In einem Offenen Brief an Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa haben 164 zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter erlassjahr.de, zum entschlossenen Handeln gegen die weltweite Schuldenkrise aufgerufen. Südafrika hat derzeit die Präsidentschaft der G20 inne, gibt sie jedoch am 1. Dezember an die USA ab.
Die Organisationen fordern, dass Südafrika die verbleibenden Wochen seiner G20-Präsidentschaft nutzt, um dringend notwendige Reformen in der internationalen Schuldenpolitik voranzubringen. Dazu zählen die Streichung untragbarer und illegitimer Schulden sowie Maßnahmen, die sicherstellen, dass ausreichend Mittel für Bildung, Gesundheit, Geschlechtergerechtigkeit und Klimaschutz zur Verfügung stehen.
Noch nicht zu spät für eine gerechtere Finanzarchitektur
Der Offene Brief wurde am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Washington durch das afrikanische Entschuldungsnetzwerk Afrodad übergeben und veröffentlicht. Unterzeichnet haben ihn neben erlassjahr.de unter anderem das europäische Entschuldungsnetzwerk Eurodad, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, der Malala Fund und ActionAid International. Die Organisationen würdigen zwar, dass Ramaphosa Schuldentragfähigkeit zu einer der vier Prioritäten seiner Präsidentschaft gemacht habe, kritisieren jedoch, dass „bisher nichts Greifbares, geschweige denn Ambitioniertes erreicht wurde“. Zugleich betonen sie, dass es noch nicht zu spät dafür sei, dass Südafrika mit seiner G20-Präsidentschaft „ein sichtbares Zeichen für eine gerechtere internationale Finanzarchitektur“ setze.
Subsahara-Afrika besonders belastet
Der Appell der Organisationen steht vor dem Hintergrund einer sich weiter zuspitzenden Schuldenkrise im Globalen Süden. Laut dem Schuldenreport 2025 von erlassjahr.de und Misereor (S. 14) sind besonders Länder in Subsahara-Afrika betroffen: Rund 70 Prozent (34 von 49 Staaten) dieser Region gelten durch Auslandsverschuldung als hoch oder sehr hoch belastet. Nur in elf Ländern ist derzeit kein Risiko einer kritischen Auslandsverschuldung erkennbar.
Besonders deutlich zeigt sich die wachsende Belastung beim Verhältnis von Auslandsschuldendienst zu den jährlichen Staatseinnahmen. Der Schuldenreport 2025 (S. 46) berücksichtigt dabei einen Dreijahresdurchschnitt (2025–2027), um jährliche Schwankungen auszugleichen. Die höchsten Werte in Subsahara-Afrika verzeichnen Angola (55,9 %), Senegal (32,0 %) und Dschibuti (31,2 %). Diese Zahlen machen deutlich, dass viele Staaten einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen allein für den Schuldendienst aufbringen müssen – zulasten dringend benötigter Investitionen in soziale Grundversorgung, Bildung und nachhaltige Entwicklung.
Forderungen der Zivilgesellschaft
Der Offene Brief fordert Südafrika auf, eine deutlich stärkere Position in Bezug auf die Schuldenkrise in Afrika und in vielen anderen Ländern weltweit einzunehmen. Die unterzeichnenden Organisationen rufen die Präsidentschaft insbesondere dazu auf, Folgendes zu tun:
- Den zwischenstaatlichen Prozess bei den Vereinten Nationen, der Empfehlungen für eine Reform der Schuldenarchitektur erarbeiten soll, einzuleiten, zu unterstützen und sich konstruktiv daran zu beteiligen – wie auf der 4. Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4) vereinbart. In diesem Sinne fordern sie die Schaffung einer UN-Schuldenrahmenkonvention, die alle notwendigen Reformen umfasst, um eine neue Schuldenarchitektur aufzubauen, die Menschenrechte und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. Diese neue Architektur soll die Schuldenprozesse ausdrücklich mit den Verpflichtungen der Staaten in Einklang bringen, Sparmaßnahmen untersagen, die grundlegende Dienstleistungen und die Verwirklichung von Rechten untergraben, private Gläubiger an Menschenrechtsstandards binden und einen globalen Mechanismus für faire und transparente Umschuldungen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen schaffen.
- Tiefgreifende Reformen von Umschuldungsprozessen, unter Berücksichtigung der Lehren aus dem Common Framework und anderen bisherigen Umschuldungsmechanismen – wie sie von afrikanischen Staats- und Regierungschefs sowie Finanzminister*innen gefordert wurden. Diese Reformen müssen wesentlich umfassendere und schnellere Schuldenerleichterungen ermöglichen, klare zeitliche Vorgaben enthalten, eine allgemein anerkannte Methodik zur Vergleichbarkeit der Behandlung schaffen, die Bedienung der Schulden für alle Länder aussetzen, die sich in einem Umschuldungsprozess befinden (ohne dass dabei Zahlungsrückstände entstehen), und schließlich einen rechtlichen Durchsetzungsmechanismus einführen.
- Eine Erklärung der Finanzminister*innen, die ausdrücklich die Einrichtung einer afrikanischen Ratingagentur sowie eines internationalen, zugänglichen und öffentlichen globalen Schuldenregisters unterstützt – einschließlich detaillierter Informationen über alle externen staatlichen Kredite, Anleihen und andere Schuldtitel sowie über Schuldenrestrukturierungen.
- Die Einrichtung eines Schuldnerclubs zu unterstützen – wie auf der FfD4-Konferenz vereinbart –, der die Zusammenarbeit zwischen verschuldeten Ländern fördert, um Informationen auszutauschen, Transparenz zu verbessern und Verhandlungspositionen zu stärken. Dieser Club soll als Gegengewicht zu Gläubigergruppen wie dem Pariser und dem Londoner Club dienen und so zur Stärkung der institutionellen Effizienz der globalen Schuldenarchitektur beitragen.
- Die Entwicklung verbindlicher Prinzipien für verantwortungsvolle Kreditvergabe und -aufnahme sowie von Schuldentragfähigkeitsanalysen, die mit den Entwicklungszielen im Einklang stehen und darauf ausgerichtet sind, die Fähigkeit der Länder zu stärken, ihre menschenrechtlichen und klimabezogenen Verpflichtungen zu erfüllen.
- Eine Vereinbarung über den Verkauf von Goldreserven des IWF, um damit einen Schuldenerlassfonds zu finanzieren.
- Anerkennung der Schulden- und Entwicklungskrise sowie der dringenden Notwendigkeit von Schuldenerleichterungen, die die Ausgaben für zentrale soziale Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Geschlechtergerechtigkeit und Klimaanpassung schützen. Die Zivilgesellschaft fordert die Streichung aller nicht tragfähigen und illegitimen Schulden – von allen Gläubigern.
Mehr Informationen
- Der Offene Brief im englischen Original mit allen unterzeichnenden Organisationen: „For Africa and the Global South: A Call to Action on Debt Justice under South Africa’s G20 Presidency“ (14.10.2025)
- Pressebericht: „Groups blast lack of progress on debt issues during South Africa’s G20 presidency“ (Reuters, 14.10.2025)

