Jordanien

Hat Jordanien ein Schuldenproblem?

Jordanien weist deutlich steigende Schuldenindikatoren auf, allerdings auch starke wirtschaftliche Fundamentaldaten, so dass steigende Schulden nicht notwendigerweise in eine Krise der Zahlungsfähigkeit münden müssen. Unbegrenzt wird sich der Prozess eines kreditfinanzierten Wachstums indes nicht fortsetzen lassen. Punktuelle Schuldenerleichterungen, wie das Land sie bereits öfter durch Schuldenumwandlungen umgesetzt hat, können von Nutzen sein.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2021)

IndikatorWertGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)92,940
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)286,1150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)20,315
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)91,950
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)363,1200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)41,82 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)2,964 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Jordanien?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Jordaniens Auslandsschulden bestehen zu rund vier Fünfteln auf Seiten des Staates. Das letzte Fünftel entfällt auf die Schulden privater Banken und Unternehmen bei ausländischen Banken. Von den Schulden des Staates entfallen etwa jeweils die Hälfte auf private und öffentliche Gläubiger. Die privaten Verbindlichkeiten bestehen fast ausschließlich gegenüber den Inhabern öffentlicher Anleihen. Öffentliche Gläubiger sind mehrheitlich multilaterale Geber, die überwiegend zu marktnahen Konditionen finanzieren, während die bilateralen einen größeren Teil zu günstigen Entwicklungshilfekonditionen bereitstellen.

Die Weltbank ist mit Abstand der größte multilaterale Gläubiger. Unter den zinsgünstigen multilateralen Gebern ragt die EU deutlich hervor. Insgesamt haben mit 13 eine außergewöhnlich hohe Zahl von multilateralen Instituten Forderungen an Jordanien.

Auf der bilateralen Seite ist bei den Handelsforderungen Frankreich vor Deutschland, Japan und Saudi-Arabien am stärksten exponiert. Im Bereich der Entwicklungshilfe liegt Japan vor Frankreich, Kuwait und Deutschland. Allerdings weichen in Jordanien, wie für viele andere Länder, die Daten der Weltbank deutlich von denen des deutschen Bundesfinanzministeriums ab. Letzteres weist überhaupt keine nicht-konzessionären Forderungen an Jordanien aus.

Unter den Gläubigerbanken sind französische Banken am stärksten vertreten.

Trend

Alle Indikatoren haben sich gegenüber 2018 um mindestens 10 Prozent verschlechtert. Der Trend ist allerdings stärker bei den Auslandsschulden als bei den gesamten öffentlichen Schulden (im Inland und im Ausland).

Bisherige Schuldenerleichterungen für Jordanien

Jordanien hat zwischen 1994 und 2002 viermal im Pariser Club unter den so genannten Houston Terms für Länder mit niedrigem mittlerem Einkommen umgeschuldet. Dabei wurden Zahlungsverpflichtungen in Höhe von insgesamt 3,4 Milliarden US-Dollar ohne Erlasselement in die Zukunft verschoben und zum ursprünglichen Satz verzinst. Die sogenannten Houston Terms ermöglichen unter anderem die Umwandlung von Schulden für Entwicklungsvorhaben. Deutschland hat davon zwischen 1995 und 2018 mit insgesamt 11 Schuldenumwandlungen in Höhe von zusammen rund 250 Millionen Euro am ausführlichsten Gebrauch gemacht. Einzelne Schuldenumwandlungen wurden auch mit der Schweiz 1993 und mit Spanien 2001 vereinbart.

Vor den Vereinbarungen unter Houston Terms hatte das Land bereits zweimal unter Classic Terms, also ohne jegliches Erlasselement und zum Teil mit Strafzinsen umgeschuldet.

1993 vereinbarte Jordanien eine Umschuldung in Höhe von1,3 Milliarden US-Dollar mit den privaten Banken im so genannten Londoner Club.

Für multilaterale Schuldenerlasse im Rahmen der Entschuldungsinitiative für hoch verschulde arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) war Jordanien als Mitteleinkommensland seinerzeit nicht qualifiziert. Auch für zur Moratoriumsinitiative der G20 (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Jahr 2020 hatte Jordanien keinen Zugang.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Seit Ausbruch der globalen Finanzkrise sind Jordaniens Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung von zunächst noch moderaten Größenordnungen beständig angestiegen. Aktuell liegen sowohl die gesamten öffentlichen Schulden im Inland und im Ausland als auch die gesamten privaten und öffentlichen Auslandsschulden durchweg in kritischen Größenordnungen. Trotzdem gilt die wirtschaftliche Lage insgesamt als stabil. Als die Regierung im Sommer 2022 eine mit einem Coupon von 7,75 Prozent eine extrem attraktive Anleihe platzierte, war diese dreifach überzeichnet. Der Internationale Währungsfonds hält dem Land trotz der sehr hohen Schuldenindikatoren gesunde wirtschaftliche Fundamentaldaten sowie eine effiziente und entschlossene Besteuerungspolitik im Innern zugute.

Jordanien hat mehr Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen als jedes andere Land, ohne dafür eine proportionale internationale Unterstützung zu erfahren. Es spricht für die politische Kultur des Landes, dass daraus (noch) keine etwa der deutschen Situation vergleichbare xenophob-chauvinistische Bewegung entstanden ist.

Politische Empfehlungen

Jordanien hat angesichts seiner zentralen Rolle bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation im Zusammenhang mit dem Syrienkrieg eine starke Position, um Forderungen an seine Gläubiger zu richten. Weder die bedeutenden Gläubiger im Pariser Club der Gläubigerregierungen noch die multilateralen Finanzinstitutionen können ein Interesse an einer weiteren ökonomischen Destabilisierung des Landes haben. Vor diesem Hintergrund sollte die Regierung den Spielraum nutzen, um die Gläubiger zu substanziellen Schuldenerleichterungen zu drängen. Solche geopolitisch motivierten Schuldenerlasse hat es von Ägypten 1991 bis Irak 2004 gerade in dieser Region auch früher schon gegeben.

Fiskalische Spielräume für punktuelle Entwicklungsfortschritte können beispielsweise durch Schuldenumwandlungen erreicht werden, wenn sie durch multilaterale Entwicklungsorganisationen wie den Global Fund oder das World Food Programm verlässlich in prioritäre und sensible Bereiche wie etwa die Versorgung der aus Syrien Geflüchteten ohne Beeinträchtigung der Leistungen für die einheimische Bevölkerung gelenkt werden.

Stand: Januar 2023

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