Guyana

Hat Guyana ein Schuldenproblem?

Die Schuldenindikatoren Guyanas zum 01.01.2019 liegen überwiegend im unkritischen Bereich. Zahlungsprobleme gibt es derzeit weder auf Seiten der öffentlichen Haushalte noch im Hinblick auf die Zahlungsbilanz. Gleichwohl bescheinigt der Internationale Währungsfonds (IWF) Guyana schon seit Beginn der Dekade ein “mittleres” Überschuldungsrisiko. Dies meint, dass aus einer derzeit unproblematischen Schuldensituation heraus durch realistisch angenommene, externe Schocks mindestens ein kritischer Grenzwert überschritten werden könnte.

Guyana hat gute Chancen, dass die COVID-19-Pandemie sich nicht zu einem solchen Schock auswächst. Die durch die Pandemie ausgelöste weltweite Rezession und der damit verbundene Fall des Ölpreises könnte angesichts der gewaltigen Investitionen in die auch ökologisch problematische Erschließung von Öl- und Gasfeldern vor der Küste Guyanas allerdings zu einer ernsten Gefahr für die Schuldentragfähigkeit des Landes werden.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2018)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)44,640
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)86,7150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)5,115
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)57,050
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)184,1200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)1,609 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)139,0 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Guyana?

GUY Gläubigerprofil 2020-05

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Guyana wies bis etwa 2015 das typische Gläubigerprofil eines Niedrigeinkommenslandes auf. Der größte Teil der Auslandsschulden besteht gegenüber multilateralen und bilateralen öffentlichen Gläubigern. Schulden aus Staatsanleihen gibt es nicht. Innerhalb der öffentlichen Kreditvergabe hat sich bis 2018 indes ein beträchtlicher Wandel vollzogen. Sowohl unter den bilateralen als auch unter den multilateralen Kreditgebern ist der Anteil der konzessionären Kredite deutlich zurückgegangen und durch Kredite zu Marktbedingungen ersetzt worden. Zins- und vor allem Tilgungszahlen auf die öffentlichen Auslandsschulden sind daher stark angestiegen, liegen aber noch deutlich unter dem seinerzeitigen Grenzwert im Rahmen der multilateralen HIPC-Entschuldungsinitiative.

Unter den bilateralen Gläubigern spielt der Pariser Club mit lediglich 3 Millionen US-Dollar aus der Entwicklungszusammenarbeit nur eine marginale Rolle. Deutschland ist in Guyana gar nicht engagiert. Dagegen spielt China als Kreditgeber eine herausragende Rolle. Für Juni 2019 gibt die guyanische Regierung die Schulden bei China mit 450 Millionen US-Dollar an; das ist mehr als die Weltbank für den 31.12.2018 an gesamten bilateralen Forderungen ausweist.

Chinas Exim-Bank finanziert vor allem den Ausbau der Infrastruktur, darunter den nationalen Flughafen, eine wichtige Küstenstraße und den Ausbau des Breitbandnetzes.

Trend

In den drei Jahren bis Ende 2018 haben sich alle Auslandsschuldenindikatoren leicht verbessert; angestiegen ist die gesamte Verschuldung des guyanischen Staates im In-und Ausland. Sie liegt aber auch noch weitgehend im unproblematischen Bereich.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Guyana

Von 1989 bis zur HIPC-Exit-Regelung 2004 hat Guyana sechsmal im Pariser Club mit seinen bilateralen öffentlichen Gläubigern verhandelt, und dabei die ganze Stufenleiter von der Erlassverweigerung (Classic Terms) bis zur Streichung von 80 Prozent des Forderungsbestandes (Lyon Terms) durchlaufen.

Guyana erreichte 2000 den Decision Point und 2003 den Completion Point im Rahmen der multilateralen Entschuldungsinitiative HIPC. 2005 wurden zusätzlich verbliebene Forderungen der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), des IWF und des Fund for Special Operations (FSO), des Weichkreditfensters der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB), gestrichen. Beide Operationen waren zwar deutlich weniger umfangreich als in anderen HIPC-Ländern, unterstützten gleichwohl einen deutlichen Trend, die Schulden auf tragfähige Niveaus zurückzuführen.

2019 leistete Guyana die letzte Rückzahlung an seinen bis dato wichtigsten Gläubiger, Trinidad und Tobago. Der karibische Nachbar hatte im Pariser Club-Abkommen von 2004 auf 482 Millionen US-Dollar verzichtet. Durch das Ausscheiden Trinidad und Tobagos als Gläubiger hat sich auch die Währungszusammensetzung der Auslandsverschuldung deutlich verschoben – vom US-Dollar zum chinesischen Renminbi.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Die Regierung Guyanas hatte lange der Versuchung widerstanden, die Ölfunde vor der Küste als Sicherheit für eine ausgeweitete Kreditaufnahme zu verwenden – und war dafür vom IWF ausdrücklich gelobt worden. Nach Schätzungen aus dem Jahr 2019 könnte die Regierung mit Öleinnahmen in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar pro Jahr rechnen. Das ist mehr als die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung bisher. Noch im Januar 2020 berichtete der Finanzminister, er sei bei den IWF- und IDB-Tagungen mit Kreditangeboten geradezu „bombardiert“ worden. Das ist nicht überraschend, da westliche Anleger in Zeiten allgemein niedriger Zinsen dringend auf der Suche nach lukrativen und sicheren Anlagen sind. Mit seinem erwarteten Ölreichtum erschien Guyana wie eine solche Anlage, bis die COVID-19-Pandemie die weltweite Nachfrage nach Öl drastisch einbrechen ließ.

Dazu kommt, dass die Förderung der enormen Öl- und Gasvorräte vor der Küste nicht nur den weltweiten Klimaschutz konterkariert, sondern selbst erhebliche Umweltgefährdungen im Falle eines Unfalls heraufbeschwört.

Politische Empfehlungen

Guyana sollte die Corona-Pandemie zum Anlass nehmen, das auf Ölexport in einen ohnehin bereits überschwemmten Markt bauende Entwicklungsmodell zu überdenken. Mit aktuell im lateinamerikanischen Vergleich niedrigen Schuldenindikatoren und noch immer weniger als 100 COVID-19 Infizierten hat es für einen nachhaltigeren Entwicklungspfad vergleichsweise gut Voraussetzungen.

 

Stand: Mai 2020