Nobelpreisträger für ein Staateninsolvenzverfahren

Argentinien hat vor dem New Yorker Berufungsgericht seinen Einspruch gegen das Urteil zur Zahlung von 1,3 Mrd. US-$ an den Geierfonds NML Capital verloren. Die Folgen dieses Urteils (wenn der Oberste Gerichtshof es nicht noch kassiert) für das internationale Schuldenmanagement im Allgemeinen hat Nobelpreisträger Joe Stiglitz in einem Kommentar für den Guardian schön auf den Punkt gebracht: Ohne einen verlässlichen Rahmen für umfassende Entschuldungsverfahren wird das Urteil künftig informelle Entschuldungen wie im Pariser Club z.B. unmöglich machen, weil Gläubiger nun die Hoffnung haben, für alle Zeiten Vermögen des Schuldnerlandes pfänden zu können.

27. Februar 2013: Noch ein entscheidendes Datum für Staatsschuldenkrisen

In den Kalendern von erlassjahr-Aktivist/innen steht der Tag ohnehin schon rot angestrichen: Am 27. Februar jährt sich zum sechzigsten Mal die Entschuldung Deutschlands im Londoner Schuldenabkommen von 1953.

Ironischerweise wird in New York an diesem Tag auch noch in einem anderen Zusammenhang (aktuelle) Schuldengeschichte geschrieben werden. An diesem Tag wird voraussichtlich das Berufungsgericht darüber entscheiden, ob das Urteil des Richters Thomas Griesa gegen Argentinien vom letzten Oktober Bestand haben wird. Griesa hatte dem südamerikanische Land verboten, reguläre Zahlungen an seine Anleihegläubiger über ihre New Yorker Treuhand-Bank zu leisten, solange es nicht auch die klagenden Geierfonds bediente. Wichtigster Geier ist der Fonds NML Capital, der argentinische Altanleihen, die nicht in den Schuldentausch von 2005/10 eingebracht worden waren, auf dem Sekundärmarkt gekauft und dann auf volle Rückzahlung geklagt hatte.

Im Dezember hatte ein Berufungsgericht dem argentinischen Einspruch stattgegeben, und das Urteil vorläufig ausgesetzt. Am 27.Februar wird nun entschieden werden, ob die Aussetzung das einstmals überschuldete Land dauerhaft schützt – oder ob der Geier NML und seine gefiederten Freunde mehr als eine Milliarde US-Dollar an Zahlungen von Argentinien erzwingen können.

Die Folgen der Entscheidung könnten noch dramatischer als die des Londoner Schuldenabkommens für Deutschland sein: Muss Argentinien nämlich bezahlen, dann ist das nicht nur ein sehr ärgerlicher Verlust für das ehemals überschuldete Land. Es bedeutet auch, dass diejenigen Gläubiger, die dem bankrotten Argentinien beim Schuldentausch  bis zu 70% ihrer Forderungen erlassen haben, nunmehr die Dummen sind. Entsprechend gering würde künftig die Bereitschaft unter Gläubigern und Investoren sein, sich auf zeitige Schulden-Restrukturierungen einzulassen. Und entsprechend nachdrücklich hatten die US-Regierung und die Federal Reserve vor dem New Yorker Gericht zugunsten Argentiniens ausgesagt.

In der Fachpresse ist aufgehängt an dem argentinischen Fall die Forderung nach einem geordneten und rechtsverbindlichen Insolvenzverfahren für Staaten sehr laut geworden. Dieses würde dann tatsächlich den Aasfressern das Handwerk legen.

"Freiheit an der Kette" – Geierfonds versuchen, argentinisches Eigentum zu pfänden. Berufung erfolgreich

Im Oktober wurde im ghanaischen Hafen Tema das argentinische Segelschulschiff „Libertad“ auf Antrag des Geierfonds NML Capital, der zum Konzern des US-amerikanischen Spekulanten Paul Singer gehört, von den Behörden festgesetzt. NML hatte auf dem Sekundärmarkt argentinische Staatsanleihen gekauft und sich dann nicht an dem von der argentinischen Regierung durchgesetzten Anleihetausch beteiligt. Mehr als 90% der Inhaber argentinischer Anleihen hatten demgegenüber einen Verlust von fast 70% akzeptiert, da der südamerikanische Staat zu Beginn der letzten Dekade schlicht pleite war.

Gefährlicher als die ärgerliche Aktion gegen die „Libertad“ ist aber ein Urteil des Finanzgerichts von Süd-Manhattan, mit dem der Richter Thomas Griesa Argentinien dazu verurteilt hatte, die Holdout-Gläubiger und Geierfonds in mindestens gleichem Umfang („Pari Passu“) auszuzahlen wie die Inhaber der neuen (reduzierten) Anleihen. Das ist für Argentinien sehr gefährlich, denn die neuen Anleihen will der Staat natürlich bedienen, da die Inhaber dem Land ja entgegengekommen sind. Auch hat die inzwischen wieder stark wachsende Nation natürlich ein Interesse daran, zu annehmbaren Bedingungen an die internationalen Kapitalmärkte zurückkehren zu können. Die Wahl, entweder die Geier auszuzahlen oder eine erneute Staatspleite hinzulegen, ist für die Regierung von Präsidentin Fernandez de Kirchner alles andere als attraktiv.

Am 29.November gab es dann eine – allerdings nur vorläufige – Entwarnung. Das Berufungsgericht hat dem argentinischen Einspruch stattgegeben und den Spruch des Richters Griesa erst mal ausgesetzt, so dass Argentinien die für den 15. Dezember vorgesehene Zahlung an seine legitimen Gläubiger erst mal tätigen kann. Dies geschieht über ein Treuhandkonto in New York, da die neuen Anleihen bei der US-amerikanischen Börsenaufsicht SEC registriert sind – genau das Konto, auf das NML hatte zugreifen wollen.

Bemerkenswert ist dabei die Interpellation von Inhabern der neuen Forderungen vor dem Berufungsgericht. Die solidarisierten sich natürlich mit ihrem Schuldner Argentinien  und hatten für das Gebahren des Geiers weniger als kein Verständnis.

Eine ausführlichere Darstellung des argentinischen Falls und zum Geschäftsmodell der Geierfonds erscheint in der nächsten Ausgabe des Infobriefs Weltwirtschafts und Entwicklung, und steht jetzt schon im Netz.