Die Auslandsverschuldung in der neuen Verfassung Ecuadors

Avatar photo Testvorname Testnachname,
15. September 2008

Dieser Blogeintrag wurde von Corina Schulz verfasst. Sie ist ehemalige Praktikatin bei erlassjahr.de und derzeit in Ecuador bei unserer Partnerorganisation Jubileo Red Guayaquil tätig.:

Am 25. Juli 2008 wurde die neue Verfassung für Ecuador von der Asamblea Constituyente, der Verfassungsgebenden Versammlung, die seit November 2007 mit der Ausarbeitung des Textes betraut war, mit 94 von 130 Stimmen angenommen.

Der Verfassungsvorschlag beinhaltet eine Reihe von Neuerungen und Reformen in Bezug auf das Schuldenmanagement. Mit dieser Verfassung – so sie denn im am 28. September stattfindenden Referendum von der Bevölkerung angenommen wird, wofür die Chancen Umfrageergebnissen zufolge jedoch sehr gut stehen – betritt Ecuador Neuland, exisitert doch bislang keine Verfassung, die sich auf ähnlich detaillierte Weise mit dem Thema der Auslandsverschuldung befasst.

So beinhaltet der Verfassungsvorschlag zum Beispiel das Konzept der illegitimen Schulden. Artikel 290 Abs. 5 des Textes sieht vor, Schulden, die als illegitim eingestuft werden, anzufechten.

Des Weiteren wird durch die Verfassung eine Art permanente Auditoría etabliert, die alle Phasen der Verschuldung, von der Kreditaufnahme, über das Schuldenmanagement bis hin zu Neuverhandlungen kontrollieren und auf die soziale und ökologische Nachhaltigkeit sowie ihre Tragfähigkeit hin überprüfen soll.

In den Artikeln 289 und 290 des neuen Textes werden die Bedingungen festgelegt, im Rahmen derer die Regierung Kredite aufnehmen darf. So muss laut Art. 289 die Aufnahme von Schulden durch ein Comité de Deuda y Financiamiento (Kommittee für Schulden- und Finanzierungsfragen) autorisiert werden. Gemäss Art. 290 Abs. 1 darf nur zu Neukrediten gegriffen werden, wenn die öffentlichen Einnahmen und die aus der internationalen Kooperaton stammenden Mittel unzureichend sind. In Abs. 3 wird darüberhinaus die Verwendung der Mittel, die aus Krediten stammen, präzisiert und begrenzt, wie etwa auf Programme zur Förderung der Infrastruktur.

Im selben Absatz wird ausserdem explizit festgehalten, dass eine Refinanzierung der Auslandschulden nur möglich ist, wenn das Land von den neu ausgehandelten Konditionen klar profitiert.

Etwas genereller wird in Art. 290 Abs. 3 ferner betont, dass die öffentliche Verschuldung die nationale Souveränität, die Rechte und das Wohlergehen der Bevölkerung sowie den Erhalt der Natur auf keine Weise beeinträchtigen darf.

Der Verfassungstext verbietet außerdem ausdrücklich jegliche From von Anatozismus und Wucher in den neu ausgehandelten Verträgen (Art. 290 Abs. 4)., sowie die Übernahme von Schulden privater Gläubiger durch den Staat.

Neben der Verfassung, hat die Asamblea Constituyente, in Ausübung ihrer legislativen Funktion, außerdem ein Gesetz, die Ley Orgánica para la Recuperación del Uso de los Recursos Petroleros del Estado y Racionalización administrativa de los Procesos de Endeudamiento, verabschiedet.

Das Gesetz eliminiert die Erdölfonds und führt die Überschüsse aus den Erdöleinnahmen dem Staatsaushalt zur Finanzierung von Sozial- und Infrastrukturprojekten zu. Nach Einschätzungen verschiedener Asambleístas werden damit mehr als 5000 Mio. $ frei, die zuvor zur Zahlung des Schuldendienstes aufgewendet wuden. Vielfach kritisiert wird hierbei jedoch, dass durch die Einbeziehung dieser Überschüsse, die zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes aufgrund der hohen Erdölpreise exisitierten, der Staatshaushalt künstlich aufgeblasen wird. Bemängelt wird weiter, dass die Folgen eines fallenden Ölpreises nur unzureichend bedacht wurden, wodurch dann auch die für Sozialausgaben vorgesehenen Mittel im Staatshaushalt Einbußen erfahren werden.

Außerdem sollen durch das Gesetz die Effizienz und Geschwindigkeit bei der Kreditaufnahme durch eine administrative Rationalisierung verbessert werden. Hierzu wurden die Kompetenzen im Finanzministerium gebündelt und die bis dato notwendige Überprüfung und Zustimmung zur Aufnahme der neuen Kredite durch die Zentralbank wird obsolet. Der Abschluss von neuen Kreditverträgen fällt nunmehr unter die ausschließliche Kompetenz der Finanzministerin.

Daneben wird ein Comité de Deuda y Financiamiento, wie es von der neuen Verfassung vorgesehen ist, geschaffen, das sich aus dem Präsidenten der Republik, der Finanzministerin und dem Sekretär der nationalen Planungsbehörde zusammesetzt. Dieses Kommittee soll alle Verhandlungen und Verträge bzgl. der Aufnahme von Krediten und der evtl. Umstrukturierung der Schulden überprüfen und billigen. Die mit dem Gesetz einhergehende Konzentration der Kompetenzen in der Exekutive – und insbesondere im Finanzminiserium – wird ebenfalls vielfach kritisiert.

Der komplette Text des neuen Verfassungsvorschlags befindet sich auf der Homepage der Asamblea Constituyente und kann unter folgendem Link aufgerufen werden: http://asambleaconstituyente.gov.ec/documentos/constitucion2008/constitucion_de_bolsillo.pdf

Das erwähnte Gesetz kann hier nachgelesen werden:

http://www.asambleaconstituyente.gov.ec/documentos/ley_recursos_petroleros_final.pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir verarbeiten Ihre in diesem Formular angegebenen, personenbezogenen Daten für die Beantwortung bzw. Bearbeitung Ihrer Anfrage bzw. Ihrer Kommentare sowie damit sachlich zusammenhängender Zwecke. Dabei nutzen wir die angegebene E-Mailadresse zum Bezug von Profilbildern bei dem Dienst Gravatar des amerikanischen Anbieters Automattic Inc.. Weitere Angaben zu der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie Ihren Rechten nach Maßgabe der Datenschutzgrundverordnung entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hinweise zu der Nutzung des Dienstes Gravatar finden Sie in Ziffer 12.1 unserer Datenschutzerklärung.