Der IWF und seine kleinen unbedeutenden Kunden. Heute: Burundi

Zuletzt hatten wir im Fall Gambia gesehen, wie der IWF mit kleinen, praktisch einflusslosen Ländern umgeht, die von seinen Finanzierungen abhängig sind. Auch Burundi ist diesbezüglich ein interessanter Fall, den wir uns schon öfter angesehen haben. Die letzte Article IV-Konsultation mit dem kleinen ostafrikanischen Land, hat noch einmal unterstrichen, was wir alle seit der unzureichenden Entschuldung unter HIPC/MDRI längst wissen: Das Land ist „hoch gefährdet“, erneut in die Überschuldung zu geraten. Deswegen gibt es in Sachen neuer Kreditaufnahme nur eines: „In this context, continued reliance on grants and highly concessional loans remains a priority.

Nun wäre es schön, wenn der IWF sich selbst an diese, seine Vorgaben auch hielte.

Das tut er aber nicht. Vielmehr hat der Vorstand des IWF zusammen mit dem der Weltbank einem nicht ausreichend konzessionären Kredit für einen von Indien zu bauenden und zu (ko-)finanzierenden Staudamm im Wert von 80 Millionen US-$ ausdrücklich zugestimmt.

Unsere Anfragen, warum dies geschah, was an dem Staudamm so toll ist, dass man vorsichtigste Kreditaufnahme zwar anmahnt, aber ansonsten ignoriert, blieben sowohl aus dem BMZ (Verantwortung für die Weltbank) als auch aus dem BMF und der Bundesbank (Verantwortung für den IWF) bislang unbeantwortet.

Da wir uns überhaupt gar nicht vorstellen können, dass bei der Finanzierungs-Entscheidung vielleicht unkoschere Dinge passiert sein könnten, ein indischer Financier womöglich Druck ausgeübt hat, haben wir angenommen, dass vielleicht die Situation Burundi’s etwas weniger dramatisch sei als wir bislang angenommen hatten. Vielleicht verbessern sich die Schuldenindikatoren ja bereits, so dass Spielräume für nützliche Infrastrukturinvestitionen entstanden sind.

Nun ja…

Anfang August publizierte der Fonds seine eigene Vorhersage für den Schuldendienst des Landes im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen.

Zur Erinnerung: Bei 10% liegt aktuell für Burundi die Untragbarkeitsgrenze gemäß des Debt Sustainability Frameworks von IWF/WB. Und unter 5% liegt derzeit der Schnitt aller entlasteten HIPCs – gleichzeitig übrigens wie auch das, was erlassjahr.de und andere unabhängige Beobachter für ein so fragiles Land für einen tragbaren Schuldendienst halten.

Schuldentragfähigkeit in einem kleinen Land. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott des IWF nicht zu sorgen.

Im vergangenen Jahr hatte eine Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF einen vollkommen unzureichenden Schuldenerlass für Griechenland als ausreichend legitimiert. In diesen Tagen erleben wir, wie sich alle Annahmen des Fonds und seiner Troika-Kollegen in Luft auflösen, und Griechenland nach dem „Schuldenerlass“ wieder zum heißen Kandidaten für eine Staatspleite wird.

Es fällt schwer, zu schrieben, dass die Griechen eigentlich noch gut davon gekommen sind. Aber so ist es. Wie der IWF mit ärmeren und weniger spektakulären Schuldenern umgeht zeigt die jüngste Tragfähigkeitsanalyse für das kleine westafrikanische Gambia:

Das Land war 2007 unter der HIPC/MDRI-Initiative entschuldet worden, hatte aber die danach im Rahmen des Debt Sustainability Framework vom IWF definierte Tragfähigkeitsgrenze von 100% Barwert der Gesamtverschuldung im Verhältnis zu den jährlichen Exporteinnahmen niemals erreicht. Bis 2012 kletterte die Verschuldung wiederum auf 199%, um danach kontinuierlich abzunehmen. Die Indikatoren nehmen immer ab in den Vorhersagen des IWF, weil in dessen Modellrechnungen Länder sich an die unfehlbar segensreichen Vorgaben des Fonds minutiös halten werden, und überhaupt alles besser wird.

In der Wirklichkeit ist bislang noch niemals alles besser geworden, und der Fonds würde große Schwierigkeiten haben, ein einziges Land zu finden, für dessen Schuldenstand heute die Vorhersagen von – sagen wir mal – 2007 der Realität entsprechen.

Immerhin räumen die Rechenkünstler aus Washington ein, dass nach dem Baseline-Szenario Gambia’s Auslandsschulden bis zum Ende des doch recht langen Vorhersage-Zeitraums im Jahr 2031 nicht auf das tragfähige Niveau von 100% fallen werden.

Allerdings – und da wird es dann wirklich lustig – weist eine kleine Fussnote auf S.5 des Dokuments darauf hin, dass nach 2031 ein wirklich tragfähiges Niveau erreicht sein wird.

Also, liebe Gambier: Haltet einfach noch schlappe 19 Jahre durch, lasst Euch nicht dadurch entmutigen, dass der eine fehlende Streichung dieser untragbaren Schulden nach einer vom IWF veröffentlichten Studie Euch noch knapp zwei verlorene Entwicklungsjahrzehnte mit schwachem Wachstum infolge eines übermäßigen Schuldendienstes einbringen wird. Am Ende wird die Sonne über Euch aufgehen.

Sofern Ihr dann noch lebt.

Griechenland nach den Wahlen: Die Populisten haben gewonnen

Nach dem knappen, aber durch das Wahlrecht etwas „ausgebauten“ Sieg der Konservativen bei der Parlamentswahl in Griechenland, ging ein Aufatmen durch die deutschen und die internationalen Medien. Eine Pro-Euro-Koalition habe gegen die „Populisten“ von Syriza gewonnen, Griechenland bleibe auf (Spar-)Kurs, heisst es. Und da wird es schon sehr unappetitlich.

Denn deutsche Medien – bis hin zur ansonsten seriösen Financial Times Deutschland – hatten Syriza als eine Partei dargestellt, die das hochverschuldete Land aus dem Euro herausführen würde. Das war in jeder Beziehung Unsinn. Ökonomisch gäbe es für Griechenland durch einen Austritt viel zu verlieren (nicht zuletzt gewaltige Kosten einer Währungsumstellung selbst), aber wenig zu gewinnen. Politisch könnte niemand auf der Grundlage der existierenden Verträge dem Land den Euro „wegnehmen“ wie einem unbotsamen Kind das Spielzeug. Genau dies wurde von den Medien aber anhaltend nahegelegt. Und schließlich hatte Syriza, zuletzt mit einem Kommentar ihres Chefs Alexis Tsipras in der FTD selbst, deutlich gemacht, dass man keinesfalls die Absicht habe, den Euro aufzugeben. Was, um alles in der Welt hätte der Mann denn noch tun müssen, damit ihm geglaubt wird??

Die Griechen waren haarscharf davor, einen keineswegs einfachen, aber verheißungsvollen Neustart zu schaffen. Syriza hatte die Forderung nach einer Schuldenkonferenz erhoben, bei der die Tragfähigkeit der Auslandsschulden überprüft werden und gegebenenfalls eine ausreichende Restrukturierung auf den Weg gebracht werden sollte. Nach gut zwei Jahren Insolvenzverschleppung und einem Schuldenschnitt von dem jeder weiss, dass er nicht ausreichen wird, wäre das endlich eine Alternative zum Weiterwursteln zwischen den Alten Eliten von ND, PASOK und Co. und ihren freundlichen Gläubigern in Berlin und Brüssel.

Selbst der IWF geht davon aus, dass im besten aller Fälle Griechenlands Schulden mit den bisherigen Massnahmen auf 120% – wahrscheinlicher: 129% – des BIP bis 2020 reduziert werden können. Wichtige Privatgläubiger halten heute einen zweiten Schuldenschnitt für unvermeidlich, bei dem nicht nur die ursprünglichen privaten Forderungen, sondern auch die aus den öffentlichen Rettungspaketen zur Disposition stehen müssen. In der Tradition ihrer Politik seit dem Krisenausbruch 2009 haben die Altparteien in Griechenland, die Bundesregierung, die EU und die Mainline-Medien so getan, als gäbe es diese Bedrohung gar nicht, und der wählenden Bevölkerung vorgegaukelt, wenn sie die Finger nur von den erschröcklichen Linksradikalen ließen, würde schon alles gut werden.

Das nennt man Populismus. Es ist unverantwortlich. Und damit sind sie (vorerst) durchgekommen.

„Das ganze Elend“

Am vergangenen Freitag, den 21.10.2011, leitete der IWF im Namen der gesamten Troika den europäischen Regierungen seine Schuldentragfähigkeitsanalyse zu Griechenland zu.

Die gute Nachricht ist, dass der IWF nicht einmal mehr versucht, den Eindruck zu erwecken, Griechenland käme ohne einen weit reichenden Schuldenerlass zurecht. Die schlechte Nachricht ist alles andere.

Der IWF entwickelt ein gegenüber seinen Vorhersagen in der ersten Jahreshälfte „revidiertes Basis-Szenario“. Dessen Eckpunkte sind:

  • eine um 5,5% schrumpfende Volkswirtschaft in 2011; weitere Schrumpfung um 3% in 2012, und anschließend ein sich nur langsam wieder aufbauenes Wirtschaftswachstum von 1,25% in 2013/4 auf bis zu 2,6% bis 2030;
  • Privatsierungserlöse von 46 Mrd. € bis 2030 statt des bisher angenommenen 66 Mrd.;
  • Das aktuelle fiskalische Defizit vor Schuldendienst („Primärdefizit“) von 5% soll sich gleichwohl schon 2013 in einen Überschuss von 1,4% des BIP verwandeln.
  • Frühestens 2021 kann unter diesen Umständen wieder eine Finanzierung über den Kapitalmarkt erfolgen – vorausgesetzt, dass der im Juli vereinbarte Schuldenschnitt von 21% bei den Privatgläubigern umgesetzt wird.

Unter den genannten Voraussetzungen, bei uneingeschränkter Umsetzung aller mit dem IWF vereinbarter Maßnahmen und bei Abwesenheit jeglicher externer Schocks, würde in diesem Szenario der Schuldenstand bis 2013 weiter auf 186% des Bruttoinlandsprodukts steigen, danach bis 2020 auf 152% und bis 2030 auf 130% fallen. Das heißt: Griechenland würde rund 20 Jahre lang keinerlei wirtschaftspolitischen Spielraum haben, die Bevölkerung würde allenfalls minimale wirtschaftliche Verbesserungen erleben – und das auch nur, wenn 20 Jahre die Weltwirtschaft störungsfrei wächst, es keine Erdbeben, Exportpreiseinbrüche und Ölpreisschocks gibt. Dass es so kommt, glaubt nicht einmal der IWF!

Also rechnet er alternative Szenarien durch. Was auch immer schief geht – niedrigerer Primärüberschuss, geringere Privatsierungserlöse, schwächeres Wachstum, höhere Kosten für die öffentlichen Hilfskredite infolge eines Zinsanstiegs in Deutschland – nichts von alledem könnte Griechenlands Wirtschaft mit der bislang zugesagten Unterstützung auffangen. Es wäre umgehend wieder zahlungsunfähig.

Konsequenz: der IWF verlangt „umfassende öffentliche Unterstützung zu großzügigen Bedingungen und zusätzlichen privaten Schuldenerlass“. Bis zu 444 Mrd. € zusätzlicher Unterstützung können unter den widrigsten Bedingungen notwendig sein. Nur, wenn der Privatsektor sich mit mindestens 60% Schuldenstreichung an dem Paket beteiligt, kann die öffentliche Unterstützung bei den vorgesehenen 109 Mrd. bleiben.

Und da wird aus der grottenschlechten Nachricht fast schon wieder eine gute: Das ganze elende Gequatsche der letzten 18 Monate, einen Schuldenschnitt dürfe es auf gar keinen Fall geben, weil sonst Griechenland sonst nie mehr einen Kredit bekäme und überhaupt die ganze Eurozone zusammenbräche, hat sich unter dem Druck der Fakten in Luft aufgelöst.

Das hätte man im Sommer 2010 deutlich billiger haben können!

Ecuador-Tagebuch: Über die Kommission hinaus

Ecuador hat nicht nur mit Illegitimen Schulden ein Problem. Die neue Finanzministerin Wilma Salgado sieht auch Handlungsbedarf im Blick auch die mittelfristige Schuldentragfähigkeit eines Landes, das in hohem Masse vom Ölexport abhängig, großen Umweltrisiken ausgesetzt ist und dessen politisches System sich im Moment in einer Umbruchsphase befindet. Kurzfristiger Handlungsbedarf besteht, um sichtbar zu machen, dass die Regierung Correa bei allen internen Schwierigkeiten gegenüber den ausländischen Gläubigern etwas bewegen kann – auch, wenn manche aufgeregte Ankündigungen aus dem Bereich der Regierung hinsichtlich der Nichtzahlung aller Schulden sicher nicht umgesetzt werden.

Konkrete Schritte der Umwandlung von Zahlungen an die Gläubiger in Investitionen in die Entwicklung des Landes können in dieser Situation einen hohen politischen Wert haben. In diesem Zusammenhang haben wir über das Debt2Health Programm des Global Fund gesprochen, an dem erlassjahr sich beteiligt. Aber auch die mittelfristige Schuldentragfähigkeit soll in den Blick genommen werden, und das vor zwei Jahren mal zwischen uns und dem BMZ vereinbarte Projekt einer unabhängigen Schuldentragfähigkeitsanalyse könnte in Ecuador eine viel versprechende Neuauflage erleben.

Wer mehr über die erstaunlichen Entwicklungen in Ecuador und die Chancen für eine weiter gehende Entschuldung des Landes wissen möchte, ist herzlich zum nächsten Treffen der Ecuador-AG von erlassjahr.de eingeladen. Ich berichte über Politik, Entschuldung, NRO-Hickhack und die Schönheit der Thermen von Papallacta am Freitag, dem 25.7. ab 11 Uhr bei SÜDWIND in Siegburg, Lindenstrasse 58-60. Nähere Infos bei Irene Knoke: 02242-259547.