Wirklichkeit der Entwicklungshilfe

Die Welthungerhilfe und terre des hommes Deutschland haben gestern den 16. Bericht zur Wirklichkeit der Entwicklungshilfe in Berlin vorgestellt. Sie kritisieren darin den Rückgang der öffentlichen Entwicklungshilfe der Industriestaaten von 104,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2006 auf 103,7 Milliarden US-Dollar (2007). Damit verletze die Gebergemeinschaft ihre im Rahmen der EU und auf G8-Gipfeltreffen getroffenen Selbstverpflichtungen, erklärten die beiden Nichtregierungsorganisationen. Sie befürchten weitere Einschränkungen durch die aktuelle Finanzkrise. Eine Einschätzung, die erlassjahr.de in seinem neuesten Fachinfo zur Auswirkung der Finanzkrise auf die Entwicklungsländer teilt.

Konkret kritisiert der Bericht, daß real nur ein Fünftel der deutschen Entwicklungshilfe in die Länder, die die Hilfe benötigen, fließt: Ein großer Teil wird unter dem Posten Verwaltungskosten verbucht. Zudem werden die Kosten, die für die Aufnahme ausländischer Studenten in Deutschland anfallen, als Entwicklungshilfe verbucht. Und ein weiteres alt bekanntes Hauptproblem: auch Schuldenerlasse für arme Länder werden weiterhin als Entwicklungshilfe berechnet. Dieser Posten lag im Jahr 2007 bei immer noch 23%!

erlassjahr.de fordert vor diesem Hintergrund noch einmal die Bundesregierung dazu auf, Schuldenerlasse nicht in die offizielle Entwicklungshilfe einzuberechnen. Die Anrechnung der Schuldenerlasse ist schließlich keine echte Entwicklungshilfe, denn es fließen keine zusätzlichen Gelder, z.B. zur Armutsbekämpfung, in die verschuldeten Länder. Zugleich sollten die Industrienationen vor dem Hintergrund der Finanzkrise ihre Anstrengungen im Bereich der Entwicklungshilfe für die kommenden Jahre erhöhen, ansonsten sind die Millennium Entwicklungsziele nicht zu erreichen. Dabei zählt vor allem der politische Wille. Schließlich ist es dem deutschen Bundestag ja auch gelungen innerhalb einer Woche ein 500-Milliarden-Rettungspaket für die angeschlagenen Banken durch die Ausschüsse zu bringen. Für die ärmsten Menschen der Welt sollte dies auch möglich sein – wenn man denn wirklich will.

Schuldenerlass-Umsetzung in Kamerun

Das afrikanische Land Kamerun war u.a. auf Grund einer Wirtschaftskrise in den 90er Jahren im Ausland hochverschuldet. Im Jahre 2005 betrug die Auslandsverschuldung noch 10,632 Mrd. US-Dollar. Im Rahmen der HIPC-Initiative für hochverschuldete arme Länder ist Kamerun inzwischen weitreichend entschuldet worden. So lag der Schuldenstand Ende 2006 bei nur noch 3,1 Mrd US-Dollar, Deutschland allein hat dem Land 1,4 Mrd. Euro an Schulden erlassen. Gleichzeitig macht das Land hinsichtlich der Demokratisierung Rückschritte. So kam es bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Jahre 2007 zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten und der seit 1982 amtierende Präsident Paul Biya hat durch eine Verfassungsänderung seine potentielle Wiederwahl im Jahre 2011 ermöglicht. Vor diesem Hintergrund hatte die FDP-Fraktion eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zur Entwicklungszusammenarbeit mit Kamerun gestellt.

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Barack Obama und illegitime Schulden

Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama will im Falle seiner Präsidentschaft dem Thema illegitime Schulden eine hohe Gewichtung einräumen. In seinem Strategiepapier zur „Förderung der globalen Entwicklung und der Demokratie“ legt er sich deutlich fest: „Als Präsident wird Barack Obama das Thema „odious debts“ (verabscheuungswürdige Schulden) multilateral angehen und Untersuchungen vorantreiben, wie durch Kreditsanktionen (loan sanctions) Anreize geschaffen werden können, die private Kreditgeber davon abhalten, repressiven und autoritären Regimen Geld zu leihen.“

erlassjahr.de hat das Strategiepapier von Obama ausführlich analysiert und als Fachinfo Nr. 18 publiziert. Es kann auf unserer Homepage heruntergeladen werden.

Papst Benedikt fordert Schuldenerlass

Papst Benedikt XVI. hat sich für einen Schuldenerlass für afrikanische Staaten ausgesprochen. Eine Erleichterung oder Aufhebung der Schuldenlast sowie eine gerechtere Verteilung der Güter seien nötig, um Ländern wie Kamerun wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung zu ermöglichen, betonte der Papst beim Empfang des neuen kamerunischen Botschafters, Antoine Zanga, am Montag im Vatikan.
Die Staatengemeinschaft müsse durch ihre Hilfsmaßnahmen und eine gerechte globale Wirtschaftspolitik “den Teufelskreis von Unterentwicklung und Armut durchbrechen”, so der Papst. Zudem verlangte er mehr internationale Aufmerksamkeit für die sozialen Folgen von Überschwemmungen, Klimaveränderung, Seuchen sowie Kriegen und Terrorismus in den armen Ländern.

Papst Benedikt steht mit seiner Forderung in enger Tradition zu seinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. Selbiger hatte 1999 mit seiner Forderung nach einem Erlaßjahr zur Jahrtausendwende einen wichtigen Anstoß für die globale Entschuldungsbewegung gegeben.

Russland erlässt Libyen Schulden

Russland hat Libyen Schulden in Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar erlassen. Bei diesen Schulden aus der Sowjet-Zeit soll es sich um Ausstände “rein militärischer” Art gehandelt haben, so der russische Finanzminister Alexej Kudrin.  Im Gegenzug haben russische Firmen Millarden-Verträge mit Libyen erhalten. Diese sollen sowohl Rüstungs- und Ölgeschäfte als auch den Bau einer 500 Kilometer langen Eisenbahnstrecke zwischen Syrte und Benghasi beinhalten. Die Abschreibung der Schulden werde endgültig vollzogen, nachdem Libyen die geschlossenen Verträge mit den russischen Unternehmen bezahlt habe, hies es aus russischen Regierungskreisen.

Pariser Club erlässt Liberia 254 Millionen Dollar Schulden

Wie erwartet hat der Pariser Club beschlossen dem afrikanischen Land Liberia einen Teil seiner Schulden zu erlassen. 254 Millionen US-Dollar wurden erlassen, welche nun in Programme zur Armutsreduzierung in Liberia fliessen sollen. Der Pariser Club reagiert damit auf die Ankündigung des Internationalen Währungsfonds Liberia wieder als reguläres Mitglied aufzunehmen. Zudem hatte Liberia im März den Decision Point im Rahmen der HIPC Initiative erreicht. Gleichzeitig hat die US-Regierung angekündigt Liberias komplette bilaterale Schulden in Höhe von 430 Millionen US-Dollar zu erlassen. Die USA wollen so den wirtschaftlichen und politischen Wandel des Landes unterstützen, der unter der Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf eingeleitet worden ist.

Russland erlässt Irak Schulden

Russland hat dem Irak knapp zwölf Milliarden US-Dollar Schulden erlassen. Das sind 93 Prozent der gesamten irakischen Schulden gegenüber Moskau. Ursprünglich war lediglich von einem Erlass in Höhe von 80 Prozent die Rede gewesen. Russland hatte sich als Mitglied des Pariser Clubs verpflichtet, einen Teil der Auslandsschulden des vom Bürgerkrieg geschüttelten Irak zu erlassen. Es wird gemutmaßt, dass der nun deutlich höher ausgefallene Schuldenerlass auf Hoffnungen Russlands beruhen könnte, staatlichen russischen Ölfirmen Aufträge im Irak zu vermitteln.

Pariser Club erlässt Schulden von Gambia

Der Pariser Club erlässt dem hochverschuldeten afrikanischen Land Gambia einen Teil seiner Schulden. Insgesamt wurden 11,64 Millionen US-Dollar an Schulden gestrichen, damit bleiben Restschulden in Höhe von ca. 29 Millionen US-Dollar bestehen.

Voraussetzung für diesen Schritt war, dass Gambia im Dezember 2007 den Completion Point unter der HIPC-Initiative erreicht hatte. In dessen Rahmen wurden Schulden in Höhe von 140 Millionen US-Dollar gegenüber der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond erlassen.

Gambia hat sich nun für einen weiteren Schuldenerlass im Rahmen der Multilateralen Entschuldungsinitiative (MDRI) qulifiziert. Am Ende dieses Prozesses sollen dadurch Schulden in einer Gesamthöhe von 514 Millionen US-Dollar erlassen worden sein.

Gambia will die freigewordenen Gelder insbesondere für die Armutsbekämpfung im Land nutzen. 1/3 der Bevölkerung Gambias ist chronisch unterernährt, ungefähr 60% leben von weniger als einem US-Dollar am Tag. Noch im Jahre 2005 hatte Gambia jährlich 29 Millionen US-Dollar für seinen Schuldendienst aufbringen müssen.
Nähere Informationen rund um die Schuldenerlassinitiativen finden Sie unter https://erlassjahr.de/themen/entschuldungsinitiativen/hipc-mdri/hipc.html

Bitte um Stellungnahme: Entwicklungshilfemitttel für Schuldenerlass?

In ihrer Bewertung der G8-Ergebnisse hat sich DATA dafür eingesetzt, dass die G8 und andere Industrieländer die Entschädigung von Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank und IWF für ihre Schuldenerlasse gemäß des Regeln der Entschuldungsinitiative MDRI sicherstellen sollen. Bono’s Mannen fürchten wohl nicht zu Unrecht, dass Weltbank & Co einfach den Erlass für Länder verweigern werden, wenn sie keine Entschädigung erhalten. Der IWF hat Ähnliches schon gemacht. Die Leidtragenden sind dann die zu entschuldenden Länder.

erlassjahr.de wehrt sich dagegen, dass die Finanzinstitutionen auf diese Weise die ärmsten Länder als Geisel nehmen. Dass die IFIs für ihre verfehlte Ausleihpolitik in der Vergangenheit sich nun an den Entwicklungshilfehaushalten ihrer Mitglieder schadlos halten, ist u.E. ein echter Anreiz zu ebenso verantwortungslosem Gläubigerverhalten in der Zukunft, und widerspricht dem Prinzip, dass Schuldenerlasse zusätzlich zur Entwicklungshilfe gewährt werden sollen. Also: lieber jetzt auf den Erlass verzichten (manche zahlen ohnehin nicht), und, wenn die Weltbank große Einnahmeausfälle hat, dann soll sie eben pleite gehen.

Soll ej an diesem Punkt “hart bleiben” oder zusammen mit DATA die Entwicklungsministerin zur Entschädigung von Weltbank und Co auffordern?