Kein deutscher Vorschlag für ein Staateninsolvenzverfahren

Neue Initiative aus Brüssel

(Düssseldorf, 16.11.2010) – Der Vorschlag des Bundesfinanzministeriums für ein europäisches Staateninsolvenzverfahren wird am Mittwoch im Rat der Finanzminister (ECOFIN) nicht vorgestellt werden. Darauf verständigten sich die Spitzen der Koalitionsparteien Ende der Woche. Damit ist der in den letzten Wochen immer weiter verwässerte deutsche Vorschlag für einen zweistufigen Insolvenzmechanismus vorläufig vom Tisch.
Stattdessen wird die Europäische Kommission bis Anfang Dezember einen Vorschlag für den Europäischen Rat vorlegen. Dabei wird sie sich möglicherweise von einem neuen Papier des europäischen Think-Tanks Bruegel inspirieren lassen. „A European Mechanism for Sovereign Debt Crisis Resolution: A Proposal“ wurde von fünf hochrangigen Autor/innen verfasst – darunter die ehemalige Vizedirektorin des IWF Anne Krueger. Sie schlagen ein einheitliches unparteiisches Verfahren für Staateninsolvenzen vor. Damit nehmen sie zentrale Elemente des von erlassjahr.de und weiteren internationalen Entschuldungsbewegungen vorgeschlagenen „Fairen und transparenten Schiedsverfahrens“ für alle überschuldete Staaten auf.
„Gegenüber den halbherzigen Signalen der Bundesregierung stellt der Bruegel-Vorschlag einen Riesenschritt nach vorne dar. Auch wenn er immer noch bestimmte Schulden wie die von der Weltbank und IWF aus dem Verfahren ausklammern will, ist der Vorschlag einer tatsächlich neutralen Schiedsinstanz nur zu begrüßen,“ kommentiert Jürgen Kaiser, politischer Koordinator des Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de.
Der Brüsseler Vorschlag wird hoffentlich nicht nur in Kommission und Rat offene Ohren finden, sondern auch bei der französischen G20-Präsidentschaft. Staatspleiten gibt es nicht nur in der EU: Nach Berechnungen von erlassjahr.de weisen mehr als fünfzig Länder aller Einkommensklassen ein substanzielles Risiko (erneuter) Zahlungsunfähigkeit auf. Obwohl die Bundesregierung mehrfach angekündigt hatte, im G20-Kreis entsprechende Vorschläge vorzulegen, hat sie dazu bisher nichts unternommen.