Ausgestrahlt? Deutschland und seine AKW-Exportbürgschaften

Bekannterweise sind Versicherungskonzerne besonders zögerlich, wenn es um die Versicherung von Atomkraftwerken geht. Denn im Katastrophenfall sind die messbaren Schäden bereits so hoch, das kein Profit anstrebendes Unternehmen die Haftung übernehmen will. Die weitreichenden, kaum quantifizierbaren negativen Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und ganze Wirtschaftsregionen will der AKW-Betreiber oder die Versicherung genauso wenig verantworten. Erstmals hofft man, mit Statistiken gewappnet, dass ein GAU nie passiert – doch wenn es soweit ist, übernimmt dann der Staat die Verantwortung.

Wenn es um die Versicherung von Geschäften geht – sogar von Geschäften mit Atomkraftwerken – sind die Versicherer jedoch viel besser gelaunt. Weil Schwellenländer bei Großinvestitionen nicht immer den Zahlungskalender einhalten können, ließ sich Areva NP, die Nuklear-Tochter von Siemens AG, ihre Finanzierung des Weiterbaus von dem brasilianischen Atomkraftwerk Angra 3 von Deutschland garantieren. Die Hermes-Bürgschaft würde beim Zahlungsausfall einspringen und dem privaten Investor seinen Profit sichern.

Die deutsche Politik hat in dem Geschäft mit Exportkrediten in den letzten zwei Jahren den pro-nuklearen Kurs eingeschlagen. Zwischen 2001 und 2010 war die staatliche Exportförderung für Atomtechnologie verboten. Die schwarz-gelbe Bundesregierung schaffte dieses Ausschlusskriterium gleich am Anfang ihrer Amtszeit ab, um die Bürgschaft für Angra 3 zu ermöglichen. Der seit langen Jahren im Bau befindlicher Reaktorblock des brasilianischen Atomkraftwerks in Angra dos Reis liegt direkt an der Atlantikküste zwischen Rio und Sao Paulo, in einem erdrutsch- und erdbebengefährdeten Gebiet. Am Zwillingsreaktor Angra 2 wurde 25 Jahre lang gebaut, die technischen Parameter der Reaktoren entsprechen nicht den aktuellen europäischen Sicherheitsauflagen, und Fragen der  Müllentsorgung oder Katastrophenplanung sind gar nicht gelöst. Kein Grund zur Sorge, dachte die Bundesregierung vor einem Jahr und gewährte eine grundsätzliche Bürgschaft von 1,3 Milliarden Euro. erlassjahr.de protestierte zusammen mit den Organisationen Urgewald und Oikocredit Förderkreis Bayern, und Siemens wurde 2010 mit dem Wanderpreis „Hai des Jahres“ ausgezeichnet. Den Bericht zu unserer Hai-Aktion in München kann man hier nachlesen.

Wie der Spiegel berichtet, überlegt die Bundesregierung nach der Katastrophe in Fukushima doch noch einmal, ob die bereits beschlossenen Garantien für Angra 3 wirklich Sinn machen. Wirtschaftsminister Brüderle hat eine erneute Überprüfung des weiteren Vorgehens angekündigt. Wir bei erlassjahr.de sind auf die Ergebnisse gespannt: Werden die Garantien tatsächlich zurückgenommen? Damit in der Zukunft keine Atom-Bürgschaften mehr vergeben werden, unterstützen wir die Aktion „Atomtod exportiert man nicht“ von Campact und Urgewald. Machen Sie mit – unterschreiben Sie hier!

Jetzt auch der Wirtschaftsminister: Insolvenzverfahren für Staaten dringend benötigt

Die Griechenlandkrise macht der Politik Beine. Nachdem fast alle relevanten Mitglieder der Bundesregierung sowie der Bundespräsident sich für die Schaffung eines Internationalen Insolvenzverfahrens ausgesprochen haben, verlangt es nun auch der Wirtschaftsminister. Siehe: http://www.tagesschau.de/wirtschaft/staatspleite102.html Das ist erst mal sehr positiv, denn in der Vergangenheit haben wir auch gegenüber dem BMWi/BMWA oft über die Notwendigkeit eines umfassenden und rechtsstaatlichen Verfahrens gesprochen. Haarscharf daneben liegt der Minister allerdings mit seinem Bezug auf Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts. Statt dieses Kapitels, das Unternehmensinsolvenzen regelt, ist der viel geeignetere Bezug das Kapitel 9. Dort geht es um die Zahlungsunfähigkeit von Gebietskörperschaften, und es ist geregelt, inwieweit in die souveräne Sphäre des Schuldner eingegriffen werden darf – und wieweit ausdrücklich nicht. Geradezu tragisch auch seine Ergänzung, dass wir ein Insolvenzverfahren sozusagen für die Griechenlands dieser Welt benötigen – aber nicht für Griechenland. Das erinnert fatal an die Diskussion um den SDRM, den Insolvenzvorschlag des IWF 2001. Der Fonds lancierte ihn mitten in der Argentinienkrise und versuchte danach eine globale Reformdebatte unter der Massgabe zu führen, dass Argentinien als der damals brennendste Fall von Staatspleite keinesfalls darunter fallen werde. Erreicht wurde im Ergebnis gar nichts. Hoffentlich vermasseln sie es jetzt nicht auch wieder – und wir erinnern uns in fünf Jahren daran, dass wir in der Griechenlandkrise damals besser ein Insolvenzverfahren für Staaten geschaffen hätten….