Griechenland-Pleite: Ackermanns schwarzer Peter liegt längst in Berlin

erlassjahr.de und viele andere haben seit Ausbruch der Griechenland-Krise auf einen schnellen Schuldenschnitt gedrängt, weil eine Insolvenzverschleppung die letztlich unvermeidliche Lösung nur teurer macht. Ein zweiter Effekt der verfehlten Krisenstrategie in den letzten 15 Monaten ist, dass die direkten Verluste bei einer Insolvenz Griechenlands inzwischen weitgehend  vom privaten auf den öffentlichen Sektor übergegangen sind. Am Montag legte die FTD aktuelle Zahlen zu den Auslandsschulden Griechenlands vor. Demnach hat die Finanzwirtschaft, die noch im Frühjahr griechische Titel von mehr als 21 Mrd. € gehalten hatte, dieses Exposure inzwischen auf 12 Mrd. € reduziert. Dagegen steht der Bund inzwischen mit Garantien und direkten Finanzierungen von 29 Mrd. € in der Pflicht. Zu Beginn hatte sich der deutsche Forderungsbestand gegenüber dem griechischen Staat nach Angaben des Bundesfinanzministeriums noch auf lustige 5 Mio € aus alten Handelsgeschäften belaufen.

Wenn man von einem bevorstehenden Haircut von 50% ausgeht – eher die untere Grenzen dessen, was Experten zur Wiederherstellung von Griechenlands Schuldentragfähigkeit für notwendig halten – dann verliert der Steuerzahler mindestens 14 Mrd. €, während es bei allen deutschen Banken und Versicherungen, die immerhin an ihren hochverzinsten Griechenland-Papieren bis in die jüngste Vergangenheit prächtig verdient haben – nur noch etwa 6 Mrd. wären.

Dabei ist es noch kein Jahr her, dass Herr Ackermann in der Bundespressekonferenz dem skeptisch dreinblickenden Finanzminister das ungeschmälerte Griechenland-Engagement der deutschen Finanzinstitute als Beitrag zur Eindämmung der Krise versprochen hatte.

Auch Weidmann schließt Insolvenz Griechenlands nicht aus

Wenn zwei dasselbe sagen, ist es noch lange nicht dasselbe. Selbst, wenn der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesbank-Präsident durchaus auf Augenhöhe agieren. Jens Weidmann, jüngst von der Kanzlerin vom persönlichen Wirtschaftsberater zum Chef der Frankfurter Währungshüter befördert, sagte bei der Anhörung im Haushaltsausschuss am Montag das Gleiche wie Philipp Rösler in seinem umstrittenen “Welt”-Beitrag: Eine Insolvenz Griechenlands darf als Option nicht ausgeschlossen werden. Und sie sollte geordnet sein. Das berichtet die Financial Times Deutschland aus dem Ausschuss. Das gesamte Statement steht auf der Seite der Bundesbank.

Lautstarke Empörung aus den Fraktionen, dem Kanzleramt oder den Medien war darauf nicht zu vernehmen. Vielleicht weil Weidmann, anders als der tollpatschige Rösler, die Möglichkeit einer Staateninsolvenz nicht mit der vollkommen sinnlosen Idee eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion verbunden hatte. Ökonomische Fakten und deren Konsequenzen  – hier die Zahlungsunfähigkiet und die vernünftige Option einer geordneten Insolvenz – sind das eine. Billiger Populismus das andere.

Die EU soll endlich zum Zahnarzt gehen!

Diese fiese Situation hat jeder schon mal erlebt: Der Backenzahn tut weh, am Anfang nicht so schlimm, aber dann immer übler. Man weiss, man sollte eigentlich zum Zahnarzt, aber dann denkt man an den sirrenden Bohrer und die große Zange, und es fällt einem zum Glück ein, dass man heute nachmittag sowie so noch ganz dringend… und hat der heute nicht sowieso geschlossen…? Und dann beisst man lieber auf irgendwelche Kräuter, oder futtert packungsweise Aspirin, und wenn das nicht mehr wirkt, und man nicht schlafen kann, erinnert man sich an die Rum-Buddel im Küchenschrank. Mit unschönen Folgen zumeist.
Eigentlich weiss man genau, wie blöd das ist, aber man klammert sich daran, dass ja ein Wunder passieren und man morgen früh frisch und schmerzfrei erwachen könnte. Am Ende schleppt man sich dann doch hin, und zu Bohre rund großer Zange handelt man sich noch harsche Worte vom Doc ein, der vor einer Woche vielleicht noch was hätte retten können.
So ist es im Moment auch mit der Euro-Krise: Mit dem Anstieg der Refinanzierungskosten Italiens ist klar geworden, dass die Schmerzmittel namens “Rettungspakete” die Eurozone künftig nicht mehr vor einem Schuldenschnitt mitsamt Beteiligung der Gläubiger bewahren werden. Und jeder Tag, den die Finanzminister in der Hoffnung auf Ölfunde in der Ägäis oder ein wundersames Sinken der griechischen Zinsen zuwarten, macht die letztlich unvermeidbare Operation teurer und schmerzhafter. Abgesehen von der EZB gibt es fast niemanden mehr, der ernsthaft behauptet, es ginge ohne Operation(en) ab.
Für die betroffenen Bürger in den europäischen “Peripheriestaaten”, und für alle, die seit April 2010 eine geordnete Insolvenz verlangen, ist es fast schon nicht mehr auszuhalten!

Unkalkulierbar

Im Zusammenhang mit einer drohenden Umschuldung Griechenlands hat die Finanzpresse ein neues Libelingswort: “Unkalkulierbar”. Das seien nämlich die Risiken, die auf die Öffentlichkeit der Eurozone zukämen, wenn es zulasten der Anleger einen Schuldenschnitt oder auch nur eine Umschuldung der griechischen (Auslands-)Schulden gebe.
Und deshalb solle man lieber die Finger davon lassen.
So lange es Staats-Schuldenkrisen gibt (also eigentlich schon immer) haben Gläubiger eine Art Weltuntergang für den Fall an die Wand gemalt, dass sie ihr Geld nicht – oder nicht in voller Höhe – wiederbekommen. Bislang bezog sich der Weltuntergang meist auf den Schuldner selbst: wer nicht voll zurückzahle, bekomme nie wieder einen Kredit, wurde entgegen jeder wirtschaftliche Logik und jede historische Erkenntnis jahrelang den ärmsten Ländern mitgeteilt, als deren Schuldensituation in den 90ern immer prekärer wurde. Kurz darauf organisierten Weltbank und Währungsfonds selbst die Entschuldung von 40 Ländern – mit dem expliziten Ziel, diese dadurch wieder oder überhaupt erstmals kapitalmarktfähig zu machen. Was sich bis zum Beginn der Krise von 2007/8 auch nicht schlecht anließ.
Im Zusammenhang mit der Griechenland-Krise ist es nicht mehr ausreichend, für den Schuldner selbst Feuer und Pestilenz vorherzusagen. Das wäre der Öffentlichkeit in den Ländern, die den Bail-out der Anleger finanzieren sollen, womöglich egal. Auch kann man den Untergang der Eurozone als Ganzer schlecht vorhersagen, wenn jemand in Schwierigkeiten ist, der weniger als 5% der Wirtschaftsleistung der gesamten Eurozone erbringt.
Also droht man mit dem Ungewissen. Ähnlich wie in finsteren Zeiten der Kirchengeschichte dem Sünder mit dem Fegefeuer für den Fall gedroht wurde, dass er sein Portemonnaie nicht für den Kauf von Ablassbriefen öffnete, wird nun wieder eine ungreifbare höhere Macht bemüht, welche zur Strafe für einen griechischen Schuldenschnitt umgehend die halbe Eurozone von jeglicher Kreditversorgung abschneiden werde: Der Markt oder wahlweise auch im Plural “die Märkte”. Auf den ersten Blick eine verblüffende Drohung, da die drei kritischsten Länder ohnehin nur noch öffentlich finanziert werden können und von “den Märkten” außer gänzlich untragbaren Zinssätzen in absehbarer Zeit nichts zu erwarten haben.
Das haben die Propagandaapparate der Gläubiger eingesehen, und weiten deshalb ihre Drohgebärde ins Unbestimmte aus: Wir alle seien dran, weil die großen Banken, Versicherungen und Investmentfonds, die ihrerseits einen schwer zu beziffernden Beitrag zum Steueraufkommen der öffentlichen Hand und zur Beschaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland leisten, einen Zahlungsausfall Griechenlands nicht überstehen würden. Weil aber niemand weiss – und auch niemand wissen kann – ob das tatsächlich so ist, und welche Folgen ein Zusammenbruch etwa der HRE, ein Herunterstufen der Bonität der Commerzbank oder die Insolvenz des einen oder anderen Investmentfonds tatsächlich hätte, haben diejenigen, die durch einen Schuldenschnitt der Griechen tatsächlich Verluste hinnehmen, das perfekte Drohszenario geschaffen: Keiner weiss, was genau passieren wird, aber in dem undurchsichtigen Nebel von Fakten und Zusammenhängen kann jedem irgend etwas zustoßen.
Das hilft kolossal, die umgekehrte Frage gar nicht erst aufkommen zu lassen: Nämlich: was bedeutet es denn, dass dieses Land es sich scheinbar nicht mehr leisten kann, die von Hasardeuren eingegangenen Risiken nicht mit öffentlichem Geld abzusichern. Das bedeutet, dass wir ohne die Chance auf eine geordnete Staateninsolvenz zulasten der Anleger bis ans Ende unserer Tage deren Geiseln sein werden. Und die Kosten dafür wären…? Richtig: unkalkulierbar!

Wie Griechenland Deutschland die Schulden erließ

Hermann Josef Abs unterzeichnet das Londoner Schuldenabkommen 1953 /Bild: unbekannt
Hermann Josef Abs unterzeichnet das Londoner Schuldenabkommen 1953 / © Deutsche Bank AG, Kultur und Gesellschaft Historisches Institut, Frankfurt am Main, CCL 3.0

Kaum jemand glaubt in Europa noch daran, dass Griechenland ohne einen Kapitalschnitt, d.h. einen Teilerlass seiner Auslandsschulden wirtschaftlich wieder lebensfähig werden kann.

Trotzdem beharrt die Bundesregierung, im Verein mit den anderen Mitgliedern der Eurozone, darauf, dass ein Teilschuldenerlass nicht stattfinden darf. Vom Zusammenbruch der Eurozone über die Verluderung der Sitten auf den internationalen Finanzmärkten werden Horrorszenarien für den Fall einer Schuldenerleichterung an die Wand gemalt.
Dabei ist die jüngere Wirtschaftsgeschichte nicht gerade arm an Schuldenerlassen zugunsten von souveränen Staaten. Einer dieser Fälle ist die Streichung von rund der Hälfte aller ausstehenden deutschen Verbindlichkeiten durch 22 Gläubigerstaaten im “Londoner Schuldenabkommen” von 1953. Einer dieser Gläubiger war Griechenland.

Zusammengebrochen ist infolge des Schuldenerlasses nichts und niemand. Im Gegenteil: Niemand würde in der Rückschau der Einschätzung des damaligen deutschen Verhandlungsführer H.J. Abs (im Bild zu sehen bei der Unterzeichnung des Abkommens) widersprechen, der konstatierte, dass die umfassende Entlastung der (west-)deutschen Volkswirtschaft ein entscheidender Baustein für das spätere “Wirtschaftswunder” war.

Über den eigentlichen Erlass hinaus wies das Abkommen aber eine Reihe von qualitativen Elementen auf, die für Griechenland und andere hoch verschuldete Länder heute ebenso segensreich wären, wie sie es damals für Deutschland, keine zehn Jahre nach dem Ende des von ihm begonnenen Weltkriegs, waren:

• Der Erlass deutscher Schulden durch Griechenland wurde nicht von der Umsetzung eines Spar- oder Strukturanpassungsprogramms abhängig gemacht. Im Gegenteil: Deutschland wurden verschiedene explizit wachstumsförderne Vergünstigungen und Möglichkeiten zu einer expansiven Geldpolitik eingeräumt.

• Das Abkommen schloss eine Schiedsklausel für künftige deutsche Zahlungsschwierigkeiten ein. Über eventuelle weiter gehende Lösungen für Griechenland und andere hoch verschuldete Länder behalten sich die Gläubiger die letzte Entscheidung in Institutionen wie dem Pariser Club, dem IWF oder durch die Gemeinschaft der Anleihegläubiger vor.

• Deutschlands Schuldenindikatoren lagen deutlich unter denen von Griechenland heute. Der Schuldenstand der Hellenen beträgt rund 100% des BIP; er wird absehbar ohne Schuldenschnitt bis 2014 auf rund 140% ansteigen. Deutschland hatte vor dem Abkommen 1952 eine Quote von 21% des BIP; nach der vollen Umsetzung der Entlastung 1958 waren es noch 6%.

• Deutschland erhielt die Option, künftig seinen Schuldendienst bei einem Handelsbilanzdefizit auszusetzen. Implizit verpflichteten sich die Gläubiger, deutsche Handelsbilanzüberschüsse zuzulassen, also in Deutschland mehr einzukaufen als man dorthin ausführte, damit Deutschland seinen Schuldendienst aus laufenden Einnahmen und nicht etwa aus seinen Devisenreserven bzw. aus der Aufnahme neuer Kredite bestreiten konnte. Letzteres ist genau der Mechanismus, der Griechenland durch den Europäischen Rettungsmechanismus nahe gelegt wird, und der mit katastrophalen Folgen auch zwei Jahrzehnte gegenüber den hoch verschuldeten ärmsten Ländern praktiziert wurde.

• London war ein umfassendes Abkommen über öffentliche und private deutsche Auslandsverbindlichkeiten. Dagegen werden die Griechen – wenn überhaupt verhandelt wird – mit jeder Gläubigergruppe einzeln verhandeln müssen; da die wichtigsten Gläubiger die Inhaber von Staatsanleihen sind, müssen sie sogar mit den Zeichnern jeder Einzelanleihe gesondert verhandeln. Das ist nicht nur aufwändig, sondern schafft für jeden Gläubiger auch einen Anreiz, keine Zugeständnisse zu machen – in der Hoffnung, dass die jeweils anderen es tun, und man selbst ungeschoren davon kommt.

Wenn die Bundesregierung sich schon nicht dazu durchringen kann, mit einem heutigen Schulden ebenso großzügig umzugehen, wie dieser es seinerzeit mit Deutschland tat, sollte sie es wenigstens aus dem eigenen Interesse an einer effizienten Regelung tun. Solange nicht mal das geschieht, kann man sich als Kind des Wirtschaftswunders für den hierzulande gepflegten Diskurs vom faulen und verschwenderischen Griechen nur schämen.

Rettung mit Bedingung: Slowakei unterstützt deutsche Pläne für ein internationales Insolvenzverfahren

Zuerst war es ein heißes Wahlkampfthema, dann eine strategische Entscheidung: Über die  Beteiligung der Slowakei am europäischen Rettungspaket für das bankrotte Griechenland wurde gerade vor den Parlamentswahlen vom 12. Juni sehr emotional diskutiert. Dabei kamen so manche interessante Aspekte ans Licht: Dass die Slowakei selber Kredite aufnehmen müsste, um den Griechen was zu leihen. Dass solche “Rettungsaktionen” eigentlich laut den geltenden Verträgen gar nicht stattfinden sollten. Aber auch, dass ein kleines Land gar nicht so viel Entscheidungssouverenität hat in der EU, und dass Solidarität in der EU doch wichtiger ist als ein paar Wählerstimmen. Denn wie die neue Regierung mit Besorgnis meldet, könnte der Haushaltsdefizit der Slowakei bald den griechischen Zahlen ähnlich sein – derzeit wird in Bratislava an einem neuen Sparplan gearbeitet. Also wurde nach wochenlangem Überlegen entschieden, sich an den Garantien in Höhe von 4,37 Mrd. € im Rahmen des “Rettungspakets” zu beteiligen, nicht aber an direkten Soforthilfen in Höhe von 880 Mio. €. Die Beteiligung soll vier Bedingungen haben:  Die EU soll den Stabilitätspakt stärken, ein geordnetes Insolvenzverfahren für bankrotte Staaten einführen, das betroffene Land soll alle anderen Optionen geprüft haben und die finanziellen Mittel sollen entsprechend den IWF-Regeln verwendet bzw. zurückgezahlt werden.

Auf der Seite des slowakischen Regierungsamtes heißt es: “Die Premierministerin Iveta Radicová begrüßt die medialisierte Initiative der deutschen Bundesregierung für ein geordnetes Insolvenzverfahren für untragbar verschuldete Länder.” Und außerdem: “Für die Premierministerin Radicová ist es inakzeptabel, dass die Folgen des verantwortungslosen Handelns nicht von den Banken, sondern in vollem Maße von den Bürgern der Mitgliedsstaaten getragen werden, die über den Rettungsmechanismus nicht entschieden haben und für die Krisensituation nicht verantwortlich sind. (…) Die Regierung hat grundsätzliche Einwände gegen die Art, wie die Europäische Währungsunion mit der Schuldenkrise einiger ihrer Mitgliedsstaaten umgeht. Deswegen wird sie auf einer Einigung bestehen, die gewährleisten soll, dass sich das Risiko einer Wiederholung derartiger Situationen minimalisiert.” 

Über die Bedingung Nr.2 ist erlassjahr.de besonders erfreut – wir setzen uns gerade jetzt dafür ein, dass die Idee eines Internationalen Insolvenzverfahrens noch mehr Unterstützung auf internationaler Ebene findet!

Rettungspaket ohne rettende Wirkung

Das milliardenschwere Rettungspaket für Griechenland zögert die Staatspleite nur hinaus und macht sie teurer. Das Risiko einer ungeordneten Insolvenz bleibt damit auch erhalten – zum Nachteil der Gläubiger. “Unter dem Strich ist eine geordnete Umschuldung der griechischen Staatsschulden für Schuldner wie Gläubiger machbar und erstrebenswert. Sie ist unvermeidbar, will Europa eine Ausweitung der Krise vermeiden”, schreibt Nouriel Roubini, Professor an der Stern School of Business der Universität von New York, in der heutigen Ausgabe der Financial Times Deutschland. Den Artikel “Lasst Griechenland einfach pleite gehen” können Sie hier lesen.

Insolvenzverschleppung in Griechenland?

Am Wochenende haben sich die Europäische Union und der IWF für die einfachste und vielleicht teuerste der drei zuletzt diskutierten Optionen für Griechenland entschieden: Insgesamt 135 Mrd. € sollen den Griechen an neuen Krediten in den nächsten drei Jahren zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung wird den deutschen Anteil von 8,4 Mrd. € für das erste Jahr in dieser Woche ziemlich rabiat durch Bundestag und Bundesrat boxen, damit endlich so etwas wie Ruhe einkehrt.
Die Option Nr.3 – Ausschluss der Griechen aus der Eurozone – war nie wirklich eine. Option Nr. 2 – eine geregelte Insolvenz mit Kapitalschnitt und einer Umschuldung der griechischen Verbindlichkeiten – ist damit zunächst ebenfalls ad acta gelegt, ob wohl sich in Deutschland maßgeblich Politiker, darunter der Finanz- und der Wirtschaftsminister sowie der Bundespräsident dafür ausgesprochen hatten.
Die Rechnung von EU und IWF kann aufgehen – wenn die Griechen es schaffen, ihr drastisches Sparprogramm umzusetzen und die Weltwirtschaft sich wie erhofft erholt. Wenn diese Voraussetzungen so nicht eintreten, kann es deutlich teurer werden. Das ist eine bittere Lektion aus der Schuldenkrise der ärmsten Länder in den 80er und 90er Jahren: Jahrelang hatte man seinerzeit mit frischem Geld aus multilateralen Quellen den Schuldendienst an die Banken und Regierungen des Nordens künstlich aufrecht erhalten – bis die Schulden bei IWF und Co. selbst zum größten Problem geworden waren, und eine aufwändige Initiative zum Erlass dieser Schulden geschaffen werden musste. Unterm Strich war das für die Steuerzahler im Norden, die letztlich für die unvermeidlichen Forderungsverzichte bezahlen mussten, teurer als ein frühzeitiger Schnitt gewesen wäre. Es bedeutete für die betroffenen Länder wegen des andauernden Lavierens am Rande des Staatsbankrotts ein “verlorenes Jahrzehnt” ohne nennenswerte Entwicklungsfortschritte.
In Griechenland ist die Notwendigkeit der Anpassung von öffentlichen Leistungen, Löhnen und (oft übersehen) Kapitaleinkünften an die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft des Staates unbestreitbar. Dass die Anpassungskosten nun ganz und gar dort abgeladen werden, und diejenigen, die die stets hochverzinsten griechischen Papiere gerne gekauft haben, nun mit öffentlichen Geldern ihre Forderungen garantiert bekommen, ist nicht nur sozial unausgewogen. Es macht den später vielleicht unvermeidbaren Schnitt auch deutlich teurer.

Jetzt auch der Wirtschaftsminister: Insolvenzverfahren für Staaten dringend benötigt

Die Griechenlandkrise macht der Politik Beine. Nachdem fast alle relevanten Mitglieder der Bundesregierung sowie der Bundespräsident sich für die Schaffung eines Internationalen Insolvenzverfahrens ausgesprochen haben, verlangt es nun auch der Wirtschaftsminister. Siehe: http://www.tagesschau.de/wirtschaft/staatspleite102.html Das ist erst mal sehr positiv, denn in der Vergangenheit haben wir auch gegenüber dem BMWi/BMWA oft über die Notwendigkeit eines umfassenden und rechtsstaatlichen Verfahrens gesprochen. Haarscharf daneben liegt der Minister allerdings mit seinem Bezug auf Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts. Statt dieses Kapitels, das Unternehmensinsolvenzen regelt, ist der viel geeignetere Bezug das Kapitel 9. Dort geht es um die Zahlungsunfähigkeit von Gebietskörperschaften, und es ist geregelt, inwieweit in die souveräne Sphäre des Schuldner eingegriffen werden darf – und wieweit ausdrücklich nicht. Geradezu tragisch auch seine Ergänzung, dass wir ein Insolvenzverfahren sozusagen für die Griechenlands dieser Welt benötigen – aber nicht für Griechenland. Das erinnert fatal an die Diskussion um den SDRM, den Insolvenzvorschlag des IWF 2001. Der Fonds lancierte ihn mitten in der Argentinienkrise und versuchte danach eine globale Reformdebatte unter der Massgabe zu führen, dass Argentinien als der damals brennendste Fall von Staatspleite keinesfalls darunter fallen werde. Erreicht wurde im Ergebnis gar nichts. Hoffentlich vermasseln sie es jetzt nicht auch wieder – und wir erinnern uns in fünf Jahren daran, dass wir in der Griechenlandkrise damals besser ein Insolvenzverfahren für Staaten geschaffen hätten….