umsetzbare Reformvorschläge der internationalen Handels- und Finanzarchitektur. Aus Sicht der Autorin ist dies ein vielversprechenderer Verantwortungsdiskurs als einzig auf das Verschulden der Länder des Globalen Südens hinzuweisen, damit von den eigenen Beiträgen abzulenken und mit „mehr globale Verantwortung übernehmen“ insbesondere die Aufstockung der Militärausgaben im Sinn zu haben – wie es bisweilen in anderen Parteien der Fall zu sein scheint.

Die Formulierung im Wortlaut

„Wir fordern einen Schuldenschnitt und eine nachhaltige Entschuldungsinitiative für alle Länder des Globalen Südens, deren Schuldenlast nicht tragfähig ist. Private Gläubiger müssen gezwungen werden, sich an dieser Schuldeninitiative zu beteiligen. Wir fordern die Einführung eines Staaten-Insolvenzverfahrens.“

Auszug aus dem Wahlprogramm der LINKEN zur Bundestagswahl 2021, im Kapital „Soziale Gerechtigkeit Weltweit“ unter dem Abschnitt „Gerechte Steuern Weltweit“.

Die Formulierung im Programmentwurf zum Vergleich

„Wir wollen, dass die ärmsten Länder entschuldet werden, ihre Schuldenlast erdrückt sie und macht jeden Fortschritt unmöglich. Dafür braucht es ein internationales Schiedsgericht. Wir fordern die Einführung eines Staatsinsolvenzverfahrens.“

Auszug aus dem Wahlprogrammentwurf der LINKEN zur Bundestagswahl 2021, im Kapital „Soziale Gerechtigkeit Weltweit“ unter dem Abschnitt „Gerechte Steuern Weltweit“.

Weitere Infos und Parteipositionen:

Bundestagswahl 2021: Die Position von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Staateninsolvenzverfahren

Am vergangenen Wochenende hat die Partei BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 verbindlich verabschiedet. Die Parteimitglieder hatten im Vorfeld mehr als 3.000 Änderungsanträge zum Entwurf des Wahlprogramms eingereicht. Auch der Abschnitt hinsichtlich der Reform der internationalen Schuldenarchitektur hat sich nochmals leicht geändert. Auch diese neuen Formulierungen bleiben aus Sicht von erlassjahr.de jedoch vielversprechend.

Konkrete Schritte hin zu einer faireren internationalen Schuldenarchitektur

  • Die aktuell höchst kritische Verschuldungssituation von Ländern des Globalen Südens wird anerkannt.
  • Das Schuldenmoratorium der G20-Staaten wird zwar begrüßt, aber als unzulänglich betrachtet. Wie erlassjahr.de fordern auch die Grünen echte Erlasse und insbesondere den Einbezug der privaten Gläubiger.
  • Die Notwendigkeit einer systemischen Reform der internationalen Schuldenarchitektur wird betont. So wollen sich die Grünen für die Schaffung eines internationalen, transparenten und unabhängigen Schuldenrestrukturierungsverfahrens einsetzen. Im Wahlprogrammentwurf sprachen die Grünen hier noch wörtlich von einem „Staateninsolvenzverfahren“. Inhaltlich bleibt die Zielsetzung der Grünen jedoch unverändert und aus erlassjahr.de-Sicht ausdrücklich zu begrüßen.
  • Im Gegensatz zum Wahlprogrammentwurf fordern die Grünen im verabschiedeten Programm die Schaffung eines solchen Verfahrens explizit unter dem Dach der Vereinten Nationen. Auch dies ist aus Sicht von erlassjahr.de zu begrüßen, da die Vereinten Nationen einen sehr viel inklusiveren, demokratischeren Rahmen bieten als etwa der IWF.
  • Abschließend wird gefordert, dass Deutschland in Koordination mit anderen änderungswilligen Regierungen pro-aktiv vorangehen solle, solange eine langfristige Lösung international nicht durchsetzbar sei. Auch dies ist eine aus Sicht von erlassjahr.de zu begrüßende Neuerung des jüngst verabschiedeten Programms gegenüber dem Entwurf.

Faireres Weltwährungssystem

Darüber hinaus enthält das Wahlprogramm der Grünen einige Punkte zur Reform des Weltwährungssystems, die sich nicht ganz unmittelbar auf den Umgang mit überschuldeten Staaten beziehen, jedoch aus Sicht von erlassjahr.de ebenso zu begrüßen sind.

  • Dazu zählt, dass sich die Grünen für eine Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) einsetzen wollen, durch die sich das Stimmgewicht zugunsten der Länder des Globalen Südens verschieben würde. Denn die Stimmrechte der einzelnen Länder im IWF setzen sich nach dem per se bereits höchst undemokratischen Prinzip „One Dollar, one Vote“ zusammen. Hinzu kommt, dass die Länder des Globalen Nordens einen noch höheren Stimmanteil halten, als es der Anteil ihrer Wirtschaftsleistung am weltweiten Bruttoinlandsprodukt rechtfertigen würde. Viele wichtige Entscheidungen müssen im IWF mit einer Mehrheit von 85 Prozent getroffen werden. Da die USA noch immer einen Stimmanteil von mehr als 16 Prozent halten, besitzen sie alleine de facto bereits ein Veto-Recht. Eine Reform ist demnach auch aus Sicht von erlassjahr.de dringend notwendig.
  • Des Weiteren sprechen sich die Grünen explizit für Kapitalverkehrskontrollen aus, um den Kapitalabzug aus Ländern des Globalen Südens insbesondere in Krisenzeiten zu beschränken. Zu Beginn der Corona-Krise haben internationale Investoren mehr Geld aus dem Globalen Süden abgezogen als während der Weltfinanzkrise 2008. Das ist unter anderem daher problematisch, da dies die Wechselkurse dieser Länder unter Druck setzt und so den fiskalischen und geldpolitischen Handlungsspielraum der Länder noch weiter einschränkt. Verlieren Währungen von Ländern des Globalen Südens gegenüber dem Dollar oder dem Euro an Wert, erhöht sich auch die reale Verschuldungslast dieser Länder, sofern sie in Fremdwährung verschuldet sind. Daher sind striktere Kapitalverkehrskontrollen auch aus Sicht von erlassjahr.de zu begrüßen.
  • Und schließlich fordern die Grünen, dass der IWF sehr viel mehr Gelder unkonditioniert, also ohne strenge Bedingungen und Vorgaben, zur Verfügung stellen solle. Zu diesem Zweck kann der IWF etwa sogenannte „Sonderziehungsrechte“ – eine internationale Reservewährung – schaffen. Wie dieses Instrument genau funktioniert, erklärt erlassjahr.de hier. International ist man sich bereits einig, dass im Laufe des Jahres 2021 Sonderziehungsrechte in Höhe von 650 Milliarden US-Dollar geschaffen werden sollen. Ein Großteil dieser Mittel wird jedoch an Länder des Globalen Nordens fließen. Die Grünen sprechen sich in ihrem Wahlprogramm dafür aus, dass Deutschland die ihm zugeteilten Mittel umwidmen und somit Ländern des Globalen Südens zur Verfügung stellen solle und nehmen damit eine Forderung vieler Länder des Globalen Südens in ihrem Wahlprogramm auf.

Parlamentarische Initiativen

Nun ist es eine Sache, was Parteien in ihr Wahlprogramm aufnehmen, und eine andere, wofür sie sich tatsächlich stark machen und parlamentarisch Energie aufbringen. Doch auch in dieser Hinsicht haben sich die Grünen insbesondere im Laufe des letzten Jahres hervorgetan.

Im Rahmen von zwei Anträgen hat sich die Fraktion für die Schaffung eines transparenten und unabhängigen internationalen Staateninsolvenzverfahrens eingesetzt. Beide Anträge wurden zwar erwartungsgemäß mit den Stimmen der Regierungsparteien, der FDP und der AfD abgelehnt. Doch zumindest eröffneten sie eine Debatte im Bundestag, die die anderen Fraktionen zwang, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und ihre Positionen offenzulegen.

Schuldenumwandlungen

Im Laufe des letzten Jahres hat auch die Debatte um Schuldenumwandlungen zugenommen. Dahinter steckt der Gedanke, dass Gläubiger auf die Rückzahlung ihrer Forderungen verzichten, sofern das Schuldnerland die freiwerdenden Mittel in umweltschützende oder entwicklungs- und gesundheitsfördernde Maßnahmen investiert. Deutschland ist eines der wenigen Länder, welches über ein offizielles Schuldenumwandlungsprogramm verfügt. Dieses erlaubt es der Regierung, jährlich auf Forderungen in Höhe von bis zu 150 Millionen Euro zu verzichten. Eine schriftliche sowie eine mündliche Anfrage des entwicklungspolitischen Sprechers der Grünen, Uwe Kekeritz, aus dem letzten Jahr brachte zutage, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung diese Möglichkeiten in den letzten fünf Jahren bei weitem nicht ausgeschöpft hat: Im Zeitraum von 2015 bis 2020 wäre die Umwandlung von 900 Millionen Euro möglich gewesen – verbindlich umgeschuldet wurden jedoch nur 124 Millionen Euro.

Im April 2021 forderten die Grünen die Bundesregierung in einem weiteren Antrag auf, Klimaziele und Entwicklungspolitik konsequent aufeinander auszurichten und zu diesem Zweck auch Schuldenumwandlungen im größeren Umfang zu gewähren. Die rechtliche Grundlage ist mit der Schuldenumwandlungsfazilität dafür bereits gegeben und müsste von einer engagierten Regierung lediglich genutzt werden. Die Fraktion der Grünen sprach sich im letztgenannten Antrag außerdem für ein verbindliches Schuldenmoratorium in Reaktion auf Naturkatastrophen aus, wie es von erlassjahr.de seit langem gefordert wird.

Ausblick

Es bleibt zu hoffen, dass die Grünen, falls sie an der nächsten Regierung beteiligt sein sollten, ihre ambitionierten Ziele und insbesondere die konkreten Umsetzungsschritte nicht vergessen. Die bisherigen Zeichen deuten jedoch darauf hin, dass eine Regierungsbeteiligung der Grünen eine deutlich ambitioniertere, solidarischere Politik hervorbringen könnte – die im Hinblick auf die akute Schuldenkrise im Globalen Süden auch dringend nötig wäre. Der deutsche G7-Vorsitz im Jahr 2022 bietet sich an, um in diesem Gebiet pro-aktiv und koordiniert mit anderen Regierungen voranzuschreiten.

 

Die Formulierung im Wortlaut

„Viele Länder des globalen Südens befinden sich in einer Schuldenkrise. Das derzeitige Schuldendienstmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen solide Schuldenrestrukturierungen und auch Schuldenerlasse, die Ländern Luft für eine nachhaltige Entwicklung verschaffen. Um für künftige Überschuldungskrisen vorzusorgen, setzen wir uns für ein bei den Vereinten Nationen angesiedeltes, transparentes und unabhängiges Schuldenrestrukturierungsverfahren für Staaten ein. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an einem solchen Verfahren teilzunehmen, damit Entschuldungen nicht mehr blockiert werden können und so etwa Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Solange eine internationale Lösung nicht durchsetzbar ist, müssen Deutschland und andere Regierungen mit koordinierter Gesetzgebung den Anfang machen. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten Staaten im globalen Süden weitere Handlungsspielräume für sozial- ökologische Transformationsprozesse ermöglichen, etwa um ihre Gesundheits- Bildungs- und Sozialsysteme zu verbessen.“

Auszug aus dem vorläufig verabschiedeten Wahlprogramm von Bündnis 90/die Grünen zur Bundestagswahl 2021, im Kapitel 6 „International zusammenarbeiten“, im Abschnitt „Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung“, unter dem Titel „Entwicklung ermöglichen, Schuldenkrisen lösen.“

 

Zum Vergleich: Die Formulierung im Wortlaut im Programmentwurf vom 19.3.2021

„Viele Entwicklungsländer sind überschuldet. Beispielsweise gibt Pakistan 40 Prozent seines Etats für den Schuldendienst, aber nur 2 Prozent für Gesundheit aus. Das derzeitige Schuldenmoratorium ist richtig, verschiebt das Problem aber in die Zukunft. Wir brauchen einen echten Schuldenerlass. Dafür muss ein international transparentes und unabhängiges Staateninsolvenzverfahren für die Länder geschaffen werden, die nicht in ihrer eigenen Währung verschuldet sind. Private Gläubiger müssen rechtlich dazu verpflichtet werden, an einem Insolvenzverfahren teilzunehmen. So können wir den Zustand beenden, dass einzelne Gläubiger eine Entschuldung blockieren, und verhindern, dass einzelne private Gläubiger wie Geierfonds auf Kosten anderer profitieren. Damit wollen wir den zu hoch verschuldeten Staaten im globalen Süden auch ermöglichen, ihre Gesundheitssysteme zu verbessen, sie für alle zugänglich zu machen sowie Ansätze zum Schutz von Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene voranzutreiben. Schuldenerlasse und -umwandlungen soll es für Maßnahmen im Gesundheitsbereich sowie im Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise geben. Zudem werden wir uns für ein langfristiges globales Corona-Hilfspaket für strukturschwache Länder, Krisenregionen sowie Flüchtlingslager engagieren.“

Auszug aus dem Wahlprogrammentwurf von Bündnis 90/die Grünen zur Bundestagswahl 2021, im Kapitel „International zusammenarbeiten“, im Abschnitt „Wir streiten für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung“, unter dem Titel „Entwicklung ermöglichen, Schulden streichen.“

 

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