Zwei Bewegungen, eine Sache: Gewerkschafts- und Entschuldungsaktivist*innen für soziale Gerechtigkeit

Proteste am 28. August 2023 in der sri-lankischen Hauptstadt Colombo: Die Menschen wehren sich gegen die Kürzungen der Pensionsfonds durch die Inlandsumschuldung. Bild: Madhulika Gunawardena

Eine der gesellschaftlichen Gruppen, auf deren Rechte und Lebensstandards die Schuldenkrise in Ländern des Globalen Südens besonders großen Einfluss hat, sind Arbeitnehmer*innen. Oft müssen Regierungen, die gegen eine Schuldenkrise kämpfen, eine rigide Sparpolitik umsetzen. Diese wird entweder im Rahmen von sogenannten „Anpassungsprogrammen“, die Länder im Gegenzug für Notkredite umsetzen müssen, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verordnet. Oder sie entsteht dadurch, dass Regierungen versuchen, durch massive Einsparungen die Aufnahme von Schuldenrestrukturierungsverhandlungen zu vermeiden. Resultat daraus sind häufig sinkende Löhne, schlechtere oder eingeschränkte öffentliche Dienstleistungen oder fehlende Mittel für soziale Sicherheit.

Und auch wenn ein Land mit seinen Gläubigern über einen Schuldenerlass verhandelt, können Rechte von Arbeitnehmerinnen betroffen sein: wenn etwa Reformen zur Rationalisierung des öffentlichen Sektors umgesetzt, zur Restrukturierung von Inlandsschulden die Rentenfonds gekürzt oder Gesetze zur Einschränkung von Demonstrationsrechten eingeführt werden.

Beispiel Sri Lanka

Im April 2022 musste Sri Lanka die Zahlungen an seine ausländischen Gläubiger einstellen und die Verhandlung über einen Schuldenerlass aufnehmen. Obwohl es sich bei der Krise um eine reine Auslandsschuldenkrise handelt, machten die internationalen Anleihehalter Sri Lankas die Restrukturierung der Inlandsschulden zur Bedingung für weitere Verhandlungen. Im Inland hielten neben Banken und Unternehmen auch Pensionsfonds, in den Beschäftigte für ihre Rente einzahlen, Forderungen an den sri-lankischen Staat. Der Inlandsumschuldung fielen nun vor allem die Pensionsfonds zum Opfer: Nach Schätzungen von sri lankischen Expert*innen werden sie durch die Umschuldung die Hälfte ihres Wertes verlieren. Zu denjenigen, die in die Pensionsfonds eingezahlt hatten, gehören auch viele Frauen in der Bekleidungsindustrie oder Teepflücker*innen, deren Löhne sowieso schon unter der Armutsgrenze liegen.

Die Kosten der Krise wurden damit zugunsten der internationalen Anleihehalter auf die bearbeitende Bevölkerung abgewälzt.

Gewerkschaften positionieren sich

Gewerkschaften im Globalen Süden haben aufgrund dieser Entwicklungen verstärkt begonnen, sich zur fairen Lösung von Staatsschuldenkrisen zu positionieren. Im August 2023 fand im senegalesischen Dakar eine Konferenz für afrikanische Gewerkschaftsvertreter*innen statt, um sich für gewerkschaftliches Engagement zur Staatsverschuldung auf dem afrikanischen Kontinent zu vernetzen. Im November 2023 wurde eine Kampagne des regionalen afrikanischen Ablegers des Internationalen
Gewerkschaftsbundes zum Umgang mit Staatsverschuldung
vorgestellt. Sri-lankische Gewerkschaften nehmen eine „watch-dog“-Funktion im Hinblick auf die Umsetzung der IWF-Reformen
und Schuldenrestrukturierung in Sri Lanka ein; u. a. im März 2023 gab es öffentliche Proteste gegen die Kürzung von Rentenfonds. Im März 2024 protestierten mehrere tausend Arbeiter*innen in Lusaka, Sambia für faire Schuldenerlasse. Und im April 2024 erschien eine Studie des Internationalen Gewerkschaftsbundes zur globalen Staatsverschuldung, zu deren Auswirkung auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung und zur Rolle von Gewerkschaften (siehe Materialien unten). Sie fordert Gewerkschaften explizit auf, ihre gesellschaftliche Stimme zu dem Thema zu nutzen.

Bild: Proteste am 28. August 2023 in der sri-lankischen Hauptstadt Colombo: Die Menschen wehren sich gegen die Kürzungen der Pensionsfonds durch die Inlandsumschuldung. Copyright: Madhulika Gunawardena

Mitmachen

Wir möchten an diese Entwicklungen andocken und Gruppen in Deutschland, die sich für Arbeitnehmer*innenrechte einsetzen, verstärkt ansprechen – ob durch ein Vortragsangebot, durch erlassjahr.de-Cafés, Publikationen oder gemeinsame Vernetzung. Für 2025 planen wir einen Vortragsreise mit Gewerkschafter*innen aus kritisch verschuldeten Ländern.

Ihr habt Kontakte zu lokalen Gewerkschaftsinitiativen, kirchlichen Organisationen, die sich mit Arbeitnehmer*innenrechten befassen oder anderen Gruppen, für die das Thema relevant ist und die Interesse an einem Austausch haben könnten? Ihr wollt Schuldenkrisen und Arbeitnehmer*innen-Rechten bei euch thematisieren, durch einen Vortrag oder schriftlichen Beitrag organisieren? Dann meldet euch bei uns, wir sind dankbar für jeden Hinweis!

Telefon: 0211 /46 93 -196
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