Mongolei

Hat die Mongolei ein Schuldenproblem?

Die Mongolei ist durch hohe Zuflüsse in den Rohstoffsektor nach 2008 in eine extreme Überschuldungssituation geraten, die vor allem den Privatsektor betrifft. Ihre Zahlungsfähigkeit ist im Moment wegen dem durch den russischen Krieg gegen die Ukraine ausgelösten Anstieg der globalen Rohstoffpreise nicht gefährdet, kann es aber leicht werden.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorWertGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)241,640
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)420,7150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)23,815
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)91,350
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)327,3200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)33,236 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)1,806 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger der Mongolei?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Die Auslandsschulden der Mongolei sind zu rund zwei Dritteln Schulden des mongolischen Privatsektors – ganz überwiegend des Rohstoffsektors und der heimischen Banken, die diesen finanzieren. Gläubiger dieses Sektors sind überwiegend ausländische Banken.

Die Schulden des öffentlichen Sektors bei öffentlichen Gläubigern teilen sich zu etwas gleichen Teilen auf bilaterale und multilaterale Gläubiger auf, wobei unter ersteren die konzessionäre und unter letzten die nicht-konzessionäre Kreditvergabe überwiegt. Gegenüber dem ausländischen Privatsektor sind Staatsanleihen das wichtigste Instrument. Kredite ausländischer Banken spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Unter den multilateralen Gläubigern ist die Asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank, ADB) mit Abstand der wichtigste und zwar sowohl bei den konzessionären wie den nicht-konzessionären Forderungen. Bei den nicht-konzessionären folgen mit großem Abstand der Internationale Währungsfonds (IWF) und die International Development Association (IDA), für die erstaunlicherweise von der Weltbank auch nicht-konzessionäre Forderungen ausgewiesen werden. Bei den multilateralen Entwicklungshilfegläubigern sind wiederum die ADB und die IDA die wichtigsten. Kleinere Rollen spielen der Nordic Development Fund und der Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development, IFAD), der im Rahmen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization, FAO) Kredite vergibt.

Wichtigste bilaterale Gläubiger sind fast gleichauf Japan und China mit jeweils mehr als einer Milliarde US-Dollar ausstehenden Forderungen. Bei Japan sind das fast ausschließlich konzessionäre Kredite, bei China zu etwa drei Fünfteln auch Kredite zu Marktkonditionen. Weitere wichtige Gläubiger sind Südkorea sowie Deutschland mit Forderungen von 90 Millionen Euro aus der Entwicklungszusammenarbeit. Die Mongolei ist auf für Österreich ein wichtiger Schuldner mit ausstehenden 21 Millionen US-Dollar.

Trend

Durch sehr große Investitionen in den (privaten) extraktiven Sektor haben sich die gesamten Auslandsschulden der Mongolei von 2008 bis 2016 mehr als verzehnfacht. Seither hat sich der Anstieg verlangsamt. Die Zunahme von 2016 bis 2020 betrug aber immer noch rund 25 Prozent, sodass sich die Schulden und die Schuldenindikatoren auf hohem Niveau stabilisiert haben. Da das Wachstum der gesamten Volkswirtschaft etwa in Übereinstimmung mit den öffentlichen Auslandsschulden gestiegen ist, sind deren Indikatoren auf hohem Niveau ungefähr gleichgeblieben, während das relative Gewicht der privaten Schulden zugenommen hat.

Auch wenn sich diese Charakteristik seit 2016 ein wenig abgeschwächt hat, kann man immer noch ohne Übertreibung sagen, dass die mongolische Volkswirtschaft heute nicht viel mehr als ein Anhängsel des eigenen Rohstoffsektors ist.

Allerdings haben sich, als der Rohstoffsektor 2016 und 2017 in Schwierigkeiten geriet, die relativen Gewichtungen der Verschuldung des öffentlichen und privaten Sektors zulasten des öffentlichen Sektors verschoben, da der mongolische Staat mehr als 5 Milliarden US-Dollar in Japan, China und auf den internationalen Anleihemärkten sowie beim IWF aufgenommen hat, um den privaten Sektor zahlungsfähig zu halten.

2019 war ein außergewöhnliches Jahr für die mongolische Schuldensituation, als eine einmalig große Amortisation des Privatsektors bei den ausländischen Banken den Indikator Schuldendienst zu Exporteinnahmen auf rekordverdächtige 133 Prozent katapultierte. Im Jahr 2020 hat er sich aber wieder auf ein hohes, aber nicht exzeptionelles Niveau von 23,8 Prozent normalisiert.

Bisherige Schuldenerleichterungen für die Mongolei

Die Mongolei hat bislang weder mit ihren öffentlichen noch mit ihren privaten Gläubigern Schuldenerleichterungen ausgehandelt.

2017 kam es allerdings zu einem Schuldentausch mit einem sehr geringen Erlasselement von Anleihen der Mongolischen Entwicklungsbank.

Für die multilaterale Entschuldungsinitiative (Heavily Indebted Poor Countries Initiative, HIPC) seit 1996 war die Mongolei nicht qualifiziert, wohl aber für die von den G20 geschaffene Moratoriumsinitiative (Debt Service Suspension Initiative, DSSI), mit der von der Corona-Pandemie betroffene Länder ihren Schuldendienst 2020 und 2021 zwischenzeitlich aufschieben konnten. Die mongolische Regierung hat die Teilnahme an der DSSI allerdings abgelehnt.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Alle Schuldenindikatoren der Mongolei liegen Ende 2020 deutlich im kritischen Bereich. Seit 2017 wird immer wieder mit einer Zahlungseinstellung aufgrund der untragbar hohen Schulden gerechnet. Diese wurde mit der umfassenden Gewährung neuer Kredite abgewendet – allerdings mit der Folge, dass außer dem privaten nun auch der öffentliche Sektor in deutlich größerem Umfang im Ausland verschuldet ist.

Gläubiger haben recht bereitwillig neue, für sie selbst weniger vorteilhafte Finanzierungen bereitgestellt, um den „Fuß in der Tür zu haben“, wenn ab 2025 die erweiterte Oyu Tolgoi-Mine mehr als eine halbe Million Tonnen Kupfer pro Jahr auswirft. Sollte der Preis des Kupfers (und anderer Mineralien wie vor allem Gold und Kohle) indes nicht, wie vom IWF erwartet, stabil bleiben, wäre die Gefahr einer Staatsinsolvenz wegen der durch die jüngste Rettung gestiegenen öffentlichen Verschuldung hoch. Wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist aktuell mit hohen Rohstoffpreisen zu rechnen. Allerdings liegt die Erschließung der Großmine hinter dem Zeitplan.

Politische Empfehlungen

Die Mongolei ist in extremer Weise von den internationalen Rohstoffpreisen abhängig. Sie ist dadurch externen Schocks fast in gleicher Weise ausgesetzt wie etwa pazifische Inseln denen durch klimawandelbedingte Wirbelstürme. Sie sollte deshalb ähnlich wie die Gemeinschaft der kleinen Inselstaaten auf die stärkere Berücksichtigung von Vulnerabilität beim Zugang zu Schuldenerleichterungen drängen, etwa durch die Schaffung und Anwendung eines multidimensionalen Vulnerabilitätsindex. Auf dessen Grundlage könnte das Land dann im Fall eines dramatischen Einbruchs seiner Einnahmen eine Pleite durch ein kurzzeitiges Moratorium verbunden mit einer während des Moratoriums auszuhandelnden Umschuldung vereinbaren.  

Stand: Juni 2022