Alle relevanten Institutionen vom Internationalen Währungsfonds bis zu den wichtigsten weltwirtschaftlichen Denkfabriken warnen vor sich aufbauenden neuen Staatschuldenkrisen in Asien, Afrika, Lateinamerika sowie der europäischen Peripherie. Manche Länder sind bereits in einer Schuldenkrise.
Die achtziger Jahre waren ein verlorenes Entwicklungsjahrzehnt für viele Staaten im Globalen Süden, weil die Schuldenkrisen verschleppt wurden und bis zur Lösung viele Jahre vergingen. Es besteht eine große Gefahr, dass sich die verlorenen Entwicklungsjahrzehnte wiederholen und weiterhin Menschen aus Armut gezwungen sind ihr Land zu verlassen. Denn es gibt nach wie vor kein geordnetes Entschuldungsverfahren, um neue Schuldenkrisen zu bewältigen.
Im Juli 2017 trifft sich die Gruppe der 20 wirtschaftsstärksten Nationen der Welt (G20) in Deutschland, um über die Weltwirtschaft und globale Finanzstabilität zu diskutieren. Das Treffen ist eine große Chance, um die Bedingungen für faire Entschuldung zu schaffen.
Das wollen wir jedoch nicht dem Zufall überlassen! Wir fordern daher mit der Kampagne „Debt20: Entwicklung braucht Entschuldung – jetzt!“ die Bundesregierung auf, die Gefahr der neuen Schuldenkrisen im Globalen Süden wahrzunehmen und die Schaffung eines fairen Verfahrens zur Lösung von Schuldenkrisen auf den Weg zu bringen.
erlassjahr.de hat beim Finanzministertreffen in Baden-Baden und beim Gipfel in Hamburg den Stimmen der Debt20 Gehört verschafft.
Die Stimmen der Debt20
Die Entscheidungen, die die G20 zu Regeln der Weltwirtschaft und speziell Entschuldung miteinander treffen, beeinflussen auch die Lebensbedingungen von Menschen weltweit, deren Heimatländer keine Mitglieder der G20 sind. Daher möchten wir den Stimmen der Betroffenen Gehör bei den G20 und in der Öffentlichkeit verschaffen. Denn gerade sie haben etwas zu Auswirkungen, Hintergründen und Lösungen von Schuldenkrisen zu sagen!
Wer sind die Debt20?
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, unterstützen die Kampagne und fordern in einem gemeinsamen Geleitwort: “Lassen Sie uns solidarisch an der Seite der Menschen im Globalen Süden stehen und ihren Ruf nach globaler Gerechtigkeit verstärken!”
Die Forderung
erlassjahr.de fordert, dass die G20 die Stimmen der Betroffenen nicht weiter ignorieren! In ihren Gipfel-Beschlüssen sollen sie die sich aufbauenden neuen Schuldenkrisen im Globalen Süden als eine Gefahr für das Erreichen der vereinbarten globalen Entwicklungsziele anerkennen. Bislang haben es die G20 gekonnt vermieden, über Lösungen für Staatsschuldenkrisen zu sprechen. Doch die chinesische G20-Präsidentschaft hat 2016 den Anfang gemacht und die Notwendigkeit für geordnete Lösungen angesprochen.
erlassjahr.de fordert von den G20, dass sie die Schaffung eines umfassenden und rechtsstaatlichen internationalen Entschuldungsverfahrens bei ihrem Gipfel in Deutschland auf den Weg bringen.
Wer ist dabei?
Lade Karte …
Alle Debt20-Unterstützer als Liste Anfang der achtziger Jahre gerieten die meisten Länder der damals so genannten „Dritten Welt“ in den Sog der Schuldenkrise. Sie zahlten jahrelang mehr an ihre Gläubiger im Globalen Norden, als ihre Volkswirtschaften eigentlich aufbringen konnten, und finanzierten dies durch immer neue Kreditaufnahmen. Ein „verlorenes Entwicklungsjahrzehnt“ ohne Fortschritte bei der Verbesserung der vielerorts miserablen Lebensverhältnisse war die Folge. Wenn man sich die weltwirtschaftliche Situation ansieht, die damals zu dieser Katastrophe geführt hat, findet man vieles davon in den Jahren 2015 und 2016 wieder: Um die Krise in Europa zu bekämpfen flutet die Europäische Zentralbank derzeit die Finanzmärkte mit zinsfreien Krediten. Dieses Überangebot an Kapital führt dazu, dass Anleger mit konventionellen Anlagen in den Industrieländern fast kein Geld mehr verdienen. Entsprechend stark ist die Nachfrage nach Staatsanleihen ärmerer Länder, die noch immer Zinsen in Größenordnungen von 7 bis 15 Prozent anbieten. Dementsprechend groß ist auch die Versuchung für dortige Regierungen, Defizite nicht durch Einsparungen oder effizientere Mittelverwendung, sondern durch vergleichsweise billige Kreditaufnahme zu decken. Die Auslandsschulden aller Entwicklungs- und Schwellenländer steigen deshalb rasant: Von 3.665 Milliarden US-Dollar im Jahr 2010 auf 5.393 Milliarden US-Dollar zum Jahresbeginn 2015. Genau so entstand auch die Krise der achtziger Jahre: Die „Petrodollars“ nach der Ölkrise 1973 wurden in die westlichen Bankensysteme gepumpt, die Zinsen sanken und Anleger machten sich mit Koffern voll Geld auf den Weg zu den damaligen Diktatoren in Afrika und Lateinamerika. Nur wenige Staaten konnten seit den achtziger Jahren ihre Volkswirtschaften erfolgreich weiterentwickeln. Viele sind weiterhin von wenigen Exportprodukten – häufig mineralischen oder landwirtschaftlichen Rohstoffen – abhängig. Fallen dafür die Preise, zum Beispiel wegen der aktuellen Nachfrageschwäche in China, brechen Einnahmen weg und werden ihrerseits durch weitere Kreditaufnahmen ersetzt. Den gleichen Teufelskreis können Naturkatastrophen wie Dürren in Ostafrika oder Wirbelstürme in der Karibik auslösen. Trotz Bemühungen internationaler Organisationen sind in vielen Ländern Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit nicht vorangekommen. Die demokratischen Aufbrüche der neunziger Jahre sind in vielen Ländern stecken geblieben oder haben sich – wie in Ägypten oder Syrien nach dem Arabischen Frühling – sogar wieder in autoritäre Strukturen oder Schlimmeres verwandelt. Autoritäre Regierungen nehmen aber, wie seinerzeit die Kleptokraten in der Zeit des Kalten Krieges, gerne Kredite auf, um sich damit Loyalität zu kaufen oder ihren Unterdrückungsapparat aufrecht zu erhalten. Und viele westliche und östliche Geldgeber vertrauen darauf, dass die Rückzahlung ihrer Kredite nötigenfalls durch Repression oder das Aushungern der Bevölkerung sichergestellt wird. Auch wenn natürlich die Menschen in den verschuldeten Ländern am meisten unter einer Krise zu leiden haben: Wir sind genauso betroffen, wenn unsere eigenen Banken und Investmentfonds oder auch die Bundesregierung rücksichtslos Schulden in ärmeren Ländern eintreibt. Der Effekt kommt zurück wie ein Bumerang: Die Überausbeutung der natürlichen Ressourcen zur Aufbringung des Schuldendienstes bedroht die globale Umwelt und heizt den Klimawandel an. Menschen, denen ihre Lebensperspektiven genommen werden, suchen ihr Glück im Ausland und vorzugsweise in den Ländern, in die zuvor schon ihr Geld verschwunden ist. Wenn Staaten und Völker verarmen, heizt das soziale Konflikte an. Für aggressive Bewegungen sind perspektivlose Jugendliche ein reiches Rekrutierungsfeld. Und schließlich blühen Schwarzgeld- und Drogenökonomie, wenn Staaten unter dem Druck von Strukturanpassungsprogrammen ihre Banken und Finanzsysteme nicht mehr regulieren können. Die Finanzierung des Schuldendienstes von eigentlich insolventen Staaten ist das Geschäftsmodell des Internationalen Währungsfonds. Ende der achtziger Jahre waren mehr als vierzig Staaten zahlungsunfähig. Ihre Schulden wurden aber nicht gestrichen, sondern Weltbank und IWF stellten frisches Geld zur Verfügung, damit die Banken und Gläubigerregierungen im Globalen Norden weiter bezahlt werden konnten. Am Ende waren die Internationalen Finanzinstitutionen selbst die größten Gläubiger der ärmsten Länder und verlangten im Gegenzug für weitere Finanzierungen drastische Einsparungen zulasten der ärmsten Bevölkerungsschichten. Eine massive Verelendung in vielen Ländern war die Folge. Seither hat es mehrere kritische Evaluierungen dieser sogenannten Strukturanpassungsprogramme gegeben und allerlei Verbesserungen im Detail, aber keinen grundsätzlichen Politikwechsel. Im Gegenteil: Das gleiche Modell der Umverteilung von unten nach oben im Interesse des Schuldendienstes hat der IWF als Teil der Troika zu Beginn dieser Dekade auch in Griechenland angewandt – und damit die Krise in der europäischen Peripherie zur Katastrophe gemacht. Wie vor dreißig Jahren gibt es auch heute kein geordnetes Verfahren zur Überwindung von Staatspleiten. Ein Staat, der nicht mehr zahlen kann, muss mit allen seinen Gläubigern einzeln verhandeln: mit den Regierungen, die Geld für Handelsgeschäfte oder Entwicklungshilfe geliehen haben, im Gläubigerkartell des „Pariser Club“; mit den Banken im „Londoner Club“; mit den Eigentümern seiner Staatsanleihen einzeln und die gerade für die ärmeren Länder wichtigen multilateralen Gläubiger wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds verhandeln überhaupt nicht, sondern wollen unter allen Umständen Geld sehen. Es gibt kein rechtlich verankertes oder zumindest informell von Gläubigern und Schuldnern gemeinsam akzeptiertes unparteiisches Verfahren, welches eine schnelle und rechtsstaatliche Lösung hervorbringen könnte. Entsprechend lange ziehen sich die Verhandlungen hin: Der Senegal verhandelte vierzehnmal mit seinen Gläubigern im Pariser Club, bevor der größte Teil der untragbaren Schulden gestrichen wurde. Grenada war zuletzt fast zwei Jahre offiziell pleite, bevor eine halbherzige Lösung von einigen Gläubigern zugestanden wurde. „Wer nichts aus der Geschichte lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Warum sammeln wir Logos statt Einzelunterschriften? Sollen wir auch als Gemeinde unterschrieben, wenn unsere Landeskirche oder Diözese schon dabei ist? Wie kann ich die Aktion in meinen Gemeinderat/Vorstand einbringen? Darüber hinaus sind wir gerne bei der Zusammenstellung benötigter Informationen oder Unterlagen behilflich. Was passiert mit den Logos und verpflichten wir uns über die Präsentation der Logos hinaus? Über diese Präsentation der Logos hinaus gibt es keine Verpflichtungen für die Unterstützerorganisation. Auch werden die Logos in keinem anderen Kontext als der Debt20-Kampagne genutzt. Können auch Partner-Organisationen im Ausland mit ihrem Logo dabei sein? Meine Organisation unterstützt die Kampagne bereits. Was können wir darüber hinaus noch tun, um das Ziel der fairen Entschuldung zu unterstützen?
Hintergrund zu den Neuen Schuldenkrisen
Extrem niedrige Zinsen
Hohe Verwundbarkeit der Volkswirtschaften in vielen kreditnehmenden Ländern
Schlechte Regierungsführung
Schuldenbumerang
Die fatale Rolle der Internationalen Finanzinstitutionen
Kein Ausweg
G. Santayana, amerikanischer Philosoph, 1863-1952Fragen und Antworten zur Kampagne
Gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des