Europäischer Währungsfonds? Die Staatspleite auch als solche behandeln

Ein wenig verdeckt von der Frage, wer denn um alles in der Welt noch einen Währungsfonds – diesmal neben dem “Internationalen”  in Washington den “Europäischen” – bezahlen soll, ist durch die Debatte um den EWF auch die nach einer Staateninsolvenz erfreulich dynamisch geworden. In allen Vorschlägen, von dem Papier des Think Tanks CEPS im Februar bis zum jüngsten Vorstoß des Bundesfinanzministers Schäuble wurde stets die Option einer geordneten Staateninsolvenz neben der einer europäischen Refinanzierung von Pleitestaaten und der eines Austritts aus der Währungsunion mitgedacht.
Diese Option ist der interessanteste Teil der ganzen Debatte.
Sicher wird es den Anleihegläubigern in vielen Fällen gelingen, auch künftig europäische Steuerzahler direkt oder indirekt in Haftung zu nehmen, und Rettungs- und Garantiepakete zu erzwingen. Aber durch die Option einer geordneten Insolvenz würde das Risiko einer Staatspleite endlich dort abgeladen, wo es hingehört: nämlich bei denjenigen, die 6,5% Verzinsung in Griechenland für ein interessantes Angebot halten, und um solcher Rendite willen ein Risiko eingehen.
Denn was würde passieren, wenn ein insolventer Staat tatsächlich Insolvenz anmelden könnte: Es würde – etwa nach dem Vorschlag eines Fairen und Transparenten Schiedsverfahrens von erlassjahr.de – von einer neutralen Instanz darüber befunden, welche Zahlungen ein insolventer Staat tatsächlich zu leisten imstande ist. Und alles was darüber hinaus an Forderungen besteht, würde pro rata gestrichen, genau wie es bei einer Unternehmensinsolvenz jeden Tag passiert. Die USA haben mit einem entsprechenden Insolvenzverfahren für überschuldete Gebietskörperschaften (dem Kapitel 9) auch im Bereich der öffentlichen Schuldner sehr gute Erfahrungen gemacht. Das Kapitel 9 dient dazu, eine Insolvenz abzuwickeln, ohne in die verfassungsmäßigen Rechte einer demokratisch gewählten Verwaltung einzugreifen. Eine Balance, die auch im Rahmen europäischer Staatsinsolvenzen erst noch gefunden werden muss – wie die wilde Debatte über die (un)zureichenden Sparanstrengungen der Griechen deutlich zeigt.
Es wäre nämlich reichlich blauäugig anzunehmen, dass wir es allein mit einem griechischen Problem zu tun haben. Geht man von der kritischen Verschuldungsgrenze des Maastricht-Vertrags von 60% des BIP aus, dann liegen weltweit 23 Länder allein mit ihren Auslandsschulden z.T. deutlich darüber, davon 8 in Europa. Und jede Datenaktualisierung hat in den letzten zwei Jahren die Zahl der Pleitekandidaten erhöht.

Kein Insolvenzverfahren für Dubai – sondern….

In dem Emirat am Persischen Golf könnte tatsächlich gelingen, was anderen Ländern mit hoher Auslandsverschuldung seiner privaten Unternehmen schwerer fallen dürfte: Der Staat lehnt es ab, für die 60 Mrd. US-$ Auslandsschulden des ohnehin leicht größenwahnsinnigen Unternehmens “Dubai World” gerade zu stehen. Das kann er machen, ohne dass in dem ansonsten schwerreichen Ölstaat mit gravierenden sozialen Folgen gerechnet werden muss. Selbst ein sofortiger und endgültiger Baustopp für das Palmeninsel-Projekt würde in erster Linie ausländische Arbeiter betreffen, die das Emirat ohne viel Federlesens in ihre Heimatländer zurück verfrachten würde.
Deswegen ist Dubai nicht der nächste Kandidat für das von erlassjahr.de geforderte Staateninsolvenzverfahren.
Eine vergleichbare Konstellation kann in anderen Ländern aber zu durchaus anderen politischen Konsequenzen führen. So bestehen zum Beispiel auch die gut 100 Mrd. US-$ Auslandsschulden der Ukraine zu mehr als 80% aus Verbindlichkeiten privater Unternehmen, für die der Ukrainische Staat formal keinerlei Verpflichtungen eingegangen ist. Prominent dabei: der Gasversorger Naftogaz und die Ukrainische Eisenbahn. Droht einem von beiden tatsächlich die Pleite, ist die Lage für die Regierung in Kiew aber eine andere als die der von Dubai, die auch ohne Palmeninsel-Projekt gut zurecht kommt. Eher würde man sich – im Interesse von Arbeitsplätzen, funktionierender Infrastruktur und warmen Wohnungen im bevorstehenden Winter – so in die Pflicht nehmen lassen, wie die Bundesregierung für die Hypo Real Estate, Quelle und Opel. Mit dem Unterschied, dass der Ukrainische Staat sich nicht so günstig die entsprechenden Mittel auf dem Kapitalmarkt besorgen kann wie die Berliner Regierung.
Am Ende müsste dort durch neue öffentliche Schulden und Einschnitte der ohnehin eher bescheidenen öffentlichen Leistungen die Zeche bezahlt werden. Da wäre ein schnelles und umfassendes Staaten-Insolvenzverfahren allemal die bessere Lösung.