Ecuador-Tagebuch: Umwege

Avatar-Foto Jürgen Kaiser, erlassjahr.de
15. Juli 2008

Am Montag hiess es früh Aufstehen. Die meisten Mitarbeiter/innen der Unterkommission bilaterale Schulden arbeiten nicht in Quito, sondern in Cuenca. Deswegen ging es um 6:50 ins Flugzeug. Die Flugstrecke von Quito nach Cuenca ist eine der schönsten Ecuador’s, wenn man auf der richtigen Seite sitzt, denn linker Hand passiert man die Vulkane Cotopaxi und Chimborazo. Heute gab es sogar noch mehr Fliegen für’s gleiche Geld. Denn kurz vor Cuenca wurde mitgeteilt, dass der Flugahfen aus meterologischen Gründen nicht angeflogen werden konnte. Also ging’s wir runter an die Küste nach Guayaquil. Dort wurde aufgetankt, und dann  wieder rauf nach Cuenca – wo wir bei strahlend blauem Himmel und Windstärken zwischen 1 und 2 landeten.  Manchmal ist dieses Land ein kleines bisschen rätselhaft.

Gearbeitet wurde dann in der Zentralbank. Wie der Name vermuten lässt, ein opulentes Bürogebäude mit allem Schnickschnack. Ich erinnere mich, wie ich bei meinem bislang einzigen Besuch in Cuenca in einem etwas runtergekommenen Hörsaal in der Universität einen Vortrag über Faire und Transparente Schiedsverfahren hielt. Jetzt werden wir hier nobel beherbergt, und die gesamte Technologie der Institution steht uns zur Verfügung – einschließlich einem kleinen Besuch im Ethnomuseum der Zentralbank nebenan.

Auf der Tagesordnung der Unterkommission stehen die Schulden gegenüber Brasilien. Und dabei geht es zunächst um ein immer wieder mit neuen Kreditverträgen ausgestattes Wasserversorgungsprojekt an der Küste, welches die brasilianische Entwicklungsbank BNDES finanziert hat, und für das  – oh Wunder – eine brasilianische Baufirma mit dem schönen Namen Odebrecht in acht aufeinander folgenden Einzelausschreibungen das günstigste Angebot abgegeben hat.

In diesem und anderen Fällen zeigt sich, dass die lateinamerikanischen Brüder und Schwestern portugiesischer Zunge sich als Gläubiger keineswegs anders aufführen als die Hermesse und Pariser-Club-Heroen im Norden: Wahrhaftige Knebelklauseln, Zinssätze, die weit über dem Weltmarktniveau liegen, vorab vereinbarte Kapitalisierung von Zinsen – alles, was das Herz eines eifrigen Buchprüfers begehrt, fand sich in diesen Verträgen. So wurde Brasilien heute neben einem von Italien finanzierten Kraftwerk, das wir schon seit letztem Oktober im Visier haben, zu unserem Showcase.

In der Arbeit an den konkreten Fällen verloren auch die gestern erwähnten Fundi-Realo-Konflikte deutlich an Schärfe, denn spätestens, wenn wir uns überlegen, welche Empfehlungen wir dem Präsidenten anheim geben wollen, wird klar, dass uns auf existierende Rechtswege oder aussichtsreiche politische Initiativen verständigen müssen.

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