Malediven

Aktuelle Verschuldungssituation und Trend

Die Verschuldung der Malediven wird im erlassjahr.de-Schuldenreport 2024 als kritisch eingestuft. Die Verschuldungssituation unterliegt dabei einem durchweg negativen Trend: In den letzten drei Jahren haben sich alle untersuchten Schuldenindikatoren um mindestens 10 Prozent verschlechtert. Im Herbst 2024 berichteten internationale Medien von einem drohenden teilweisen Zahlungsausfall des Inselstaates. Dieser wurde durch eine Kreditlinie Indiens vorerst abgewehrt, doch auch 2025 und 2026 werden hohe Schuldendienstzahlungen fällig.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2023)

IndikatorWertGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)69,2>60-80 (zweite Stufe)
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)80,9<150 (keine Gefahr)
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)10<15 (keine Gefahr)
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)123,1>100 (höchste Stufe)
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)386,9>300-400 (zweite Stufe)
Öffentlicher Auslandsschuldendienst im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (in %)18,7>15
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)4,0 Milliarden
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)499 Millionen

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Anteil verschiedener Gläubigergruppen an der öffentlichen Auslandsverschuldung

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Die Auslandsschulden der Malediven sind insbesondere infolge großer Investitionsoffensiven Chinas und Indiens seit Mitte der 2010er Jahre deutlich angestiegen. Bilaterale öffentliche Gläubiger sind mit 1,7 Milliarden US-Dollar an der öffentlichen Auslandsverschuldung von 3,4 Milliarden US-Dollar insgesamt die größte Gläubigergruppe der Malediven, mit der Volksrepublik China als größtem Einzelgläubiger. China hat dabei ausschließlich zu marktnahen Konditionen Kredite vergeben. Während China sein Engagement zwischen 2022 und 2023 leicht abgebaut hat, ist es von Indien als zweitgrößtem bilateralen Gläubiger stärker angestiegen. Ein Viertel der Kredite Indiens sind dabei zu zinsgünstigen Konditionen vergeben worden. Weitere nennenswerte bilaterale Gläubiger sind Saudi Arabien, Kuwait, Ungarn und Japan. In Europa halten Frankreich und Belgien Forderungen an die Malediven. Deutschland hält keine Forderungen an die Malediven.

Nach der größten Gruppe der bilateralen öffentlichen Gläubiger sind private Gläubiger die zweitgrößte Gläubigergruppe gefolgt von multilateralen Gläubigern. Kommerzielle Banken, die Forderungen an die Malediven halten, stammen vor allem aus China und den USA. Bei internationalen Anleihen ist die Herkunft der Anleihehalter nicht einwandfrei ermittelbar.

Wichtigste multilaterale Geber sind die Islamische Entwicklungsbank sowie der OPEC Fund for International Development, beide mit Kreditvergaben zu hauptsächlich nicht-konzessionären Konditionen. Weitere multilaterale Geber sind der konzessionäre Arm der Weltbank (IDA), die Asiatische Entwicklungsbank und die Europäische Investitionsbank. Bei den marktnahen Finanzierungen hat vor allem die Islamische Entwicklungsbank ihr Engagement zwischen 2022 und 2023 deutlich ausgeweitet.

Bisherige Schuldenrestrukturierungen

Bisher haben die Malediven ihre Auslandsschulden noch nicht restrukturiert. Für die multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) waren die Malediven nicht qualifiziert.

Allerdings haben sie im September 2020 die Entlastungsinitiative der G20 zur Abmilderung der Folgen der Covid-Pandemie, die sogenannte Debt Service Suspension Initiative (DSSI) in Anspruch genommen. Dadurch konnten die Malediven 2020 9,1 Millionen US-Dollar und 2021 sogar 272,5 Millionen US-Dollar an Schuldendienst vor allem gegenüber Indien und China auf den Zeitraum 2023 bis 2027 verschieben, allerdings mit Zinsen. Mit 4,9 Prozent der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung war die Entlastung 2021 die höchste die überhaupt einem Land durch die DSSI gewährt wurde.

Politische Verantwortlichkeit für ausstehende Forderungen

Erläuterung zum Begriff der politischen Verantwortlichkeit

Im Falle einer notwendigen Schuldenrestrukturierung sind es nach Berechnungen von erlassjahr.de zum größten Teil die Volksrepublik China und die G7- und EU-Staaten, die direkt oder indirekt dafür verantwortlich sind, eine ausreichend umfassende Schuldenstreichung von von einem Großteil der ausstehenden Forderungen gegenüber bilateralen, multilateralen und privaten Kreditgebern zu gewährleisten. Der hohe Anteil der politischen Verantwortlichkeit der G7- und EU-Staaten trotz kaum vorhandener bilateraler Forderungen liegt im Falle der Malediven vor allem an den Forderungen von Anleihehaltern, deren Verträge unter englischen oder New Yorker Recht begeben wurden, sowie an dem Teil der Forderungen, die von multilateralen Institutionen gehalten werden, in denen die G7- und EU-Staaten den Großteil der Stimmrechte halten. Diejenigen Staaten, in denen private Gläubiger ansässig sind, haben die regulatorischen und politischen Möglichkeiten, die kooperative und gleichrangige Beteiligung privater Gläubiger an Schuldenerleichterungen sicherzustellen. In Bezug auf Chinas Anteil der politischen Verantwortlichkeit handelt es sich vor allem um direkte bilaterale Forderungen.

Weiteres zur Schuldentragfähigkeit

Der Internationale Währungsfonds (IWF) bescheinigt den Malediven ein „hohes“ Überschuldungsrisiko sowie eine nicht mehr tragfähige Verschuldung. Das heißt, er geht davon aus, dass die von ihm erwartete wirtschaftliche Entwicklung zum Überschreiten der kritischen Schuldentragfähigkeitsgrenzwerte und möglicherweise zu einem Zahlungsausfall führt. Im Herbst 2024 stieg bereits die Sorge vor einem Zahlungsausfall, als fraglich war, ob die Malediven bei geringer Verfügbarkeit freier Fremdwährungsreserven eine fällige Tranche ihrer Sukuk-Anleihe bedienen können.

2025/2026 müssen die Malediven über 1,8 Milliarden US Dollar an öffentlichem Auslandsschuldendienst leisten, darunter die Fälligkeit ihrer einzigen Anleihe. Das sind im Schnitt über 30 Prozent der geschätzten Staatseinnahmen in dem Zeitraum. In der internationalen Debatte gelten maximal 15 Prozent als tragbar. Berichtet wurde, dass die Regierung der Malediven zur Bedienung der Schulden zusätzliche Kredite im Umfang von mindestens 500 Millionen US-Dollar aufnehmen will. In der Diskussion sind u. a. die Ausweitung entsprechender Spielräume im Rahmen neuer und bestehender Währungsswaps mit Indien. Dazu zählt die Inanspruchnahme bislang nicht verausgabter Mittel aus einem bereits 2019 der Vorgängerregierung Solih eingeräumten Währungsswap in Höhe von 800 Millionen US Dollar, wobei nicht öffentlich bekannt ist, in welcher Höhe diese noch zur Verfügung stehen.

Der Aufsichtsratvorsizende der Maldives Monetary Authority und Finanzminister einer der Vorgängerregierungen, verwies auf die Gefahr versteckter Schulden, dass also die Gesamtverschuldung deutlich unterschätzt würde.

Optionen und Herausforderungen für Schuldenrestrukturierungen

Die Malediven sind für das Umschuldungsrahmenwerk der G20, dem G20 Common Framework qualifiziert und könnten eine Umschuldung in diesem Rahmen aufnehmen. Die größten bilateralen Gläubiger der Malediven, China und Indien, sind beide Mitglied der G20 und haben sich an bisherigen Schuldenrestrukturierungen in diesem Rahmen auch beteiligt – allerdings mit Skepsis, u. a. der IWF Schuldentragfähigkeitsanalyse gegenüber oder in Bezug auf die Gewährung von umfangreicheren Schuldenerleichterungen. Die Volksrepublik China hat in internationalen Foren immer wieder auf die Notwendigkeit von Gleichbehandlung zwischen bilareralen und privaten wie multilateralen Gläubigern im Rahmen von koordinierten Umschuldungen wie im G20 Common Framework hingewiesen. Auch im Fall der Malediven ist das Gläubigerprofil komplexer durch die Mischung von multilateralen (teilweise höheren marktnahen Finanzierungen), privaten und öffentlichen bilateralen Forderungen. Im Fall der Malediven betrifft die private Gläubigerseite insbesondere die Sukuk-Anleihe, also eine Schuldverschreibung nach islamischen Recht. Beobachter*innen gehen davon aus, dass islamische Länder einen Reputationsverlust der Sukuk-Anleihen verhindern wollen würden, der bei einer Zahlungseinstellung auf die Anleihe zu befürchten sei.

Die maledivische Regierung hat sich bei internationalen Gipfelprozessen, zum Beispiel in der Vorbereitung der vierten UN-Entwicklungsfinanzierungskonferenz in Sevilla in Spanien 2025, für fairere globale Entschuldungsverfahren eingesetzt und die bisherigen Ergebnisse des G20 Common Framework kritisiert.

Weitere Informationen und Materialien

  • Magazin „Südasien“, 3/2024, Südasienbüro e.V. mit dem Artikel: „Malediven – Überblick“ von Peter Lanzet

Gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des

Stand: Dezember 2024