Vor der Wahl: Alle Parteien noch immer für Entwicklungshilfe an Saddam, Mobutu und Co

Im Gespräch mit den Entwicklungspolitiker/innen der Fraktionen gab es in den letzten vier Jahren einige wirkliche Fortschritte, und zwar bei nicht nur den linken, sondern bei allen Parteien. Der wichtigste davon ist die übereinstimmende Unterstützung aller für ein Internationales Insolvenzverfahren.
An einem Punkt indes gab es trotz intensiver Diskussionen, vor allem zu Beginn der Legislaturperiode, überhaupt keinen Fortschritt: Alle, außer der Linkspartei, die sich nach unserer Kenntnis zu dem Punkt nicht geäußert hat, beharren darauf, Schuldenerlasse auf die Entwicklungshilfe- („ODA-„)Quote anzurechnen. Die Begründung ist stets: Schuldenerlasse setzen reale Mittel für die Entwicklungsfinanzierung frei; deswegen ist es ODA.
Die Wirklichkeit ist leider nicht ganz so einfach. Es stimmt, dass durch Schuldenerlasse neue Finanzierungsspielräume entstehen, und weil diese den Budgets der verschuldeten Länder zugute kommen, sind sie eine sehr effiziente Form der Unterstützung. Praktisch nirgendwo sind diese Spielräume aber identisch mit den erlassenen Summen. Schließlich brauchen Länder Schuldenerlasse, weil sie ihren Schuldendienst nicht mehr aufbringen können. Gerade in den ärmsten Ländern lagen vor dem Schuldenerlass die Zahlungsrückstände bei bis zu 90% der geschuldeten Summen. Das heißt: für 10 Cent, die nicht mehr in den Schuldendienst fließen, rechnet die „großzügige“ Bundesregierung sich einen Euro auf ihre Entwicklungshilfe an. Der Irak zum Beispiel, der von Deutschland einen der größten Schuldenerlasse überhaupt bekam, zahlte seit Saddams Krieg gegen Kuwait überhaupt nicht mehr.
Und das ist der zweite Punkt, der die Anrechnungspraxis so unappetitlich macht: Wenn jetzt keine neuen Spielräume für Entwicklungsfinanzierung entstehen, dann bedeutet das nicht anderes, als dass durch den Schuldenerlass die ursprünglichen Kredite in Schenkungen umgewandelt werden. Im Fall des Irak ist das die rege Bautätigkeit der deutschen Industrie im Interesse von Saddams Kriegsinfrastruktur oder die Bereitstellung von Rüstungselektronik durch deutsche Firmen. Im Fall der Forderungen aus den USA, Frankreich und Russland auch ganz direkt die Waffenlieferungen an den Diktator. Die Dankbarkeit der geschundenen irakischen Bevölkerung für diese „Entwicklungshilfe“ dürfte sich in Grenzen halten. Und selbst, dass die Deutschen darauf verzichten, auf Jahrzehnte hin der schwachen irakischen Regierung die Öleinnahmen zu pfänden, um sich ihre Geschäfte bezahlen zu lassen, wird man am Euphrat und Tigris nur begrenzt als Großzügigkeit empfinden.
Wir finden, auch Ehrlichkeit ist ein hohes Gut in der Politik, und eine verfehlte Erfüllung der ODA-Zusagen wäre nicht schön gewesen, aber besser als eine erschummelte.