Simbabwe

Hat Simbabwe ein Schuldenproblem?

Simbabwe ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im teilweisen Zahlungsausfall. Die Wirtschaft befindet sich seither in der Krise. Ein Neustart ohne umfassenden Schuldenerlass ist nicht möglich.

Erstmals seit Jahrzehnten zeichnen sich 2022 ernsthafte Bemühungen um eine sinnvolle Restrukturierung auf Schuldner- und Gläubigerseite ab.

Die wichtigsten Schuldenindikatoren (2021)

IndikatorAusprägungGrenzwert
Auslandsverschuldung im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen (%)53,840
Auslandsverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)209,0150
Jährlicher Schuldendienst im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen (%)8,915
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zum BIP (%)68,950
Öffentliche Verschuldung im Verhältnis zu den öffentlichen Einnahmen (%)397,9200
Auslandsschuldenstand (US-Dollar)13,738 Mrd.
Schuldendienst: Zinsen und Tilgungen an ausländische Gläubiger (US-Dollar)583,4 Mio.

Erklärung zu den Indikatoren und Grenzwerten

Wer sind die Gläubiger von Simbabwe?

Erklärung der Schuldenkategorien

Die gesamten Auslandsschulden eines Landes setzen sich aus den Schulden des öffentlichen Sektors und denen des Privatsektors zusammen. Im Diagramm sind öffentliche Schulden mit Vollfarben und private Auslandsschulden schraffiert dargestellt.

Bei den öffentlichen Schulden werden drei Gläubigergruppen unterschieden, nämlich multilaterale öffentliche Gläubiger – das sind vor allem Entwicklungsbanken und der IWF -, bilaterale öffentliche Gläubiger – das sind andere Regierungen – und private Gläubiger.

Bei den beiden öffentlichen Gläubigerkategorien unterscheiden wir zudem nach konzessionären, also zinsgünstigen Krediten zu Entwicklungshilfebedingungen, und Krediten zu Marktbedingungen („nicht-konzessionäre“).

Bei den öffentlichen Schulden bei privaten Gläubigern unterscheiden wir die beiden Hauptinstrumente, nämlich Bankkredite und Anleihen. Diese beiden Instrumente unterscheiden wir auch bei den Auslandsschulden des Privatsektors.

Nach Angaben der Weltbank befinden sich öffentliche und öffentlich garantierte Schulden im Umfang von knapp 5 Milliarden US-Dollar im Zahlungsausfall, ohne dass sich immer nachvollziehen lässt, wie sich ausstehende Schuldenstände und Kapitalrückzahlungen im Verzug sich zueinander verhalten. Wegen der unsicheren Berechnung der darauf fälligen Zinsen, Zinseszinsen und Strafzinsen, sind alle Angaben zu den aktuellen Verschuldungsständen des Landes mit Vorsicht zu genießen.

Knapp die Hälfte der Auslandsschulden Simbabwes entfällt auf die Schulden privater Banken und Unternehmen bei ausländischen Geldhäusern. Trotz der politisch unsicheren Lage gelang es simbabwischen Unternehmen seit 2010 Jahr für Jahr ohne Absicherung durch die Regierung private Kreditfinanzierungen zu erhalten.

Von den öffentlichen Schulden entfällt der größte Teil auf solche aus bilateralen Handelsforderungen, davon alleine rund zwei Drittel (1,6 von 2,3 Milliarden US-Dollar) auf nicht-konzessionäre Finanzierungen aus China. Nur Japan und Deutschland halten noch Forderungen im dreistelligen Millionenbereich, alle anderen bilateralen Gläubiger liegen darunter. Die offiziellen deutschen Angaben zu Forderungen am Simbabwe zum 31.12.2021 sind 491 Millionen Euro aus der Entwicklungszusammenarbeit und 342 Millionen aus Handelsforderungen; anders als die Angaben der Weltbank für alle anderen Gläubiger schließt dies kapitalisierte Zahlungsrückstände ein.

Die multilateralen Schulden teilen sich auf insgesamt 11 Institutionen auf, wobei die jeweils mit Abstand bedeutendsten zur Weltbankgruppe gehören: bei den konzessionären Schulden hält – die Internationale Entwicklungsorganisation 462 von 560 Millionen US-Dollar und bei den nicht-konzessionären die Kreditanstalt für Wiederaufbau und Entwicklung 431 von 652 Millionen US-Dollar. In letzterer Kategorie spielt noch die Europäische Investitionsbank mit 144 Millionen US-Dollar eine bedeutende Rolle.

Die Forderungen aller Gläubiger, mit Ausnahme der bescheidenen Forderungen des OPEC-Fonds und Indiens, sind Ende 2021 teilweise oder vollständig im Zahlungsausfall.

Ein erheblicher Teil der rückständigen Forderungen stammt aus der Zeit starker wirtschaftlicher Unterstützung des damals aufstrebenden südafrikanischen Landes, bevor sich die Regierung Mugabes mit dem Westen überwarf.

Nach Einstellung der entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen internationalen Entwicklungspartnern hatte Simbabwe kaum noch Zugang zu ausländischen Finanzierungen. Einige nicht-afrikanische Schwellenländer vergaben zwischenzeitlich Kredite an Simbabwe, insbesondere die Volksrepublik China und in deutlich kleinerem Umfang Brasilien und Indien. Zwischen 2010 und 2015 vergab China zinsgünstige Kredite in Höhe von insgesamt mehr als 1 Milliarde US-Dollar. China gehörte auch zu den wenigen Gläubigern, die in dieser Zeit Schuldendienst aus Simbabwe kassierten. Doch zuletzt war Simbabwe auch bei Rückzahlungen an Peking in Verzug. Berichte dazu, ob Simbabwe seit dem Regime-Wechsel 2017 neue Milliardenzusagen von China erhielt oder nicht, sind widersprüchlich.

Trend

In den letzten Jahren haben die simbabwischen Regierungen viel Energie darauf verwenden müssen, trotz der gewaltigen Zahlungsrückstände gegenüber ihren wichtigsten Gläubigern frische Mittel ins Land zu holen. So hat Simbabwe mit der Afreximbank Kreditabkommen geschlossen, um die strauchelnde Export-Wirtschaft mit US-Dollar versorgen und Importe finanzieren zu können. Auch Indien hat zuletzt kleinere Beträge für die Instandhaltung simbabwischer Infrastruktur zugesichert.

Da Simbabwe weiterhin von externen Finanzierungen weitestgehend abgeschnitten ist, finanziert das Land aktuell einen Großteil seines öffentlichen Haushalts durch Inlandsschulden und unter Missachtung der Verfassung durch Überziehungskredite bei der simbabwischen Zentralbank. 2021 war die inländische Verschuldung mit umgerechnet 20,9 Milliarden US-Dollar fast doppelt so hoch wie ausländische.

Trotz der politisch unsicheren Lage gelang es simbabwischen Unternehmen seit 2010 Jahr für Jahr ohne Absicherung durch die Regierung private Kreditfinanzierungen zu erhalten.

Die stark reduzierten ausländischen Zuflüsse haben allerdings auch dazu geführt, dass seit 2017 die absoluten Schuldenstände und die Schuldenindikatoren im Großen und Ganzen stabil geblieben sind – allerdings auf Kosten schwacher Konjunktur und eines bis 2020 sehr geringen oder gar negativen Wachstums und der anhaltenden Armut der Bevölkerung.

2021 brachte dann einen Wachstumsschub von mehr als 6 Prozent infolge höherer Einnahmen aus dem Bergbau und einer sehr guten Maisernte. Dies schuf erste Spielräume für die aktuellen Bemühungen um eine Begleichung von Zahlungsrückständen und eine Normalisierung der Außenbeziehungen.

Bisherige Schuldenerleichterungen für Simbabwe?

Zimbabwe hat nach seinen sukzessiven Zahlungseinstellungen in den 1990er Jahren bis 2020 keine ernsthaften Verhandlungen mit seinen Gläubigern geführt. Das Land war nicht auf der Liste der ursprünglich qualifizierten Länder der Initiative für hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries, HIPC), da es Mitte der neunziger Jahre noch formell als Mitteleinkommensland galt. Infolge des wirtschaftlichen Zusammenbruchs war es zehn Jahre später zum Niedrigeinkommensland herabgestuft worden und konnte sich durch die hohen Schuldenstände prinzipiell für die Initiative qualifizieren. Ein formales Verfahren ist allerdings seither nicht in Gang gekommen, da erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber multilateralen Gläubigern bestehen. Diese müssten zunächst beglichen werden. Ende 2015 gab die Regierung an, gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) die vergleichsweise geringen Zahlungsrückstände von rund 150 Millionen US-Dollar sowie die mehr als 1 Milliarde US-Dollar Zahlungsrückstände gegenüber der Weltbank und 601 Millionen US-Dollar gegenüber der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) begleichen zu wollen. 2016 wurden die Rückstände beim IWF durch die Nutzung der Sonderziehungsrechte tatsächlich beglichen. Im Frühjahr 2019 hat die Regierung Simbabwes mit dem IWF ein erstes Reformprogramm vereinbart. Das Wohlverhalten im Rahmen dieses Programms ist die Voraussetzung für jeden weiteren Schritt. Versuche, günstige Brückenfinanzierungen für die Begleichung der Rückstände bei der Weltbank und AfDB zu mobilisieren, schlugen zunächst fehl. 2021 wurden zumindest symbolische Zahlungen als Gesten des guten Willens und ernsthaften Bemühens um eine Reintegration des Landes in die Weltwirtschaft wieder aufgenommen.

Für die Moratoriumsinitiative der G20 zur Unterstützung des Kampfes gegen Covid-19 (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) war Simbabwe nicht qualifiziert.

Aktuelle Risiken für die Schuldentragfähigkeit

Simbabwes Schulden sind nicht tragfähig. Der IWF kategorisiert das Land als„im Zahlungsverzug“.

Die Infrastruktur ist mangelhaft, der öffentliche Sektor aufgeblasen, externe Finanzierungen und ausländische Direktinvestitionen bleiben gering. Geberleistungen beschränken sich zu einem Großteil auf humanitäre Hilfe. Die defizitäre Zentralbank stellt weiterhin ein hohes Risiko für den gesamten Finanzsektor dar, da dort viele Banken ihre Einlagen haben. Die seit 2016 explodierende Inlandsverschuldung stellt ein systemisches Risiko insbesondere für das weitere Funktionieren der Privatwirtschaft dar.

Politische Empfehlungen

Die Jahrzehnte der Misswirtschaft in Simbabwe, die drastische Isolierung des Landes durch wichtige Geldgeber und Gläubiger und schließlich die dysfunktionalen Regelungen der Gläubiger für eine Umschuldung haben das Land in eine veritable Schuldenfalle manövriert, die zu verlassen Veränderungen an allen diesen drei Parametern erfordert.

Reformbemühungen unter der 2018 „gewählten“ Regierung Mnangagwa und die noch bescheidene Begleichung von Zahlungsrückständen durch die Regierung sind erste Schritte in diese Richtung. Entscheidend wird sein, ob die westlichen Gläubiger von der unsinnigen Forderung nach einer Begleichung von Zahlungsrückständen vor einer Umschuldung abweichen werden. In einer Situation, wo fast alle Schulden im Verzug sind, dient ein solches Prinzip allein der Verhinderung jeglichen Fortschritts. Darüber hinaus wird eine erfolgreiche Umschuldung davon abhängen, ob es gelingt, alle Forderungen, einschließlich der des größten bilateralen Gläubigers China in eine Regelung einzubeziehen.

Von daher wäre Simbabwe ein exzellenter Pionierfall für das im deutschen Koalitionsvertrag von 2021 angestrebte Staateninsolvenzverfahren, welches ohne solche unsinnigen Vorbedingungen mit allen Beteiligten eine faire Lösung aushandelt. Die simbabwische Regierung hat sich Mitte 2022 um eine „Champion“-Rolle des Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina, bemüht. Westliche Gläubiger wie Deutschland könnten und sollten diese Initiative aufgreifen und Dr. Adesina in dieser Vermittlerrolle unterstützen.

 WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN UND MATERIALIEN:

Video (Januar 2020): „Simbabwes Schulden in Gesundheit umwandeln“

Video (Januar 2018): „Staatsverschuldung in Simbabwe – Dr. Fanwell Bokosi“

Stand: März 2023

Gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des