14. September 2016

Der IWF in der Eurokrise: ein spannender Bericht des Internal Evaluation Office

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Am 8. Juli 2016 veröffentlichte das Internal Evaluation Office (IEO) des Internationalen Währungsfonds (IWF) seinen Bericht über die Rolle des IWF in der Eurokrise. Das IEO ist eine Institution des Fonds, unterliegt aber keinen Weisungen von dessen Vorstand oder Management. Seine Berichte sind deshalb oft bemerkenswert kritisch und inhaltsreich. Der vorliegende Bericht enthält nicht sehr viele Neuigkeiten über die Ereignisse zwischen 2009 und 2013, die nicht schon andere kritische Analysen dargestellt hätten, aber interessante Hintergründe über Arbeitsweisen, Entscheidungsstrukturen und Defizite des IWF selbst.

Der knapp 80 Seiten starke Bericht mit seinen diversen Anhängen gibt einen sehr guten Überblick über die Entstehung der Eurokrise und die verschiedenen Versuche, den IWF in ihre Bewältigung einzubeziehen. Die problematische Beziehung zwischen den europäischen Institutionen der „Troika“ und dem IWF wird exemplarisch deutlich an der Entscheidung der Washingtoner Institution, sich an der Finanzierung des im Mai 2010 beschlossenen Hilfsprogramms zu beteiligen, obwohl die Schuldentragfähigkeitsanalyse zu dem Schluss gekommen ist, dass dadurch Griechenlands Schulden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wieder ein tragfähiges Niveau erreichen. Das aber ist nach den Statuten die Voraussetzung für die Beteiligung des IWF an einem Rettungsprogramm.

Die Abschnitte 30-39 und 111-115 des Berichts beschrieben die institutionelle Gemengelage, auf deren Hintergrund der IWF Teil des Griechenland-Programms wurde: Die Fachleute im Stab des Fonds waren überwiegend skeptisch, dass das von der EU angestrebte Programm Aussicht auf Erfolg habe. Das obere Management aber stand in engem Kontakt mit der EZB, der EU-Kommission und der in der EU tonangebenden Bundesregierung. Im Vorstand (Board) des IWF gab es eine besonders skeptische Minderheit aus nicht-europäischen Exekutivdirektor/innen, namentlich denen aus Brasilien und der Schweiz.

Der Vorstand des IWF ist eine etwas eigentümliche Konstruktion, denn die 24 Exekutivdirektor/innen repräsentieren jeweils eines oder eine Gruppe von IWF-Mitgliedern und haben im operativen Geschäft – also bei der Kreditvergabe – volle Entscheidungshoheit. Allerdings stehen die Direktor/innen auf der Gehaltsliste des IWF, ihre Stellungen gegenüber den Regierungen, die sie repräsentieren, sind unterschiedlich stark. In kritischen Fällen – so auch hier – hält sich die Leitung des IWF nicht lange damit auf, ihre eigenen Frühstücksdirektor/innen zu überzeugen, sondern wendet sich direkt an die Finanzminister/innen bzw. Zentralbankpräsident/innen, denen die Direktor/innen unterstehen. Ist die Leitung des Fonds sich mit Wolfgang Schäuble einig, wird der/die deutsche Exekutivdirektor/in schon nicht rumzicken – ganz egal, ob er/sie die Entscheidung aus Berlin sinnvoll findet oder nicht.

Im Falle des Griechenland-Programms von 2010 führte das zu dem absurden Ergebnis, dass während der Beratungen über den konkreten Fall die Regularien für die Kreditvergabe dahingehend geändert wurden, dass der Fonds auch bei nicht gegebener Schuldentragfähigkeit eigene Mittel in ein Krisenland pumpen darf, wenn ansonsten ernsthafte Ansteckungsgefahren für das gesamte Finanzsystem bestünden, die so genannte Systemic Exemption.

Die Systemic Exemption wurde sinnvollerweise bei der Jahrestagung des IWF 2015 wieder gestrichen. Geblieben ist indes das evidente Demokratie- und Kontrolldefizit, das ihre Entstehung ans Licht gebracht hat: Im IEO-Bericht werden (anonymisiert) Stimmen aus dem Board zitiert, die sich darüber beklagen, dass sie über das laufende Programm mehr aus der Zeitung als aus den Vorlagen des Fonds-Managements erfahren hätten.

In der bei allen IEO-Berichten obligatorischen Stellungnahme des Vorstandes klingt der Frust der Frühstücksdirektor/innen über die so erlebten Kommando-Wege durchaus an. Veränderungen in Richtung einer stärkeren Stellung des Boards sind von diesem selbst jedoch offenbar nicht zu erwarten. Geradezu eine Frechheit ist die ebenfalls obligatorische Antwort der Direktorin Christine Lagarde auf den IEO-Bericht: Man habe die negative Entwicklung in Griechenland damals ja nicht voraussehen können, schreibt sie. In Wirklichkeit konnte man das durchaus, und Lagardes eigener Stab hat sie auch vorausgesehen. Genau deswegen wurde die Systemic Exemption ja geschaffen, um trotz der klaren Absehbarkeit eines notwendigen Schuldenschnitts IWF-Geld nach Griechenland überweisen zu können, damit die dort engagierten europäischen Banken und Investoren weiter bedient werden konnten. Auf die 1. Empfehlung des IEO, der IWF sollte besser dafür sorgen, dass die technische Analyse des Stabes künftig nicht mehr durch politische Erwägungen beeinträchtigt würde, schreibt sie, das IEO habe eine solche Einflussnahme gar nicht dargelegt. In den oben genannten Abschnitten tut der IEO-Bericht dies allerdings ausführlich.

Hoffnung auf eine verbesserte, gar demokratisierte Führung dieser größten öffentlichen Kasse zur Stabilisierung des globalen Finanzsystems wecken der Bericht und die Reaktionen darauf nicht.

 

Internal Evaluation Office: “The IMF and the Crises in Greece, Ireland, and Portugal”