Griechenland im Januar 2015: Hoffnung wieder erlaubt

Der historische Wahlsieg der Anti-Austeritäts-Parteien unter Führung des Linksbündnisses Syriza sorgt zu Recht für Euphorie. Ohne einen grundlegenden Politikwechsel wäre Griechenland weiter in der Rezessionsfalle geblieben, die darin besteht, dass die Wirtschaft schrumpft, während die Schulden gleich bleiben oder leicht ansteigen. Das war die Griechische Realität seit den Wahlen 2012.

Der Politikwechsel ist eine notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung für eine wirtschaftliche Erholung. Ein nächstes unerlässliches Element dafür ist ein weiter gehender Schuldenschnitt. Bei einem Schuldenstand von 173% des BIP und gesamten Auslandsschulden (öffentlichen und privaten) von mehr als 200% des BIP sollte man über das „ob“ eigentlich nicht mehr diskutieren müssen. Fachleute aller Lager tun das auch nicht.

Politiker schon. Das heisst: Es gibt diejenigen, die einen Schnitt kategorisch ausschließen, wie diverse CSU-Frontleute. Mit irgendwelchen Indikatoren oder sonstigen Fakten halten die sich dabei nicht auf, sondern verweisen darauf, dass man 2012 den Griechen ja schon mal entgegengekommen sei. Als ob das ein Argument wäre. Andere, darunter der Bundesfinanzminister und Kommissionspräsident Juncker deuten angesichts der Faktenlage schon mal die Möglichkeit weiterer begrenzter Zinsvergünstigungen an. Das ist bereits der Einstieg in die Verhandlungen, von denen die Genannten natürlich wissen, dass Alexis Tsipras sie betreiben muss und wird.

Erinnern können – und werden sich vielleicht – beide Seiten dabei an die Lagebeurteilung des IWF im Januar 2013, d.h. nach dem mit den Privatgläubigern vereinbarten Schuldenschnitt von 109 Mrd. €. Der IWF legte in dem Dokument dar, wie fragil die Situation nach wie vor war und wie hoch die Wahrscheinlichkeit, dass ein tragfähiges Schuldenniveau nicht erreicht würde. Wenig später gab es dann auch weitere kleine Erleichterungen der Europäischen Geldgeber. Aber auch das trieb damals dem IWF sein mulmiges Gefühl nicht aus. Schließlich hatte er sich im Rahmen der Troika mit dem größten Rettungsprogramm seiner Geschichte selbst in Griechenland exponiert. Immer und immer wieder taucht deshalb in dem IWF-Bericht – neben offenherzigen Bemerkungen über die bescheidene Rolle der EU-Vertreter in der Troika – auch die Erinnerung an die offenbar hinter verschlossenen Türen gegebene Zusicherung der Europäer auf, weitere Erleichterungen zu gewähren, wenn Griechenland das vorgesehene Niveau von 120% des BIP im Jahr 2020 verfehlt.

Dass es ohne weitere Erleichterungen verfehlt werden wird, steht außer Frage. Und es ist zu hoffen, dass der Globale Akteur, der mit Ressourcen aller Staaten der Welt hantiert, sich nicht noch einmal zähneknirschend und entgegen besserem Wissen zur Finanzierung aussichtsloser Rettungsoperationen im Interesse der Europäer heranziehen lässt. Dass der Rest der Welt sich das nicht noch einmal bieten lassen möchte, hat er  – in Person der G77 – unter anderem dadurch deutlich gemacht, dass er die Diskussion um künftige Entschuldungsverfahren vom IWF auf die UNO verlagert hat (siehe Beiträge in diesem Blog).

Wir haben seinerzeit den sehr informativen IWF-Bericht damals in einem Fachinfo auf deutsch zusammengefasst und kommentiert.

Wie kann es nun für Griechenland weiter gehen?

Nicht aufhalten sollte man sich mit den albernen „Grexit“-Diskussionen über einen möglichen Austritt aus dem Euro. Syriza will es nicht. Die Europäer wollen es nicht. Eine Lösung wäre es nicht. Also genau das richtige Thema für die AfD – aber sonst auch niemand.

Syriza hat im Wahlkampf des öfteren an die Entlastung Deutschlands im Londoner Schuldenabkommen von 1953 erinnert. Das kam einerseits im Wahlkampf gut an – setzte es doch die ungeliebten deutschen Sparkommissare moralisch ins Unrecht. Zum anderen enthält das Abkommen aber eine Reihe von Bestimmungen über die unmittelbare Schuldenerleichterungen hinaus, die für Griechenland heute wegweisend sein könnten, um einen Weg aus der Krise zu finden. Prominent darunter die Begrenzung des Schuldendienstes auf den Handelsbilanzüberschuss und die Schaffung von Schiedsverfahren für künftige Streitfälle. Ich habe das in einem eigenen Beitrag für W&E und im einen ej-Fachinfo etwas ausführlicher beschrieben. Eine in diesem Sinne „deutsche“ Lösung für Griechenland? Das wäre ein großer Fortschritt für alle!