Albanien

Hat Albanien ein Schuldenproblem?

Albaniens Schulden haben sich auf recht hohem Niveau stabilisiert. Der von der COVID-19-bedingten Rezession ausgelöste Schock wird nur dann nicht zu einer Solvenzkrise führen, wenn, wie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) erhofft, schon 2021 wieder hohe Wachstumsraten erzielt werden.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2022)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)56,440
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)136,1150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)9,515
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)65,650
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)244,7200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)10,455 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)0,731 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Albanien?

ALB Gläubigerprofil 2020.08

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Albaniens Auslandsschulden entfallen zu knapp der Hälfte auf die albanische Privatwirtschaft und zum etwas größeren Teil auf den öffentlichen Sektor. Die öffentlichen Auslandsschulden bestehen inzwischen mehrheitlich zu marktnahen Bedingungen. Das gilt für die mehrheitlich öffentlichen Gläubiger ebenso wie für die privaten Gläubiger. Wichtigste öffentliche Gläubiger (letzte Aufschlüsselung des albanischen Finanzministeriums zum Ende 2014) sind die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).

Unter den bilateralen öffentlichen Gläubigern sind die Mitglieder des Pariser Clubs vor allem mit Entwicklungshilfeforderungen vertreten: 523 Millionen US-Dollar. Das ist mehr als die Weltbank überhaupt an Forderungen aus der bilateralen Entwicklungshilfe ausweist. Auf Deutschland entfallen nach Angaben der Bundesregierung davon 121 Millionen Euro. Handelsforderungen hält der Pariser Club nur im Umfang von 15 Millionen US-Dollar; Deutschland ist nicht dabei. China hat – anders als die einst gemeinsame maoistische Geschichte vermuten lassen könnte – bis 2017 überhaupt keine Kredite an Albanien vergeben.

Trend

Albaniens Schuldenindikatoren sind zwischen 2014 und 2018 auf leicht kritischem Niveau stabil geblieben. Einzig der laufende Auslandsschuldendienst hat sich in absoluten Zahlen von 2017 auf 2018 glatt verdoppelt und auch im Verhältnis zu den laufenden Exporteinnahmen deutlich erhöht. Dies ist eine Folge des beständigen Rückgangs konzessionärer Finanzierungen aus bilateralen und multilateralen Quellen und deren Ersetzung durch marktnahe Mittel von IBRD und EBRD sowie Anleihen und Bankenkredite.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Albanien

1993, 1998 und 2000 hat Albanien Verbindlichkeiten gegenüber den Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Pariser Club umgeschuldet. Nur das Abkommen von 1998, das einen Teilerlass und eine langfristige Streckung der verbliebenen Beträge vorsah, ist noch aktiv.

Bereits 1995 handelte Albanien mit seinen Gläubigerbanken im Londoner Club eine Streckung seiner damaligen Zahlungsverpflichtungen aus.

Für die vom IWF bzw. den G20 beschlossenen Schuldenerleichterungsinitiativen, den Katastrophenfonds (engl. Catastrophe Containment and Relief Trust, CCRT) und das Schuldenmoratorium (engl. Debt Service Suspension Initiative, DSSI), ist Albanien als Land mit höherem mittlerem Einkommen nicht qualifiziert.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

In seiner Schuldentragfähigkeitsanalyse vom April 2020 versucht der IWF erstmals, auch die Folge der COVID-19-bedingten Rezession auf Albanien abzuschätzen. Dabei prognostiziert er eine Schrumpfung der Wirtschaft um 5 Prozent in 2020, die wegen des Rückgangs der Exporteinnahmen vor allem zu einer deutlichen Belastung der Hartwährungsreserven führen wird. Allerdings geht der Fonds davon aus, dass dieser Einbruch schon 2021 durch ein Wachstum von 8 Prozent überkompensiert werden wird. Diese optimistische Erwartung setzt voraus, dass die Pandemie Anfang 2021 bereits weltweit unter Kontrolle ist und wirtschaftliche Verflechtungen von 2019 sich schnell wiederherstellen lassen. Das ist alles andere als sicher.

Mit dem Einbruch 2020 bestätigt sich zunächst ein Szenario, dass der IWF schon vor Ausbruch von Corona gezeichnet hatte: Eine Volkswirtschaft mit hohem Wachstumspotenzial, aber auch einer großen Verwundbarkeit durch externe Schocks.

Interessanterweise benannte der IWF schon vor zwei Jahren das Umsichgreifen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) als eines der Hauptrisiken für die Schuldentragfähigkeit. Dies liegt u.a. an den schwachen Verwaltungs- und Kontrollkapazitäten der Regierung, bei der es offenbar zu Finanzierung und Genehmigung „unverlangt eingesandter“ ÖPP-Projekte kommt.

Politische Empfehlungen

Unter allen Umständen stellen die schwachen öffentlichen Strukturen eine Gefährdung für die Schuldentragfähigkeit Albaniens dar. Auf den erheblichen Reformbedarf im öffentlichen Sektor weist der IWF zurecht hin. Besonders eindringlich sollten die Behörden die Warnungen des IWF vor der Vereinbarung weiterer ÖPP beherzigen.

Sollte die Wirtschaft nicht, wie erhofft, 2021 wieder wachsen, muss die Regierung auch Schuldenerleichterungen anstreben.

 

Stand: August 2020 (mit Ausnahme der Tabelle “Die wichtigsten Schuldenindikatoren”)

 

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