Studientag Klima und Schulden

Avatar photo Patrick Jedamzik, erlassjahr.de
8. März 2008

Donnerstag hieß es früh aufstehen, denn um kurz nach sieben fuhr meine Bahn nach Hannover. Nicht zur CeBIT, wie viele meiner Mitreisenden im ICE und man darum Glück haben musste noch eine Reservierung zu bekommen, sondern zum Studientag „Schulden und Klima” von erlassjahr. Nach der Mitträgerversammlung im Oktober letzten Jahres bei der Barbara Unmüßig das Klimathema sehr stark betont hatte, wurde nun eine Veranstaltung des Entschuldungsbündnis durchgeführt, um die Schnittpunkte zwischen Klimawandel und Schuldenproblematik herauszukristallisieren. Und – soviel sei bereits vorweg genommen – ich denke dies ist auch gut gelungen.

Als Gäste und fachkundige Referenten wurden wir am morgen von Anika Schroeder von Misereor und Stefan Rostock von GermanWatch in die Grundlagen der aktuellen Klimadebatte eingeführt, was von Irene Knocke von Südwind und Jürgen Kaiser aus dem erlassjahr Büro noch um einige schuldenspezifische Fakten und Diskussionspunkte erweitert wurde. Ohne jetzt auch nur annähernd einen Überblick über die für uns entscheidenden Hintergründe der Klimaproblematik geben zu können, seien einige Eckpfeiler genannt:

Es ist zum einen eindeutig festzustellen, dass es eine große Diskrepanz zwischen den Hauptverursachern und den Hauptleittragenden eines Klimawandels gibt. In einer schönen Karte, bei der die europäischen, nordamerikanischen und andere Industriestaaten neben einigen andern Ländern als Hauptverschmutzer markiert waren, konnte man auch die Leittragenden in warnenden Rot sehen: in Afrika, Lateinamerika und Südostasien.

Interessant ist auch die Kennziffer der jährlichen Kosten, die für Anpassungsprogramme an den Klimawandel in Entwicklungsländern anfallen: ca. 50 Milliarden Dollar müssten aufgewendet werden, um die bedrohten Länder auf die Folgen vorzubereiten. Es ist fast unnötig aber dennoch erforderlich darauf hinzuweisen, dass die große Menge an Funds, die dafür inzwischen gegründet wurden, in Gänze unterfinanziert sind und nicht annähernd diese Summe erreichen.

Bei den Impulsen von Irene und Jürgen und den folgenden Diskussionen in großer und kleiner Runde wurden dann schließlich einige Schnittpunkte und Verbindungen offenbar, die sicher in den kommenden Wochen in verschiedenen erlassjahr Ebenen weiter ausgearbeitet und diskutiert werden müssen.

Ein und das offensichlichste Beispiel sind sicher die Belastbarkeitsgrenzen für Schuldenrückzahlungen, bei denen bisher selbst die Millenium Development Goals, bzw. deren Umsetzbarkeit keine Rolle spielten. Noch weniger werden von der Weltbank oder Pariser Club demnach Kosten zur Anpassung an den Klimawandel berücksichtigt. Also einfach ausgedrückt: Die Länder müssen soviele Schulden zurückzahlen, dass es weder für eine nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung reicht, noch für die – wie bekannt von Industrienationen und damit den Gläubigern verursachten – Folgen des Klimawandels.

Neben dieser Frage, die nun in einer von einer schulden- und einer klimaspezialisierten Organisation gemeinsam erstellten Studie weiter erörtert werden soll und damit auch Fallstudien der Klimakosten für einzelne Staaten berechnen soll, wurde aber auch Schuldenumwandlung für den Klimawandel ausführlich diskutiert. Und dies auf zwei Formen:

Zum einen wurde das Konzept von dept-sweps aufgegriffen, nach dem die Schulden erlassen werden sollen, wenn der Schuldnerstaat in entsprechend gleicher Höhe ein soziales oder eben ökologisches Projekt durchführt. Also pauschal gesagt: das Land Y schuldet der Bundesrepublik noch 2 Millionen Euro aus einem Entwicklungsprojekt. Anstatt nun darauf zu bestehen, dass dieses den Betrag komplett zurückzahlt, kann das Land beispielsweise ein Projekt zur Bildung oder ähnliches initiieren und die 2 Millionen Euro so intern verwenden. Diese Idee kann nach unserer Ansicht zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein bedeuten, was Folgekosten des Klimawandels angeht (momentan sind für solche Projekte rund 150 Millionen Euro im Bundeshaushalt eingeplant), aber dennoch wäre eine Erhöhung zu fordern, um alternative Wege der Finanzierung zu finden.

Und noch ein zweites Modell ist anhand eines aktuellen Beispiels diskutiert worden: Der Erlass von Schulden oder die Schuldenumwandlung als Kompensation für entgangene Einnahmen. Was kompliziert klingt ist relativ einfach erklärt am Beispiel des ITT Gebiets in Ecuador. Hier wurde Erdöl gefunden, welches über die nächsten 20 Jahre rund 700 Millionen Dollar in die Kassen des lateinamerikanischen Staates spülen würde. Anstatt aber die Bohrer sofort anrollen zu lassen, hat Ecuador angeboten auf den Abbau zu verzichten, wenn es als Entschädigung von der Staatengemeinschaft 350 Millionen bekommen würde – immerhin handelt es sich um ein ökologisch sehr wertvolles Gebiet. Um zu verhindern, dass man zunächst das Geld kassiert und dann doch bohrt, soll dies in Form von Bonds geschehen, also der „Investor” kauft jährlich Anteile und dafür wird nicht gebaut. Einlösen kann man diese Bonds allerdings nicht, bis doch gebohrt werden sollte. Theoretisch relativ sicher, aber dennoch ist sicher einige Diskussion notwendig, bevor man eine Aktion dazu im Sommer durchführt. Viel Zeit bleibt indes nicht, denn im Oktober läuft die Frist ab. Sind bis dahin die entsprechenden Zusagen nicht eingegangen, wird das Gebiet abgebaut.

Nun ja, wie man sieht sind einige Themen dort besprochen worden und Kooperationen zwischen der Klima-Allianz und erlassjahr.de scheinen damit näher gerückt zu sein. Bestimmte Folgen und Aspekte des Klimawandels lassen sich durch die Schuldenthematik sicher anders auffassen und gleichzeitig hat der Klimawandel wie man am Begriff der Schuldentragfähigkeit sieht auch seinen Einfluss auf die Schuldenproblematik. Als ich jedenfalls um halb sechs wieder meinen (verspäteten) ICE gen Heimat betrat hatte ich auch aus Gesprächen mit anderen Teilnehmern den Eindruck, wieder etwas dazu gelernt und neue Verbindungen erkannt zu haben.

3 Kommentare zu “Studientag Klima und Schulden

  1. Eine interessante Fragestellung in diesem Kontext ist auch die einer fairen Lastenteilung zwischen Nord und Süd hinsichtlich der Klimaschutzverpflichtungen. Denn nur wenn die absehbaren Kosten des Klimaschutzes nicht auf den Süden abgewälzt werden, werden dort die Schuldenlasten nicht weiter steigen.
    Wir haben dazu ein Konzept veröffentlicht, das immer weitere Unterstützung bekommen, von Entwicklungs- und Umweltorganisationen: Das Greenhouse Development Rights Framework. Es möchte das Recht auf Entwicklung auch in Zeiten der Klimakrise wahren.
    Siehe http://www.boell.de/GDRs und http://www.klima-der-gerechtigkeit.de/das-recht-auf-entwicklung-in-zeiten-der-klimakrise-2/

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