“Mit Schulden fair verfahren!” – Unsere Forderungen

Im Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2021 bis 2025 haben sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP auf S. 121 auf folgenden Wortlaut geeinigt:

“Wir unterstützen eine Initiative für ein kodifiziertes internationales Staateninsolvenzverfahren, das alle Gläubiger miteinbezieht und Schuldenerleichterungen für besonders gefährdete Ländergruppen umsetzt.”

Wie kann dieses Ziel erreicht werden?

Unsere unten aufgeführten Forderungen an die Bundesregierung im Rahmen der Kampagne “Mit Schulden fair verfahren! Koalitionsvertrag umsetzen. Staateninsolvenzverfahren schaffen.” zeigen einen Weg.

Das noch ausführlichere Papier “Reformvorschläge zur Umsetzung des Auftrags im Koalitionsvertrag 2021-2025 zur Unterstützung eines Staateninsolvenzverfahrens “, das wir im August 2023 an die zuständigen Ministerien geschickt haben, findet ihr hier auf Deutsch und hier auf Englisch.

Forderung 1: Ausreichend umfassende Schuldenerlasse für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung ermöglichen.

Die Geschichte von Schuldenkrisen ist geprägt davon, dass sich deren Lösung wegen zu geringer und zu später Schuldenerlasse immer wieder verzögert – auf Kosten der Bürger*innen im Schuldnerland sowie der Steuerzahler*innen im Gläubigerland. Das hat damit zu tun, dass Gläubiger häufig nicht oder nur in geringem Maße dazu bereit sind, auf Forderungen zu verzichten. Es sind die Gläubiger selbst – und nicht etwa eine unabhängige Instanz wie im Insolvenzverfahren für überschuldete Privatpersonen –, die über die Notwendigkeit und den Umfang von Schuldenerlassen entscheiden. Dadurch erhält die Zumutbarkeit des Schuldenerlasses für die Gläubiger Vorrang vor der Überlegung, was der Schuldner benötigt, um nachhaltig wieder auf die Beine zu kommen. So werden Schuldenerlasse oft mithilfe von optimistischen Schuldentragfähigkeitsanalysen des Internationalen Währungsfonds (IWF) kleingerechnet und die Kosten der Krisenbewältigung durch Austeritätsprogramme auf die Bevölkerung des Schuldnerlandes abgewälzt. Hinzu kommt, dass sich Schuldnerregierungen scheuen, frühzeitig Schuldenerlassverhandlungen aufzunehmen – nicht zuletzt wegen geringer Aussichten auf rasche und ausreichend umfangreiche Schuldenerlasse. Dies verzögert die rasche Lösung von Schuldenkrisen im Interesse aller Akteure zusätzlich.

Regeln, die dem Gläubiger so viel Macht zur Durchsetzung der eigenen Interessen geben, stehen entgegen dem zentralen Ziel eines rechtsstaatlichen Insolvenzverfahrens, die Handlungsfähigkeit des Schuldners unter Beachtung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bevölkerung und nicht zuletzt auch im Interesse der verbliebenen Gläubigeransprüche wiederherzustellen.

  • Sich dafür einsetzen, dass bei der Berechnung des Erlassbedarfs soziale und ökonomische Grundrechte der Bevölkerung kritisch verschuldeter Staaten und klimawandelbedingte Kosten und Risiken verbindlich berücksichtigt werden.
  • Sich dafür einsetzen, dass die Auswirkungen von wirtschaftlichen Anpassungsprogrammen auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Grundrechte der Menschen in den Schuldnerländern verpflichtend berücksichtigt werden.
  • Sich dafür einsetzen, dass die Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung und den benötigten Schuldenerlass realistisch sind und die Annahmen hinter Schuldentragfähigkeitsanalysen der Öffentlichkeit zur Überprüfung zugänglich gemacht werden.  
  • Sich dafür einsetzen, dass Rückzahlungsverpflichtungen automatisch nach unten angepasst werden, wenn sich die zugrundeliegenden Annahmen der Schuldentragfähigkeitsanalyse als zu optimistisch herausstellen.
  • Unter anderem in Fällen, in denen die Bundesregierung selbst Gläubiger ist, proaktiv einbringen, dass Informationen zum Schuldenerlassbedarf aus verschiedenen Quellen in die Verhandlungen einbezogen werden, nicht nur vom IWF.
  • Sich dafür einsetzen, dass ein IWF-Programm nicht als Bedingung formuliert wird, um Verhandlungen über Schuldenrestrukturierungen zu führen.
  • Sich dafür einsetzen, dass die Grundlage für die Entscheidung von Schuldenerlassen vorrangig der errechnete Schuldenerlassbedarf ist, nicht, wieviel Gläubiger bereit sind zuzugestehen.
  • Sich dafür einsetzen, dass eine unabhängige Schiedsstelle für den Konfliktfall eingerichtet wird und dafür finanzielle Mittel bereitstellen.

Restrukturierungsverhandlungen zu beschleunigen, ist der Bundesregierung ein Anliegen. Die Bundesregierung setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, dass man sich im Rahmen des Common Framework auf feste Zeitabläufe verständigt. Eine Schiedsstelle ist nicht vorgesehen – auch, wenn offen bleibt, was genau geschehen soll, wenn gesetzte Fristen etwa zur Bildung eines Gläubigerkomitees oder zur Einigung zwischen Schuldner und Gläubigern verstreichen und politische Konflikte zum Stillstand führen. Weder unabhängige Analysen zur Errechnung des Schuldenerlassbedarfs noch die Überprüfung, ob Austeritätsprogramme zur Verschlechterung der Lebenssituation von Menschen im Schuldnerland führen – und deshalb abzulehnen seien, bzw. die Lastenteilung zwischen Gläubiger (durch Schuldenerlasse) und Bürger*innen (durch Austerität) neu überdacht werden müsse – werden von der Bundesregierung als Reformschritte erwogen.

Vielmehr machen die öffentlichen Gläubiger inklusive der Bundesregierung ein IWF-Kreditprogramm zur unumgehbaren Bedingung für eigene Schuldenrestrukturierung. Dadurch entsteht ein quasi-rechtliches Monopol des IWF, den Erlassbedarf eines Landes zu berechnen. Die westlichen öffentlichen Gläubiger darunter die Bundesregierung halten an diesem Monopol fest und sind gleichzeitig die wichtigsten Anteilseigner des IWF, können dessen Analysen demnach am stärksten beeinflussen.

Grundsätzlich gibt es einen Konsens auch in der Bundesregierung, dass die Annahmen, die bei den Umschuldungsverhandlungen über die künftige wirtschaftliche Lage und Rückzahlungsfähigkeit des Schuldnerlandes realistisch sein müssen. Dies übersetzt sich bisher jedoch nicht in konkrete Handlungen, dem Problem entgegen zu wirken, dass die Analysen des IWF in der Vergangenheit systematisch zu optimistisch waren und der Bedarf an Schuldenerlassen dadurch regelmäßig klein gerechnet wird. In Bezug zur „Echtzeit“-Veröffentlichung der Annahmen und Analysen, die den Verhandlungen über Schuldenerlasse zugrunde liegen, ist die Position der Bundesregierung unklar. Der IWF kündigte an, dass Schuldentragfähigkeitsanalysen zu Beginn der Verhandlungen transparent gemacht werden sollen.

(Stand November 2023)

In allen bisherigen Länderfällen, die seit Ausbruch der COVID19-Pandemie über Schuldenrestrukturierungen verhandeln, zeigt sich das fortlaufende Problem von „too little too late“, also von Schuldenerlassen, die zu gering sind und deren Aushandlung zu lange dauern, um eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung im Schuldnerland zu ermöglichen.

Dies liegt auch daran, dass die Analysen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung weiterhin zu optimistisch ausfallen und der Erlassbedarf damit kleingerechnet wird. In Sri Lanka stellt der IWF in seiner Bewertung der Schuldentragfähigkeit sogar explizit fest, dass „selbst nach einem erfolgreichen Programm und einer Umschuldung [in dem Umfang, die der IWF als notwendig identifiziert hat] die Schuldenrisiken noch viele Jahre lang hoch bleiben werden“. Dennoch schlussfolgert der IWF daraus nicht, dass es umfassendere Schuldenerlasse braucht, sondern er fordert stattdessen umfassende Sparmaßnahmen von Sri Lanka, um die Schuldenindikatoren nach unten zu drücken. Dadurch wiederholt sich das Muster, dass die Kosten einer Krise (über Sparmaßnahmen) vor allem auf die Bevölkerung des Schuldnerlandes abgewälzt werden, während Gläubiger (in Form von Schuldenerlassen) nur einen geringen Anteil der Kosten der Krise tragen müssen. Da niemand in die Zukunft sehen kann, eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung und damit die Bestimmung des Erlassbedarfs naturgemäß ein gewisses Maß an Spekulation mit sich bringt, fordert erlassjahr.de u.a., dass Rückzahlungsverpflichtungen automatisch nach unten angepasst werden, wenn sich die zugrundeliegenden Annahmen der Schuldentragfähigkeitsanalyse als zu optimistisch herausstellen. Zu beobachten ist aktuell jedoch das Gegenteil: Statt einer automatischen Anpassung nach unten wird nun in den laufenden Umschuldungen eine automatische Anpassung nach oben – also zugunsten der Gläubiger – vereinbart. So etwa im Fall von Sambia: Sollte der IWF befinden, dass Sambia in Zukunft mehr Schulden tragen kann als erwartet, dann wird auch der aktuell beschlossene Schuldenerlass automatisch verringert. Damit sollen Altgläubiger an positiven Entwicklungen in der Zukunft partizipieren und ihre Verluste weiter verringern können.

Was sich vor allem zeigt, ist, dass Schuldnerländer ihren Gläubigern solche Zugeständnisse anbieten müssen, um sie überhaupt zur Beteiligung an Umschuldungen zu bewegen. Der IWF fordert zwar, dass solche Zugeständnisse nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden sollten, um in schwierigen Situationen zu einem Konsens zu kommen. In den aktuellen Umschuldungen innerhalb und außerhalb des G20 Common Framework ist es jedoch eher die Regel als die Ausnahme. 

Die Bundesregierung als Teil des Pariser Clubs setzt aktuell vor allem darauf, das Problem der zu langen Aushandlungsprozesse zu überwinden und insbesondere mit China in künftigen Verhandlungen schneller zu einem Ergebnis zu kommen. Dabei vernachlässigt sie jedoch das zweite Problem der zu geringen Erlasse bzw. nimmt in Kauf, dass der gewährte Erlass nicht ausreichen wird, um eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu ermöglichen. Für die Länder, die aktuell verhandeln, bedeutet das einen Teufelskreis aus unzureichenden Umschuldungen und Teilerlassen. 

Der Schutz der sozialen und ökonomischen Grundrechte von Menschen in kritisch verschuldeten Ländern im Globalen Süden stand im Zentrum des UN-SDG-Halbzeitgipfels in New York. Die Bundesregierung stellte dort ihre Schlüsselbeiträge zum Rettungsplan der SDGs vor. Keine der von erlassjahr.de hier genannten Vorschläge spielte eine Rolle. Eine kurze Bewertung der Schlüsselbeiträge im Bereich Staatsschuldenkrisen findet sich in unserer Pressemitteilung vom 18.09.2023.

Forderung 2: Alle Gläubiger verpflichten, sich an Schuldenerlassen zu beteiligen.

Aktuell gibt es kein umfassendes Verfahren, in dessen Rahmen ein in Schwierigkeiten geratenes Schuldnerland über all seine ausstehenden Schulden mit all seinen Gläubigern gemeinsam verhandeln kann. Stattdessen ist das System durch eine Vielzahl an Verfahren und Akteuren geprägt. Hat das Schuldnerland eine Einigung mit einem Teil seiner Gläubiger erzielt, gibt es aktuell keine Mechanismen, wie unkooperative Gläubiger verpflichtet werden könnten, sich ebenfalls an den Erlassen zu beteiligen.

Besonders problematisch ist in dieser Hinsicht, dass der Großteil der Forderungen von privaten Gläubigern wie Investmentbanken und Fonds oder von multilateralen Gläubigern wie der Weltbank oder dem IWF gehalten wird und dass China mittlerweile der wichtigste bilaterale öffentliche Gläubiger ist und relevante Forderungsanteile gegenüber einer Vielzahl an Ländern hält.  Alle drei Gläubiger(gruppen) weigern sich bisher, ausreichend umfassende Schuldenerlasse zu gewähren.

  • Den Druck auf unkooperative Gläubiger erhöhen: Schuldnerländer politisch und finanziell dabei unterstützen, Zahlungseinstellungen anzudrohen oder durchzusetzen.
  • Gesetzgeberisch tätig werden und unkooperativen privaten Gläubigern die rechtliche Durchsetzung ihrer Forderungen erschweren.
  • Sich für ähnliche Gesetze in anderen Ländern einsetzen.
  • Die UN-Prinzipien für Schuldenrestrukturierungen anerkennen, damit nationale Gerichte dieses heranziehen können.
  • Sich für den Einbezug multilateraler Gläubiger in Schuldenrestrukturierungen einsetzen.
  • Kooperativ mit China zusammenarbeiten und gleichzeitig auf ausreichend tiefe Schuldenerlasse bestehen, indem die Bundesregierung Schuldnerstaaten beispielsweise die Streichung der eigenen Forderungen und neue Finanzierungen unter der Bedingung anbietet, dass China entweder vergleichbare Zugeständnisse gewährt oder die Schuldnerstaaten ihre Rückzahlungen an China einstellen bis China vergleichbaren Zugeständnissen zustimmt.

Innerhalb der Bundesregierung herrscht grundsätzlich Einigkeit, dass die gleichwertige Beteiligung aller Gläubiger nicht gut funktioniert. Allerdings wird die Frage, wer denn genau das Problem sei, unterschiedlich gesehen.

China wird aus der deutschen Bundesregierung wiederholt dafür kritisiert, sich nicht ausreichend kooperativ an Schuldenrestrukturierungen zu beteiligen.

Bezüglich der Beteiligung privater Gläubiger gibt es aus der Bundesregierung unterschiedliche Stimmen. Einerseits wird die Notwendigkeit eines besseren Einbezugs des Privatsektors heruntergespielt – wie etwa in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken im Januar 2023. In dieser formuliert die Bundesregierung es als Pflicht der Schuldnerstaaten, die Beteiligung privater Gläubiger effektiv durchzusetzen. Andererseits hat das Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit bereits Ende 2022 eine Studie in Auftrag gegeben, um Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung zu identifizieren, um zu vermeiden, dass private Gläubiger Umschuldungen blockieren.

Beide Ministerien sehen keinen Handlungsbedarf bei der Einbeziehung multilateraler Gläubiger und halten den fragwürdigen Anspruch eines bevorzugten Gläubigerstatus dieser Institutionen aufrecht. Dies führt zu verhärteten Fronten zwischen China – das den Einbezug vehement fordert – und dem Pariser Club.

(Stand November 2023)

Einbezug unkooperativer Gläubiger

Öffentliche Gläubiger, inklusive der Bundesregierung und der IWF sind zunehmend bereit, sich der Gefahr eines sogenannten „Bailouts“ privater Gläubiger zu stellen und Schuldnerländern in den Verhandlungen mit unkooperativen privaten Gläubigern den Rücken zu stärken.

erlassjahr.de hatte in diesem Kontext die Bundesregierung dazu aufgefordert, Schuldnerländer darin zu unterstützen, Zahlungseinstellungen gegenüber unkooperativen Gläubigern anzudrohen und/oder aufrechtzuerhalten, um zu vermeiden, dass unkooperative Gläubiger die Lösung von Schuldenkrisen boykottieren. So haben wir u. a. vorgeschlagen, Schuldnerländern die Streichung der eigenen (deutschen) Forderungen in Aussicht sowie neue Finanzierungen unter der Bedingung zur Verfügung zu stellen, dass die übrigen Gläubiger entweder vergleichbar umfassende Erlasse gewähren oder Schuldnerstaaten die Rückzahlungen gegenüber diesen unkooperativenen Gläubigern eingestellt lassen.

Im Falle von Sri Lanka ist dies tatsächlich zum Teil passiert: Finanzierungszusagen von den westlichen Gläubigerstaaten des Pariser Clubs, darunter von Deutschland, die für den Abschluss eines IWF-Programms notwendig waren, wurden im Februar 2023 mit dem Hinweis zugesagt, dass Sri Lanka gegenüber unkooperativen Gläubigern, die nicht zu vergleichbaren Zugeständnissen bereit sind, in Zahlungsverzug bleibt.

Auch in einem Fortschrittsbericht zum sogenannten Global Sovereign Debt Roundtable erwähnt der IWF die Möglichkeit, dass Länder wie Sambia und Ghana gegenüber privaten Gläubigern im Verzug bleiben können, bis letztere einer vergleichbaren Behandlung zustimmen. So haben im Falle Sambias die öffentlichen Gläubiger – darunter Frankreich und China – das von den privaten Gläubigern Ende Oktober vorgelegte Umschuldungsangebot als unzureichend zurückgewiesen, da private Gläubiger gegenüber öffentlichen Gläubigern bevorteilt wären.

Auch fanden in aktuellen Umschuldungen Klauseln Anwendung, die verhindern könnten, dass ein Schuldnerland zu einem späteren Zeitpunkt andere, unkooperative Gläubiger vorteilhafter behandelt (sogenannte „clawback clauses“). Damit hätten kooperative Gläubiger Sicherheit, dass sie ihren eigenen Erlass auch dann gewähren können, wenn andere Gläubiger noch keine ausreichenden Zugeständnisse gemacht haben. Trotz der Bereitschaft von öffentlicher Seite, Mechanismen zur Erzwingung einer vergleichbaren Behandlung in die Diskussion zu bringen, ist unklar, ob auf dieser Basis auch tatsächlich neue (bilaterale) Finanzierungszusagen sowie die eigenen Schuldenerleichterungen trotz noch fehlender ausrechender Beteiligung unkooperativer Gläubiger gewährt wurden.

Zudem reicht dies für den Schutz des Schuldners nicht aus. So ist es privaten Gläubigern, die sich nicht an Schuldenerlassen beteiligen wollen, weiterhin möglich, vor nationalen Gerichten in Ländern des Globalen Nordens ihre Forderungen in vollem Umfang rechtlich einzuklagen. Auch dafür ist Sri Lanka ein gutes Beispiel: Zwar wurde das Land von seinen öffentlichen Gläubigern aufgefordert, die Rückzahlungen gegenüber unkooperativen privaten Gläubigern eingestellt zu lassen. Gleichzeitig wird der Inselstaat jedoch vor einem New Yorker Gericht zur Rückzahlung der vollen Summe von einem eben solchem unkooperativen privaten Gläubiger verklagt. In diesem speziellen Fall haben sich kürzlich Frankreich, Großbritannien und die USA selbst in den Gerichtsprozess zu Gunsten Sri Lankas eingemischt und damit eine Aussetzung des Prozesses bis Ende Februar 2024 bewirken können. Ausreichend Rechtssicherheit wurde dadurch jedoch weder für Sri Lanka noch für andere Schuldnerstaaten geschaffen, die zukünftig in eine ähnliche Situation geraten könnten.

Die Bundesregierung hat sich zumindest öffentlich, nicht in den Klageprozess Sri Lankas eingemischt. Ende 2022 hat das BMZ jedoch eine Studie in Auftrag gegeben, um Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung zu identifizieren, die vermeiden sollten, dass private Gläubiger Umschuldungen blockieren. In der Studie soll auch die Machbarkeit eines deutschen nationalen Anti-Holdout-Gesetzes erörtert werden. Die Ergebnisse der Studie sollen in den nächsten Wochen veröffentlicht werden.

Einbezug multilateraler Gläubiger

Multilaterale Gläubiger bleiben prinzipiell weiterhin von Schuldenrestrukturierungen ausgeschlossen. Hier bleibt der Pariser Club inklusive der Bundesregierung unverändert bei seiner Position. Die Volksrepublik China hat ihre Forderung nach fairer Lastenteilung durch alle Gläubiger inklusive multilateraler Gläubiger bei verschiedenen Gelegenheiten zwar wiederholt, im Falle Sambias allerdings nicht zur Bedingung gemacht.  Mittlerweile nehmen auch Länder des Globalen Südens die Forderung nach Einbezug von multilateralen Gläubigern in die faire Lastenteilung bei Schuldenrestrukturierungen auf. So äußerte sich etwa die Gruppe der Vulnerable20 am Rande der IWF- und Weltbank-Jahrestagung entsprechend.

Forderung 3: Transparenz als Gläubigerprinzip verbindlich durchsetzen.

Für die Öffentlichkeit und auch für andere Gläubiger ist es nicht möglich, alle Kreditgeber eines Landes zweifelsfrei zu identifizieren. Das gilt vor allem für die Kreditvergabe von privater Seite. So ist zum Beispiel die Identität von Anlegern nur in knapp einem Viertel der Fälle zuordenbar. Auch die Bedingungen der Kreditvergabe und damit die Kosten eines Kreditgeschäfts durch Zins, Tilgung, Gebühren und weiteren Vertragsbedingungen sind meist nicht transparent einsehbar. Das gleiche gilt für die Bedingungen von Umschuldungsvereinbarungen. So hält beispielsweise der Pariser Clubs seine Umschuldungsabkommen geheim, so dass Schuldnerländern wichtige Informationen zum Ablauf vergangener Umschuldungen fehlen, die für eigene Verhandlungen hilfreich sein können.

Freiwillige Transparenzinitiativen, etwa der OECD und des Institute of International Finance, haben bisher nicht dazu geführt, dass (private) Gläubiger Angaben zu ihrer Kreditvergabe zur Verfügung stellen. Dabei nützt Transparenz allen: Sie gibt den Kreditgebern mehr Sicherheit für eine verantwortliche Kreditvergabe, sie führt aufgrund besser kalkulierbarer Risiken zu niedrigeren Zinsen für das kreditnehmende Land und sie ermöglicht es Parlamenten und der Zivilgesellschaft, die Kreditvergabe und -aufnahme einer genauen Prüfung zu unterziehen, genauso wie den Vereinbarungen im Rahmen von Umschuldungsverhandlungen. In der Entwicklungszusammenarbeit erhält häufig der Ausbau von Kapazitäten des Schuldnerlandes für ein besseres, transparentes Schuldenmanagement ein besonderes Augenmerk. Auch wird der Schuldner bei fehlender Transparenz sanktioniert, etwa durch die Aufschiebung der Auszahlung von Kreditmitteln des IWF. Doch auch Gläubiger sind in der Pflicht. Transparenz muss endlich auch als Verantwortung der Gläubiger verbindlich festgeschrieben und durchgesetzt werden.

  • Mit gutem Beispiel vorangehen und an einer zentralen Stelle transparent über die eigenen Forderungen auf Basis einzelner Kreditverträge berichten.
  • Sich politisch und mit finanziellen Beiträgen für die Schaffung eines internationalen Schuldenregisters bei einer unabhängigen Institution einsetzen.
  • Dabei sich dafür einsetzen, dass die fehlende Transparenz auf Gläubigerseite sanktioniert wird, zum Beispiel indem nicht öffentlich gemachte Forderungen nicht mehr eingeklagt werden können.
  • Eigene Vereinbarungen über Schuldenrestrukturierungen der Öffentlichkeit zugänglich machen sowie darauf hinwirken, dass Umschuldungsabkommen des Pariser Clubs veröffentlicht werden.

Die Bundesregierung veröffentlicht einmal jährlich ihre bilateralen öffentlichen Forderungen aus der Entwicklungszusammenarbeit und Handelsgeschäften. Konditionen eigener Umschuldungsvereinbarungen werden nicht veröffentlicht. Die Schaffung eines verbindlichen, zentralen Datenregisters, wo also alle Daten an einem Ort gebündelt werden und Intransparenz sanktioniert wird, lehnt die Bundesregierung bislang ab. Weiterhin setzt die Bundesregierung in Bezug zu privaten Gläubigern auf die freiwillige Transparenzinitiative der OECD und des Institute of International Finance, auch wenn sich seit Einführung der Initiative vor mehr als zwei Jahren kaum ein privater Gläubiger beteiligt hat. Vor allem versucht die Bundesregierung durch Vereinbarungen im G20 Common Framework China zu mehr Schuldentransparenz zu verpflichten.

(Stand November 2023)

Zu diesem Themenbereich hat es keine nennenswerten neuen Entwicklungen gegeben.

Zwar hat die Bundesregierung beim UN-Halbzeitgipfel zur Agenda 2030 im September 2023 in New York als einen Schlüsselbeitrag zur Rettung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) die OECD-Transparenzinitiative benannt. Dies ist eine Initiative, die auch in den Abschlusskommuniqués der G20-Staaten regelmäßig hervorgehoben wird und in deren Rahmen private Gläubiger dazu aufgefordert werden, über ihre Kreditvergabe an einkommensschwache Staaten in einer öffentlichen Datenbank zu berichten. Damit die Initiative jedoch wirklich zu mehr Transparenz führt, müssten sich private Gläubiger auch tatsächlich an ihr beteiligen. Dies ist weiterhin jedoch mehrheitlich nicht der Fall – und das schon seit Jahren. Und da es sich um eine freiwillige Initiative handelt, mit der private Gläubiger also nicht verpflichtet, sondern nur freundlich aufgefordert werden, sich zu beteiligen, kann die geringe Beteiligung auch nicht verwundern.

Transparenz ist jedoch längst nicht nur ein Problem der Privatgläubiger: So hat die Öffentlichkeit in aktuellen Länderfällen wie Sambia und Sri Lanka tatsächlich einigermaßen guten Zugang zu Informationen über Vorschläge von privaten Kreditgebern – während der öffentliche Sektor (also die offiziellen Gläubigerkomitees der betroffenen Staaten, meist bestehend aus Pariser Club-Gläubigern und weiteren Staaten) Informationen über seine eigenen Vorschläge weiterhin gut unter Verschluss hält.

Forderung 4: Klimagerechtigkeit und faire Entschuldung zusammen denken.

Es ist ein Teufelskreis: Hohe Verschuldungsniveaus und der Druck, den hohen Schuldendienst an ausländische Gläubiger weiter zu bedienen, zwingen Staaten ihre Exporte zu maximieren. Häufig bedeutet das, die Förderung kurzfristig rentabler fossiler Energien fortzuführen und weiter auszubauen. So verschärft die Schuldenkrise die Klimakrise.

Auf der anderen Seite treibt auch die Klimakrise Staaten im Globalen Süden immer tiefer in die Verschuldung. Besonders klimagefährdete Staaten müssen schon heute höhere Zinssätze zahlen, um Kredite aus dem Ausland aufzunehmen. Öffentliche Zuschüsse oder günstige Kredite werden nur unzureichend zur Verfügung gestellt. Damit bleiben für die enormen Klimafinanzierungserfordernisse in besonders klimaverwundbaren Staaten hauptsächlich schuldengenerierende Mittel. Gleichzeitig nehmen Extremwetterereignisse durch den Klimawandel stark zu. In Folge der Zerstörungen durch Klimakatastrophen wird die Rückzahlung vormals aufgenommener Kredite für viele Staaten zum Problem. Zudem müssen sie zur Bewältigung der Folgen von solchen Katastrophen häufig zusätzliche Kredite aufnehmen, die die Schulden weiter in die Höhe treiben. 

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist es daher wichtig, Klimagerechtigkeit und faire Entschuldung zusammenzudenken und dabei die historische Verantwortung der Länder des Globalen Nordens für die Klimakatastrophe konsequent zu berücksichtigen. 

  • Sich dafür einsetzen, dass Kosten für Eindämmungs- und Anpassungsmaßnahmen in Schuldentragfähigkeitsanalysen berücksichtigt werden.
  • Kritisch verschuldeten Staaten, bei denen die Bundesregierung Gläubiger ist, nach Klimakatstrophen wie etwa Hurrikanen eine Aussetzung ihres Schuldendienstes ermöglichen, um unmittelbar Gelder für Nothilfe und Wiederaufbau freizusetzen.
  • Zahlungseinstellungen nach Naturkatastrophen politisch legitimieren.
  • Sich in internationalen Prozessen wie etwa den UN-Klimakonferenzen für die automatische Einsetzung von Schuldenmoratorien infolge von Klimakatastrophen einsetzen. Alle Gläubiger sollten in diese Moratorien einbezogen werden.
  • Vollstreckungsschutz in ein nationales Gesetze einbauen und andere dazu anregen.
  • Bei der Verabschiedung eines nationalen Gesetzes (siehe Forderung 2) die Klage- und Vollstreckungsmöglichkeiten auch infolge einer Naturkatastrophe für einen bestimmten Zeitraum vorübergehend unterbinden.
  •  Sich proaktiv damit befassen, wie Schuldenerlasse – über die Streichung untragbarer und illegitimer Schulden hinaus – eine Rolle bei der Kompensation von Schuldnerstaaten beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern spielen können.

Bislang denkt die Bundesregierung Schulden- und Klimagerechtigkeit noch nicht ausreichend zusammen. Die G7-Finanzminister*innen, zu denen auch der Bundesfinanzminister zählt, fordern im Mai 2023 in ihrem Communiqué des Finanzministergipfels “mehr Gläubiger” auf, Klimaresilizenzklauseln in Kreditverträge aufzunehmen, damit Länder im Falle einer Klimakatastrophe ihren Schuldendienst aussetzen können. Die Bundesregierung selbst beteiligt sich allerdings bislang nicht an diesem Commitment, welches sehr einfach umzusetzen ist.

Außenministerin Annalena Baerbock hat die Finanzierung der Bewältigung von Klimaschäden und -verlusten (der Bereich “Loss and Damage”) in den Mittelpunkt ihrer internationalen Klimapolitik gestellt. Schuldenerleichterungen als Finanzierungsinstrument von Loss and Damage spielen dabei bislang keine Rolle.

(Stand November 2023)

Laut Medienberichten hat die Bundesregierung Kenia im Kontext des Africa Climate Summit im September 2023 eine Schuldenumwandlung in Höhe von 60 Millionen US-Dollar angeboten, u. a. im Austausch für Investitionen in den Bereich erneuerbare Energien. In allen anderen von erlassjahr.de hier geforderten Punkten hat die Bundesregierung jedoch noch keine nennenswerten Schritte unternommen. 

Insbesondere von Schuldnerseite hat es in letzter Zeit jedoch verschiedene begrüßenswerte Aufrufe gegeben, die Bewältigung der Klimakrise und die Bewältigung von Schuldenproblemen zusammen zu denken: So forderten etwa die afrikanischen Regierungen beim Africa Climate Summit im September 2023 Klauseln in Kreditverträgen, um im Krisenfall Zahlungen aussetzen zu können, sowie einen 10-jährigen Aufschub der Zinszahlungen auf Auslandsschulden. Auch die 68 klimaverwundbaren Staaten, die sich in den Vulnerable20 organisieren, äußerten sich: Sie forderten u. a. die Einbeziehung von multilateralen Entwicklungsbanken in Schuldenrestrukturierungen

Die Weltbank wiederum kündigte im Juni 2023 am Rande des Pariser Finanzgipfels an, „Klimaresilienzklauseln“ einzuführen. Damit sollen Länder, die bestimmte Naturkatastrophen durchlaufen, automatisch ihren Schuldendienst an die Weltbank aussetzen können. Dies folgt den Forderungen der Schuldnerländer und könnte ein richtiger Schritt hin zur Bewältigung von Schäden und Verlusten nach Naturkatastrophen sein. Allerdings sind diese Klauseln bislang nur auf wenige Länder und wenige Katastrophenarten beschränkt. Zudem werden die Klauseln bislang nur in neuen Kreditverträgen aufgenommen und gelten nicht rückwirkend auf bestehende Verträge. Im Klartext bedeutet das, dass ein Land den Großteil seiner Rückzahlungsverpflichtungen im Falle einer Katastrophe trotzdem weiterhin an die Weltbank leisten muss, selbst wenn das Land in neuen Verträgen mit der Weltbank die neuen Klimaresilienzklauseln aufgenommen hat. Die Wirkung der Klimaresilienzklauseln ist damit bislang sehr begrenzt. Hier könnte und sollte die Bundesregierung als viertwichtigster Anteilseigner der Weltbank eine zentrale Rolle spielen, um die Initiative deutlich auszuweiten. 

Die Vulnerable20 forderten u. a. den IWF auf, solche Klauseln auch in seine Kreditvergabe aufzunehmen, bisher ist dies jedoch nicht geschehen. Auch die Bundesregierung ist diesen aus Sicht von erlassjahr.de sinnvollen Schritt noch nicht gegangen.

Forderung 5: Ein Staateninsolvenzverfahren auf die internationale Agenda setzen und die Rolle der Vereinten Nationen stärken.

Gäbe es ein internationales Insolvenzrecht und damit Entschuldungsverfahren, die nach rechtsstaatlichen Regeln funktionieren, gäbe es viele der Probleme, mit denen Schuldnerländer (und gutwillige Gläubiger) konfrontiert sind, nicht. Aus diesem Grund hat es immer wieder in der Geschichte Anläufe gegeben, ein solches internationales Insolvenzverfahren zu schaffen. Nur durch einen Prozess bei den Vereinten Nationen kann sichergestellt werden, dass die betroffenen Schuldnerländer ausreichend Gehör finden und in die Schaffung einer fairen globalen Finanzarchitektur angemessen einbezogen sind. 

Auch wenn es aktuell keinen internationalen Konsens für die Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens bei den Vereinten Nationen gibt, so muss das im Koalitionsvertrag verankerte Anliegen übergeordnete Leitlinie der deutschen Schuldenstrategie bleiben. Auch wenn Deutschland ein solches Verfahren nicht ganz allein einführen kann, so hat Bundesregierung in regionalen und internationalen Foren und Verhandlungen ein ernstzunehmendes Gewicht, dass sie für die weitere Meinungsbildung und Schaffung von Dynamik proaktiv einsetzen sollte.

  • Sich dafür einsetzen, dass die 4. Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung im Rahmen der Vollversammlung der Vereinten Nationen 2025 tatsächlich stattfindet und dass Reformen der internationalen Schuldenarchitektur prominent auf der Tagesordnung stehen.
  • Beim UN Summit of the Future im Spätsommer 2024, bei dem die Bundesregierung zusammen mit Namibia die Vorbereitung übernimmt, sicherstellen, dass dieser neue Prozess die etablierten UN-Prozesse, in denen über globale Strukturfragen des internationalen Schuldenmanagements beraten wird, nicht untergräbt, sondern stärkt und einen guten Boden für die Vierte Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung 2025 bereitet.
  • Die Bundesregierung sollte sich konstruktiv in bestehende UN-Prozesse wie den SDG-Halbzeitgipfel im September 2023 und den Financing for Development-Prozess einbringen.
  • Aktiv den Dialog mit Staaten und Staatengruppen suchen, die sich für faire und effiziente Entschuldungsverfahren einsetzen, und ihre Initiativen proaktiv aufgreifen.
  • Offenheit dafür zeigen, Vorschläge von anderen Institutionen als der G20, die einem kodifizierten Staateninsolvenzverfahren den Weg bereiten könnten, politisch und finanziell zu unterstützen. Dies gilt etwa für die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), die bereits 2015 Vorschläge für reformierte Restrukturierungsverfahren vorgelegt hat, die kein ausreichendes Gehör fanden.
  • Eine unabhängige und öffentlich zugängliche Evaluierung der bisherigen Schuldenrestrukturierungen unter dem Umschuldungsrahmenwerk Common Framework der G20 beauftragen.

In offiziellen Verlautbarungen der Bundesregierung heißt es, der Vorschlag eines kodifizierten Staateninsolvenzverfahrens auf internationaler Ebene sei – auch angesichts der veränderten Gläubigerstruktur – derzeit nicht zeitnah realisierbar. Daher konzentriere sich die Bundesregierung auf einer besseren Umsetzung des G20 Common Framework. Doch bei den von der Bundesregierung unterstützen Reformen, zur besseren Umsetzung des Common Framework, handelt es sich eher um kleinschrittige Reformen als um wirklich weitreichende Maßnahmen auf den Weg hin zu einem internationalen fairen und transparenten Staateninsolvenzverfahren.

Zeitweise wurde das G20 Common Framework in seiner heutigen Form von der Bundesregierung sogar mit einem Staateninsolvenzverfahren gleichgesetzt. Initiativen außerhalb der Umsetzung des G20 Common Framework würden das Rahmenwerk schwächen und seien daher nicht zu verfolgen. Dies gelte insbesondere für Initiativen im Rahmen der Vereinten Nationen. Grundsätzlich (und nicht erst seit dieser Legislaturperiode) gibt es bei den G7-Staaten inklusive Deutschland die Position, dass internationale Schuldenfragen nichts in den Vereinten Nationen zu suchen habe, sondern der Internationale Währungsfonds (und die G20) dafür am besten geeignet seien. Wir werden es im Auge behalten, ob sich diese Position mit Blick auf die anstehenden UN-Gipfel 2024 und 2025 ändert.

(Stand November 2023)

Die Position der Bundesregierung bleibt bestehen, bei der Reform von Entschuldungsverfahren sich auf die Umsetzung des G20 Common Framework zu konzentrieren und damit Initiativen außerhalb der Umsetzung des G20 Common Framework, vor allem im Kontext der Vereinten Nationen nicht zu verfolgen. Beim UN-SDG Summit im September 2023 hat die Bundesregierung entsprechend Maßnahmen im globalen Schuldenmanagement vorgestellt, die den Status Quo beibehalten. Allerdings ist Deutschland, anders als die USA (und seine Verbündeten in der sogenannten JUSCANZ-Gruppe), nicht negativ aufgefallen in Bezug dazu, Schuldenfragen gänzlich aus UN-Diskussionen herauszuhalten. So blockierten die USA Sprache zur Reform der internationalen Finanzarchitektur im Abschlussdokument des UN-SDG Summit mit dem Argument, dass solche Fragen alleinig etwa im Internationalen Währungsfonds zu behandeln seien. Soweit bekannt, beteiligte sich die EU an dieser Blockade nicht. Trotzdem kam es zu zentralen Abschwächungen im Abschlussdokument in Bezug zur Finanzarchitektur, etwa zur Frage der Governance-Reform der internationalen Finanzinstitutionen. Bei einem anderen zentralen Prozess zur Reform der internationalen Finanzarchitektur, der aktuell von Ländern des Globalen Südens in den Vereinten Nationen vorangetrieben wird und sich auf die Schaffung einer UN-Rahmenkonvention zur besseren Steuerkooperation bezieht, stellen sich jedoch vor allem die EU-Staaten quer. Durch den von den afrikanischen Staaten angestoßenen Prozess sollen Steuerfragen zukünftig stärker im inklusiven Rahmen der UN und nicht mehr primär in der OECD beraten werden, in der vor allem Länder des Globalen Nordens Mitglied sind. Insgesamt zeigt sich also, dass es von westlicher Seite weiterhin wenig Bereitschaft gibt, privilegierte Positionen zugunsten inklusiver multilateraler Strukturen aufzugeben. 


Deutschland bereitet weiterhin zusammen mit Namibia den UN Summit of the Future im September 2024 vor und ist insbesondere für die Aushandlung des sogenannten Pact of the Future verantwortlich. Der Entwurf liegt zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.