Serbien

Hat Serbien ein Schuldenproblem?

Serbien weist uneinheitliche, aber punktuell kritische Schuldenindikatoren auf. Eine unmittelbare Zahlungseinstellung ist nicht zu befürchten. Die Überwindung der Corona-bedingten Rezession wurde durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen, darunter auch solche mit Nachhaltigkeitsanspruch und die Nutzung der Anfang 2022 vom Internationalen Währungsfonds ausgegebenen Sonderziehungsrechte finanziert. 

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (Stand 2020)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)86,240
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)169,9150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)23,915
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)58,450
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)141,4200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)38,467 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)5,033 Mrd.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Serbien?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Die Auslandsschulden Serbiens entfallen jeweils rund zur Hälfte auf den Serbischen Staat und den Privatsektor des Landes. Letzterer ist im Ausland ausschließlich bei Banken verschuldet. Anleihen wurden von privater Seite nicht begeben.

Die Schulden des Staates entfallen jeweils zu etwa einem Drittel auf multilaterale, öffentlich-bilaterale Gläubiger und in ausländischer Währung platzierte Staatsanleihen. Fast alle Schulden bestehen zu Marktkonditionen. Zinsgünstige Kredite im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit spielen praktisch keine Rolle.

Die Weltbank in Form der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und die Europäische Investitionsbank sind mit jeweils über 2 Milliarden US-Dollar die wichtigsten multilateralen Gläubiger. Zinsgünstige multilaterale Finanzierungen kamen von der Internationalen Entwicklungsorganisation und dem Europarat.

Wichtigster bilateraler Gläubiger sind die Vereinigten Arabischen Emirate mit ebenfalls mehr als 2 Milliarden US-Dollar ausstehend. China folgt mit 1,3 Milliarden US-Dollar und Russland mit 845 Millionen US-Dollar. Deutschland wäre mit 502 Millionen nach Weltbank-Angaben auf Platz 4; allerdings weist das Bundesfinanzministerium deutlich niedrigere deutsche Forderungen aus, die zudem zu mehr als der Hälfte auf Forderungen aus der Entwicklungszusammenarbeit entfallen. Ansonsten weist die Weltbank nur auf Seiten von Kuwait und Italien Forderungen aus der finanziellen Entwicklungszusammenarbeit aus. Insgesamt weist Serbien eine recht diverse Gläubigerstruktur auf: 21 Staaten halten Forderungen an das Land.

Trend

Die serbischen Auslandsschulden hatten sich bis 2019 spürbar stabilisiert. Im ersten Corona-Jahr 2020 sind sie dann aber vor allem durch die Ausgabe von Staatsanleihen deutlich angestiegen. Dieser Trend hat sich – von den oben verwendeten Weltbank-Daten mit Stand Ende 2020 noch nicht abgebildet – 2021 fortgesetzt, als Serbien eine siebenjährige Grüne Anleihe von 1,2 Milliarden Euro platzieren konnte, deren Erträge in die Sektoren erneuerbare Energien und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung fließen sollen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Serbien

Im November 2001 erreichte Serbien – als Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Jugoslawien – eine bemerkenswert großzügige Regelung seiner Altschulden mit den im sogenannten Pariser Club organisierten Gläubigerregierungen. Es wurden etwas weniger als zwei Drittel der Altschulden erlassen und das verbliebene Drittel langfristig umgeschuldet.

Bemerkenswert war, dass das europäische Mitteleinkommensland damit de facto Umschuldungsbedingungen erhielt, die nach den Regeln des Pariser Clubs eigentlich Niedrigeinkommensländern vorbehalten waren, die so genannten Naples Terms. Der Pariser Club machte sich sogar die Mühe, die Schuldenstreichung wenige Prozentpunkte unter den formalen zwei Dritteln, nämlich bei 63,4 Prozent, anzusiedeln, damit nicht behauptet werden könnte, Jugoslawien werde wie eines der ärmsten Länder behandelt. Das aktive Interesse der Europäer*innen an einer Sonderbehandlung des Krisenherdes auf dem Balkan war gleichwohl unübersehbar. Darin war Serbien ein früher Vorläufer der von Europa betriebene Schuldenregelung Griechenlands zehn Jahre später.

2004 folgte der Privatsektor mit einer vergleichbaren Regelung seiner damals ausstehenden Forderungen in Höhe von 2,4 Milliarden US-Dollar.

Für die multilaterale Entschuldungsinitiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC) der 1990er und 2000er Jahre war Serbien ebenso wenig qualifiziert wie für die Moratoriumsinitiative der G20 zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Debt Service Suspension Initiative, DSSI).

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Es ist seit 2014 gelungen, die wichtigsten Auslandsschuldenindikatoren zu stabilisieren, unter anderem dadurch, dass neue Kreditgeber jenseits der traditionellen Geber im Pariser Club gewonnen werden konnten, prominent darunter die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Falle künftiger Umschuldungen ergeben die sehr diverse Gläubigerstruktur auf der bilateral-öffentlichen Seite und die Tatsache dass private Forderungen ausschließlich in Form von Staatsanleihen bestehen, ein erhebliches Koordinationsproblem.

Im November 2021 hatte die Regierung gerade zum Ende der Niedrigzinsphase versucht, Dinar-Anleihen mit einem Coupon von 3 Prozent zu verkaufen, war aber auf keinerlei Kaufinteresse gestoßen.

Die im Schuldenreport 2022 berücksichtigten Indikatoren zum Ende des Jahres 2020 zeigen ein kritisches Schuldenniveau, aber keine unmittelbare Gefahr einer Zahlungseinstellung.

Politische Empfehlungen

Serbien weist Schulden bei allen großen geopolitischen Lagern auf: China, Russland, dem arabischen Raum, Westeuropa und den multilateralen Finanzinstitutionen. Diese Diversität kann im Fall einer Umschuldung zu erheblichen Koordinationsproblemen führen, ermöglicht es dem Land andererseits aber auch, die Interessen der verschiedenen Lager gegeneinander auszuspielen.

Stand: November 2022