Neue GIZ-Studie: Gesetzgebung muss Beteiligung privater Gläubiger bei Schuldenrestrukturierungen im Globalen Süden sicherstellen

(Düsseldorf, 06. Mai 2024) Anlässlich der am vergangenen Freitag veröffentlichten Studie „Statutory and Policy Measures to Enhance Private Sector Participation in Sovereign Debt Restructuring“ fordert das deutsche Entschuldungsbündnis erlassjahr.de zügige Umsetzungsmaßnahmen der Bundesregierung. Die Studie zeigt, dass die Schaffung eines Safe-Harbour-Gesetzes die effizienteste Maßnahme ist, um die Beteiligung privater Gläubiger an Schuldenrestrukturierungen von Ländern im Globalen Süden sicherzustellen.

Dazu erklärt Malina Stutz, Politische Referentin bei erlassjahr.de: „Die gleichwertige Beteiligung privater Gläubiger an Schuldenrestrukturierungen ist eine der größten Herausforderungen, wenn es darum geht, Schuldenkrisen von Ländern im Globalen Süden zeitnah und fair zu lösen. Dass private Gläubiger in der Vergangenheit gegenüber öffentlichen Gläubigern bevorteilt behandelt und private Gewinne dadurch letztlich durch öffentliche Gelder subventioniert wurden, wurde bereits mehrfach – unter anderem in Studien der Weltbank – gezeigt.“ 

Zuletzt hatte auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze am 9. April in einer Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung des Schuldenreport 2024 von erlassjahr.de und Misereor darauf verwiesen, dass die Bundesregierung verschiedene Möglichkeiten prüfe, wie es am besten gelingen könne, private Gläubiger in die Pflicht zu nehmen. 

In der nun veröffentlichten Studie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) heißt es: 

„Die zögerliche und bruchstückhafte Beteiligung des Privatsektors zählt seit drei Jahrzehnten zu den zentralen Hindernissen für die effiziente und nachhaltige Restrukturierung ausländischer Staatsschulden. (…) Die gesetzliche Begrenzung zivilprozessualer Durchsetzungsmöglichkeiten für ausländische Staatsschulden in Restrukturierungsfällen kann die vergleichbare Behandlung aller Gläubigergruppen im Geltungsbereich des Grundgesetzes weitgehend sicherstellen. Es handelt sich um die effizienteste staatliche Maßnahme, um die Beteiligung privater Gläubiger zu verbessern (…).“

Malina Stutz kommentiert: „Eine solche gesetzliche Regelung beschränkt den Betrag, den private Gläubiger auf dem Rechtsweg einklagen und vollstrecken können, auf den Umfang, der in internationalen Schuldenrestrukturierungen vereinbart wurde. Dadurch wird unkooperativen Gläubigern die Möglichkeit genommen, internationale Verhandlungen auf dem Rechtsweg zu unterlaufen.“ Und weiter: „Die Verabschiedung eines solchen ‚Safe-Harbour‘-Gesetzes ist dringend notwendig. Es ist nicht akzeptabel, dass die Gewinne privater Gläubiger weiter durch öffentliche Gelder subventioniert werden. Das zeigt sich etwa im aktuellen Restrukturierungsprozess von Sri Lanka: Dort hat sich ein privater Gläubiger den Verhandlungen direkt entzogen und versucht nun, seine Forderungen über den Rechtsweg einzuklagen. Darüber hinaus zeigt sich aktuell auch in Ländern wie Sambia oder Suriname, dass die Weigerung privater Gläubiger, Schuldenerleichterungen zu gewähren, den Abschluss von Schuldenrestrukturierungen erschwert und verzögert. Dies hat unmittelbare Folgen für die Sozialsysteme in Ländern des Globalen Südens und geschieht damit auf Kosten der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen in diesen Ländern.“ 

Die Studie kommt zu dem Schluss:  

Ein deutsches Safe-Harbour-Gesetz ist auch am besten geeignet, um das im Koalitionsvertrag vom 24. November 2021 vereinbarte Ziel eines regelbasierten Systems zur Schuldenerleichterung für besonders betroffene Ländergruppen unter Einbeziehung aller relevanten Gläubiger zu fördern.“

Dazu Malina Stutz: „Nicht nur im Koalitionsvertrag hat sich die Regierung diese Selbstverpflichtung gesetzt. Die Sicherstellung der gleichwertigen Beteiligung privater Gläubiger an Schuldenstreichungen hatten alle drei Regierungsparteien bereits 2021 in ihren Wahlprogrammen als Priorität formuliert. Das gibt Hoffnung, dass die Ampel zumindest bei diesem Thema einig ist. Nachdem die Studie rechtliche Bedenken aus dem Weg geräumt hat, sollte sich die Bundesregierung nun unverzüglich daran machen, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auf den Weg zu bringen und damit ihren Auftrag aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen. Dabei kann sie auch von der Erfahrung anderer Länder wie etwa Großbritannien lernen, wo in der Vergangenheit bereits vergleichbare Gesetze verabschiedet wurden.“ 

Weitere Informationen:

Das deutsche Entschuldungsbündnis „erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung e. V.“ setzt sich dafür ein, dass den Lebensbedingungen von Menschen in verschuldeten Ländern mehr Bedeutung beigemessen wird als der Rückzahlung von Staatsschulden. erlassjahr.de wird von mehr als 500 Organisationen aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft bundesweit getragen und ist eingebunden in ein weltweites Netzwerk nationaler und regionaler Entschuldungsinitiativen. 

Kontakt für die Presse:                                        

Malina Stutz
Politische Referentin bei erlassjahr.de
E-Mail: m.stutz@erlassjahr.de
Tel: 0211 / 46 93 217
www.erlassjahr.de