28. Mai 2025

Ukraine: Westliche Hilfsgelder drohen in den Kassen von Hedgefonds zu landen


Inmitten des russischen Angriffskriegs droht die Ukraine Milliardenzahlungen an Halter privater Forderungen aus Vorkriegsjahren leisten zu müssen. Bei den Forderungen handelt es sich um Anleihen, deren Auszahlung an das Wachstum der ukrainischen Wirtschaftsleistung gekoppelt ist (BIP-gekoppelte Anleihen). Nach dem starken Einbruch der ukrainischen Wirtschaft zu Beginn des Krieges, wächst diese nun wieder – zur Freude der entsprechenden Anleihehalter, die nun hoffen Milliardengewinne zu scheffeln. In einer gemeinsamen Erklärung fordert erlassjahr.de daher mit der ukrainischen Partnerorganisation Sotsialniy Rukh sowie weiteren europäischen Partnern aus der Zivilgesellschaft, dass Hilfsgelder, die eigentlich für den Wiederaufbau und die Verteidigung bestimmt sind, nicht in die Kassen von Hedgefonds abfließen. Westliche Unterstützer der Ukraine müssen sicherstellen, dass die Anleihehalter diese Forderungen nicht eintreiben können, sondern dass diese umfassend restrukturiert werden.

Instrumente „für eine andere Welt“

Die an das BIP gekoppelten Anleihen stammen aus einer Schuldenrestrukturierung aus dem Jahr 2015. Um die Restrukturierung den damaligen Anlegern schmackhaft zu machen, hat die Ukraine den Anleihehaltern ein Instrument angeboten, durch das die Anleger dann Auszahlungen erhalten, wenn die ukrainische Wirtschaft in einem bestimmten Umfang wächst. Dies ist allerdings einseitig: Die Anleger müssen keine Einbußen hinnehmen, wenn das Wachstum wiederum einbricht. Bei einigen dieser Anleger handelt es sich um Geierfonds, wie Aurelius Capital. In der Vergangenheit hat dieser Fonds bereits risikobehaftete Staatsanleihen erworben, die von einem Zahlungsausfall bedroht waren, um anschließend die Rückzahlung vor US-amerikanischen und britischen Gerichten einzuklagen – samt immens hoher Zinsen.

Im Zuge der russischen Invasion 2022 sank das ukrainische BIP um fast 30 Prozent. Durch internationale Hilfsgelder und die steigende militärische Produktion für die Verteidigung der Ukraine stieg das BIP 2023 von diesem Absturz nun wieder an. Auch wenn das Wachstum kein Zeichen wachsenden Wohlstands ist, an dem Anleger beteiligt werden könnten, sondern die Erholung von einem zerstörerischen Angriffskrieg, könnten Medienberichten zufolge Zahlungen von bis zu 6,6 Milliarden US-Dollar auf die Ukraine zukommen. Und zwar zusätzlich zu den 2,6 Milliarden US-Dollar an ursprünglichen Forderungen – das 2,5-fache des ursprünglichen Wertes der Anleihen.

Artem Tidva von der ukrainischen Bewegung Sotsialniy Rukh stellt jedoch klar: „Diese Instrumente wurden für eine Welt geschaffen, die nicht mehr existiert. Heute befindet sich die Ukraine in einer Ausnahmesituation.“ Zusammen mit erlassjahr.de, Debt Justice UK, dem European Network on Debt and Development, CCFD-Terre Solidaire und der Plateforme française dette & développement fordert er daher, dass die Anleihen umfassend restrukturiert werden. Die Halter der Anleihen dürften keine Profite auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung machen.

Westliche Verbündete müssen die Ukraine rechtlich und finanziell unterstützen

Umschuldungsverhandlungen zwischen der Ukraine und den Haltern der Anleihen scheiterten jedoch Ende April 2025; Die Gläubiger weigerten sich eine von der ukrainischen Regierung vorgeschlagene Umschuldung zu akzeptieren. Da für die Anleihen englisches Recht gilt, liegt es nun an den internationalen Partnern und insbesondere an Großbritannien, sicherzustellen, dass Hedgefonds ihre Forderungen nicht vor Gericht einklagen. Die Organisationen fordern daher die britische Regierung auf, ein Gesetz zu verabschieden, das die Ukraine davor schützt, während der laufenden Verhandlungen verklagt zu werden.

Deutschland, als Teil der G7 und des Pariser Clubs, kommt eine Schlüsselrolle zu, der Ukraine dabei zu helfen, eine nachhaltige Lösung zu finden. Neben der rechtlichen Blockade von Klagen vor europäischen Gerichten, muss auch weiterhin finanzielle Unterstützung für die Ukraine sichergestellt werden. Daher muss auch der IWF seine Unterstützung der Ukraine fortsetzen – auch für den Fall, dass die Ukraine ihre Anleihen nicht mehr bedienen kann.

Erste Milliardenforderung steht bevor – Ukraine braucht Rückhalt

Anfang Juni würde die erste Zahlung auf das Instrument  im Umfang von über einer halben Milliarde US-Dollar fällig. Zuletzt verkündete der ukrainische Beauftragte für Schuldenangelegenheiten jedoch, man wolle keine übereilte Restrukturierungsvereinbarung vor dem anstehenden Stichtag erzielen. Die Ukraine muss nun auf dieser Position beharren, um eine nachhaltige Lösung zu erreichen – dafür braucht sie verlässliche europäische Partner, die sie dabei unterstützen.

Statement und Reaktionen in anderen Sprachen:

Pressemitteilung von Debt Justice UK (englisch)

Erklärung von Debt Justice UK (englisch)

Erklärung von Sotsialniy Rukh (ukrainisch)

Erklärung von der Plateforme francaise dette & developpment (französisch)