Too big to fail

Die EZB freundet sich heute mit dem Gedanken an, in weit größerem Umfang als bisher Staatsanleihen überschuldeter europäischer Staaten zu kaufen. Was noch im Sommer ein ordnungspolitischer Tabubruch war, ist heute nur noch eine technische Frage: Wieviel Geld der Zentralbank(en) soll nun genau aufgewendet werden, damit die Pleite europäischer Staaten nicht die dort engagierten Banken aus den anderen Gläubigerländern in den Abgrund reisst?
Die Formel für dieses Tabubruch heisst „too big to fail“. Gemeint ist damit, dass die großen deutschen Banken angefangen von der großen Deutschen Bank bis zu den bereits technisch pleite gegangenen Instituten wie HRE oder HSH für die deutsche Volkswirtschaft zu wichtig sind, um ihre Schuldner nicht mit Steuerzahlergeld wieder liquide zu machen.
Es ist richtig, dass die Störungen für die deutsche Volkswirtschaft bei einer um sich greifenden Pleite wichtiger Banken beträchtlich wären. Auch gesunde Unternehmen könnten zwischenzeitlich ernste Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Liquidität bekommen. Zumindest vorübergehend.
So groß ist die Angst der Regierenden vor diesem Szenario, dass sie den Bruch mit einem der grundlegenden marktwirtschaftlichen Prinzipien nur noch schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. Die Konsequenzen dieser Haltung sind fatal, denn mit dem „too big to fail“-Diskurs signalisieren die Regierenden den Inhabern der Schuldverschreibungen: „Ihr habt uns in der Hand. Da wir es jetzt nicht wagen, Euch in Schwierigkeiten geraten zu lassen, spricht nicht viel dafür, dass wir es morgen tun werden.“
Das ist aus der Sicht eines deutschen Steuerzahlers eine sehr unschöne Situation. Richtig unappetitlich wird sie aber erst, wenn sie mit dem dünkelhaften Diskurs unterfüttert wird, Deutschland sei nun wieder mal dabei, Europa und die Welt zur retten. Dann erinnert die Haltung der Bundesregierung an das Kleingedruckte in den HIPC-Entschuldungsinitiativen der 1990er und 2000er Jahre.
Damals hatte beim Kölner Gipfel der damalige Kanzler Schröder namens der G8 den ärmsten Ländern der Welt großzügig eine umfassende Entlastung von ihren Auslandsschulden im Rahmen der HIPC-Initiative gewährt. Dargestellt wurde das Ganze überdies als Eingehen auf die Forderungen der Erlaßjahr2000-Kampagne.
Erst beim zweiten Hinsehen wurde deutlich, dass die bahnbrechenden Schuldenerlasse durch IWF, Weltbank und Afrikanische Entwicklungsbank weitgehend aus den Entwicklungshilfehaushalten der reichen Länder gegenfinanziert wurden. Das heißt: Unter dem Strich bezahlten diejenigen, denen diese Mittel ohne Schuldenerlass zugute gekommen wären, den Schuldenerlass selbst. Die Begründung für diese Gegenfinanzierung war, dass die Multilateralen Banken die größten und wichtigsten Entwicklungsfinanciers weltweit seien, deren Fähigkeit zur Unterstützung der ärmsten Länder unter allen Umständen erhalten werden müsse.
Nun macht diese Argumentation nur unter der Annahme Sinn, dass die fraglichen Entwicklungshilfegelder – wenn sie nicht an Weltbank & Co geflossen wären, von den Entwicklungsminister/innen in den nächsten Gully geworfen worden wären. Dann hätten in der Tat die ärmsten Länder einen realen Verlust erlitten. Täten sie das nicht, hätte man die Mittel beispielsweise für andere multilaterale Töpfe, wie etwa den Global Fund, das UN Entwicklungsprogramm oder auch ganz klassisch bilateral zum Segen der Ärmsten einsetzen können. Nicht unbedingt besser, aber auch keinesfalls schlechter als die Weltbank es tat.
Die Folge wäre aber gewesen, dass die großen Internationalen Finanzinstitutionen erheblich kleiner geworden wären. Vielleicht hätte sich sogar gezeigt, dass die eine oder andere der mehr als 100 Weltbank-Fazilitäten und Treuhandtöpfe gänzlich überflüssig war.
Quantitativ, d.h. im Blick darauf wieviel Geld tatsächlich von Nord nach Süd fließt, wäre das vielleicht ein Nullsummenspiel geworden (vielleicht auch nicht). Qualitativ aber hätte das bedeutet, dass die Internationalen Finanzinstitutionen, die sich in den achtziger Jahren ein lukratives Geschäftsmodell aufgebaut hatten, indem sie den Schuldendienst längst zahlungsunfähiger Staaten an Banken und Regierungen aufrecht erhielten, für diese Politik einen Preis gezahlt hätten. Das heisst, sie hätten für die Konsequenzen ihres Tuns wirtschaftlich einstehen müssen, was eine der unerlässlichen Voraussetzungen dafür ist, dass eine Marktwirtschaft funktionieren kann. Und vielleicht hätte eine solche für die Washingtoner Institutionen bittere Erfahrung sogar dazu geführt, dass man nach 2008 etwas weniger rasant mit neuen Kreditfinanzierungen zur Aufrechterhaltung des Schuldendienstes der eigentlich bankrotten Staaten Griechenland und Irland in die Bresche gesprungen wäre. Und statt dessen nach wirksamen Wegen gesucht hätte, die privaten Investoren an den Kosten des von ihnen angerichteten Schadens zu beteiligen.
Aber schon damals waren diese (Welt-)Banken „too big to fail“.

Die schöne bunte Welt der Entschuldung

Wer mal so richtig schwelgen möchte in den segensreichen Wirkungen der Entschuldung, der wird von der Weltbank in einem neuen YouTube Video bedient: http://www.youtube.com/watch?v=EJYZCTXU4Dg
Glücklichen Afrikanern und Südamerikanern kann man dabei zusehen, wie sie dank Entschuldung in ihrem örtlichen Krankenhaus zuvor unerschwingliche Medikamente kostenlos verabreicht bekommen. Genauer gesagt: Dank HIPC-Entschuldung. Denn Sinn des Streifens ist natürlich zu demonstrieren, dass die weitsichtige Politik der Bank, deren Mitarbeiter reichlich zu Wort kommen, dieses schöne Ergebnis herbeigeführt hat. Zu Wort kommt übrigens auch der Autor dieses Blogbeitrags, den die PR-Abteilung am Rande einer Tagung im April vor die Kamera bekam.
Überraschenderweise nicht in den Film geschnitten wurde aus den längeren Statements der Hinweis, dass HIPC nach wie vor ein Instrument in der Hand der Gläubiger ist, und am Ende einer langen Kette von Entschuldungs-Verweigerungen steht. Dafür erfährt der Zuschauer, dass durch die Initiative die Bank gezwungen wurde, ihren vorgeblichen „bevorzugten Gläubigerstatus“ endlich aufzugeben. Immerhin.

Was sie schon immer über die HIPC-Initiative wissen wollten….. Neuer „Status of Implementation Report“ erschienen.

Knapp vor der Jahrestagung von IWF und Weltbank in der kommenden Woche haben die beiden Institutionen den alljährlichen „Umsetzungsbericht zur HIPC/MDRI-Entschuldungsinitiative“ (mehr Infos zur Initiative hier) vorgelegt. Der Bericht ist jedes Jahr die wichtigste Datenquelle, um zu beurteilen, was HIPC „gebracht“ hat, und was nicht. Er ist im Internet unter http://siteresources.worldbank.org/INTDEBTDEPT/ProgressReports/22326841/HIPCProgressReport20090915.pdf abrufbar.

Auch bei dieser Veröffentlichung zeigt sich die in der Weltbank vielerorts zu beobachtende Tendenz, dass Informationen, die zu kritischen Diskussionen geführt haben, im folgenden Jahr nicht mehr enthalten sind. Im HIPC-Umsetzungsbericht betrifft das die ausführliche Beurteilung des Risikos neuer Überschuldung. Im letzten Jahr hatten wir selbst und andere Kampagnen die Bank mit ihren eigenen Zahlen unter Druck gesetzt. Inzwischen sind länderbezogene Informationen nur noch unvollständig und im Fließtext versteckt enthalten.

Wichtige Grundinformationen über die Entschuldungsinitiativen enthält der Text gleichwohl:
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Mehr Schuldendienst durch HIPC-Schuldenerlass

In den meisten Ländern führt die Beteiligung an der Multilateralen Entschuldungsinitiative (HIPC/MDRI) dazu, dass der laufende Schuldendienst deutlich abgesenkt wird, und im Idealfall so Mittel zur Armutsbekämpfung frei werden. In Cote d’Ivoire wird nach dem gerade veröffentlichten Vorläufigen HIPC-Dokument das Gegenteil passieren:

Der jährliche Schuldendienst, der 2005 bei 325 Mio US-$ und 2006 nur noch bei 126 Mio US-$ gelegen hatte, steigt 2009 auf 608 Mio. Bis 2017 übersteigt er anschließend die Summe, die ohne HIPC-Schuldenerlass fällig gewesen wäre. Entsprechend steigt auch die Schuldendienstquote in den Vorhersagen mit Schuldenerlass in der Spitze auf über 10%, während sie ohne Erlass im gleichen Zeitraum durchgängig zwischen 5 und 7% gelegen hätte.

Das Geheimnis dieser überaus seltsamen Entschuldungsinitiative liegt in der Bereinigung der z.T. Jahrzehnte alten Zahlungsrückstände des Landes,  v.a. bei den Multilateralen Gläubigern selbst. Um in den Genuss des HIPC-Erlasses zu kommen, müssen die Schuldnerländer zunächst alle Zahlungsrückstände bei Weltbank, IWF und Afrikanischer Entwicklungsbank begleichen. Dazu wiederum müssen sie in der Regel neue Kredite aufnehmen, die dann – weil sie neue, nach dem „Cut-off-date“aufgenommene Schulden sind, vom Erlass ausgenommen sind. In einigen Fällen, wie z.B. Liberia hat das im vergangenen Jahr zu akrobatischen Finanztransaktionen geführt, mit denen neue Kredite gegeben, und dann gleich durch bilaterale Beiträge wieder abgelöst wurden.

Im Falle des vergleichsweise „reichen“ Cote d’Ivoire“ rechnen IWF & Co ungerührt mit einer Begleichung der Zahlungsrückstände innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums. Erst danach spürt das Land eine faktische Erleichterung auch beim Schuldendienst.

Cote d’Ivoire wäre gut beraten, sich auf diese seltsame Erleichterung gar nicht erst einzulassen, sondern darauf zu bestehen, dass der Schuldendienst durch die Entschuldung nicht steigen darf. Das allerdings würde ein faires Entschuldungsverfahren voraussetzen – und nicht eines, bei dem die „Gutachter“ Weltbank und IWF zuallererst ihr eigenes Schäfchen ins Trockene bringen.

Doha-Tagebuch 30.11.08: Nie mehr Schuldenkriiiise, nie mehr, nie mehr…!

Sonntag war Arbeitstag bei der Financing for Development-Konferenz in Doha. Vor unserem eigenen Side-Event zu innovativen Entschuldungsverfahren war ich an gleicher Stelle Panelist beim Schulden-Forum der Weltbank. An einem etwas abgelegenen Ort im Sheraton-Restaurant „Waterhole“ mit Blick auf das Meer auf der einen und dem Guinness-Zapfhahn auf der anderen Seite, sollte eine Bilanz der HIPC-Initiative gezogen werden. Nach dem staubtrockenen Vortrag einer IWF-Mitarbeiterin sollten der erfrischend lockere holländische Entwicklungsminister Bert Koenders und ich das Gehörte kommentieren.
Koenders zog, wie sich das für jemand gehört, der einerseits mit Sitz und Stimme im Governeursrat der Weltbank hockt, auf der anderen Seite seinen Sinn für die Realitäten nicht verloren hat, eine durchwachsene Bilanz. Meine Aufgabe als einziger frecher NRO’ler im ganzen Programm war natürlich der heftige Kontrapunkt, der für die Herren und Damen aus Washington bei solchen Gelegenheiten inzwischen dazu gehört.
Ich habe mich auf den letzten HIPC-Implementation-Bericht bezogen, und sie gefragt, was eigentlich mit den Ländern passieren soll, denen Bank und Fonds selbst ein hohes Risiko neuer Überschuldung bescheinigen. Immerhin 13 von 23 entschuldeten HIPCs bewegen sich nach den Berechnungen der Institutionen (unsere Liste ist noch etwas länger) von vor der Finanzkrise in diesem Bereich.
Eine Antwort darauf bekamen wir nicht. Alle anderen Redner/innen beschäftigten sich mit der Frage, wie mit Hilfe des Debt Sustainabality Framework die Kreditaufnahme besser reguliert werden und den vielerorts ziemlich schwachen Buchhaltungen technisch unter die Arme gegriffen werden kann.
Selbst im Vier-Augen-Gespräch konnte ein höherrangiger Mitarbeiter des IWF sich zu keiner Andeutung durchringen, welchen Plan B man denn wenigstens in der Tasche habe, falls Länder von ihrem souveränen Recht auf Kreditaufnahme wiederum exzessiv Gebrauch machten (was einige spektakuläre Fälle wie die DR Kongo mit China als Kreditgeber bereits tun).
Nein, nein, eine neue Krise werde es bestimmt nicht geben. Und von daher logischerweise auch keinen Grund, sich Gedanken darüber zu machen, was nach HIPC kommt. Auch ein Hinweis auf die lange Überschuldungsgeschichte vieler Länder, die durch wiederholte Umschuldungen gegangen sind half nicht. Das Ende der Geschichte wurde für erreicht erklärt. Punkt. Am Anfang war ich mir sicher, der Mann will mich verarschen. Nachher nicht mehr.
Mit ziemlich begrenzter Beteiligung ging danach unser eigenes Side-Event zu FTAP über die Bühne. Wegen der sich ständig verändernden Agenda des offiziellen Verhandlungsprozesses waren uns sämtliche eingeladenen Minister/innen abhanden gekommen. Inhaltlich wurde es trotzdem eine recht anregende Veranstaltung.

Guinea und der Schuldenerlass

Im Jahre 2000 hat das afrikanische Land Guinea den Decision Point unter der HIPC-Initiative erreicht. Das Land, in dem 40 Prozent der Bevölkerung in absoluter Armut leben, bekam damals erste Schulden erlassen. Für einen umfangreichen Schuldenerlass muss es jedoch weitere Armutsbekämpfungsprogramm auflegen, um die Stufe des Completion Points unter der HIPC-Initiative zu erreichen. Seit nunmehr 8 Jahren bemüht sich das Land um die Umsetzung dieser Programme. Ina Zeuch hat für epo.de Guine besucht und berichtet von den Problemen mit den Programmen und der Situation der Bevölkerung im Land. Ihren Bericht kann man hier nachlesen.

Barack Obama und illegitime Schulden

Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama will im Falle seiner Präsidentschaft dem Thema illegitime Schulden eine hohe Gewichtung einräumen. In seinem Strategiepapier zur „Förderung der globalen Entwicklung und der Demokratie“ legt er sich deutlich fest: „Als Präsident wird Barack Obama das Thema „odious debts“ (verabscheuungswürdige Schulden) multilateral angehen und Untersuchungen vorantreiben, wie durch Kreditsanktionen (loan sanctions) Anreize geschaffen werden können, die private Kreditgeber davon abhalten, repressiven und autoritären Regimen Geld zu leihen.“

erlassjahr.de hat das Strategiepapier von Obama ausführlich analysiert und als Fachinfo Nr. 18 publiziert. Es kann auf unserer Homepage heruntergeladen werden.

Die Waffen des Diktators Mugabe und die Geschäfte der KfW: Drei Fragen

Die Affaire um das mit Waffen für Zimbabwe beladene chinesische Schiff An Yue Jiang wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die unappetitliche Unterstützung des Diktators durch China. Interessanter noch ist die Frage nach der offenbar gängigen Geschäftspraxis der IPEX, einer Tochter der öffentlichen deutschen Entwicklungsbank KfW.

erlassjahr.de stellt in diesem Zusammenhang die folgenden Fragen:

Erste Frage: Wieso arbeitet die IPEX mit einer Inkassofirma zusammen?
„Commercial Intelligence“ ist eine der zahlreichen Firmen, die sich darauf spezialisieren, die Aktiva armer Länder aufzustöbern, auf die Gläubiger im Zusammenhang mit kommerziellen Forderungen zugreifen könnten. Das ist ein mühsames Geschäft, denn das Eigentum überschuldeter Staaten im Ausland beschränkt sich im allgemeinen auf diplomatische Liegenschaften, auf die ein Zugriff grundsätzlich nicht möglich ist.
Im Zusammenhang mit der Praxis so genannter „Geierfonds“ sind diese privaten Akteure zunehmend ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. In der Regel bedienten sich private Gläubiger solcher Firmen. Formal ist auch die IPEX eine solche private Firma – gleichwohl eine, die sich im Eigentum der öffentlichen KfW befindet, und die sich nach eigenen Angaben den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichtet weiß. Die Fincial Times Deutschland (FTD vom 23.04.2008) zitiert eine IPEX Sprecherin so: „Damit nehme es nicht nur auf wirtschaftliche und ökologische, sondern auch auf soziale Aspekte Rücksicht“.

Zweite Frage: Warum versucht die IPEX jetzt, ihre Ansprüche durchzusetzen? Zimbabwes Auslandsschulden betrugen bereits Ende 2005 (letzte zur Verfügung stehende Daten) 132% der Brutto Inland Produktes (BIP) und damit mehr als das Dreifache dessen, was Weltbank und IWF für ein noch tragfähiges Schuldenniveau halten. Seither hat sich dieser Indikator vor allem durch den weiteren Rückgang des BIP und die auflaufenden Zinsen auf Zahlungsrückstände weiter verschlechtert – nur weiß niemand um wie viel genau.
Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird (richtigerweise) davon ausgegangen, dass Zimbabwe ein Fall für eine weitreichende Schuldenstreichung unter der Multilateralen HIPC-Initiative ist, „wenn der Alte erst mal weg ist“ (sprich Dikator Mugabe abgesetzt wurde). Ob die eigentlich geschlossene HIPC-Initiative dann noch mal geöffnet wird, oder es zu einer vergleichbaren Streichung in einem ad-hoc-Verfahren kommt: auf jeden Fall würden bilaterale kommerzielle Forderungen wie die aus dem deutschen Stahlwerkgeschäft in einem solchen Verfahren weitgehend oder vollständig gestrichen. Da wirkt es befremdlich, dass ein überdies indirekt im öffentlichen Besitz befindlicher Gläubiger gerne noch rausholen will, was zu holen ist, so lange – zum Glück – der „Alte“ noch da ist.

Dritten Frage: Was wäre denn, wenn zum Beispiel Nahrungsmittel für die unter Armut und Repression leidende Bevölkerung Zimbabwes auf dem Schiff gewesen wären?
Die IPEX hat deutlich gemacht, dass sie sich an den Waffen für den Diktator die Finger nicht schmutzig machen will. Nun ist die Darstellung in vielen Medien an einem Punkt nicht ganz korrekt: Internationales Recht gestattet durchaus den Zugriff auf Werte, die hoheitlichen Zwecken dienen – vorausgesetzt, dass der Kreditnehmer im Kreditvertrag ausdrücklich auf seine souveräne Immunität verzichtet hat. Das wiederum ist seit den achtziger Jahren routinemässig der Fall, in denen Staaten Kredite im Rahmen kommerzieller Transaktionen aufnehmen. Mit Sicherheit enthält auch der Vertrag über das Stahlwerk in Zimbabwe eine entsprechende Klausel. Wäre also tatsächlich Weizen oder – sagen wir – Lieferungen für ein humanitäres Programm einer Nichtregierungsorganisation auf dem Schiff gewesen, hätten die zwielichtigen Geldeintreiber aus Singapur durchaus Werte für die IPEX/KfW sistieren können. Die in der FTD zitierte IPEX-Sprecherin hat ausdrücklich darauf beharrt, dass man keinesfalls das (politische) Interesse gehabt habe, dem Diktator den Zugang zu seinen Mordwerkzeugen zu entziehen. Vielmehr habe man aus „rein kommerziellen“ Erwägungen gehandelt. Von daher ist davon auszugehen, dass jede Art von kommerziell verwertbarem Hab und Gut tatsächlich seinen Weg nach Frankfurt statt nach Harare gefunden hätte. Inwiefern diese Art von Inkasso in einem total verarmten Land „soziale Aspekte berücksichtigt“, sollte die KfW durchaus mal öffentlich erklären.

Fazit:
Es ist offenbar höchste Zeit, dass die zuletzt mit einem Fachgespräch in der Weltbank und Anfang Juni mit einer Bundestagsanhörung anlaufende Diskussion über die Illegitimität von Forderungen an manche Diktatoren zu praktischen politischen Schritten führt. Umso wichtiger ist es, dass diese Diskussion auch in der Öffentlichkeit geführt wird. Unterstützen Sie deshalb jetzt die Kampagne für eine Parlamentariererklärung!

Pariser Club erlässt Liberia 254 Millionen Dollar Schulden

Wie erwartet hat der Pariser Club beschlossen dem afrikanischen Land Liberia einen Teil seiner Schulden zu erlassen. 254 Millionen US-Dollar wurden erlassen, welche nun in Programme zur Armutsreduzierung in Liberia fliessen sollen. Der Pariser Club reagiert damit auf die Ankündigung des Internationalen Währungsfonds Liberia wieder als reguläres Mitglied aufzunehmen. Zudem hatte Liberia im März den Decision Point im Rahmen der HIPC Initiative erreicht. Gleichzeitig hat die US-Regierung angekündigt Liberias komplette bilaterale Schulden in Höhe von 430 Millionen US-Dollar zu erlassen. Die USA wollen so den wirtschaftlichen und politischen Wandel des Landes unterstützen, der unter der Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf eingeleitet worden ist.

Liberia wieder reguläres Mitglied des IWF

Der internationale Währungsfonds (IWF) hat Liberia nach 20 Jahren wieder in den Kreis seiner regulären Mitglieder aufgenommen. Vorausgegangen war eine Finanzierung in Höhe von 900 Millionen US-Dollar, die der IWF Liberia zur Verfügung gestellt hat, die das Land nun nutzen kann um seine Zahlungsrückstände beim Fonds zu bezahlen. Das ganze letzte Jahr hindurch war die Aufnahme des Landes in die HIPC-Initiative an bürokratischen Hürden innerhalb des IWF beim Abbau der seit zwanzig Jahren uneintreibbaren  Rückstände des westafrikanischen Landes gescheitert. Ein Teil der 900 Millionen Dollar sollen auch für Programme zur Armutsreduzierung und für wirtschaftlichen Wachstum eingesetzt werden.