Guatemala

Hat Guatemala ein Schuldenproblem?

Guatemalas Auslandsschuldenindikatoren liegen überwiegend unter den kritischen Grenzwerten, und das relativ stabil. Allerdings kann das Land Opfer erheblicher externer Schocks durch seine Verwundbarkeit für Naturkatastrophen oder für die Corona-Pandemie werden.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2022)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)26,840
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)130,3150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)27,415
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)29,250
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)230,9200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)24,992 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)5,259 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Guatemala?

Guatemala Gläubigerprofil 2020

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Etwa 60 Prozent der Auslandsschulden Guatemalas entfallen auf den privaten Sektor. Dabei sind die wichtigsten Gläubiger ausländische Banken. Allerdings hat im guatemaltekischen Privatsektor wie auch im öffentlichen Sektor die Auslandsverschuldung in Form von Anleihen um jeweils mehr als 1 Milliarde US-Dollar zugenommen.

Nur ein kleiner Teil der Schulden gegenüber den internationalen Finanzinstitutionen sowie fast alle Schulden bei anderen Regierungen gehen auf zinsgünstige Entwicklungshilfekredite zurück. Als traditionelles Mitteleinkommensland hat Guatemala in den letzten Jahren nur noch begrenzt Zugang zu zinsgünstigen Krediten aus multilateralen Quellen bekommen.

Von den 322 Millionen Euro bilateralen Entwicklungshilfeschulden, entfallen 192 Millionen auf die Mitglieder des Pariser Clubs. Mit 50 Millionen Euro ist Deutschland prominent dabei.

Die nicht-konzessionären bilateralen Forderungen dürften überwiegend auf regionale Kreditgeber entfallen. China ist kein Gläubiger Guatemalas.

Trend

Seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise 2008 sind Guatemalas Schulden um mehr als die Hälfte angestiegen – allerdings im Einklang mit dem allgemeinen Wirtschaftswachstum, sodass das Verhältnis von Schulden und Wirtschaftsleistung sich nicht dramatisch verschlechtert hat. Allerdings hat sich die Zusammensetzung der Schulden verändert: Das Zuschusselement externer Finanzierung ist im Schnitt von rund 40 Prozent auf nur noch 4,4 Prozent bei den Neuausleihungen in 2017 und 12,6 Prozent in 2018 zurückgegangen. Entsprechend ist bei gleichbleibendem Schuldenstand der laufende Schuldendienst deutlich angestiegen. Ausschlaggebend dafür waren nicht steigende Zinsen, sondern vor allem die Verkürzung von rückzahlungsfreien Perioden und Rückzahlungsfristen. Die Rückzahlungen haben sich entsprechend von 2015 bis 2018 mehr als verdoppelt.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Guatemala

Guatemala hat 1993 rund 440 Millionen US-Dollar zu leicht vergünstigten Bedingungen im Pariser Club umgeschuldet (Houston Terms). Umschuldungen mit Privatgläubigern hat es nicht gegeben. Für die multilaterale Entschuldungsinitiative (HIPC/MDRI) war Guatemala nicht qualifiziert.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Guatemala hat von 2008 bis 2018 verlässlich gute Wachstumsraten erzielt, so dass die Zahlungsfähigkeit des Landes aktuell nicht gefährdet ist. Allerdings hat die deutliche Verkürzung der Laufzeiten neuer Finanzierungen das Land abhängiger von der Möglichkeit ständiger Refinanzierung des laufenden Schuldendienstes gemacht.

Das hohe Wirtschaftswachstum ist indes sehr ungleich verteilt. Zum einen ist die Handlungsfähigkeit des Staates durch Einbrüche bei den öffentlichen Einnahmen und Ausgaben weiter geschrumpft. Zum anderen spitzt die soziale Polarisierung sich weiter zu: Nur ein Viertel der Millenniums-Entwicklungsziele wurde in Guatemala bis Ende 2015 erreicht, davon kein einziges unter der ländlichen und indigenen (Mehrheits-)Bevölkerung. Bei Redaktionsschluss war Guatemala noch relativ gering von der Corona-Krise betroffen. Seine Fähigkeit, eine umfassendere Infektionswelle zu bewältigen, muss vor dem Hintergrund dieser starken Polarisierung allerdings als gering eingestuft werden.

Mit einem Weltrisikoindex von 19,88 im Jahr 2019 weist Guatemala überdies die vierthöchste Verletzlichkeit gegenüber Naturkatstrophen weltweit auf.

Politische Empfehlungen

Im Hinblick auf das Schuldenniveau des Landes besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Allerdings sollte geprüft werden, inwieweit schuldenreduzierende Maßnahmen unmittelbar der Entwicklung benachteiligter Regionen und Personengruppen zugutekommen können – etwa im Rahmen von Schuldenumwandlungen für Entwicklung.

Sollte das Land von einer Naturkatastrophe – etwa im Zusammenhang mit dem Klimawandel oder durch seismische Tätigkeit – getroffen werden oder sollte die Corona-Krise das Wachstum dramatisch reduzieren, sollte Guatemala den erheblich gestiegenen Schuldendienst durch ein sofortiges umfassendes Schulden-Moratorium für die Katastrophenhilfe und die Stärkung der öffentlichen Gesundheitssysteme zugänglich machen.

 

Weiterführende Links:

 

Stand: März 2020 (mit Ausnahme der Tabelle “Die wichtigsten Schuldenindikatoren”)