Tokio Tagebuch I: 9. Oktober: Verdächtig harmonisch alles hier

In dieser Woche findet in Tokio die Jahrestagung von IWF und Weltbank statt, und für erlassjahr.de und unsere Partner im EED bin ich mit einem Roundtable-Gespräch am Donnerstag Nachmittag dabei. 

Für ein absolutes Tokio-Greenhorn bin ich ganz gut angekommen. Flug mit SAS, die keine Durchsage ungenutzt ließ, um darauf hinzuweisen, dass sie Europas pünktlichste Airline sei; und tatsächlich: auf die Minute heute morgen um halb zehn betrat ich zum erst Mal in meinem Leben japanischen Boden.

Wenn man keinen Zeitstress hat, und die 60km vom Flughafen in die Mitte der großen Stadt im Shinkansen-Tempo zurücklegen muss, dann macht es sogar Spass, die kleinen lateinischen Unterzeilen unter den japanischen Metro-, U- und S-Bahn-Informationen zu identifizieren und in die richtige Bahn nicht nur ein-, sondern an der richtigen Stelle auch wieder auszusteigen.

Zur Mittagszeit hatte mir der höflich lächelnde Mensch in der Rezeption des Hotels, das unten so aussieht, als müssten aber spätestens morgen die Handwerker kommen, für den Rest der Woche knapp 60.000 Yen abgeknöpft. Oben war es dann sehr gepflegt: ein Riesen-Bett in einem Zimmerchen, von dem ich sicher bin, dass seine Grundfläche kleiner ist als die des Bettes. Internet-Zugang dafür einwandfrei, überall kleine Fläschchen mit Duftwässerchen, Pomaden, Seifen und bei manchen weiss ich auch nicht genau. Der Lokus hat einen Knopf, bei dessen Betätigung einem der Hintern abgespült wird. Ein echter Überraschungseffekt – besonders, wenn man irrtümlich in Richtung “kalt” dreht.

Bei der Registrierung stelle wurde ich dann mit einem einlass-gewährenden Badge in Quietschrosa ausgestattet. Die Weltbank hat mein Bild seit meiner allerersten Tagung offenbar gespeichert. Sehr schmeichelhaft.

So weit die Rahmenbedingungen. Die Tagung selbst hat vorläufig noch Luft nach oben: Wir NROs hätten gerne beim Treffen der Commonwealth-Finanzminister zum Thema “Schuldenprobleme in Kleinen Verwundbaren Ökonomien” zugehört, aber rosa Schilder wurden nicht zugelassen. Dafür überschüttet uns das NRO-Liaison-Büro der Weltbank mit Aufmerksamkeiten: Ungefragt bekamen wir für unser FTAP-Side-Event am Donnerstag eine japanische Simultanübersetzung. Wie alle registrierten Teilnehmer, bekam ich wieder mal eine schicke Konferenztasche – mit der jeder zweite Mensch durch den Glaspalast des Tokyo International Forum wandert. Und an fast jeder Ecke des Palastes steht entweder ein Polizist in Habachtstellung oder eine hübsche junge Japanerin, die hofft, dass man sie anspricht, um sie nach dem Weg nach irgendwo zu fragen.

Da wir beim Commonwealth nichts ausrichten konnten, haben wir, die Kolleginnen von SLUG aus Norwegen, EURODAD und ich, uns in die Begegnungsveranstaltung der Zivilgesellschaft mit den Exekutivdirektoren der Weltbank gesetzt. Das war grauenhaft: Ein gut besuchter riesiger Saal, zwei Stunden Frage und Antworten, und

Sieht öde aus und war es auch: Weltbank trifft Zivilgesellschaft / © erlassjahr.de

von den Inhalten her war es unmöglich zu entscheiden, wer Frager und wer Antworter ist. Alle betonten in einer Tour, wie wichtig die Zivilgesellschaft für die Arbeit der Weltbank sei, wie dankbar die Banker sind, dass wir alle da sind; für mehr Gerechtigkeit für Frauen sind wir aber so was von alle, Partizipation – ja aber claro. Viel mehr mit der Weltbank reden sollen wir – noch mehr als wir das verdienstvollerweise ohnehin schon tun. Ich glaube, es gab in 90 Minuten nicht eine einzige Wortmeldung, bei der NGOs und Welt-Banker unterschiedlicher Meinung waren. Sind wir bei erlassjahr.de womöglich genauso und merken es nicht?

Vor dem Abendessen und Einschlafen kommt dann zum Glück noch eine Mail von einem mir bislang nicht bekannten japanischen Anti-IWF-Bündnis. Morgen ist eine Demo: Wenn ich es richtig verstehe, beginnt sie in der U-Bahn. Hoffentlich schaffe ich das morgen zwischen zwei Seminaren….

NRO-Treffen mit dem deutschen G8-Sherpa Bernd Pfaffenbach

Mit etwas Verspätung (sorry) kommt hier der Bericht über das Treffen mehrerer Entwicklungs- und Umwelt-NROs mit dem deutschen Staatssekratär Pfaffenbach, welcher für die Vorbereitung des G8-Gipfels verantwortlich ist.
NGO TREFFEN MIT G8 SHERPA DR. PFAFFENBACH – 02.06.2009
Es ist schon eine Tradition, dass sich die größeren Nichtregierungsorganisationen mit dem Beauftragten der Regierung für die Vorbereitung des nächsten G8 Gipfel vorher zu einem Austausch treffen. Zunächst berichtet der „Sherpa“ über den Stand der Vorbereitungen:
• die logistischen Schwierigkeiten mit dem hastig veränderten Tagungsort L’Aquila;
• die veränderte Tagesordnung: nur ein Tag für die G8 Regierungschefs unter sich, dann G8 + 5 inklusive China, Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika; später ein Gespräch mit anderen afrikanischen Regierungschefs;
• die Themenschwerpunkte Wirtschaftskrise und Klima;
• die Sonderwünsche des Gastgebers Italien: zur Berechnung der Entwicklungshilfe alle Finanzströme zusammenzuberechnen: ODA, Private Investitionen, Marktzugang, alles außer Militäreinsätzen, ein Vorschlag, der kaum ernst genommen werde.

In der offenen Runde dürfen dann Fragen und Forderungen eingebracht werden. Viele bezogen sich auf den Klimawandel und die kommende Klimakonferenz von Kopenhagen. Für Erlassjahr.de war es wichtig, auf die Gefahr einer neuen Schuldenkrise hinzuweisen und anzufragen, in wie weit die Bundesregierung beim G8 Gipfel auf die Dringlichkeit eines internationalen Insolvenzverfahrens hinzuweisen. Die Antworten versuchten das Problem abzuschwächen: Die USA hätten doch noch viel größere Schulden als alle anderen. Gefährlicher als die willkommenen Kredite von Weltbank und IWF sei doch die großen Finanzflüsse aus China. Die Gefahr sei eher gering, weil die Zinsen so niedrig sind. Die große Hoffnung sei, dass die Kreditspritzen die Wirtschaft der ärmeren Länder so ankurbeln, dass sie die Kredite wieder zurückzahlen könnten. Und im übrigen müsse man erst mal abwarten, wie sich die Situation entwickelt, und, wenn nötig, das Problem in anderthalb bis zwei Jahre noch mal diskutieren.

Es sieht so aus, als ob für das zentrale Anliegen von Erlassjahr, ein internationales Insolvenzrecht, auf dem nächsten G8 Gipfel kaum Raum zu sein scheint.

Die andere, seit kurzem diskutierte Idee, eines Moratoriums für Länder mit akuten Zahlungsschwierigkeiten durch die Finanzkrise war für die meisten völlig neu.

Die Bundesregierung ist wohl überzeugt, dass es einen Bedarf für eine umfassende Schuldenregelung gibt, aber sieht das wohl zum jetzigen Zeitpunkt kaum als prioritär.

Wolfgang Schonecke