Mauretanien

Hat Mauretanien ein Schuldenproblem?

Vier von fünf Indikatoren liegen mindestens über dem untersten kritischen Grenzwert. Wie erlassjahr.de schätzt auch der Internationale Währungsfonds (IWF) Mauretaniens Überschuldungsrisiko als hoch ein.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand: Vorhersagen für Ende-2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)69,440
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen 2019 (%)197,5150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen 2019 (%)14,115
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)59,550
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)277,2200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)5,158 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)535,6 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Mauretanien?

Erklärung der Schuldenkategorien

 Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Alle Auslandsschulden Mauretaniens entfallen auf den Staat. Privatpersonen, Unternehmen und Banken sind nicht im Ausland verschuldet.

Mauretanien hat keine Schulden bei privaten ausländischen Gläubigern. Knapp zwei Drittel sind Schulden bei multilateralen Gläubigern, das verbliebene Drittel bei bilateralen öffentlichen Gläubigern. Nur etwas mehr als zehn Prozent der bilateralen Schulden besteht gegenüber den Mitgliedern des Pariser Clubs. Deutschland hält mit 56 Millionen US-Dollar nur ca. 3 Prozent der bilateralen Forderungen. Wichtigste bilaterale Gläubiger sind Saudi-Arabien, Kuwait, China und Frankreich.

Sowohl von bilateralen als auch von den multilateralen Kreditgebern wurde der deutlich größere Teil zu nicht konzessionären Bedingungen vergeben. Das heißt, es handelt sich um Kredite, die zu relativ hohen Zinssätzen und tendenziell kurzen Laufzeiten vergeben wurden.

Trend

2014 und 2015 sind alle Schuldenindikatoren von Mauretanien im Zuge des Rohstoffpreisverfalls sprunghaft angestiegen. Seitdem hatten sich die Indikatoren auf einem hohen Niveau stabilisiert. Die Anhebung der Rohstoffpreise und Einsparungen der öffentlichen Ausgaben im Bildungssektor haben dazu geführt, dass sich die Schuldenindikatoren 2019 leicht verbessert hatten. Infolge der Corona-Krise ist die Verschuldung jedoch wieder angestiegen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Mauretanien

Mauretanien hat 1996 zum ersten und einzigen Mal im Londoner Club seine Schulden gegenüber privaten ausländischen Banken geregelt.

Mit dem Pariser Club wurden acht Vereinbarungen getroffen von den ersten beiden Umschuldungen ohne Erlasselement unter Classic Terms bis zu der HIPC-Exit-Umschuldung 2002 (1985 und 1986 Classic), 1987 (Ad Hoc), 1989 (Toronto), 1993 (London), 1995 (Naples), 2000 (Cologne), 2002 (HIPC-Exit)).

Der Decision Point der multilateralen Entschuldungsinitiative HIPC wurde im Zuge des so genannten Millennium Rush kurz vor Ablauf des Jahres 2000 erreicht. Am Completion Point 2002 wurde er umgesetzt.

Im Rahmen der Entschuldungsmaßnahmen 2020 hat Mauretanien nicht von der Erlassinitiative des IWF profitiert. Das Land gehörte jedoch zu den begünstigten Ländern des Schuldenmoratoriums der G20-Staaten (engl. Debt Service Suspension Initiative, DSSI) und hat dieses auch angenommen. Dadurch kann Mauretanien 2020 und 2021 ca. 182 Millionen US-Dollar Schuldendienstzahlungen vorübergehend aussetzen. Über den weiteren Umgang der ausstehenden Forderungen über 2021 hinaus könnte das Land (als eines von derzeit 73 begünstigten Ländern) im Rahmen des neu geschaffenen Verhandlungsrahmens der G20-Staaten, dem Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI, mit seinen Gläubigern verhandeln.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Mauretanien ist extrem abhängig von Weltmarktpreisen für Eisenerz, Gold, Kupfer und Fisch. 2014 und 2015 waren Jahre des extremen Preisverfalls; seither haben die Preise sich etwas erholt. Die weitere Entwicklung der Schuldenindikatoren ist zudem insbesondere von der wirtschaftlichen Erholung und damit von der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie und einer gerechten weltweiten Impfstoffverteilung abhängig.

Kuwait, bzw. genauer die Kuwait Investment Agency (KIA), hält noch immer Forderungen in Höhe von fast eine Milliarde US-Dollar gegenüber Mauretanien aus den 1970er Jahren. Die KIA ist der „Sovereign Wealth Fund“ des Scheichtums, in den ein großer Teil der Öleinnahmen fließt und der rund um den Globus zumeist in Privatunternehmen investiert. Diese Schulden aus der Vor-HIPC-Zeit hätten eigentlich nach den HIPC-Regularien mindestens um 90 Prozent gestrichen werden sollen – dies ist bisher aber nicht geschehen. Allerdings wird darauf auch seit Jahrzehnten kein Schuldendienst geleistet, weshalb die Forderungen vom IWF auch als passive Schulden bezeichnet werden. Insofern stellen sie auch keine Belastung für die öffentlichen Finanzen dar. Sie könnten aber unter zwei Szenarien zu einer werden:

  • Wie unter HIPC vorgesehen, könnte es zu einer Vereinbarung über die Streichung der dafür vorgesehenen 90 Prozent kommen. Dann würden rund 100 Millionen US-Dollar als dann harte und nicht mehr ignorierbare Schuld weiter bestehen.
  • Kuwait könnte sich unter dem Druck dazu entschließen, die schwer eintreibbare Forderung an Mauretanien an einen Geierfonds zu verkaufen. Da Mauretanien von einem ungestörten Zahlungsverkehr mit den ausländischen Käufern seines Eisenerzes abhängig ist, wäre es durch eventuelle Klagen vor europäischen Gerichten extrem verwundbar, wenn es den Klägern nämlich gelänge, Zugriff auf die Erlöse aus dem Erzverkauf zu bekommen.

Politische Empfehlungen

Mauretanien gehört zu denjenigen kritisch verschuldeten Ländern, für die faire und effiziente Umschuldungen und nennenswerte Schuldenerlasse dringend notwendig wären. Besonders problematisch stellt es sich für das Land dar, dass knapp zwei Drittel aller ausstehenden Forderungen – die Forderungen multilateraler Institutionen – innerhalb der aktuellen Verhandlungsstrukturen aus jeglichen Umschuldungen prinzipiell herausgehalten werden sollen. Nachhaltige Schuldenerleichterungen innerhalb der bestehenden Strukturen zu erwirken, scheint daher für Mauretanien praktisch unmöglich.

 

Stand: Juli 2021