Am 27. Oktober haben die Argentinier*innen nach vier Jahren den neoliberalen Präsidenten Mauricio Macri abgewählt und die politische Macht zurück in die Hände der Peronistischen Partei gelegt. Alberto Fernandez und die (nicht mit ihm verwandte) Ex-Präsidentin Christina Fernandez de Kirchner werden Anfang Dezember in die Casa Rosada, den argentinischen Präsidentenpalast, einziehen.
Die erneut dramatische Überschuldung des Landes in Höhe von fast 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung war bei der Wahl von entscheidender Bedeutung. Wie die neue Regierung mit der drohenden Staatspleite umgehen wird, wird entscheidend für die Zukunft des Landes sein – und möglicherweise auch für die Zukunft anderer kritisch verschuldeter Länder.
Die vier Jahre unter Macri waren für die ärmeren Argentinier*innen ein Déjà-vu der Jahre unmittelbar vor der Staatspleite von 2002. Der rabiate Abbau aller unter Christina Fernandez geschaffenen Kapitalverkehrsbeschränkungen, die schockartige Liberalisierung von Güter- und Arbeitsmärkten und die Finanzierung dieser Politik durch Kapitalimporte – all das hatte das Land seinerzeit unter Präsident Menem auch schon erlebt. Und zwar mit der gleichen inbrünstigen Hoffnung, die wieder funktionierende Märkte würden automatisch zu einem wachsenden Wohlstand führen. In der Tat wuchs der Wohlstand in den letzten Jahren, allerdings nur der derjenigen Argentinier*innen, die entweder in der Finanzwirtschaft oder der Sojabranche, die als einzige Branche zwischenzeitlich boomte, engagiert waren. Wer das nicht war, hatte gute Chance, sich unter den 40 Prozent der Bevölkerung wiederzufinden, die aktuell unter der offiziellen Armutsgrenze leben.
Wie die neue Regierung ab Dezember konkret umsteuern will, darüber ist sie im Wahlkampf vage geblieben. Zwischen einer Rückkehr zu Cristina Fernández’ Kapitalverkehrsbeschränkungen und einem pro-aktiven Wirtschaftsumbau, zu dessen möglicher Gestaltung sich Alberto Fernández im erfolgreichsten Post-Krisenland Europas, Portugal, informiert hat, ist vieles denkbar. Dass eine Entlastung bei den Schulden Teil eines Lösungspakets sein muss, ist unbestreitbar, auch wenn Fernández lieber von Umschuldung als von Schuldenstreichung spricht. Deutlicher war die Ratingagentur Fitch, die jede Schuldenregelung, die weniger als 20 Prozent Schuldenstandreduzierung beinhaltet, als sinnlos bezeichnet hat. Die spannende Frage wird sein, wie im Falle Argentiniens die eher heterogene Gläubigergemeinschaft aus Dollar-Anleihegläubigern, heimischen Kreditgebern, Pariser Club-Mitgliedern, dem neuen Geber China und nicht zuletzt dem IWF, der Argentinien zur Rettung Macris noch 2018 den größten Kredit seiner Geschichte eingeräumt hat, in eine zukunftsfähige Lösung eingebunden werden können.
An dieser Stelle wird das Schicksal Argentiniens auch für eine ganze Reihe weiterer hoch verschuldeter Länder interessant. 2014 war Argentinien die treibende Kraft in der Gruppe der 77, der Vertretung der Entwicklungs- und Schwellenländer in der UNO, als diese eine Initiative zur Schaffung eines geordneten Staateninsolvenzverfahrens auf den Weg brachte. Diese wurde mit einer konsequenten Dialogverweigerung von den reichen Ländern, darunter auch Deutschland, blockiert. Inzwischen hat sich die Lage in immer mehr Ländern ähnlich zugespitzt wie in Argentinien. Jüngst haben Malawi für alle Niedrigeinkommensländer und Jamaika für die karibische Staatengemeinschaft CARICOM im Financing for Development-Prozess der Vereinten Nationen gefordert, diesen Prozess wieder aufzunehmen. Als G20-Mitglied hätte Argentinien die Statur, genau das wieder auf den Weg zu bringen.