Grenada – ein sehr zerbrechliches Paradies

Selbst Entschuldungskonferenzen bringen es mit sich, dass man ein wenig von Land und Leuten mitbekommt. “Land” war in diesem Fall nicht nur ein hübsches Strandhotel, wo man zwangsläufig landet, weil es hierzulande keine Hotels gibt, die nicht auf die Bedürfnisse von Strandtouristen
zugeschnitten wären; sondern auch ein kleiner Ausflug nach Guayave zum Fish Friday, einer Art allwöchentlichem kleines Volksfest, eben am Freitag Abend, wenn der kleine Ort am Meer voller Essensständen, Musikgruppen und Bierverkäufen ist. Nicht alles, was dort im Topf schwimmt, möchte man als empfindlicher Miteleuropäer wirklich zu sich nehmen, aber die Atmosphäre und die Menschen an den Ständen lassen einen notfalls auch den Hunger vergessen.

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© erlassjahr.de

Und da ist man dann schon bei den “Leuten”, die eben nicht nur die geschätzten Kirchen-, Gewerkschafts- und NRO-Aktivist/innen, mit denen wir seit zwei Jahren versuchen, dieser kleinen Insel das Schicksal des großen Nachbarn Jamaika zu ersparen. Dieser hat – wie unser Freund Anton Thompson von der Justice and Peace Commission in Kingston zu berichten wusste, zwei Umschuldungen erlebt, die dem Land praktisch nichts genützt haben, weil es keinen Schuldenschnitt gab, sondern nur eine Umschuldung der inländischen Schulden.

Grenada ist, wie nicht nur die Indikatoren, sondern auch die Gespräche mit den Menschen der Insel zeigten, wirtschaftlich unendlich verletzlich. 2009 gab es einen dramatischen wirtschaftlichen Einbruch, der  die Schulden des Landes gänzlich untragbar machte – schon bevor der Staat Anfang 2013 die Zahlungen an die meisten Gläubiger tatsächlich einstellen musste. Seine Ursachen hatten nicht das Geringste mit Grenada und eventuellen Fehlern seiner eigenen Politik zu tun. Die Krise im Immobiliensektor der USA hatte schlicht und einfach die Hauptzielgruppe der Kreuzfahrer, von denen die meisten Inseln hier abhängen, dramatisch betroffen: die obere Mittelschicht der USA hielt ihr Geld aus guten Gründen lieber zusammen.

Wir haben hier mit den Verantwortlichen ausführlich über die Chancen der Insel in den begonnenen Verhandlungen mit den Gläubigern gesprochen. Weder von den Privatgläubigern, die immerhin der mächtige IWF im Interesse Grenadas unter Druck setzt, noch von dem Gläubiger-Kartell des  Pariser Clubs kommen bislang ermutigende Zeichen.

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© erlassjahr.de

Was uns Mut macht, ist, dass die Regierung Grenadas entschlossen ist, einen weit reichenden Schnitt durchzusetzen, und nicht die Fassade eines tragfähigen Verschuldung durch immer neue externe Kredite und Zahlungsverlängerungen vorzutäuschen.

Und dass sie gemerkt hat, dass die eigene Zivilgesellschaft eine Hilfe und nicht ein Hindernis in diesem Prozess sein kann. Wirtschaftsminister Oliver Joseph hat sich nicht nur aus Höflichkeit
nach dem Gespräch mit uns ablichten lassen. Vielmehr sind die Erwartungen an die Jubilee-Kampagnen der Gläubigerländer – hier Tim Jones von der britischen Jubilee Debt Campaign und Eric LeCompte von JubileeUSA, ihre Regierungen zu Zugeständnissen zu bewegen, hoch. Und da Deutschland nicht nur ein mächtiges Mitglied des Pariser Clubs ist, sondern auch den einzigen Exekutivdirektor im Vorstand von Grenadas größtem Einzelgläubiger, der Karibischen Entwicklungsbank, stellt, sind auch an uns die Erwartungen hoch.

Und diese wunderbare kleine Insel und ihre Menschen sind jeden Lobbybesuch in Berlin und jede Aktionspostkarte wert.

Grenada-Tagebuch IV: Dankbarer Minister und eine Andacht am Kabinettstisch

Minister (mit Jacket) empfängt die Stellungnahme der Zivilgesellschaft
Minister (mit Jacket) empfängt die Stellungnahme der Zivilgesellschaft / © erlassjahr.de

Zum Abschluss des Schulden-Workshops in Grenada hat Pfarrer Osbert James, Stellvertretender Vorsitzender des Kirchenrats von Grenada Wirtschaftsminister Oliver Joseph die Empfehlungen der Zivilgesellschaft für eine faire und umfassende Entschuldung Grenadas übergeben. Der Minister eilte mit dem Dokument in der Hand zurück ins Parlament, wo es diverse Gesetze zu verabschieden gab. Montag morgen werden die Empfehlungen des Kirchenrats für eine unparteiische Entschuldungskonferenz am Konferenztisch debattiert werden.

Praktischerweise wird Father Sean Doggett an dem Morgen die Andacht turnusmäßig zum Beginn der Kabinettssitzung halten. Sitzungen welcher Art auch immer beginnen nämlich Grenada immer mit einer Andacht, und da auf dieser kleinen Insel ohnehin jeder jeden kennt oder man zumindest einen gemeinsamen Bekannten hat, wird Sean vor seiner Andacht das eine oder andere Kabinettsmitglied noch auf die Dringlichkeit der zu besprechenden Vorlage aufmerksam machen können.

Montag Nachmittag gibt es dann eine offizielle Rückmeldung an den Kirchenrat, und wir werden wissen, ob die Regierung unter einer “umfassenden Schuldenreduzierung” dasselbe versteht wie wir, oder vielleicht doch etwas ganz anderes. Heute – so wurden wir informiert – ist die IWF-Mission gelandet. Montag kommt deren Chef nach, und dann werden die Herren aus Washington die Regierung wissen lassen, was Sie sich unter einer umfassenden Schuldenreduzierung vorstellen. Vermutlich etwas sehr anderes.

Hier sind zweieinhalb intensive Arbeitstage nun zuende. Ich muss gleich noch ein paar Sätze in die Kameras des Kirchenrates sagen, und morgen gibt es von unserer Seite noch eine kleine Pressekonferenz. Ansonsten freue ich mich auf einen Sprung ins Meer vor Sonnenuntergang und darauf, meinen Bericht mal nicht auf einem Flughafen zu schreiben, sondern morgen früh auf meinem wunderschönen Balkon, bevor es Sonntag wieder zurück in die offenbar ungemütlich-regnerische Heimat geht.