Guinea-Bissau

Hat Guinea-Bissau ein Schuldenproblem?

Die Auslandsverschuldung Guinea-Bissaus steigt sowohl absolut sowie auch relativ zur Wirtschaftsleistung. Außerdem lässt sich ein Anstieg des Schuldendienstes beobachten.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)67,840
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)917,7150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)38,615
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)78,550
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)406,0200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)1,12 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)46,8 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Guinea-Bissau?

Erklärung der Schuldenkategorien
 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Alle Auslandsschulden des Landes bestehen von Seiten des Staates oder werden von ihm garantiert. Dabei entfallen gut zwei Drittel auf öffentliche Gläubiger, zum Großteil auf multilaterale Gläubiger. Das letzte Drittel der öffentlichen Auslandsschulden entfällt auf private Anleihezeichner.

Der größte Teil der bilateralen Kredite wurde zu Marktkonditionen vergeben und auch ein erstaunlich hoher Anteil der multilateralen Kredite, nämlich der Westafrikanischen Entwicklungsbank (WADB). Der größte multilaterale konzessionäre Kreditgeber ist die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association, IDA), eine Unterorganisation der Weltbank-Gruppe.

Die meisten Schulden bei bilateralen öffentlichen Gläubigern fallen auf Öl-Lieferanten, darunter Angola, Saudi-Arabien und Libyen. Kuwait ist der einzige bilaterale öffentliche Kreditgeber, der Kredite zu Entwicklungshilfe-Konditionen vergeben hat. Deutschland hält seit der Entschuldung unter der Initiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) keine Forderungen mehr an Guinea-Bissau. Auch China ist dort nicht als Kreditgeber aktiv. Zahlungsrückstände bestehen gegenüber Angola und Pakistan sowie gegenüber den Anleihezeichnern.

Trend

Seit der Entschuldung im Jahr 2010 durch die HIPC-Initiative und ihre Ausweitung auf multilaterale Gläubiger hat sich der gesamte Auslandsschuldenstand von einem niedrigen Niveau aus wieder mehr als vervierfacht. Alle Indikatoren liegen inzwischen in einem kritischen Bereich. Dazu beigetragen hat vor allem die nicht-konzessionäre Kreditaufnahme bei der WADB. Dadurch hat sich nicht nur der Schuldenstand, sondern auch der laufende jährliche Schuldendienst vervielfacht.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Guinea-Bissau

Zwischen 1987 und 2011 hat Guinea-Bissau sieben Mal im sogenannten Pariser Club mit seinen öffentlichen Gläubigern verhandelt, wobei beim ersten Mal überhaupt keine Schuldenerleichterungen gewährt wurden. Bis zur weitgehenden Streichung der Forderungen der Mitgliedsstaaten des Pariser Clubs 2011 wurden die Erlasse nur schrittweise ausgeweitet. In zwei Schuldenstreichungen 2010 und 2011 wurden die Schulden im Rahmen der HIPC-Initiative von 614 Prozent auf 95 Prozent der jährlichen Exporteinnahmen reduziert und die verbleibende Schuld zinsgünstig gestreckt.

Im April 2020 qualifizierte sich Guinea-Bissau für die multilateralen Schuldenerleichterungen zur Unterstützung bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie: 8 Millionen US-Dollar, die 2020 noch an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig geworden wären, wurden vollständig von der Entschuldungsfazilität des IWF (Catastrophe Containment and Relief Trust, CCRT) übernommen und brauchen folglich von Guinea-Bissau nicht gezahlt zu werden.

2021 kam Guinea-Bissau auch in den Genuss der Moratoriumsinitiative der G20 (Debt Service Suspension Initiative, DSSI). Betroffen sind davon jedoch nur laufende Zahlungen gegenüber den G20-Mitgliedern Indien und Saudi-Arabien im Umfang von 6,8 Millionen US-Dollar. Allerdings wird dieser Betrag nicht erlassen, sondern muss verzinst zwischen 2023 und 2027 in fünf gleich großen Raten nachgezahlt werden.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Der IWF sieht bei Guinea-Bissau ein „hohes“ Überschuldungsrisiko. Das heißt, er sieht das Land bereits unter dem von ihm für wahrscheinlich gehaltenen Basisszenario als insolvenzgefährdet an.

2016 hat der IWF kurzzeitig die Auszahlungen an Guinea-Bissau eingestellt, nachdem die Regierung zwei private Banken mit öffentlichen Mitteln vor der Pleite gerettet hatte. Der IWF kritisierte, durch die Operation würden nur reiche Guinea-Bissauer*innen sowie ausländische Investoren begünstigt, und zwang die Regierung, die Rettungsoperation rückgängig zu machen. Guinea-Bissaus öffentlicher Haushalt ist zu einem Drittel von ausländischen Finanzierungen abhängig.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Schuldenstand Guinea-Bissaus absolut und relativ zur Wirtschaftsleistung deutlich angestiegen ist. Dazu kommt, dass das relative Gewicht von nicht-konzessionären Schulden deutlich zugenommen hat.

Politische Empfehlungen

Wegen der Gläubigerstruktur braucht Guinea-Bissau im Restrukturierungsfall eine Lösung, die über die bisher von den G20 und dem Pariser Club angebotenen Regelungen hinausgeht.

Stand: April 2023

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