25. November 2021

Erfolg für die Entschuldungsbewegung: Staateninsolvenzverfahren im Koalitionsvertrag

Am gestrigen Mittwoch stellte die Ampel-Koalition ihren frisch ausgehandelten Koalitionsvertrag öffentlich vor. Im nächsten Schritt müssen die Parteien den Ergebnissen zustimmen. Bisher wird davon ausgegangen, dass die Regierungsbildung inkl. Wahl des Kanzlers und Stabübergabe in den Ministerien bis zum 9. Dezember erfolgen wird.

Der Koalitionsvertrag ist die zentrale Grundlage für die Zusammenarbeit der Regierungsparteien in der anstehenden Legislaturperiode. Und die bessere Bewältigung von Schuldenkrisen im Globalen Süden steht ausdrücklich auf dem Plan: Erstmals seit 2009 hat sich die Bundesregierung erneut auf die Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens geeinigt – und damit auf Verfahren, die über das Common Framework der G20 hinausgehen.

Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag dazu:

„Unser Ziel ist ein neuer internationaler Schuldenmanagementkonsens. Wir unterstützen eine Initiative für ein kodifiziertes internationales Staateninsolvenzverfahren, das alle Gläubiger miteinbezieht und Schuldenerleichterungen für besonders gefährdete Ländergruppen umsetzt.“

Damit wurden ähnlich lautende Absichtserklärungen aller Regierungsparteien aus ihren Wahlprogrammen umgesetzt (zum Wortlaut der Wahlprogramme siehe unsere Kampagnen-Website zur Bundestagswahl).

Einzig die FDP – die mit Leitung des Finanzministeriums eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung spielt – hatte in ihrem Wahlprogramm die Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens noch auf die Eurozone begrenzen wollen. Doch im Koalitionsvertrag erscheint die Vereinbarung im Kapitel „Entwicklungszusammenarbeit“ und ist damit Teil der globalen Verantwortung Deutschlands.

Die begrüßenswerte Formulierung im Koalitionsvertrag ist allerdings nicht die erste ihrer Geschichte. Auch Rot-Grün 2002 und Schwarz-Gelb 2009 schrieben sich die Schaffung eines Staateninsolvenzverfahrens auf die Fahne. Doch nennenswerte Reformen gab es nicht. In der 15. Legislaturperiode schwand die Reformbereitschaft, nachdem der Vorschlag eines Sovereign Debt Restructuring Mechanism beim IWF 2003 durch die Ablehnung der USA begraben wurde. In der 17. Legislaturperiode kamen die Eurokrise und insbesondere die Entscheidung, die Griechenlandkrise mit öffentlichen Mitteln zu finanzieren, anstatt gleich zu Beginn den vorwiegend privaten Gläubigern Schuldenschnitte zuzumuten, dazwischen.

2022 hält die Bundesregierung die G7-Präsidentschaft. Diese fällt in die Zeit zwischen dem Ende des Schuldenmoratoriums DSSI der G20 und kurz bevor sich die Schuldensituation einiger Länder des Globalen Südens insbesondere durch hohe Anleiherückzahlungsverpflichtungen ab 2024 weiter verschärft. Die bisherigen G20-Maßnahmen haben keine substanziellen Schuldenerlasse ermöglicht. Mit dem Koalitionsvertrag hat Deutschland hat nun eine Grundlage, das politisch umzusetzen, was unter anderem betroffene Regierungen im Globalen Süden sowie die Vereinten Nationen schon seit Beginn der Pandemie fordern.

Weitere Informationen

erlassjahr.de-Pressemitteilung vom 24.11.2021: „Koalitionsvertrag: Neue Bundesregierung will Staateninsolvenzverfahren